Ein mitreißend vermitteltes Stück Zeitgeschichte
Bis wir uns wiedersehenFey von Hassell ist die Tochter des Diplomaten Ulrich von Hassell und lebt mit ihrem Mann Detalmo Pirzio-Biroli und den beiden zwei- und vierjährigen Söhnen, Roberto und Corrado, im Castello di Brazzà ...
Fey von Hassell ist die Tochter des Diplomaten Ulrich von Hassell und lebt mit ihrem Mann Detalmo Pirzio-Biroli und den beiden zwei- und vierjährigen Söhnen, Roberto und Corrado, im Castello di Brazzà in Italien. Als ihrem Vater die Beteiligung am Staatsstreichversuch des 20. Juli 1944 nachgewiesen und er infolgedessen am 8. September 1944 hingerichtet wird, ahnt Fey im entfernten Italien noch nichts von alledem. Doch dann wird sie in Sippenhaft genommen. Ihre beiden Söhne werden von der deutschen Regierung verschleppt und unter fremden Namen in einem Kinderheim untergebracht. Die Ungewissheit, was mit ihr und ihren Söhnen passieren wird, zehrt an Fey. Gemeinsam mit anderen Familienangehörigen der Attentäter des 20. Juli beginnt für sie eine Irrfahrt durch Konzentrationslager und andere Orte, an denen die Sonderhäftlinge abgeschirmt werden. Die Gefangenen können sich nie sicher sein, was die bereits am Boden liegende Regierung in den letzten Kriegsmonaten mit ihnen vorhat und ob die nächsten Stunden vielleicht ihre letzten sein könnten.
Nach enger Zusammenarbeit mit der Familie von Fey von Hassell und der Auswertung zahlloser Briefe, Tagebücher und Dokumente, erweckt die Autorin Catherine Bailey in diesem Buch das erschreckende Schicksal von Fey und ihren Söhnen eindringlich zum Leben.
Das Buch beginnt mit einem Prolog, der zunächst etwas distanziert und emotionslos wirkt. Hier wird man allerdings bereits mit einigen Hintergrundinformationen versorgt, die wichtig sind, um die Zusammenhänge zu verstehen, die nötig sind, um diese Geschichte auf sich wirken zu lassen. Schon bald gelingt es der Autorin mühelos, Briefe, Tagebücher und Fakten so mit dem Geschehen zu verflechten, dass man sich dem Ausmaß der unvorstellbaren Odyssee, die Fey, gemeinsam mit den anderen Sonderhäftlingen durchleben musste, nicht mehr entziehen kann. Man wird regelrecht mitgerissen und hat dabei die beschriebenen Ereignisse vor Augen. Die angespannte, bedrohliche Atmosphäre und Feys Verzweiflung über die Ungewissheit, was mit ihren Söhnen passiert ist und ob sie die beiden jemals wiedersehen wird, werden authentisch vermittelt. Man fiebert nicht nur mit Fey mit, sondern mit jedem einzelnen Charakter, der ebenfalls in Sippenhaft genommen wurde. Die Anspannung, nicht zu wissen, was passiert, was der Sinn der Odyssee durch die Lager ist und die Ungewissheit, was die nächste Stunde bringen könnte, ist stets spürbar. Dadurch gerät man förmlich in den Sog der Ereignisse und blickt dabei in tiefste menschliche Abgründe, die zum Nachdenken und Erinnern anregen. Fotos, Landkarten, in denen auch die Route der Sonderhäftlinge eingezeichnet ist, Quellenangaben und Personenverzeichnisse runden das eindringlich geschilderte Schicksal von Fey von Hassell und ihren Söhnen ab.
Ein Stück Zeitgeschichte, das so mitreißend vermittelt wird, dass man es nach kurzer Zeit nicht mehr aus der Hand legen mag. Eine absolute Leseempfehlung, die zum Nachdenken und Erinnern anregt.