Cover-Bild Die Wahnsinnige
(17)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Geschichte und Archäologie - Geschichte
  • Genre: Romane & Erzählungen / Historische Romane
  • Seitenzahl: 208
  • Ersterscheinung: 18.08.2020
  • ISBN: 9783832181277
Alexa Hennig von Lange

Die Wahnsinnige

Roman
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land mit unerbittlicher Härte, sie hat die Mauren vertrieben und lässt Tausende als Ungläubige auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrennen. Sie kann ihr Reich nicht in die Hände einer Tochter geben, die nicht betet, nicht beichtet und der Macht nichts bedeutet. Johanna will nicht über andere herrschen. Alles, was sie will, ist, über sich selbst zu bestimmen. Aber das scheint eine Freiheit zu sein, die nur Männern vorbehalten ist. Als sie mit Philipp dem Schönen ins ferne Flandern verheiratet wird, sieht es für einen Moment so aus, als sei das Unwahrscheinliche möglich: ein Leben in Liebe in einer Welt aus Verrat. Doch auch als sich diese Hoffnung nicht erfüllt, hält Johanna unbeirrbar an dem fest, was alle um sie herum für Wahnsinn halten – dem unerhörten Wunsch, dass die Welt anders sein könnte als sie ist.
Vor dem historischen Hintergrund der Biografie von Johanna der Wahnsinnigen stellt Alexa Hennig von Lange eine sehr moderne Frage:
Wie können wir die werden, die wir sind, wenn das nicht für uns vorgesehen ist?

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2020

Intensive Seelenstudie auf hohem Niveau

0

Johanna von Kastilien, geb. 1479, gestorben 1555 war die Tochter von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón (auch bekannt als die katholischen Könige). Ursprünglich nachrangig in der Erbfolge ...

Johanna von Kastilien, geb. 1479, gestorben 1555 war die Tochter von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón (auch bekannt als die katholischen Könige). Ursprünglich nachrangig in der Erbfolge rückte sie nach dem Ableben der eigentlichen Thronanwärter und deren Kinder auf den Platz der Thronfolge, einer Position, die sie nie ersehnte.
Von Zeitgenossen als außergewöhnlich schön beschrieben, war Johanna sehr sprachbegabt und äußerst musisch veranlagt. Gleichzeitig galt sie bereits als Kind als introvertiert und melancholisch, als außergewöhnlich ernsthaft und sensibel.
Aufgrund ihrer religiösen Verhaltensauffälligkeiten, ihrer Weigerung sich standesgemäß zu verhalten und in Stille zu leiden, ihrer Temperamentsausbrüche und offensichtlichen Leidenschaft für ihren Ehegatten machte Johanna sich angreifbar und „untragbar“ als Regentin. Spielball der machtpolitischen Intrigen ihres Vaters, ihres Ehegatten (mit dem Johanna, gerade 17 Jahre alt, im Zuge einer machtstrategischen Verbindung mit dem Hause Habsburg verheiratet worden war und der bereits 1506 verstarb) und später auch ihres Sohnes Karl I., verstarb Johanna von Kastilien 1555 im Palast von Tordesillas, wo sie bereits 1506 nach dem Tod ihres Ehemanns Phillips des Schönen festgesetzt worden war.

Wer mit dem Roman Alexa Hennig von Langes eine Biografie oder einen romantisch-historische Aufarbeitung über die Frau erwartet hatte, die Geschichtsschreiber und Mediziner rätselnd zurückließ, geht fehl.
Vielmehr ist dieses Buch der Versuch einer Seelen- und Charakterstudie einer missverstandenen und macht-missbrauchten Frau, über die zeitgenössische Aufzeichnungen nur sehr widersprüchliche Auskunft geben.

Die Autorin nähert sich dem Inneren Johannas provokant und von Frau zu Frau.
Intensive gezeichnete Studien beleuchten nicht nur die inneren Kämpfe Johannas mit sich selbst, sondern auch mit ihrer Umwelt und ihrer Zeit.
Durchaus spekulativ angelegt, merkt man Alexa Hennig von Langes Roman jedoch auch die intensive Recherche zu Johannas Leben an. Immer wieder ist sie bemüht, verleumderische Historie in ein Licht zu rücken, dass der wirklichen Motivation Johannas, ihrem tatsächlichen Charakter gerecht(er) werden könnte.

Alexa Hennig von Lange war es zu wenig, Johanna als eine verzweifelte liebende Frau zu zeichnen, sie macht vor allem ihren inneren Kampf, den Widerstreit zwischen den Ansprüchen der damaligen Zeit und ihren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen, auch ihrem intellektuellen Potential und ihren musischen Fähigkeiten, sichtbar.

Zwar nicht vergleichbar mit Christa Wolfs Kassandra oder Christine Brückners „Wenn du geredet hättest, Desdemona“ bietet „Die Wahnsinnige“ doch eine beeindruckende literarische Leistung, in der immer wieder wunderschöne Formulierungen gelingen.
Einzig die Tatsache, dass ein wenig Vorkenntnis zu Johannas Leben, den ihr gemachten Vorwürfen, den ihr entgegengebrachten Vorurteilen für die Lektüre dieses Buches notwendig ist, um den Versuch der Rehabilitierung durch die Autorin in Gänze zu verstehen, lässt mich einen Stern in Abzug bringen.
Unbedingt lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.09.2020

Wunsch nach Freiheit

0

Im Jahr 1503 kämpft Johanna von Kastilien gegen die Zwänge ihrer Zeit und der Nachfolge als Regentin ihrer Mutter Isabella. Johanna will nicht regieren, nicht beichten und beten, sie will ihre Freiheit. ...

Im Jahr 1503 kämpft Johanna von Kastilien gegen die Zwänge ihrer Zeit und der Nachfolge als Regentin ihrer Mutter Isabella. Johanna will nicht regieren, nicht beichten und beten, sie will ihre Freiheit. Doch das scheint ihr als Frau gar nicht möglich zu sein. Als sie mit Philipp von Flandern verheiratet wird hat sie kurz die Hoffnung auf ein besseres Leben, wird aber schnell wieder enttäuscht.
Ihr Aufbegehren gegen Verrat, Intrigen und Manipulation wird von ihrer Umgebung als Wahnsinn hingestellt, ernst genommen wird Johanna nicht und muss ihr Leben weiter eingesperrt verbringen. Trotzdem gibt sie ihren Wunsch nicht auf.
Ein sehr guter Schreibstil, der mich sehr schnell mit Johanne mitfühlen ließ. Und ihr Prob-lem ist ja nicht nur auf die damalige Zeit begrenzt. Das zieht sich für Frauen durch die Jahrhunderte bis heute und anhand der damaligen streng katholischen, männlich domi-nierten Zeit, in der man massiv in eine Rolle gezwungen wird, wird das Problem sehr gut dargestellt.
Das Cover zeigt anhand einem Gesichtsteil von Johanna schon ganz gut wie es ihr geht. Ernst, nicht zufrieden oder glücklich, traurig. Oder interpretiere ich das hinein, nachdem ich den Roman gelesen habe? Auf jeden Fall hat die Autorin es geschafft die historische Figur der Johanna irgendwie mit in die heutige Zeit zu nehmen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.09.2020

Ihrer Freiheit und Eigenständigkeit beraubt

0

Europa im Jahr 1503: In der andalusischen Festung La Mota soll die 23-jährige Thronfolgerin Johanna von Kastilien zur Ruhe und Vernunft kommen. Festgehalten wird sie von ihrer Mutter, der spanischen Königin ...

Europa im Jahr 1503: In der andalusischen Festung La Mota soll die 23-jährige Thronfolgerin Johanna von Kastilien zur Ruhe und Vernunft kommen. Festgehalten wird sie von ihrer Mutter, der spanischen Königin Isabella der Katholischen, die ihr Land mit eiserner Hand und großer Machtgier regiert und dabei Ungläubige auf dem Scheiterhaufen verbrennen lässt. Ganz anders ist ihre Tochter Johanna, die nicht betet oder beichtet und keinerlei Interesse an Macht und Einfluss hat. Sie will Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenständigkeit – und zurück nach Flandern, wo sich ihr Ehemann Philipp der Schöne mit drei der vier gemeinsamen Kinder aufhält. Das will Isabella allerdings nicht zulassen. Sie braucht Johanna als Pfand, damit Philipp sich nicht mit dem Feind Frankreich verbündet. Außerdem stehen der Thronfolgerin ihre eigenen Wutanfälle und Nervenzusammenbrüche im Weg, unter denen ihre Ehe bereits gelitten hat. Doch Johanna ist wild entschlossen, den Kampf nicht so einfach aufzugeben…

„Die Wahnsinnige“ ist ein Roman von Alexa Hennig von Lange.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 17 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Vorangestellt ist ein fiktiver Brief Johannas aus dem Jahr 1525. Zum Schluss folgt ein weiterer Brief von ihr aus dem Jahr 1506. Der eigentliche Roman umfasst nur einen relativ kurzen Abschnitt im Leben Johannas, beginnend 1503. Dabei gibt es zwischendurch Zeitsprünge. Erzählt wird aus ihrer Sicht, aber in personaler Perspektive.

Der Schreibstil ist schnörkellos und ein wenig reduziert, aber gleichzeitig pointiert und einfühlsam. Mit wenigen Worten gelingt es der Autorin, viel Atmosphäre zu schaffen und Szenerie zu beschreiben und das Geschehen somit anschaulich zu machen.

Mit Johanna von Kastilien, die den Beinamen „Die Wahnsinnige“ erhalten hat, steht eine sehr interessante, aber auch umstrittene Protagonistin im Vordergrund. Mir gefällt es sehr gut, dass die Autorin dieses Mal eine historische Persönlichkeit in den Fokus ihrer Arbeit rückt. Mich hat es gereizt, mehr über die als verrückt geltende Adelige zu erfahren, deren Gedanken- und Gefühlswelt im Roman sehr gut deutlich wird.

Zu verstehen ist das Buch von Alexa Hennig von Lange weder als Biografie noch als klassischer historischer Roman, sondern vielmehr als eine Art Porträt oder Charakterstudie. Auf nur rund 200 Seiten kommt man der Person Johanna nahe, lernt ihre Motive und Seelennöte kennen. Der Roman wird zugespitzt auf die Frage „Wie können wir die werden, die wir sind, wenn das nicht für uns vorgesehen ist?“. Leider begleitet man die historische Figur aber nur auf einem kurzen Abschnitt ihres Lebens. Weite Teile der Biografie Johannas werden nur zusammengefasst und umrissen. An einigen Stellen hätte ich mir etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht. Allerdings ist dem Roman anzumerken, dass sich die Autorin intensiv mit der historischen Person auseinandergesetzt hat, was sich auch aus dem Nachwort herauslesen lässt.

Das Cover, das den Eindruck eines künstlerischen Porträts vermittelt, finde ich sehr stimmig. Auch der prägnante Titel ist passend gewählt.

Mein Fazit:
Bei „Die Wahnsinnige“ von Alexa Hennig von Lange handelt es sich um einen gelungenen Versuch, die historische Person der Johanna von Kastilien einem heutigen Publikum nahezubringen und sie in einem modernen Licht zu deuten. Wer allerdings eine umfassende, sehr detaillierte und in die Tiefe gehende Biografie erwartet, dürfte unter Umständen enttäuscht werden.

Veröffentlicht am 01.09.2020

Faszinierende Charakterstudie

0

War Johanna, die Wahnsinnige, wirklich wahnsinnig? Oder hat das Leben, das für sie bestimmt war, sie dazu gemacht? Als Tochter von Isabella, der Katholischen, hat Johanna kein leichtes Leben. Früh wird ...

War Johanna, die Wahnsinnige, wirklich wahnsinnig? Oder hat das Leben, das für sie bestimmt war, sie dazu gemacht? Als Tochter von Isabella, der Katholischen, hat Johanna kein leichtes Leben. Früh wird sie mit Philipp dem Schönen verheiratet, den sie leidenschaftlich und mir rasender Eifersucht liebt. Jedes weibliche Wesen in seiner Nähe scheint ihr verdächtig. Und gleich ob in seiner Nähe oder festgehalten in Spanien, immer wieder übermannen Johanna kaum kontrollierbare Gefühle, die sie am Rande des Wahnsinns erscheinen lassen.

„Die Wahnsinnige“ ist kein historischer Roman und so hält sich die Informationsdichte an historischen Gegebenheiten in Grenzen. Natürlich kann man diese Lücken mit ein bisschen Googeln auffüllen, aber man muss es nicht, denn das Buch funktioniert ganz wunderbar als Charakterstudie einer einsamen und verzweifelten Frau und ich hatte beim Lesen nicht das Gefühl, Informationen zu vermissen.

Die Charakterzeichnung von Johanna ist der Autorin wirklich gut gelungen. Der Grad zwischen „Normalität“ und Wahnsinn wird als eine verschwommene Linie dargestellt. Oft erscheinen Johannas Handlungen sehr nachvollziehbar und aus ihrer Perspektive ganz logisch, aber gleichzeitig kann man sehr gut verstehen, wie Außenstehende ihr Verhalten als wahnsinnig auslegen konnten. Dieser Drahtseilakt ist wirklich sehr gelungen. Manchmal hat mir jedoch ein bisschen die Tiefe in Johannas Darstellung gefällt, sie ist intensiv, sie ist impulsiv, aber irgendetwas schien mir zu fehlen, um sie wirklich als lebendige Person vor mir zu sehen.

Ich habe „Die Wahnsinnige“ gerne gelesen. Das Buch ist kein historischer Roman, aber das will er ja auch nicht sein, sondern ein fein gezeichnetes Porträt mit faszinierenden Einblicken in eine ungewöhnliche Psyche.

Veröffentlicht am 31.08.2020

„So ist die Welt. Niemand ist frei“ (S. 60)

0

Wer „Die Wahnsinnige“ als historischen Roman liest, könnte auf dem Holzweg sein. Denn die Figur der Johanna der Wahnsinnigen, Königin von Spanien etc., ist zwar eine historische Person, aber in Hennig ...

Wer „Die Wahnsinnige“ als historischen Roman liest, könnte auf dem Holzweg sein. Denn die Figur der Johanna der Wahnsinnigen, Königin von Spanien etc., ist zwar eine historische Person, aber in Hennig von Langes Roman stellt sie nur eine Möglichkeit dar, wie sich ein Mensch - eine Frau! –im Konflikt zur Welt behauptet. Ist Johannas so wie „Die Wahnsinnige“ zeichnet? Nein, dafür ist sie zu modern. Aber steckte man eine 1980 geborene Frau in Johannas historische Situation, sie würde „Die Wahnsinnige“ werden. Die von der Autorin gewählte Sprache (die Königin wird beispielsweise gesiezt, nicht geihrzt) weist schon den Weg, dass es nicht um historische Darstellung oder gar Korrektheit geht, auch nicht um eine Version einer „echten Johanna“, sondern um die Konstanten einer „Welt, deren Methoden sich über die Jahre verfeinert, aber womöglich gar nicht so sehr verändert haben.“ (S. 208, im Nachwort).

In einem Interview im Magazin ‚Allegra‘ von 2016 sagt Hennig von Lange: „Wir waren alle Töchter der 68er-Generation, wir alle hatten Mütter, die erst einmal nur davon träumten, leidenschaftlich zu lieben, zu leben und zu arbeiten– aber eben auch Mütter sein wollten, die für ihre Kinder da waren. In Freiheit.“ Ehefrauen und Ehemänner, Kinder und Mütter und Väter. Kindsein, Erwachsenwerden, Sichausprobieren, Frausein, Liebe und Familie – das sind Hennig von Langes Themen seit „Relax“, fanden sich in der Reihenhaussiedlung der „Kampfsterne“ wieder und spiegeln sich auch im Geschehen innerhalb der Klostermauern von Tordesillas.

Johanna von Kastilien macht während des Romans ein Entwicklung durch. Zwar erlebt man sie auch in Tobsuchtsanfällen, aber von Wahnsinn keine Spur. Vielmehr sucht die Johanna dieses Romans nach sich selbst und nach einem Bild von sich, das sie der Welt vorstellen möchte. „‚Was glaubst du, wer ich bin?‘ Was für eine absurde Frage! Sie wusste ja selbst nicht einmal, wer sie wirklich war!“ (S. 41) Nach und nach identifiziert Johanna mehrere Versionen ihrer selbst, die sie nach Funktionen unterscheidet: Sie ist die Tochter Isabellas der Katholischen, sie ist Ehefrau Philipps es Schönen, sie ist Thronfolgerin eines riesigen Reiches. Und sie ist Mutter. Endlich anerkannt, dass sie in mehrer Persönlichkeiten zu unterscheiden ist, will Johanna selbst entscheiden, welche ihrer Rollen am meisten Gewicht haben soll: „Dann werde ich mich von meiner Funktion als Tochter lösen und als Ehefrau in Flandern wichtig werden. […] Ich lasse mir nicht meine Eigenständigkeit nehmen!“ (S. 58)

Selbstverständlich hat Johanna die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und dieser Wirt ist seit Jahrhunderten männlich: In einer feudalen Männerwelt - die gleichwohl auch heute noch nicht vorbei ist – ist es der Frau nicht überlassen, selbst zu bestimmen. Nicht einmal Männern gelingt es immer, ihre Eigenständigkeit zu behaupten gegenüber den Rollenzuschreibungen, die ihre Geburt ihnen schicksalhaft auferlegt (man betrachte hier den Machtkampf Philipps mit Johannas Vater um die Regentschaft in Spanien). „So ist die Welt. Niemand ist frei“ (S. 60), lautet Johannas Erkenntnis - und tröstet nicht. Dann manche sind weniger frei.

Johanna sieht - und daran kann man schon wahnsinnig werden – dass ihre Chancen allein schon deshalb schlechter stehen, weil sie eine Frau ist. Frauen scheinen dem Gefühl näher zu stehen, und das ist kein guter Helfershelfer im Kampf um die Macht („Sobald es um Gefühle ging, war die große Isabella ihrem Mann genauso ausgeliefert wie alle anderen Frauen ihren Männern auch.“ [S. 27]). Johanna spürt, dass sie - insbesondere allein mit ihrem Mann und verborgen vor dem Auge der Öffentlichkeit – „machtlos und ausgeliefert“ ist und stets gezwungen, sich „gegen Eitelkeit, Treulosigkeit und Herrschsucht der Männer zu wappnen.“ (S. 146).

Verwegen ist die Vision, dieses Dilemma nicht durch die Machtfrage aufzulösen oder wirklich mit Mord, wie Johanna anfangs äußert, sondern durch Konsens, durch eine moderne. gleichberechtigte Partnerschaft: „Den Traum von einer gemeinsamen Zukunft, von der Verwirklichung einer gemeinsamen Idee“ (S. 198) hat Johanna zu lange angehangen, um auf die Härte der Welt ausreichend vorbereitet zu sein. Hier ist die Figur auch sprachlich („Verwirklichung“) zu einer modernen Frau gewandelt, bereit sich der Welt zu stellen. So verlässt der Roman auch die historische Szene: In dem Moment, in dem Johanna glaubt, endlich in ihrer Funktion als Regentin gefragt zu sein.

Schon auf Seite 8, in dem fiktiven Brief Johannas an ihre Tochter, verrät Johanna die Lehre ihres Lebens: Die Welt ist kaputt und macht nicht glücklich; Frieden und Freiheit kann man nur in sich selbst finden.

Alexa Hennig von Lange hat keinen historischen Roman geschrieben, sondern sie hat die krassen historischen Umstände einer Frau, die in besonders harter Weise von der Welt in eine Rolle gepresst wurde, benutzt, um allgemein Menschliches, um anthropologische Konstanten zu zeigen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere