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Veröffentlicht am 12.11.2020

Labyrinth

Aus dem Schatten des Vergessens
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Kurz vor Weihnachten wird Psychologin Judith Harper ermordet aufgefunden, verschwindet Anwalt Nathan Lawson spurlos mit einer uralten Akte, stürzt sich ein Obdachloser vom Dach eines Hochhauses. Hat der ...

Kurz vor Weihnachten wird Psychologin Judith Harper ermordet aufgefunden, verschwindet Anwalt Nathan Lawson spurlos mit einer uralten Akte, stürzt sich ein Obdachloser vom Dach eines Hochhauses. Hat der Penner zuvor die Brieftaschen von Harper und Lawson gestohlen, gibt es irgendwelche Zusammenhänge zwischen diesen Vorfällen? Und woher stammt die Aufnahme mit dem bekannten Satz: „I didn´t shoot anybody, no sir!“?

Für Sergent-Detective Victor Lessard und seine Partnerin Jacinthe Taillon beginnt ein schwieriger Fall, der manipulative Psychologie und ein Stück amerikanischer Geschichte behandelt.

Martin Michaud versteht es großartig, mit seinem Schreibstil zu fesseln und den Leser durch diesen interessanten Kriminalfall zu führen, auch wenn der Anfang ein wenig verwirrend ist mit den vielen verschiedenen Personen und Schauplätzen, die kaum einen Zusammenhang erkennen lassen. Jedes Kapitel für sich ist spannend und weckt Neugier auf das nächste, nach und nach kristallisieren sich Puzzleteile heraus, die tief in die Vergangenheit reichen und mit Verbrechen in der Gegenwart in Verbindung stehen.

Besonders gelungen sind die Profile aller Figuren, insbesondere von Lessard und Taillon, die sehr authentisch wirken und dem Leser das Gefühl geben, direkt bei Besprechungen im Büro oder bei Fahrten im wild gesteuerten Crown Victoria dabei zu sein. Stets ist der Leser ganz nah dran am Geschehen, bei Überlegungen, die nicht immer den Dienstvorschriften entsprechen, aber Denkanstöße liefern und Ansatzpunkte, um irgendwie voranzukommen. So schleppt Lessard seine ganz persönliche Vergangenheit mit sich, private Details fließen informativ und passend in die Handlung mit ein, aber niemals stören diese Ausführungen den Ablauf der Ermittlungen, sondern ergänzen diese durch auflockernde Szenen.

Vielleicht nicht durchgehend auf höchstem Spannungsniveau, aber dennoch mit vielen interessanten Themen durchsetzt, bietet dieser Thriller profunde Unterhaltung bis zum gut durchdachten Ende. Alle angeschnittenen Themen sind ausgezeichnet recherchiert und laufen zu einem logischen Gesamtbild zusammen.

Somit hebt sich dieser erste Band aus der Reihe „Victor Lessard ermittelt“ wohltuend von der breiten Masse ab und bietet außergewöhnliche Lesestunden.

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Veröffentlicht am 27.10.2020

Im Jetzt

Marigolds Töchter
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Als sympathische und freundliche Betreiberin vom Dorfladen mit Postschalter kennt man Marigold. In ihrer Freizeit kümmert sie sich um Gemeinderat, Pfarramt und verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen. ...

Als sympathische und freundliche Betreiberin vom Dorfladen mit Postschalter kennt man Marigold. In ihrer Freizeit kümmert sie sich um Gemeinderat, Pfarramt und verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen. Dennoch nimmt sie sich viel Zeit, um ihre Familie wärmstens zu umsorgen. Ein weinig eng im Häuschen wird es allerdings, als die ältere Tochter Daisy sich vom langjährigen Freund trennt und aus Italien zurückkehrt, ist doch auch die jüngere Suze noch nicht flügge und selbst Großmutter Nan ist kürzlich eingezogen.

Turbulent aber harmonisch wohnen nun fünf Leute unter einem Dach, die beiden Töchter versuchen als Künstlerin und Influencerin etwas Geld zu verdienen und im Dorf wird schon fleißig nach einem neuen Mann für Daisy gesucht. Neben all dem Trubel scheint jedoch Marigold ins Hintertreffen zu geraten. Niemand bemerkt, dass es ihr zunehmend schlechter geht.

Julia Woolf schreibt in bezaubernder, bildhafter Sprache über das kleine englische Dorf, seine so unterschiedlichen Bewohner und insbesondere über die Familie Fane. Sehr einfühlsam sind die Worte gewählt, sanft und gutmütig, wie es auch Marigolds Naturell entspricht. Schnell fühlt man mit ihr als Hauptfigur mit, kann sie gut verstehen und schlüpft gleichsam selbst als Leser in ihre gemütliche Küche. So wie Marigold sind auch alle anderen Figuren sehr genau und detailliert herausgearbeitet, ihre Stärken und Schwächen rasch verdeutlicht.

Natürlich entspricht nicht alles im Roman der harten Realität, dennoch zieht Woolf den Leser in ihren Bann mit ihrer einfühlsamen Geschichte über Familie und Zusammenhalt. Viele kleine Episoden zeigen Marigolds Dankbarkeit für die Schönheit des Lebens, die Natur spielt eine große Rolle und spiegelt eine angenehme Ruhe wider, die sich trotz aller Aufregung durch diese berührende Erzählung zieht.

Ein sehr ernstes Thema, eingebettet in einen stimmungsvollen Rahmen, präsentiert uns Woolf mit „Marigolds Töchter“, zeigt uns, wie wichtig verständnisvolle Menschen rund um uns sind und dass man keine Angst haben muss. „Lass dich treiben. Sei ein Blatt auf dem Wasser. Lass dich stromabwärts tragen.“ (Kindle Pos. 4254)

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Veröffentlicht am 12.10.2020

Einem Umweltskandal auf der Spur

Todesfalter
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Noch bevor Maja auf einer Umweltkonferenz ihre Thesen gegen spezielle Atomstromakkus vorbringen kann, wird ihr Freund und Mitstreiter Jonas vor der Rigaer Bucht ermordet. Da auch Maja in Gefahr schwebt, ...

Noch bevor Maja auf einer Umweltkonferenz ihre Thesen gegen spezielle Atomstromakkus vorbringen kann, wird ihr Freund und Mitstreiter Jonas vor der Rigaer Bucht ermordet. Da auch Maja in Gefahr schwebt, wird ihr spontan Ex-BND-Agent David Stein zur Seite gestellt, um doch noch unbeschadet in die französischen Alpen reisen zu können. Allerdings wird die Zeit knapp, in der die drohende Umweltkatastrophe abgewendet werden könnte.

Abwechslungsreich sind die unterschiedlichen Handlungsstränge an verschiedenen Schauplätzen angesiedelt und erstrecken sich von Riga bis in die Alpen Frankreichs, von Madrid bis nach Beirut. Sowohl die örtlichen Gegebenheiten als auch die handelnden Personen werden von Autorenteam B.C. Schiller gut ausgearbeitet, sodass man eine präzise Vorstellung der Szenarien erhält. Spannung beherrscht zwar nicht ständig das Geschehen, dennoch ist das Thema so brisant, dass man als Leser neugierig ist und nach jedem Kapitel wissen will, wie es weitergeht.

Der Schreibstil ist größtenteils flüssig, hie und da eine Stelle etwas hölzern. Interessant sind jedenfalls diverse kursiv gedruckte Abschnitte, die in die Vergangenheit zurückblenden und so nach und nach Zusammenhänge erkennen lassen.

„Todesfalter“ ist ja nicht der erste Band rund um David Stein, trotzdem gibt es keinerlei Verständnisprobleme. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und kann daher auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden.

Fazit: Dieser Thriller behandelt ein interessantes Thema im Bereich Umweltschutz und rundherum einiges mehr, führt geschickt und logisch durch unterschiedliche Szenen und verknüpft glaubwürdig die einzelnen Handlungsebenen miteinander. Auch wenn natürlich der Zufall das eine oder andere Mal mithilft, so bietet dieses Buch dennoch sehr gute Unterhaltung und ich vergebe dafür vier Sterne.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

KI - Fluch oder Segen?

Die Stimme
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Jo ist selbständige Journalistin und kann sich nach der Trennung von ihrem Mann nur mit Mühe über Wasser halten. So zieht sie zu ihrer besten Freundin Tabitha, die ohnehin ein großzügiges Gästezimmer zur ...

Jo ist selbständige Journalistin und kann sich nach der Trennung von ihrem Mann nur mit Mühe über Wasser halten. So zieht sie zu ihrer besten Freundin Tabitha, die ohnehin ein großzügiges Gästezimmer zur Verfügung hat und überhaupt fast die ganze Wohnung mit einem Smart-Home-System ausstatten hat lassen, was den beiden jungen Frauen ein geselliges und angenehmes Leben ermöglichen soll. Allerdings beantwortet Electra nur in Tabithas Anwesenheit gewissenhaft alle Fragen, während immer dann, wenn Jo alleine daheim ist, die elektrischen Helfer ein sonderbares Eigenleben entwickeln. Plötzlich sprechen die Geräte, ohne gefragt zu werden, verschaffen sich Zugriff zu Jos E-Mailkonto und ihrem WhatsApp-Account und treiben die Journalistin zur Verzweiflung. Passiert das alles wirklich oder bildet sie sich das nur ein? Leidet sie vielleicht an derselben frühen Demenz wie ihr Vater?

In düsterer, graumatschiger, kalter Jänneratmosphäre angesiedelt, zieht sich eine ganz besondere Stimmung durch die gesamte Geschichte. Nicht nur der Winter ist grau, auch Jos Leben ist an einem Tiefpunkt angekommen. Zum Glück gibt es Tabitha, die mit ihrer guten Laune stets zur Stelle ist und für Aufheiterung sorgt. Aber die unerwartete Erinnerung an ein lange zurückliegendes Ereignis durch das schwarzglänzende Gerät namens Electra bringt Jo zum Grübeln. Nach anfänglichen allgemeinen Informationen und eher gemütlich dahinplätschernden Zeilen entwickelt sich allmählich ein Sog, der diesem Thriller schlussendlich seine typische Note aufdrückt. Langsam und allmählich steigert sich die Spannung, sorgt dafür, dass man immer mehr erfahren möchte, in die Vergangen blicken will, ebenso wie aktuelle Rätsel lösen und mitfiebert mit der Protagonistin, bei der man nicht sicher ist, ob ihr nicht doch eine gehörige Portion Phantasie einen üblen Streich spielt.

Geschickt spielt Autor Tremayne mit der Stimmung, die auf allen Ebenen zusammenpasst, beschreibt mit seinen Worten die Unsicherheit, in die Jo mehr und mehr getrieben wird und ihre Verzweiflung, wem sie noch trauen kann. Allerdings hätte ich mir da noch ein wenig mehr gewünscht an Tiefe und Details, was Jos Gefühle betrifft. Ebenso hätte der Spannungsbogen schon früher einsetzen sollen, so sind es nur einzelne Szenen und eher erst die zweite Hälfte, die tatsächlich für einen Psychothriller stehen.

Andererseits wird sehr eindrucksvoll beschrieben, wie Künstliche Intelligenz neben allen Vorzügen durchaus auch zum Problem werden und sich die Tatsache rasch wenden kann, wer nun die Kontrolle übernimmt.

Fazit: ein interessantes Thema, das schlüssig und glaubwürdig umgesetzt wird. „Die Stimme“ lässt wieder ein bisschen vorsichtiger werden mit unseren technischen Möglichkeiten.

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Sehnsucht

Nachbarn
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„Wenn du dich nicht gut fühlst, ist das ein Grund mehr, zu tanzen.“ (Kap. 18)

Im Jahr 2320: Bren arbeitet auf einem Marsfeld, um Geld zu verdienen, während ihre jüngere Schwester Cay auf der Erde eine ...

„Wenn du dich nicht gut fühlst, ist das ein Grund mehr, zu tanzen.“ (Kap. 18)

Im Jahr 2320: Bren arbeitet auf einem Marsfeld, um Geld zu verdienen, während ihre jüngere Schwester Cay auf der Erde eine kostspielige Ausbildung absolviert. Beider Ziel ist ein künftiges Leben auf dem Mars. Aufgrund eines Unfalles wird Bren vorzeitig auf die Erde zurückgeschickt, wo sie entsetzt feststellt, dass Cay verschwunden ist. Aber Cay ist nicht die Einzige, und so tut sich Bren mit dem hilfsbereiten Sioh zusammen, der ebenfalls auf der Suche ist und bereits ein paar Informationen zusammengetragen hat. Was davon ist Spinnerei, was Wahrheit? Bren versucht, alles zu tun, um Cay wieder zu bekommen. Aber wie weit wird sie tatsächlich gehen?

Mit mächtigen Kuppeln ist nicht nur der Mars ausgestattet, wo Erdenbürger auf Feldern arbeiten, nein, auch die Städte auf der Erde sind überdacht und geschützt. Die Bewohner kennen das Gefühl von lauem Wind und frischer Luft, von natürlichem Tag- und Nachtrhythmus kaum mehr. Aber wir befinden uns ja auch bereits 300 Jahre weiter und so wundert es nicht, dass vieles anders ist. Verschwundene Menschen jedoch sind auch in dieser Zeit nichts Gewöhnliches und so ist es nur verständlich, dass Bren sich sorgt um ihre Schwester.

Ohne jegliches Vorgeplänkel steigt Nele Sickel in die Geschichte ein, stellt uns Bren auf dem Mars vor, bevor diese sich auf den Weg zur Erde begibt und beschreibt da wie dort Verhältnisse, die doch ziemlich anders sind, als es heute noch üblich ist. Nach und nach lernen wir Bren näher kennen und auch ein paar wenige Nachbarn und Arbeitskollegen. Familie hat sie leider – außer ihrer Schwester und einer Pflegemutter – nicht.

In angenehm zu lesenden Kapiteln werden künftige Lebensräume gezeichnet, fremdartige Gewohnheiten dargestellt und märchenähnlich bezaubernde Details eingeflochten. Was Bren in Bann zieht, hat auch Wirkung auf den Leser, lässt einen frei und unbeschwert fühlen.

Allerdings finde ich Brens Handeln und Tun von Seite zu Seite immer weniger nachvollziehbar und komme zu einem (wie Nele Sickel es selbst formuliert) prägnanten Ende, das durchaus unterschiedlich gedeutet werden kann. Egal wie, es passt.

Ich weiß nicht genau, was ich mir von diesem Roman erwartet habe, jedenfalls nicht diese Geschichte. Trotz allem sorgt das Buch für einige Überraschungen und stellt Fragen, die man sich selbst von Zeit zu Zeit beantworten sollte. Zum Schmunzeln, zum Gruseln, zum Nachdenken, es ist da einiges dabei.

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