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Veröffentlicht am 16.09.2020

Die gute alte Zeit!

Die Tote im Wannsee
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Schon das Titelbild schickt uns in die Zeit in der dieser Krimi spielt: Ende der sechziger Jahre. Benno Ohnesorg ist schon tot, das Attentat auf Rudi Dutschke verübt. Berlin ist ein sehr trockenes Pulverfass ...

Schon das Titelbild schickt uns in die Zeit in der dieser Krimi spielt: Ende der sechziger Jahre. Benno Ohnesorg ist schon tot, das Attentat auf Rudi Dutschke verübt. Berlin ist ein sehr trockenes Pulverfass das nur auf den Funken wartet. Da werden wir Zeuge eines brutalen Mordes an einer Frau. Kommissar Wolf Heller wird beauftragt, diesen Mord zu klären. Doch bald schon werden Heller Steine in den Weg geworfen, ein Kollege und sein Vorgesetzter mauern gegen ihn. Spuren verlaufen ins Leere, Informationen werden ihm vorenthalten. Vergessen wir nicht, es ist 1968. Parallel zum Mord an der jungen Frau und den Mordermittlungen Wolf Hellers, finden die Protestmärsche und Unruhen, Haus- und Straßenbesetzungen, Sit-Ins und Demos der Studenten statt. Sie radikalisieren sich zusehends, weil sie gegen den Klüngel der Nazistrukturen ankämpfen, die sich mehr oder weniger offen in und an das Nachkriegsdeutschland angepasst hat und das Land wie ein leicht übertünchter brauner Sumpf überzieht. Dabei merken die Studenten nicht, wie sie ausgenutzt werden, wie sie von Stasi-Spitzeln unwissentlich gelenkt und instrumentalisiert werden. Und mittendrin Wolf Heller. Er fährt einen blauen Karman Ghia (was der Wagen wohl heute wert wäre?) um den ich gegen Ende des Buches richtig getrauert habe. Und jeder Oldtimer Fan der dies Buch liest, wohl auch mit trauern wird. Wolf Heller. Er fährt einen Karman Ghia (falls ich es noch nicht erwähnt habe) und hat ein Gewissen. Seine Mutter starb unter nie geklärten Umständen, ließ ihn mit einem gewalttätigen Vater zurück der mehr über den Tod seiner Frau weiß als er zugeben will. Vielleicht auch aus diesem Grund kann sich der junge Polizist nicht mit der lapidaren und falschen Aufklärung des Mordes an Heidi Gent zufrieden geben. Dass er dabei einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur kommt die als Ziel hatte, Berlin zu destabilisieren und einen Einmarsch der NVA samt sowjetischer Truppen zu ermöglichen, ist nur seiner Hartnäckigkeit zu verdanken.
Die Stasi manipuliert alte Naziverbrecher und spielt sie gegeneinander und gegen die radikalen Studenten aus. Man denke nur an den Berliner Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras der 1967 Benno Ohnesorg auf offener Straße ermordete und freigesprochen wurde, ja sogar weiter bei der Polizei im Innendienst blieb. Kurras war auch ein IM der Stasi. Als er Benno Ohnesorg tötete, handelte er aus eigener Wut heraus oder auf Anweisung aus Ostberlin? Und wenn wir diesen Gedanken weiter spinnen, bis zum „Deutschen Herbst“ 1977, also 10 Jahre später, wie viele der blutigen Attentate aus diesem Jahr, geschahen aus der ehrlichen Überzeugung westdeutscher Terroristen die Welt zu verändern und wie viele gehen auf das Konto der Stasi und SED in Ostberlin/Moskau? Genau werden wir es wohl nie erfahren. Die alten Nazis sind tot, oder kurz davor, die nächste Generation steht marschbereit.
Doch zurück zum Buch. Wolf Heller, Kommissar bei der Mordkommission in der Keithstraße, fährt einen Karman Ghia (hach!) und wohnt zur Untermiete bei einer jungen Mutter von zwei Kindern. Paula und ihre Kinder sind ihm ans Herz gewachsen. Er kümmert sich um die Kinder, um den Haushalt, nimmt am Familienleben teil, wird bald zur Vaterfigur für die Kinder. Als die Kinder wegen seinen Ermittlungen bedroht werden, droht seine Verbindung zu Paula, der jungen Mutter, zu reißen. Fast wie am Rande hat er noch eine kurze aber heftige Affäre mit einer amerikanischen Studentin die schon am nächsten Tag behauptet, sie könnte von ihm schwanger sein. Dass sie mit diversen Männern in ihrer Kommune so nebenbei schlief tut der möglichen Vaterschaft keinen Abbruch. Denn Louise verfolgt eigentlich terroristische Ziele und versucht Wolf Heller für Ihre Zwecke zu missbrauchen.
Ein wunderschönes, spannendes Buch, ein filmreifer Krimi und Zeitgeschichte zugleich, vermitteln die Autoren ein unglaublich echtes Zeitgefühl.
Ich hätte nichts dagegen, noch mehr Bücher über Fälle von Wolf Heller zu lesen. Und vielleicht kauft er sich als nächsten Wagen wieder einen Karman Ghia???

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Die Wiedervereinigung als Gewinnoptimierung für eine neue Gruppe der Nouveau Riches

Die letzte Terroristin
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Ein aufrührendes Buch teils Thriller teils fast ein Tatsachenbericht über die Treuhandanstalt und die RAF. Wenn ich RAF sage, meine ich nicht mehr die Terroristen von 1977, Baader, Ensslin & Co., sondern ...

Ein aufrührendes Buch teils Thriller teils fast ein Tatsachenbericht über die Treuhandanstalt und die RAF. Wenn ich RAF sage, meine ich nicht mehr die Terroristen von 1977, Baader, Ensslin & Co., sondern die Verbrecher der dritten Generation, die mit mittlerweile recht obskuren altkommunistischen Parolen und im Namen längst überholten Ideologien Attentate verübten. Aber wenn man dieses Buch liest, kommen einem Zweifel auf. Waren die Attentate wirklich von der RAF.3 verübt worden? Oder wurde der Präsident der Treuhandanstalt von Profis getötet und die Tat dann der RAF in die Schuhe geschoben? Oder waren einzelne Mitglieder der RAF käuflich und töteten wen die großen Geldgeber bestimmten, ohne dass es die anderen RAF-Mitglieder wussten? Das sind lauter Fragen, die dieses Buch aufwirft. Sehr spannend und flüssig geschrieben, reißt es den Leser von Anfang an in einen heftigen Strudel aus Politik in den allerhöchsten Kreisen, Korruption (ebenfalls dort angesiedelt), dem Kampf des kleinen Mannes um seinen ehemals sicheren Job, fehlgeleiteter Ideologie von RAF Mitgliedern und Sympathisanten, und was noch alles in diesen Mahlstrom zeitweise an die Oberfläche gerät.
Im Buch heißt der Präsident der Treuhandanstalt Hans-Georg Dahlmann, der Mann der von einem Scharfschützen am 01. April 1991 getötet wurde war Detlev Karsten Rohwedder. Die Terroristen im Buch heißen Lars Oehmke, Matthias Gelfert, Bettina Polheim, Sandra Wellmann. Die bekannt gewordenen Terroristen der 90er Jahre hießen – nein, ich halte es mit dem Vers aus Gottfried August Bürgers „Lenore“ »Ach. laß sie ruhn, die Toten.« Sie mögen hier ungenannt bleiben, ruhmreich waren sie nicht, die Ideale der 68er haben sie allesamt verraten.
Die Sprache ist sehr pointiert. Mit wenigen Sätzen kommt André Georgi zur Sache, treffsicher wie ein Scharfschütze. So hegt Sandra, trotz ihrer terroristischen ‚Aktivitäten und propagierten Parolen über Weltrevolution und Tod den Ausbeutern doch noch „den kleinen Traum vom Spießerleben mit Festgehalt und Rentenkasse, gefüllt aus Banküberfällen in der wilden Jugendzeit oder gefüllt von Augstein oder der Stasi oder wem auch immer. Und in einer Kaffeedose im Bücherregal versteckt, das Dankschreiben von Fidel Castro für ihren Beitrag zur Weltrevolution“. (S. 262) Diese kurzen Sätze beschreiben genau den schizophrenen Zwiespalt aus dem Sandra Wellmann heraus agiert. Einerseits „Tod den Palästen und Friede den Hütten“ andererseits will sie für sich das kleine Spießerglück: Mann und Sohn und Strand „mit Shisha und Falafel“. Wie soll Hans-Georg Dahlmann die VEB Betriebe nach den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft privatisieren, wenn seine engsten Mitarbeiter entweder Terroristen der RAF oder Handlanger des Großkapitals sind?
Wie schon eingangs erwähnt, „Die letzte Terroristin“ von André Georgi ist ein aufrührendes Buch über das erste Kapitel des vereinigten Deutschland. Lesenswert, hoch interessant, lässt das Buch keine Distanz zum Thema zu. Und Warnung und Spoileralarm: Das Ende ist bitter. Richtig gallenbitter.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Liebe Frau Seeberg, gell, Sie schreiben noch mindestens eine Fortsetzung?

Der falsche Preuße
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Wilhelm Freiherr von Gryszinski ist ein Mann zum Liebhaben. Trotz seiner streng preußischen Erziehung (man denke nur an seine sauertöpfische Mutter und den schweigsamen Vater) scheut er sich nicht, zärtlich ...

Wilhelm Freiherr von Gryszinski ist ein Mann zum Liebhaben. Trotz seiner streng preußischen Erziehung (man denke nur an seine sauertöpfische Mutter und den schweigsamen Vater) scheut er sich nicht, zärtlich zu seiner Frau zu sein, seinen Sohn zu herzen und mit ihm zu schmusen, mit seiner Frau seine beruflichen Probleme zu besprechen, Leben und Essen in München zu genießen, so gut wie nie eine Waffe zu tragen und vor allem: immer seinem Gewissen zu folgen. Standesdünkel und Imponiergehabe sind ihm fremd. Wenn es darauf ankommt, weiß er aber sich sehr wohl zu wehren und auch Gebrauch von einer Waffe zu machen.
Und da war noch München. Zur Jahrhundertwende war das eine aufstrebende Stadt, Magnet für Künstler, Industrie-Magnaten, Neureiche, kurz, die Schickeria. Die Wohnviertel von ehemals, die Einkaufsläden, die Marktbuden, die Häuser mit ihren Bel-Etagen, die Straßen mit Droschken, Pferdefuhrwerken, Pferde-Straßenbahnen und ein paar handgezählten Automobilen, alles wird so detailliert und liebevoll beschrieben, dass der Leser sich wie auf einer Zeitreise fühlt. Und das Essen: da ist nix mit Fusion-Food, vegan, probiotisch, Paleo usw. Nur bodenständiges, traditionelles, gehaltvolles Essen. OK, Curry-Wurst (Berlin) oder Schäufele (Nürnberg) war zwar nicht dabei, muss auch nicht, aber urig bajuwarische Haupt- und Zwischenmahlzeiten satt.
Interessant fand ich die Anfänge der Kriminalistik, die eingehend beschrieben werden. Fingerabdrücke, Messungen von Gliedmaßen, Kopfumfängen, Beschreibungen der Ohrläppchen, es ist alles dabei.
Jedem Kapitel ist ein Zitat aus Hans Groß‘ “Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte, Gendarmen usw.“ vorangestellt. Diese Zitate an sich sind interessant, ist das Buch ja der Grundstein der Kriminalistik. Hans Groß hat diese Wissenschaft praktisch aus der Taufe gehoben, hat Begriffe geprägt, die Terminologie erst erschaffen.
Das Buch selber ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet: Sehr ansprechender Schutzumschlag, Lesebändchen, Textbanderole und auf der Innenseite des Einbandes ein Stadtplan von München um die Jahrhundertwende mit den wichtigsten Straßen und Gebäuden.

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Veröffentlicht am 05.09.2020

Rasante Berg- und Talfahrt

Das Gewissen der Toten
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Ein Polizist überlebt als einziger einen Flugzeugabsturz. Damit muss er erst mal psychisch klarkommen. Als er wieder in den aktiven Polizeidienst zurückkehren will, scheint das seinen Kollegen Probleme ...

Ein Polizist überlebt als einziger einen Flugzeugabsturz. Damit muss er erst mal psychisch klarkommen. Als er wieder in den aktiven Polizeidienst zurückkehren will, scheint das seinen Kollegen Probleme zu bereiten. Die Begründung klingt plausibel. Es ist aus Sorge um ihn und nicht aus niederen Beweggründen. Nachdem er zuerst monatelang andere Fälle vom Schreibtisch aus gelöst hat und die ganze Schreibarbeit dafür geleistet hat, will er endlich wieder in den aktiven Dienst treten. Nach einigem Zögern willigen die Chefetagen und Kollegen ein, auch weil derzeit jeder fähige Polizist benötigt wird. Carter gelingt es beizeiten eine Entführung zu verhindern und darf nun endlich am wichtigen Fall mitarbeiten, ein Fall der ihm auf der Seele brennt. Weil Carter als einziger den Absturz überlebt hat, fühlt er sich in der Pflicht seinen verstorbenen besten Freunden über den Tod hinaus die Treue zu halten und etwas für sie oder ihre hinterbliebenen Familien zu tun.
Carter tut das und löst damit einen Theaterschlag nach dem anderen aus. Nichts ist so, wie es scheint, Sachverhalte die uns anfänglich klar und gesichert erschienen, wenden sich plötzlich um 180 Grad, der Gute wird zum Bösen oder nicht. Letztendlich erfüllt Carter alle Wünsche seiner drei Freunde und das ist für ihn die Hauptsache.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

OJ & ER – ein Liebespaar das Romeo und Julia in nichts nachsteht

#ichwillihnberühren
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Dieses Buch löst Polarisierungen auf. Wer bis dato eine Aversion gegen gleichgeschlechtliche Liebe hatte und Vorurteile hegte, kann sie nach der Lektüre kaum aufrecht erhalten. Die Probleme die sich in ...

Dieses Buch löst Polarisierungen auf. Wer bis dato eine Aversion gegen gleichgeschlechtliche Liebe hatte und Vorurteile hegte, kann sie nach der Lektüre kaum aufrecht erhalten. Die Probleme die sich in der Anbahnung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung auftun, der Zwiespalt, die Unsicherheit, die Angst vor Ablehnung, Blamage, Spott, die heimliche Liebe die nicht gezeigt werden darf und die doch mit aller Macht nach außen dringt, all das wird hier meisterhaft beschrieben. Zu keiner Zeit aufdringlich, vulgär oder stereotyp, ist der Stil alltagstauglich und eben wie er heutzutage in Chats gepflegt wird. Was ich toll fand, war das in den Chats keine Trolle zu Wort kamen. Überhaupt die Chats, die kann man insgesamt und in corpore als wichtige Nebencharaktere neben den zwei Hauptgestalten betrachten. Sei es der Chat mit der einen Freundin, oder der große Chat mit der Jodel-Community, beide sind voller Ratschläge, Tipps, stehen den jungen Männern zur Seite. Die vielen Emoticons die die Kommentare begleiteten fand ich passend. (Ich gestehe, ich verwende auch recht viele in meinen Chats). Und das Cover des Buches war einfach nur toll, all die Emoticons und Zeichen die unsere Interaktion mit Handy oder I-Phone begleiten waren alle da.

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