Von der Mutter eine Ehefrau vorsetzen lassen? Das klingt für Unsereins ziemlich meschugge!
Mordechai "Motti" Wolkenbruch ist ein 25 Jahre alter Schweizer, studiert Wirtschaft und arbeitet nebenher in der Versicherungsagentur seines Vaters. Soweit, so normal. Allerdings stammt er aus einer chassidisch-jüdischen ...
Mordechai "Motti" Wolkenbruch ist ein 25 Jahre alter Schweizer, studiert Wirtschaft und arbeitet nebenher in der Versicherungsagentur seines Vaters. Soweit, so normal. Allerdings stammt er aus einer chassidisch-jüdischen Familie und da ticken die Uhren ein wenig anders, ist er doch mit seinen 25 Jahren bald schon überreif für eine Heirat. Also versucht ihn seine Mame (Mutter) mit allen Mitteln an die Frau zu bringen. Zum Leidwesen Mottis schleppt sie sie ihn von einem Schidech zum nächsten (Dates, aus denen bestenfalls eine Beziehung und eine darauf resultierende Heirat hervorgeht), stellt ihm allerdings nur Damen vor, die ihr selber ähneln (inklusive eines großen Tuches = Hinterns). Motti will sich seine zukünftige Frau selbst heraussuchen, verguckt sich aber an der Uni ausgerechnet in eine Schickse (Nichtjüdin) und damit beginnen seine Probleme. Als der Pakt, den er mit Michéle schließt, einem Mitglied aus der jüdischen Gemeinde, die ebenfalls unter den vielen Schidechs leidet, die ihre Mutter organisiert, nämlich so zutun, als hätten sie aneinander Interesse, um ihre Ruhe vor den ewigen Verkupplungsversuchen ihrer Mütter zu haben, wird er zu seinem Rabbi geschickt, damit dieser ihm den Kopf geraderückt. Der schlägt ihm allerdings vor, nach Isreal zu fliegen, denn da wären die jüdischen Frauen anders als die in der Schweiz und man könne sich dort schneller verlieben. Gesagt getan: Motti reist nach Israel, aber statt von dort eine Braut mit heim zu bringen, bringt er die Erkenntnis mit, dass er aus den engen Strukturen des chassidischen Judentums ausbrechen und sein eigenes Leben leben will.
Es heißt ja, man solle seine lokalen Buchhandlungen unterstützen und so ist mein Freund bei einem Besuch in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung hier in Leipzig auf "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" gestoßen. Der Klappentext hat uns beide angesprochen und so haben wir kurz hintereinander dieses lustige, aber auch zeitweilen ernste und traurige Buch gelesen. Da chassidische Juden jiddisch sprechen ist auch das Buch von Thomas Meyer in Jiddisch geschrieben worden, womit ich aber keinerlei Probleme hatte, im Gegenteil. Wenn ich einen Begriff nicht verstanden habe, habe ich im Glossar nachschlagen können oder, wie der Autor auf der Umschlagseite vorgeschlagen hat, das Wort einfach laut vor mich hingesprochen.
Das Buch bietet einen wunderbaren Einblick in die jüdische Kultur, in die Lebensweise und Gedankengänge. Manchmal ist es nötig, dass wir Gojeten (Nichtjuden) über unseren Tellerrand hinauszuschauen und andere Kulturen kennenlernen, um sie besser verstejen zu können und Vorurteile abzubauen. Wie ginge das besser, als mit einem so lustigen Roman zur Verständigung. Der jüdische Humor kann im Übrigen so bissiger oder schwärzer sein, als der britische, nur so zur Warnung.
Und apropos Tellerrand: Das Buch enthält auch ein Rezept für Matzenknödel, dass man nachkochen kann. Schon mal Matzenknödelsuppe gegessen? Nein? Dann besteht hier dringend Nachholbedarf, denn diese schmeckt echt gut. Man kann sie in etwa mit Grießklößchen vergleichen, nur das Matzen keine so trockene Konsistenz hat wie Grieß.
Wie Markus Kavka bei MTV immer so schön sagte: "Haben wir wieder was gelernt."