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Veröffentlicht am 07.09.2020

Beim ReRead etwas schwächer als beim ersten Mal lesen.

Die Chemie des Todes
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Der Schreibstil von Simon Beckett ist äußerst angenehm, atmosphärisch und packend. Schon in den ersten Minuten fühlt man den Sog, den die Worte des Autors erzeugen, und sich dem zu verweigern, ist schlicht ...

Der Schreibstil von Simon Beckett ist äußerst angenehm, atmosphärisch und packend. Schon in den ersten Minuten fühlt man den Sog, den die Worte des Autors erzeugen, und sich dem zu verweigern, ist schlicht nicht machbar. Mittels eines einfachen, bodenständigen und flüssigen Erzählstil fällt es dem Leser leicht, sich zurecht zu finden und ab zu tauchen. Man kommt, ohne Hürden, wunderbar leicht voran und hat stets ein klares Bild der Geschehnisse vor Augen. Dabei werden fachliche Informationen rund um das Thema Forensik, ganz nebenbei in die Geschichte eingewoben, sodass man zwar durchweg etwas lernt, sich aber nicht daran aufhalten muss. Selbst die Polizei-Arbeit bzw. die Ermittlungen sind sehr treffend verpackt, sodass die Spannung nicht darunter zu leiden hat. Johannes Steck als Sprecher überzeugt aber mindestens genau so. Er variiert in den Tonlagen, kann sowohl die ruhigen wie auch die action,- und spannungsgeladenen Passagen sehr schön wiedergeben und begeistert durch eine klare, deutliche Aussprache voller Atmosphäre. Hin und wieder zwang sich mir allerdings der Gedanke auf, dass es stellenweise doch etwas „to much“ wirkt, wie laut und energisch gesprochen wird – aber es passte dennoch irgendwie immer zur Situation.

Bei den Charakteren wurde dagegen wieder alles richtig gemacht. Unser Protagonist David Hunter ist tiefgründig und detaillreich, sympathisch und äußerst interessant. Obwohl man als forensischer Athropologe sicher abgehärtet sein muss, überzeugt er durch seine Bodenständigkeit und Normalität. Er wirkt, als habe er schon alles gesehen, doch gleichzeitig erscheint er nicht abgebrüht oder kalt. Simon Beckett hat den Protagonisten enorm gut getroffen und mit ihm eine Figur geschaffen, mit der man gern miträtselt, mitfiebert und mitleidet. David Hunter verfügt über ein gesundes Maß an Neugierde und Ehrgeiz, seine Entscheidungen sind stets nachvollziehbar und glaubhaft und sein ganzes Auftreten versprüht Charisma und Autorität. Dabei verlief sein bisheriges Leben alles andere als leicht, und trotzdem wurde der Mann nicht von seiner Vergangenheit und den Erlebnissen gebrochen. Kurz um: David Hunter ist die ideale Besetzung für diesen Thriller. Mit ihm schickt der Autor einen Charakter ins Rennen, der nicht nur passt, sondern den Leser auch neugierig macht. Er bringt schlicht etwas mit, was man noch nicht kennt – denn mal ehrlich; wer hat sich denn jemals mit forensischer Anthropologie beschäftigt?
Doch auch die anderen Figuren sind interessant und vielschichtig. Selbst vom unwichtigsten Polizisten konnte man sich ein klares Bild machen. Besonders positiv fällt einem dabei auch auf, wie gut der Autor das Dorfleben getroffen hat. Von der netten Großmutter, die absolut alles sieht und hört bishin zu den Rabauken, Unruhestiftern und Besserwissern ist alles vertreten. Das hübsche Mädchen spielt dabei übrigens auch eine tragendere Rolle, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Es gab sowohl die sympathischen Beteiligten, wie auch die, die einen auf die Palme treiben. Das spannende war dagegen rauszufinden, wer sich den Platz im eigenen Herzen einfach verdient hatte – und wer mehr Schein als Sein war. Simon Beckett konnte mich das ein oder andere Mal ordentlich hinters Licht führen – und wäre ich einer der Charaktere in diesem Buch, wäre ich wohl längst tot; und das macht es so besonders.

Die Idee, die forensische Anthropologie in einen Thriller einzubauen, ist einfach genial. Es ist allein dadurch derart interessant, dass die Geschichte rein theoretisch auch sterbenslangweilig sein könnte – man hätte trotzdem Freude beim Lesen. Doch dadurch, dass eben auch die Handlung an sich nur so vor Spannung strotzt, wird das Buch zu einem wahren Pageturner. Schon während des Einstiegs entsteht eine einnehmende Atmosphäre und der Fund der ersten Leiche, lässt nicht lange auf sich warten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt nimmt die Story dann an Fahrt auf und wird zunehmend rasanter. Zusätzlich dazu bietet der Aufbau jede Menge Spielraum für eigene Überlegungen und Ermittlungen. Man rätselt mit, will unbedingt so schnell wie möglich erfahren, wer der Täter ist und jedes Mal, wenn man meint, die ganze Sache durchschaut zu haben, dreht der Wind und man fängt von Null an. Abwechslung kommt in Form von unterschiedlichen Geschehnissen ins Spiel – denn neben der Ermittlung der Polizei, die wirklich einen Großteil des Buches einnimmt, durchleben wir auch die eigenen Nachforschungen und Gedankengänge des Protagonisten. Außerdem, wie oben schon angeteasert, spielt sogar eine kleine Liebesgeschichte eine Rolle – wenn auch nur am Rande, um den Spannungsbogen nicht zu schwächen. Gen Ende wird alles noch einmal dramatisch, voller Action, Spannung und überraschenden Wendungen. Von Aufbau her unterscheidet sich dieser Thriller also erstmal nicht von den vielen anderen auf dem Marktl, doch die Umsetzung von Simon Beckett ist und bleibt einzigartig. Düster und drückend, actionreich und spannend – so lässt sich dieses Lese-Erlebnis wohl am Besten beschreiben.
Das Finale dieses ersten Bandes lässt so viel Raum für weitere Wege, die die Reihe nun einschlagen kann und es ist unausweichlich, dass man sich sofort wieder an David Hunter’s Seite begeben möchte, um den nächsten Fall mit ihm zu lösen. Zugegeben, für ein Highlight reicht es heute nicht mehr, doch die Vorfreude auf „Kalte Asche“ ist deswegen nicht minder groß.


FAZIT:
„Die Chemie des Todes“ von Simon Beckett ist zwar schon vor etlichen Jahren erschienen und deswegen doch recht „alt“, weiß aber auch heute immer noch komplett zu begeistern. Eine spannungsgeladene, wendungsreiche Storyline in Kombination mit vielschichtigen, interessanten Charakteren und einer ganz ungewöhnlichen Grund-Thematik ergibt einen Thriller, den alle Fans des Genres unbedingt gelesen haben sollten. Das undurchschaubare Ende, das fulminant und atemlos dargestellt wurde, rundet das Buch schließlich ab. Wie gesagt, reicht es nicht ganz fürs Highlight, wahrscheinlich, weil ich die Storyline eben schon kannte – aber dennoch immer wieder ein Genuss, diesen Autor zu lesen.

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Deutlich ausdrucksstärker und tiefer als Band 1

Halte mich. Hier (Finde-mich-Reihe 2)
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Was schon im Vorgänger-Band ausgefallen ist, ist der wunderbar leichte, flüssige Erzählstil von Kathinka Engel. Sie schreibt sehr alltäglich, vollkommen unaufgeregt aber dennoch absolut bildhaft und vorstellbar. ...

Was schon im Vorgänger-Band ausgefallen ist, ist der wunderbar leichte, flüssige Erzählstil von Kathinka Engel. Sie schreibt sehr alltäglich, vollkommen unaufgeregt aber dennoch absolut bildhaft und vorstellbar. Die Geschichte liest sich wahnsinnig schnell, büßt dabei aber nichts an Atmosphäre ein. Die ist nämlich, genau so wie die Handlung ganz allgemein sehr intensiv und mitreißend. Die Autorin schafft es mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, die Gefühle, die die Protagonisten empfinden, an den Leser zu transportieren und ihn so mitfühlen und mitfiebern zu lassen. Der stetige Wechsel der Sichten tut für die Geschichte so einiges, denn bringt er uns dazu, in beide Köpfe gleichermaßen blicken zu können.
Was mich sehr überraschte, war die Tatsache, dass es sich hier um zwei gänzlich neue Sprecher handelte. Die beiden aus Band 1 wurden durch Nina-Zofia Amerschläger und Moritz Pliquet ersetzt – was zwar im ersten Moment ein wenig ungewohnt wirkt, sich aber schnell gibt. Beide liefern 100% ab und machen einen tollen Job! Meines Erachtens nach passt Moritz Pliquet eine Spur besser zu Malik, als Nina-Zofia Amerschläger zu Zelda; aber das ist reine Geschmackssache. Sowohl der männliche Part als auch der weibliche Part liest sehr eingehend, mit vielen Tonlagen-Wechsel und verschiedenen Tempi. So wirken die spannenden Szenen noch rasanter und die emotional aufgeladenen Passagen noch intensiver und ergreifender. Kurz um: kurze Startschwierigkeiten, aber jetzt rückblickend fast eine Nuance stärker als ihre beiden Vorgänger.

Die Charaktere in diesem Band begeistern mindestens genau so sehr, wie die Figuren aus Band 1. Zelda und Malik unterscheiden sich auf den ersten Blick vielleicht nur recht wenig von dem Pärchen aus dem Vorgänger, doch spätestens als die Vergangenheiten ins Spiel kommen, spürt man förmlich, wie die Geschichte an Tiefgang gewinnt. Zelda scheint wie ein quirrliger Wirbelwind, der vor allem Spaß am Leben und die verrücktesten Ideen hat. Doch dass sich hinter dieser Fassade so vieles verbirgt, überrascht! Zelda stammt aus reichem Hause; darf nur studieren, wenn sie gewisse Auflagen erfüllt und muss sich dem Willen ihrer herrischen Eltern permanent beugen. Dieser goldene Käfig erweckt im Leser automatisch Mitgefühl und den Beschützerinstinkt gegenüber Zelda und mit ihr mitzufiebern lässt sich schlicht nicht verhindern. Ich mochte diese junge Frau, die ihr Herz auf dem rechten Fleck trug und stets für eine Überraschung gut war. Ihre lebensfreudige, aufgedrehte Art war regelrecht ansteckend und ihre Sehnsucht nach Freiheit beinah mit Händen greifbar. Während Tamsin und Rhys eine eher unterschwellige Entwicklung an den Tag legten, so war es bei Zelda das pure Gegenteil: sie kämpfte, verlor, stand wieder auf und kämpfte weiter. Sie wuchs mit jeder Seite weiter über sich hinaus und es war eine Freude, sie dabei beobachten und begleiten zu dürfen.
Mit Malik brachte Kathinka Engel dann schon eine von Haus aus interessante und zündstoffreiche Figur ins Spiel. Denn Malik ist dunkelhäutig und hat bereits seit Kindertagen darunter zu leiden. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass sich die Autorin so sehr auf das Thema einlässt, doch sie hat Malik eine Stimme gegeben und ihn mittels einfachen aber unglaublich liebenswürdigen Charakterzügen zu einem potenziellen Book Boyfriend gemacht. Malik ist weder besonders selbstsicher noch weiß er um sein Aussehen – er vermittelt immer wieder den Eindruck, als wäre es noch ein absoluter Teenager und kein ausgewachsener, attraktiver Mann und das allein macht ihn enorm sympathisch. Doch auch sein gutes Herz, seine Loyalität der Familie gegenüber und seine Spontanität sprechen für ihn. Malik ist nicht perfekt, ebenso wenig wie Zelda, doch das haben die beiden auch überhaupt nicht nötig, um das Leserherz für sich zu gewinnen.
Natürlich spielen auch bekannte Gesichter wieder eine Rolle; wie zum Beispiel die Protagonisten aus Band 1; oder aber Amy, die die tragende Rolle in Band 3 spielen wird. Desweiteren treten aber auch neue Personen auf, die mal mehr, mal weniger sympathisch sind. Beispielsweise Zelda’s Eltern, die den Leser binnen Sekunden komplett auf die Palme bringen können. Eine große Abwechslung also, die jedoch allesamt authentisch ausgearbeitet und vorstellbar ausfielen.

Das Grundgerüst ist auch bei Band Nummer 2 wieder sehr bekannt und klischeebehaftet. Der Ablauf sehr vorhersehbar, die Idee an sich nichts, was einen umhauen könnte. Kennenlernen, verlieben, großes Drama, Happy End. Also exakt das, was wir schon im Auftakt der Trilogie vorgefunden haben. Doch wie bereits angeteasert, verbirgt sich hinter dem wunderschönen Cover und dem abgedroschenen Aufbau einiges an unerwartetem Tiefgang. Kathinka Engel hat sich auf ein sehr sensibles Thema eingelassen – nämlich auf Rassismus – und hat es meisterhaft geschafft, den steinigen Weg von dunkelhäutigen Menschen aufzuzeigen. Mit Malik hat sie einen sehr sympathischen, authentischen und greifbaren Charakter ins Rennen geschickt, mit dem man wunderbar leicht mitfiebern und mitfühlen kann; sodass das Interesse an der gesamten Geschichte gleich noch weiter anwächst. Denn wieder einmal sind die einzelnen Plots herrlich schön und unterhaltsam, wunderbar atmosphärisch und teilweise sogar richtig spannend und mitreißend gestaltet und dargestellt, sodass man über den allgemeinen Ablauf durchaus hinwegsehen kann. Zugegeben, die großen Überraschungen oder Wendungen gab es nicht zu finden, doch in Anbetracht der anderen Pluspunkte war das gar nicht nötig. Das Drama, das in Band 1 sehr „gewollt“ wirkte, empfand ich hier als deutlich echter und realistischer, einfach „zufälliger“, wenn man das so nennen mag. Keine überzogenen Reaktionen sondern wirklich nachvollziehbare Gründe, wieso plötzlich nicht mehr alles wundervoll ist.
Auch das Ende konnte sich sehen lassen; denn hier kamen tatsächlich noch die Überraschungen und die Wendung, die alles in ein anderes Licht rückte. Ein rund herum gelungenes Ende, das die Geschichte rund um Zelda und Malik gänzlich abrunden konnte und den Leser zufrieden und glücklich, aber auch neugierig auf Band 3 und somit das große Finale, zurücklässt.

FAZIT:
Der zweite Band der Trilogie von Kathinka Engel überracht bereits durch die Grundidee, nämlich die Rassismus-Thematik. Authentisch, echt und voller Leben umgesetzt, zum Teil schockierend, zum Teil schwer verletzend berichtet die Autorin über den Alltag und die Probleme eines dunkelhäutigen, jungen Mannes, der unschuldig im Gefängnis saß. Dementsprechend tiefgründig fällt der Roman auch aus, besticht jedoch gleichzeitig durch eine heimelige Atmosphäre, die Verrücktheit der weiblichen Protagonistin und einem angenehmen, bildhaften Stil. Keine Frage, auch Band 2 ist kein Highlight geworden, fiel aber doch spannender und überraschender aus, als Band 1.

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Ein rundes Ende für die Trilogie

Silber – Das dritte Buch der Träume
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Auch in diesem dritten Band begeistert die Autorin wieder mit einem wunderbar spritzigen, humorvollen Schreibstil. Sie erzählt die Geschichte so alltäglich, voller Charme und Witz und kann trotz der Einfachheit ...

Auch in diesem dritten Band begeistert die Autorin wieder mit einem wunderbar spritzigen, humorvollen Schreibstil. Sie erzählt die Geschichte so alltäglich, voller Charme und Witz und kann trotz der Einfachheit ein klares, greifbares Bild der Geschehnisse erzeugen. Wieder einmal fällt es dem Leser nicht schwer, sich in die Handlung hinein zu denken und sich mittendrin zu fühlen. Und trotz des Humors büßt die Story nichts an Spannung ein; auch wenn es nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle für mich persönlich spielte. In meinen Augen lebt diese Reihe zur Gänze von der heimeligen Atmosphäre, den lustigen Dialogen und den kreativen Einfällen, die die Autorin hier einbringt.
Auch Simona Pahl macht wieder einen sensationellen Job. Doch im Grunde es ist wohl einfach ihrer jungen, authentischen Stimme zu verdanken, dass sie so gut zur Silber-Trilogie passt. Darüber hinaus begeistert sie aber auch durch unterschiedlichsten Tonlagen, perfekt platzierte Tempi-Wechsel und der Tatsache, dass sie jeder Figur etwas einzigartiges angedeihen lässt. Die Sprecherin allein lässt noch einmal einiges an Lebendigkeit und Authensität miteinfließen und zeigt so, dass es niemanden gibt, der es hätte besser machen können, als sie selbst.

In Sachen Charaktere gibt es nicht mehr allzu viel zu sagen. Das meiste ist bereits in vorherigen Rezensionen gesagt worden. So war es wieder mal eine große Freude, Liv und ihre Schwester, aber auch Grayson und Florence wieder zu treffen und noch ein letztes Mal auf einem ihrer Abenteuer begleiten zu dürfen. Vor allen Dingen war es wieder ein Genuss zu sehen, wie unterschiedlich sie alle doch waren. Diese große Vielfalt an Charakterzügen, an Vergangenheiten und dadurch entstandenem Tiefgang ist für eine solche Jugenbuch-Reihe definitiv überraschend ausgeprägt.
Liv ist als Protagonistin die perfekte Besetzung. Sie ist auf der einen Seite mutig, gewissenhaft und überaus sympathisch, gleichzeitig aber auch noch immer etwas unsicher, fast ängstlich und stellenweise sogar ein bisschen zu naiv für ihr Alter. Dieser Kritikpunkt über die 17-jährige Schülerin zieht sich schon von Band 1 durch die Trilogie, doch jetzt rückblickend hat Liv doch eine beachtliche Entwicklung an den Tag gelegt und konnte mich durchweg doch meistens zufriedenstellen, wenn nicht sogar begeistern. Sie kann überraschen, hat manchmal äußerst kluge Einflälle und ihre Kreativität stellt so leicht nichts in den Schatten. Kurz um: sie ist definitiv eine Sympathie-Trägerin mit dem Herz am rechten Fleck und eine große Bereicherung für die allgemeine Handlung.
Wer hier auch wieder eine tragendere Rolle zugedacht bekommen hat, ist die 13-jährige Mia – Liv’s Schwester. Schon in Band 2 übernahm sie so manche Vermittlungsarbeit und ein gern gesehener Auftritt innerhalb der Geschichte. Doch hier wird sie zunehmend zur Protagonistin an der Seite ihrer großen Schwester und das erfreut sicher den Großteil der Leserschaft. Mit ihrer gewitzten, einfallsreichen Art und ihrem kindlichen Humor begeistert sie auf ganzer Linie. Wahrscheinlich ist man wohl auch deshalb nicht so streng mit ihr, weil sie eben noch ein Kind ist; während man die anderen Figuren eher misstrauisch beäugt. Sie wirkt einfach immer süß und niedlich, um keine Ausrede verlegen und eindeutig nicht auf den Kopf gefallen. Sogar den ein oder anderen Überraschungsmoment hat sie auf ihrer Seite.
Weitere, tragende Figuren sind zum Beispiel der Stiefbruder der beiden Schwestern, Grayson. Ein attraktiver Good Guy, der das Herz jeder Leserin wohl im Sturm erobern wird. Ebenso wie Henry. Doch Florence, die Stiefschwester von Liv und Mia – mit ihr hatte man einen etwas holprigen Start; doch auch sie legt eine sichtbare Entwicklung an den Tag.
Besonders auffällig ist auch die Wandlung anderer Charaktere. Während man zu Beginn, und auch noch im zweiten Band eine klare Vorstellung davon hatte, wer auf der guten, und wer auf der bösen Seite steht, kann man sich im großen Finale der Reihe überhaupt nicht mehr sicher sein. Diese Undurchsichtigkeit brachte zusätzliche Spannung mit ins Spiel und lässt jede Form von Langeweile im Keim ersticken.

Der bereits in den Vorgängern angeteaserte Handlungsstrang rund um die Traumwelt in der sich Liv & Co. nachts regelmäßig treffen, wird hier im finalen Band nun fortgeführt und letztlich auch aufgelöst. In Band 1 keimt er langsam auf, wird eher unterschwellig durch den gesamten zweiten Band durchgezogen (obwohl sich dort sehr viel mit einem ganz neuen „Fall“ [wie ich es selbst genannt habe] beschäftigt wird – der aber eben auf das Finale hinarbeitet) und hier im dritten Band, nimmt er wieder den gewohnt großen Raum ein. Kerstin Gier hat hier noch einmal einiges eingebaut, mit dem man so nicht rechnet; sowohl auf der Spannungsebene als auch im Bereich Witz und Charme. Die Mischung aus Teenie-Alltag inklusive Schule, erste große Liebe, etc. und Fantasy-Aspekten ist ihr wunderbar gelungen und bringt jede Menge Abwechslung mit sich. Passiert nachts einmal nichts, weiß man direkt, dass einen in Liv’s Realität definitiv nicht langweilen wird. Von Hochzeit über Streit unter Mitschülern bishin zur großen Versöhnung ist jede Facette vertreten. Im Fantasy-Bereich schafft sie es problemlos, den Leser ans Geschehen zu fesseln und ihn zu animieren, selbst mitzurätseln. Sie führt uns bewusst in falsche Richtungen und erzeugt teilweise ganz banal eine Spannung, die sich sehen lassen kann. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich eigentlich zu „alt“ für diese Trilogie bin, doch in Sachen Unterhaltung macht man Kerstin Gier einfach nichts vor.
Ich war von der ersten Seite der Trilogie bis zum Ende hin dauerhaft neugierig, wie sich schließlich alles auflöst und das allein spricht definitiv für die Reihe. Das Ende dieses Bandes ist ein mehr als würdiges Finale, das die gesamte Geschichte abrundet und den Leser zufrieden zurücklässt. Ein wenig mehr Action wäre zwar schön gewesen, war im Großen und Ganzen aber gar nicht nötig, um einen explosiven Abschluss zu erzeugen. Wunderbar einfallsreich und unterhaltsam, aber eben auch spannend und interessant verpackt.

FAZIT:
Auch der dritte und somit finale Band dieser Trilogie begeistert durch großartige Unterhaltung, die perfekte Portion Humor, Witz und Charme und jeder Menge Spannung. Zwar wieder kein absolutes Highlight (dafür fehlte es wohl mal wieder am alt bekannten Wow-Effekt) aber doch das wohl stärkste Buch der Reihe und das, mit den größten Überraschungen. Vielschichtige Charaktere, eine starke Handlung und der enorm mitreißende und packende Schreibstil von Kerstin Gier machen diesen All-Age-Roman mehr als lesenswert und zum krönenden Abschluss der Trilogie. Liv, Grayson, Mia und Co., ihr werdet mir fehlen.

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Veröffentlicht am 12.06.2020

Absolut solider Thriller mit viel Undurchsichtigkeit

Ein Tod ist nicht genug
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In „Ein Tod ist nicht genug“ begnen wir gleich mehreren Hauptfiguren, die scheinbar alle einen entscheidenden Teil zur Handlung beitragen. An vorderster Front steht Harry Ackerson, ein 22-jähriger junger ...

In „Ein Tod ist nicht genug“ begnen wir gleich mehreren Hauptfiguren, die scheinbar alle einen entscheidenden Teil zur Handlung beitragen. An vorderster Front steht Harry Ackerson, ein 22-jähriger junger Mann, dem mit einer einzigen Nachricht der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Sein Vater soll verunglückt sein. Doch nicht nur, weil Harry seinen Vater gut kannte und wusste, dass er fit war, sondern auch weil sein Bauchgefühl ihm das verriet, glaubt er nicht an einen Unfall. Harry ist ein interessanter Charakter, wirkte auf mich aber oft wesentlich älter als Anfang 20. Allein von seinem Auftreten her und seine Handlungen wirkte er mehr wie Mitte/Ende 30 und ich tu mir noch immer schwer, das alles in Einklang zu bringen. Sehen wir über diesen Punkt aber man hinweg, war Harry ein Mann, den man durchaus nachvollziehen konnte und der stets bedacht und überlegt handelte. Teilweise etwas schweigsam, teilweise ein wenig „altmodisch“, aber im Großen und Ganzen sympathisch. Er hatte einfach eine ganz eigene, eher distanzierte Art an sich, mit der man sich als Leser erst einmal anfreunden muss. Eine gesunde Neugier, die er scheinbar in die Wiege gelegt bekommen hat, treibt ihn an und hält die Story am Laufen.
Neben Harry lernen wir aber auch seine Stiefmutter Alice kennen, indem sie vom Autor eine eigene Zeitebene verpasst bekommen hat. Das heißt, wir springen regelmäßig zwischen der Gegenwart von Harry und der Vergangenheit von Alice hin und her. Dies sorgte vor allem dafür, dass wir Alice ziemlich eingehend und über eine sehr langen Zeitraum begleiten, immerhin spielt sie auch in der heutigen Zeit noch eine wichtige Rolle und begegnet uns da, neben Harry, ebenfalls noch. Alice ist ein total vielschichtiger Charakter, der überrascht, schockiert und irgendwie begeistert. Diese Frau, die in ihrem Leben schon so viel erleben musste, passt exakt zu der Alice, die wir an Harry’s Seite kennenlernen. Und sie passt in dieses Buch wie keine andere. Dabei lässt sich gar nicht so recht in Worte fassen, was sie so anders macht – aber sie ist es; definitiv. Sie ist so unnahbar, so gefühllos und trotzdem irgendwie ein Sympathieträger. Das hilft jetzt sicher keinem groß weiter, der mehr über meine Meinung zu ihr erfahren will, aber ich kann es nicht greifen, was sie zu dem machte, was sie ausmachte. Wichtig ist eigentlich aber nur, dass sie eine wahre Bereicherung für die Geschichte war und so viel an Spannung, interessanten Elementen und Tiefgang mit sich brachte, dass man sie einfach gern begleitete.
Daneben gab es aber noch andere Persönlichkeiten, die die Charaktere aufwerteten. Da war die mysteriöse Frau bei der Beerdigung, von der man unbedingt und möglichst schnell so viel wie möglich wissen möchte, um aufzuklären, wer sie ist. Und es gab Jake, Alice’s Mutter und Gina – sie alle waren ausreichend detailliert und tiefgründig ausgearbeitet und dargestellt, um sich ein Bild von ihnen zu machen. In Sachen Charaktere hat Peter Swanson also wieder sämtliche Punkte abgeräumt – war aber auch nicht anders zu erwarten.

Der Schreibstil punktet genau so. Peter Swanson hat eine sehr angenehme Art, eine Geschichte zu erzählen und schafft es trotz einfacher Sprache und wenig Aufwand, eine packende, düstere Stimmung zu erzeugen. Die war es dann letztlich auch, was so fesselt. Man kann ohne Anstrengung, einfach abtauchen und sich von den Worten des Autors mitreißen lassen. Dabei bringt er gar nicht so viele Beschreibungen oder Details ein, erzeugt aber trotzdem ein klares, fortlaufendes Bild der Geschehnisse. Auch die Gliederung begeistert wieder – wie oben schon angeteasert, hat sich Peter Swanson wieder für zwei Zeitebenen entschieden. Wir lesen also die Gegenwart an Harry’s Seite, bekommen aber eben auch besagten Einblick in Alice‘ Vergangenheit, der durch diese eigene Ebene enorm eingehend ausfällt. Anfangs befürchtete ich noch, das würde dem Ganzen zu viel vorweg nehmen, doch schnell wird klar, dass eigentlich beide Aspekte quasi ihre eigene Geschichte erzählen, die dann einfach später ineinandergreifen. Für mich ein absolutes Phänomen, weil sich beides so gut ergänzt und die Spannung so noch einmal auf eine andere Stufe angehoben wird. Top gemacht! Ehrlich!

Die Idee hinter diesem Thriller ist grundsätzlich, von oben betrachtet, nichts Neues. Ein mysteriöser Unfall, der den Verdacht aufkommen lässt, dass mehr dahinter steckt. Die Ermittlungen der Polizei sind ebenfalls ein Faktor, nehmen aber einen eher geringen Teil des Buches ein. Stattdessen konzentriert sich der Autor rein auf die Familien; auf die Lebensumstände; auf die vielen kleinen Nebeneinflüsse, die der Geschichte so viel Gutes tun. Die Spannung ist von der ersten Sekunde an greifbar, weil sich prompt einige Fragen auftun, die es zu klären gibt. Dabei fährt die Handlung hier, im Gegensatz zu „Alles was du fürchtest“, nicht mit angezogener Handbremse, sondern ist durchgängig zügig und temporeich. Interessante neue Entdeckungen von Harry oder andere Wendungen treiben die Story ebenfalls voran und lassen so keine Langeweile entstehen. Dazu kommt, dass sich immer, wenn eine offene Frage beantwortet wird, etliche neue aufkommen. Man weiß einfach nie so recht, woran man gerade ist und jedes Mal, wenn man meint, man habe das Ziel des Buches durchschaut, wird die Geschichte in eine andere Richtung gelenkt. Obwohl ich kein Neuling auf diesem Gebiet bin und behaupten kann, dass ich vieles kommen sehe, war ich hier durchweg komplett planlos. Im Nachhinein hat sich allerdings dann herausgestellt, dass es dem Leser ohnehin nicht möglich gewesen wäre, die Auflösung zu entschlüsseln, ehe sie vonstatten geht. Dafür lagen durchweg zu wenige Infos offen, um auf diese Idee zu kommen. Das ist dann leider auch der entscheidende Punkt: ich hätte mir ein wenig mehr Hinweise gewünscht, die auf das Ende hindeuten, damit das ganze Mitraten und Miträtseln auch einen Sinn ergibt.
Das Ende hatte es aber, in Sachen Spannung und Überraschung noch einmal in sich. Hoch brisant wird das Ganze aufgelöst und ist voller Höhepunkte. Selbst innerhalb der Schluss-Teils wechselt Peter Swanson noch einmal die Richtung und ändert im letzten Moment einfach alles. Vor allem die allerletzte Szene lässt einen beinah aufkeuchen, weil man damit einfach nicht gerechnet hätte.
Alles in allem eine bekannte Idee, geschickt insziniert und erzählt. Mit viel Spannung, vielen Wendungen, einem (fast zu) neugierigen Protagonisten, der die Arbeit der Polizei übernimmt und einer unvorhersehbaren (ob das nun so gut ist, lasse ich mal dahin gestellt) Auflösung und einem spektakulären Schlusspart.

FAZIT:
„Ein Tod ist nicht genug“ von Peter Swanson ist ein undurchsichtiger, temporeicher Thriller, der einfach Spaß macht. Außergewöhnliche Charaktere, ein angenehmer, flüssiger und leicht zu lesender Schreibstil und eine stimmige, düstere Atmosphäre runden das Ganze schließlich ab. Einziger Fleck auf der ansonsten reinweißen Weste: zu wenig Hinweise um auf diese Auflösung zu kommen; so war das Mitraten und Miträtseln einfach irgendwie sinnlos. Ansonsten gibt’s aber wieder eine Empfehlung und ich freue mich, auf das nächste Buch des Autors!

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Veröffentlicht am 12.06.2020

Sehr anschaulich und intensiv, aber nicht ganz perfekt.

Der Wintersoldat
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„Der Wintersoldat“ ist, stilistisch betrachtet, eher schwere Kost. Das Buch liest sich nicht einfach so schnell weg; es bedarf Aufmerksamkeit und Konzentration und hin und wieder den Griff zu Google, um ...

„Der Wintersoldat“ ist, stilistisch betrachtet, eher schwere Kost. Das Buch liest sich nicht einfach so schnell weg; es bedarf Aufmerksamkeit und Konzentration und hin und wieder den Griff zu Google, um das ein oder andere Wort nachschlagen zu können. Daniel Mason erzählt dabei sehr eingehend und detailliert, setzt auf Fachbegriffe und eine authentische Sprache für die damalige Zeit. Dass das nicht in Jugendbuch-Manier vonstatten geht, ist nur nachvollziehbar. Doch trotz des eher langsamen Lesetempos, das man hier unweigerlich an den Tag legt, fesselt die Geschichte rein durch Wortwahl und unzählige geschickt geplatzierte Beschreibungen. Greifbare Bilder lassen einen durchgängigen Film im Kopf entstehen und versetzen den Leser inmitten die Eiseskälte der Karpaten. Es herrscht also eine drückende, dichte Atmosphäre, die einzunehmen weiß. Erzählt wird dabei in teils sehr langen Kapiteln, die sich teilweise über 50 Seiten erstrecken. Für mich streckenweise ein wenig anstrengend, doch man gewöhnt sich schnell an die Begebenheiten und arrangiert sich damit. Allgemein fand ich die Gliederung aber insgesamt absolut gelungen und die Kapitelenden wurden exakt dorthin gelegt, wo sie hingehörten, um für möglichst viel Motivation zu sorgen und weiterlesen zu wollen.

Lucius als Protagonist brauchte ein paar Seiten lang, ehe er greifbar wurde. Es fällt einem, vor allem als Nicht-Mediziner, recht schwer, sich mit ihm zu identifizieren, da er einfach rein für sein Studium lebt. Doch hat man sich erst einmal an den eher wortkargen, zurückhaltenden Einzelgänger gewöhnt, ist es unglaublich interessant, seinen Werdegang – und sein Leben ganz allgemein – zu begleiten. Lucius unterscheidet sich in so vielerlei Hinsicht von anderen Protagonisten und ist deshalb wunderbar erfrischend und anders; und dementsprechend großartig! Natürlich spielen auch die damaligen Lebensumstände eine tragende Rolle, doch mir bereitete es größte Freude, Lucius immer näher und näher kennen zu lernen. Er hatte definitiv ein Herz, wenngleich das manchmal hinter seiner unbeholfenen und unerfahrenen Art verborgen blieb. Aber genau das machte ihn auch so liebenswert. Die Verbindung zu ihm vertiefte sich also von Kapitel zu Kapitel und mit ihm mitzufiebern wurde immer leichter. Dabei legte er eine so deutliche, authentische Entwicklung an den Tag und wuchs an jeder seiner Aufgaben. Nicht jeder Gedankengang; und auch nicht jede Handlung war komplett nachvollziehbar; doch das war auch gar nicht nötig. Wichtig war, dass man ihn im Groben und Ganzen glaubhaft fand und seine Reaktionen ihren Teil zur Geschichte beitrugen. Außerdem sollte man niemals ausser acht lassen, dass sich Zeiten nunmal ändern und wir uns definitiv nicht mit den Menschen, die während des ersten Weltkriegs gelebt haben, vergleichen sollten.
Neben Lucius gab es aber auch noch ein paar weitere Figuren, die alle für sich sehr interessant waren. Der eine blieb aufgrund seiner Position als unwichtiger Nebencharakter recht blass, doch die tragenden Nebenrollen hatten vom Autor alle ihre ganz eigenen Ecken und Kanten und besonderen Merkmale verpasst bekommen. So zum Beispiel Lucius‘ Eltern, die beide sehr eindrücklich aufzeigen, wo die damaligen Werte lagen. Oder aber Margarete, die Ordensschwester, die mein Herz im Sturm erobern konnte; einfach indem sie zupackte. Tat, was getan werden musste und sich vor keinerlei Arbeit zu schade war. Diese drei, und noch einige weitere tun einiges für den Verlauf der Geschichte und hauchen der gesamten Storyline noch einmal zusätzliches Leben ein.

Die Geschichte, die schon vor dem ersten Weltkrieg beginnt, ist extrem gut durchdacht und ausgearbeitet. Daniel Mason hat hier einen wirklich tollen Job gemacht, indem er ausgezeichnet recherchiert, geplant und in Szene gesetzt hat. Wir bekommen schon durch den Prolog erste Einsichten in eine spätere Szene, ehe wir „zum Anfang“ springen und alles vorn erleben. Dies erzeugt eine unausweichliche Neugier im Leser, der natürlich dann wissen möchte, wie es dazu kam und das danach noch geschieht. Doch zuvor lernen wir Lucius erst einmal kennen; erfahren von seiner Liebe zur Medizin und seinem Studium. Selbst kurze Einschnitte aus Lucius‘ Kindheit bleiben nicht aus, was dem Charaktere zusätzlichen Tiefgang verleiht und vieles von dem, was er später noch denkt oder tut, verständlich macht. Dabei setzt er Autor aber keineswegs auf einen irren Spannungsbogen, sondern eher auf Inhalt und Sprache. Ganz unaufgeregt erzählt er uns von Lucius‘ Werdegang, dessen Studium und allem, was nebenbei noch passiert und was er erlebt. Er erzählt vom Familienleben des Protagonisten und von seinen beiden einzigen Freunden. Erst nach und nach zieht dann der Krieg und die damit einhergehende Problematik auf. Die Stimmung wird düsterer, drückender und auf eine unterschwellige Spannung wird auch nicht verzichtet. Trotzdem ist und bleibt die Geschichte eher ruhig. Actiongeladene Szenen gibt es nicht, stattdessen Einblicke in das Leben während dieser schwierigen Zeit. Gefallene Kameraden, Soldaten, die mehrere Gliedmaßen verlieren und durch posttraumatische Belastungsstörungen quasi den Verstand verlieren, stehen an der Tagesordnung. Das ganze schockiert in einem Ausmaß, dass nur schwer begreiflich ist. Doch eben weil Daniel Mason alles so selbstverständlich beschreibt, wird es zur bitteren Realität. Es geht nicht nur um das Lazarett, in dem Lucius fortan als Arzt arbeitet, sondern eben auch die ganz allgemeinen Fakten zum ersten Weltkrieg – welche Länder sind wo eingefallen, welche Gebiete wurden eingenommen, usw. Doch neben all dieser Grausamkeit, die hier herrscht, werden die Emotionen nicht vergessen. Anthony Doerr (Pulitzer-Preisträger 15) sagt über „Der Wintersoldat“, es sei eine Mischung aus Krimi, Kriegs,- und Liebesgeschichte und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Daniel Mason hat Undurchsichtigkeiten eingebaut, eine Reise zu sich selbst, eine herzzerreißende Liebesgeschichte und eben den Krieg. Diese Mischung ist ihm nahezu perfekt gelungen, auch wenn der Krimi vielleicht ein wenig hinten an stehen muss.
Der Schlusspart, der sich über mehrere (sehr lange) Kapitel erstreckt, bringt dann doch nochmal etwas von der erhofften Spannung mit und überzeugt durch einige interessante Wendungen und einen sehr überraschenden Schlusspunkt. Etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe, und das mich sehr sprachlos und bedrückt zurückließ. Ein Werk, das man erst einmal sacken lassen muss.

FAZIT:
„Der Wintersoldat“ von Daniel Mason ist ein fachlich perfekt recherchiertes Werk voller Authensität, Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit. Mittels eines angenehmen, atmosphärischen Schreibstils tauchen wir als Leser in den Alltag während des ersten Weltkriegs ein und bekommen einen realistischen Einblick in das damalige Leben eines jungen Medizinstudenten. Mit einer ganz unaufgeregten Art erzählt der Autor von Krieg, Tod und schweren Verletzungen, aber auch von Hoffnung, Liebe und Freundschaft. Nicht perfekt, aber definitiv ein Erlebnis und noch definitiver einen Blick wert. Für alle, die sich für die Zeit rund um den ersten Weltkrieg und vielleicht sogar für Medizin interessieren, ein Muss.

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