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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2020

Sehr dramatisches Thema, nicht ganz leicht zu lesen.

Adresse unbekannt - Nominiert zum Deutschen Jugendliteraturpreis
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Das Buch:
Nach dem Lesen der Leseprobe war ich sehr gespannt darauf, wie die Autorin dieses wirklich schwere Thema der Obdachlosigkeit kindgerecht aufbereitet hat. Ich bedanke mich für den Gewinn des ...

Das Buch:
Nach dem Lesen der Leseprobe war ich sehr gespannt darauf, wie die Autorin dieses wirklich schwere Thema der Obdachlosigkeit kindgerecht aufbereitet hat. Ich bedanke mich für den Gewinn des Buches beim Verlag und der Autorin.

Worum geht’s?
Der 12jährige Felix und seine Mutter Astrid leben in einem als Wohnmobil ausgebauten Bus. Anfänglich ist alles ein Abenteuer, ein Urlaub, aber bald schon wird klar, dass sich dieser Wohnsitz zur Dauerwohnung entwickelt. Grund hierfür ist unter anderem, dass Astrid keinen Job besonders lange behält und auch keinerlei Anstalten macht, sich an die Sozialbehörden zu wenden, aus Angst davor, dass man ihr ihren Sohn wegnehmen könnte.
Auch seinen Freunden soll Felix nichts von ihrer Misere erzählen. Diese jedoch kommen eines Tages von selbst hinter das Geheimnis und halten trotz allem weiter zu Felix.

Charaktere:
Die drei Freunde Felix, Winnie und Dylan besuchen eine Schule mit Französischleistungskurs. Sie sind ganz normale Fast-Teenager, die man – jeden für sich irgendwie mögen muss. Über Winnie musste ich häufig schmunzeln. In ihrer unnachahmlichen Art hat sie mich an Hermine Granger erinnert. Alles weiß sie besser, hat immer das letzte Wort und will Felix und Dylan irgendwie erziehen. Dennoch ist sie dabei liebenswert. Das bemerkt auch Felix und obwohl sie ihn hin und wieder gewaltig nervt, löst sie in ihm auch warme Gefühle aus, Zuneigung.

Felix mochte ich allerdings besonders. Trotz der wirklich nicht kindgerechten Umstände verliert er nicht seinen Humor. Er ist intelligent und schlagfertig. Oftmals tat er mir allerdings einfach leid, weil seine Mutter in meinen Augen einfach nicht die Reife besitzt, sich um ein Kind zu kümmern. Vielmehr ging sie mir mit ihrem falschen Stolz irgendwann gehörig auf die Nerven. Es ist deutlich wichtiger für sie, nach außen hin ein bestimmtes Bild zu wahren, anstatt sich Hilfe zu suchen. Außerdem finde ich es doch reichlich naiv zu glauben, dass sie sich im Job alles erlauben dürfe und nur ihre Chefs ihr wahres Talent nicht erkennen. Manches Mal habe ich mich ernstlich gefragt, wer von den beiden der Erziehungsberechtigte ist. Darüber hinaus finde ich es schon reichlich seltsam, wenn eine Mutter von ihrem Sohn mit dem Vornamen angesprochen werden möchte. Ich glaube, Astrid lebt in ihrer ganz eigenen Welt, die nicht viel mit der Realität oder Verantwortung zu tun hat. Ebenso ist ihr Konstrukt aus Lügen und Übertreibungen nicht unbedingt der Rahmen für die Erziehung eines 12jährigen.

Umso mehr war ich positiv überrascht über Dylan und Winnie, die es letztlich mit ihrem Einsatz und ihrer Loyalität Felix gegenüber schaffen, die Situation zu entschärfen und mithilfe anderer Menschen Felix und Astrid wieder zu einer festen Bleibe verhelfen. Am Ende des Buches war ich mehr denn je davon überzeugt, dass die 3 Jugendlichen deutlich weiter in ihrer persönlichen Entwicklung sind, als es Astrid je sein wird. Sie wirkt auf mich wie eine Hippiefrau der 60er Jahre.

Schreibstil:
Das Thema des Buches ist zugegeben ein sehr schwieriges und für mich wäre es wohl auch eine Herausforderung, wenn ich meinem Sohn erklären müsste, was Obdachlosigkeit für ein Kind bedeutet. Dennoch wurde ich mit dem Buch die ganze Zeit nicht richtig warm. Mich interessierte der Fortgang der Geschichte durchaus, ich mochte die Jugendlichen und war immer wieder überrascht darüber, wie andere Menschen auf Felix reagiert haben. Aber dennoch hat mich die Geschichte nicht wirklich mitgerissen. Ich könnte hier nicht auf den Punkt sagen, warum genau das so war und möglicherweise sehen andere Leser dies auch völlig anders.

Zwar konnte ich mir die Szenarien vorstellen, die Situationen in denen sich die Figuren bewegten, aber ich fühlte mich oft nur als Zuschauer, wie jemand der unbeteiligt daneben steht.

Was ich jedoch als wirklich positiv hervorheben möchte, ist das Ende des Buches. Hier hat die Autorin Fragen zum Buch formuliert, die nicht ganz so leicht zu beantworten sind und vielleicht als Grundlage für eine Diskussion in größerer Runde dienen können. Da dieses Buch in gewisser Weise auch eine Sozialstudie ist, ein Thema, das Kinder und Jugendliche berühren soll, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in einem Fach wie Gesellschaft diese Fragen in der Schule diskutiert werden könnten. In jedem Fall jedoch regt Nielsen den Leser zum Nachdenken an.

Neben allen sozialen Aspekten des Buches gelingt es der Autorin meiner Meinung nach wirklich toll, die zwischenmenschlichen Aspekte der Jugendlichen einzufangen. Das aufkeimende Interesse am anderen Geschlecht, die Nervosität, die damit einhergeht, wie wichtig es wird, dass man einen guten Eindruck macht usw. Diese Teile des Buches haben mir durchweg gefallen.

Eignung für Kinder:
Dieses Buch ist definitiv für ältere Kinder bzw. Jugendliche geeignet. Hier gibt es keine Illustrationen mehr und das Thema ist einfach zu schwer, um einfach als Unterhaltung zu dienen. Aus meiner Sicht regt das Thema und die Geschichte zum Nachdenken an, was mir sehr gefällt. Jedoch könnte ich mir vorstellen, dass gerade sensible Kinder durchaus einen Austausch im Anschluss an die Lektüre brauchen könnten. Die Geschichte kommt einer möglichen Realität sehr nahe, finde ich.

Das Buch ist ein Hardcover mit etwas dickeren Seiten, weshalb es einem mehrfachen Lesen durchaus standhalten kann.

Fazit:
Der Leser muss sich auf die Geschichte einlassen wollen. Sie liest sich nicht einfach so weg und dient nicht ausschließlich als Unterhaltung. Vielmehr regt sie zum Nachdenken an. Insbesondere die Fragen am Ende des Buches unterstützen diesen Prozess. Ich kann dieses Buch nicht uneingeschränkt weiter empfehlen, aber wer sich mit diesem schwierigen Thema befassen möchte, ist hier ganz sicher richtig. 3 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2020

Für jene, die Blut und Brutalität in einem Thriller der Psychologie vorziehen

Du wirst sein nächstes Opfer sein
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Das Buch:
Es handelt sich hierbei um den 2. Teil um den so genannten Closer – Jack Slater. Ich habe diesen Teil ohne Kenntnis des ersten Teils gelesen und bin gut damit zurecht gekommen. Natürlich kann ...

Das Buch:
Es handelt sich hierbei um den 2. Teil um den so genannten Closer – Jack Slater. Ich habe diesen Teil ohne Kenntnis des ersten Teils gelesen und bin gut damit zurecht gekommen. Natürlich kann es durchaus von Interesse sein zu wissen, was genau Jack im ersten Teil wiederfahren ist um seine Verhaltensweisen besser zu verstehen. Notwendig zum Verständnis des vorliegenden Buches ist es aber nicht.
Das Buch ist in 3 Teile unterteilt und ich empfand es wie die Annäherung, das Zusammenspiel und das Finale, welches zwischen den Gegnern ausgefochten wird.

Worum geht’s?
Jack ist Serienkiller – aber einer von den Guten. Sein Grundsatz bei dem, was er tut, ist es, den Opfern anderer Serienkiller Antworten zu liefern. Um an die dafür notwendigen Informationen zu gelangen, ist ihm jedes Mittel recht – solange es zum Erfolg führt. Um die Serienkiller zu finden, hat er eine Internetplattform übernommen, die sich „Das Rudel“ nennt und eine Sammelstelle für eben diese Serienkiller ist. Sein Ziel ist es, einen nach dem anderen zu eliminieren. Und dann kommt Remote auf den Plan – ebenfalls Serienkiller, ebenfalls der Überzeugung, dass er der Welt einen Gefallen tut – und bietet Jack eine Partnerschaft an. Der Beginn einer Zusammenarbeit zwischen zwei Serienkillern läuft allerdings etwas anders als man es gewohnt ist…

Die Charaktere:
Hauptakteure sind Jack – der Closer – und Remote, beide Meister ihres Faches. Während Jack auch mithilfe von Folter nach Antworten sucht um diese den Opfern liefern zu können, macht sich Remote andere Menschen zu Nutze. Diese setzt er auf seine eigentlichen Opfer an. Beide Männer haben also völlig unterschiedliche Vorgehensweisen und sind sich dennoch gar nicht so unähnlich. Allerdings ist Remote derjenige, der sich die Hände so gar nicht schmutzig machen will, während Jack seine Opfer – die allesamt selbst Killer sind – selbst foltert. Remote wirkt auf mich so, als hätte er sich selbst zum Gott erhoben, der auf seinem gepolsterten Turm sitzt. Darüber hinaus hatte ich von ihm das Bild eines Milchgesichts vor Augen, während Jack für mich ein gestandener Mann mit Narben von der Arbeit ist.

Beide Charaktere haben nicht unbedingt meine Sympathie erreicht. Überhaupt kann ich sagen, dass für keine der Figuren mein Herz wirklich geschlagen hätte. Das mag unter Umständen daran liegen, dass sich keine von ihnen wirklich sympathisch verhalten hätte. Beide Charaktere erscheinen klug, psychologisch bewandert, aber dennoch sind sie einfach brutal und wenig subtil.

Selbst Nikki – Jacks Partnerin – konnte mein Herz nicht erreichen, obwohl sie als Frau in diesem Bund ja doch eine eher ungewöhnliche Besetzung ist. Ich glaube, auch hier liegt es daran, dass sie im Grunde nur brutal ist. Tanner – Remotes Soldat – ist ein Widerling durch und durch. Ihn mochte ich am wenigsten und als er am Ende dann auch noch wimmernd tut, was Jack will, hat er auch noch seine Würde verloren.

Schreibstil:
Im ersten Teil des Buches war ich vom Tempo der Geschichte überrascht. Es geht Schlag auf Schlag. Der Wechsel zwischen den Perspektiven – einmal aus Jacks Sicht, dann aus Remotes Sicht – die gewollten Verwirrungen durch Dinge, die nicht ausgesprochen werden und erst später zur Auflösung kommen, sind beeindruckend. Und so hielt mich der Autor zunächst in der Geschichte gefangen.

Die Perspektivwechsel behält Cortez bis zum Ende seiner Geschichte bei, sodass das Tempo rasant bleibt. Allerdings zieht sich für meinen Geschmack der zweite Teil ziemlich in die Länge. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass zwei wirklich kluge Männer aufeinander stoßen und es um Leben und Tod geht. Dennoch hatte ich hin und wieder das Gefühl, dass man diesen Teil durchaus hätte abkürzen können.

Der letzte Teil ist dann recht wirr. Mir war die Verhaltensweise der Figuren nicht immer klar. Zwar kommt es am Ende zu einer Auflösung, warum es ausschließlich zu diesem Ausgang kommen musste, aber dieses Mitfiebern, was einem Thriller einen gewissen Reiz gibt, ergab sich für mich nicht wirklich. Das ist schade, denn so war ich lediglich Beobachter und fühlte mich nie wirklich mitten in der Geschichte.

Ansonsten lässt sich die Geschichte aber leicht lesen. Durch die vielen Dialoge bleibt sie bis zum Ende lebendig. Ein bisschen schade ist es, dass man sich zwar ziemlich genau vorstellen kann, wie Remotes Haus von innen aussieht, von der wundervollen kanadischen Landschaft erfährt man jedoch eher weniger. Das Hauptaugenmerk des Autors scheint in der Tat auf dem sehr körperlichen, recht blutigen und brutalen Kampf der beiden Serienkiller zu liegen. Der psychologische Aspekt, der dem Ganzen eigentlich zu Grunde liegt, kommt m.M. nach aber zu kurz – mir fehlte das Subtile.

Fazit:
Der Auftakt ins Buch verspricht vieles… das das Buch dann jedoch nicht halten kann. Mir fehlte es an wenigstens einem sympathischen Charakter und psychologischer Feinarbeit. Wer jedoch Blut und Brutalität in einem Thriller mag, wird hier nicht enttäuscht. Von mir gibt es allerdings nur 3 Sterne, weil ich die feinen Züge lieber mag.

Veröffentlicht am 21.04.2020

Geburtstagsgeschenk

Wie viele willst du töten
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Das Buch:
Ich habe das Buch im Rahmen eines Thriller-Wochenendes gewonnen, wofür ich mich beim Verlag herzlich bedanke. Der äußere Eindruck des Buches ist durchaus giftig – mit dem grünen Schnitt und dem ...

Das Buch:
Ich habe das Buch im Rahmen eines Thriller-Wochenendes gewonnen, wofür ich mich beim Verlag herzlich bedanke. Der äußere Eindruck des Buches ist durchaus giftig – mit dem grünen Schnitt und dem schwarz-grünen Cover. Die ersten Seiten „klebten“ allerdings etwas sehr zusammen, sodass man man beim Blättern bisweilen aufpassen musste, dass man die Seiten nicht zerreißt. Später ging es dann aber gut. Das Cover mag ich, man erkennt seine Bedeutung aber erst am Ende der Geschichte. Den deutschen Titel halte ich allerdings nicht für gelungen.
Für einen solchen Roman ist die Geschichte in 11 recht lange Kapitel eingeteilt, ich empfand das aber nicht als störend. Durch den Klappentext und die Leseprobe war ich ziemlich neugierig auf die ganze Geschichte.

Worum geht’s?
Ellery Hathaway ist Polizistin in einer kleinen Stadt, in der nie etwas Aufregendes passiert. Sogar die Polizisten träumen davon, was sie täten, wenn endlich einmal etwas geschehen würde. Eigentlich führt Ellery ein ganz normales Leben, wenn sie nicht seit mehreren Jahren jedes Jahr zum Geburtstag eine Karte bekäme, deren Absender sie nicht kennt und nach der immer jemand verschwindet. Einen Zusammenhang zwischen den Opfern scheint es nicht zu geben, aber dennoch muss er da sein. Da niemand Ellerys dunkelstes Geheimnis kennt, kann sie sich auch niemandem anvertrauen. Deshalb holt sie sich Hilfe von jemandem, der ihr bereits schon einmal das Leben rettete.

Die Charaktere:
Am Anfang des Buches erscheint mir Ellery etwas... kleinstadtmäßig, piefig... mit Ausnahme ihrer Affäre mit dem Chef vielleicht sogar ein bisschen langweilig. Wahrscheinlich ist das von der Autorin so gewollt. Im weiteren Verlauf der Geschichte entwickelt sich der Charakter aber angenehm weiter. Ellery bleibt nicht mehr nur Befehlsempfängerin, sondern beginnt ihren Standpunkt auch gegen ihren Chef zu vertreten. Anfänglich erscheint sie eher wie eine Bittstellerin, die immer wieder versucht ihren Chef dazu zu bewegen, die Vermisstenfälle genauer zu untersuchen. Der glaubt ihr allerdings nicht und wiegelt Ellerys Beweggründe ab. Als der FBI-Agent Reed Markham auftaucht, wendet sich das Blatt jedoch – vielleicht nicht sofort, aber doch zusehends und Ellery beginnt zu handeln.

Reed Markham stand ich etwas skeptisch gegenüber. Irgendwie machte er nicht den soliden Eindruck, den ich erwartet hatte, nachdem ich ja wusste, woher er und Ellery sich kennen. Irgendwie wirkte er verlebt und nicht sonderlich souverän, fast ein bisschen so, als hätte ihn etwas aus der Bahn geworfen. Später hatte ich dann erwartet, dass sich zwischen Ellery und ihm eine Affäre entwickeln würde – was ausblieb und mir sehr gut gefiel. Außerdem erfährt man nach und nach tatsächlich so einiges über Reeds Hintergrund, was ihn für den Leser verständlicher – menschlicher und authentischer – macht.

Diese beiden Figuren führt die Autorin mit einem völlig anderen Eindruck ein, als sie ihn am Ende der Geschichte vermitteln. Das hat mir gefallen, denn sie weckt damit beim Leser Erwartungen in Bezug auf deren Handlungsweisen, die dann so nicht eintreten. Außerdem hat man wirklich das Gefühl, die beiden nach und nach kennenzulernen. Damit bleibt es spannend. Auch versteht es die Autorin wundervoll, den Leser misstrauisch werden zu lassen – mal gegen ihn, dann wieder gegen sie. Dazu bedient sie sich diverser Kleinigkeiten, bei denen man einfach stutzt und sich fragt, was daraus noch wird. Nur eines ist von Anfang an klar und bleibt es bis zum Schluss: Reed und Ellery arbeiten zusammen.

Sam – Ellerys Chef – ist zwar eigentlich nur eine Nebenrolle, aber er war mir total unsympathisch. Vermutlich ist auch das genauso gewollt. Man wird das Gefühl nicht los, dass er sich ein junges Ding angelacht hat, um sich aus seiner langweiligen Ehe zu schleichen. Beruflich jedoch nimmt er Ellery erst für voll, als er ganz persönlich betroffen ist. Ich mag solche Menschen nicht, vielleicht ist mir Sam auch deshalb so unsympathisch.

Alles in allem zeichnet die Autorin ihre Figuren recht vielschichtig, zeigt unterschiedliche Seiten und versteht es, zu begründen, weshalb ein Charakter agiert, wie er es tut. Dies zwar nicht immer und sofort, aber am Ende der Geschichte kann ich sagen, dass die Figuren durchaus authentisch sind.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Joanna Schaffhausen ist angenehm und leicht zu lesen. Man kann sich in die Geschichte fallen lassen und sich auf sie einlassen, ohne über merkwürdig schwierige Formulierungen zu stolpern. Auch – und das halte ich für wichtig bei einem Thriller – liefert sie immer wieder Wendungen, die man so vielleicht nicht erwartet hatte. Insbesondere was den Täter angeht, lässt sie sich viel Zeit, ihn zu outen und auf dem Weg dorthin legt sie viele falsche Indizien aus. So kann der Leser mitraten. Ich habe den Täter erst in dem Moment, als er auch im Buch entlarvt wurde, auf dem Schirm gehabt und mit seinem Motiv hatte ich erst recht nicht gerechnet. Bis dahin habe ich im Dunkeln getappt. Das mag ich an guten Thrillern. Wenn die Lösung zu früh zu offensichtlich ist, macht es keinen Spaß weiter zu lesen.
Was mich gestört hat, sind die recht vielen Rechtschreibfehler. Das erwarte ich so nicht in einem Buch, das im Paperback 11,00 Euro kostet.

Wie viel reale Ermittlungsarbeit in diesem Buch steckt, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber für mich war es stimmig. Erwähnte Ermittlungstätigkeiten konnte ich nachvollziehen.

Insgesamt war mir die erste Hälfte des Buches etwas zu langatmig. Das Kleinstadtfeeling wurde sehr deutlich zum Ausdruck gebracht und irgendwann kam dann der Moment, in dem ich dachte, dass es langsam losgehen könnte. Die zweite Hälfte enttäuscht aber nicht. Möglicherweise habe ich in der langen ersten Hälfte aber eben dadurch auch den einen oder anderen Hinweis überlesen, was schade wäre. Aber die Story als Gesamtheit ist durchdacht und macht Spaß.

Fazit:
Ein guter Thriller für Zwischendurch. Er macht nicht die enorme Gänsehaut, kann den Leser aber durchaus einfangen. 3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 05.01.2020

Familiendrama

Wider deinen Nächsten
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Das Buch:
Ich durfte dieses Buch im Rahmen einer Leserunde lesen, wofür ich mich beim Autor und dem Verlag bedanke. Das Cover des Buches gefällt mir. Es passt zur Geschichte, stellt die 3 Protagonisten ...

Das Buch:
Ich durfte dieses Buch im Rahmen einer Leserunde lesen, wofür ich mich beim Autor und dem Verlag bedanke. Das Cover des Buches gefällt mir. Es passt zur Geschichte, stellt die 3 Protagonisten gut dar und fügt sich nicht unbedingt in die Riege der momentan üblichen historischen Covers ein. Im Buchladen würde ich vermutlich allein des Trabis wegen zugreifen um den Klappentext zu lesen, da mich das Thema DDR gerade in der letzten Zeit sehr interessiert.

Worum geht’s?
Karl und Luise – ein Ehepaar im thüringischen Eichsfeld, nah der Grenze zur BRD – leben ein relativ normales Leben mit ihrer Tochter Jessica. Karl hat sich durch harte Arbeit bis auf den Posten des Betriebsdirektors im VEB Molikol gearbeitet und könnte nun stolz darauf sein. Jedoch schwelt in ihm seit ihrer Jugend die Eifersucht auf Martin, den Luise auch heute noch liebt. Martin verschwand nach dem entscheidenden Kampf zwischen Martin und Karl aus Luises Leben und meldete sich nie wieder. So könnte für Karl das Leben perfekt sein – mit der Frau, die er liebt, einer angesehenen Stellung und einer wunderbaren Tochter. Dennoch begeht er einen Fehler, der seine Folgen haben wird.

Charaktere:
Die Geschichte wird hauptsächlich zwischen Karl und Luise erzählt; es geht um ihr Leben in der DDR, in unmittelbarer Nähe zur Grenze und der 5km Sperrzone, in der Luises Mutter lebt.

Luise ist eine junge Frau, die als Jugendliche unsterblich in Martin – den Star ihrer Clique – verliebt ist. Für sie unerklärt verschwindet Martin eines Tages aus ihrem Leben und meldet sich nie wieder. So heiratet sie, nach einigem Hin und Her, dessen besten Freund Karl. Tief in ihrem Inneren lebt jedoch die Liebe zu Martin weiter. Obwohl diese Liebe tief geht, arrangiert sie sich in ihrer Ehe mit Karl und als ihre Tochter Jessica geboren wird, ist sich Luise sicher, dass sie ein gutes Leben an Karls Seite führen kann.
Luise entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu einer starken Frau, die nichts mehr möchte, als ihre Familie zusammen zu halten. Dafür stellt sie alle ihre eigenen Befindlichkeiten hinten an, verzeiht Karl beinahe jeden Ausbruch und sogar als sie erfährt, dass er sich als IM verpflichtet hat, überwindet sie ihre Abscheu gegen ihn und geht wieder auf ihn zu. In meinen Augen mehr als nur ein kleiner Liebesbeweis!
Luise wurde katholisch erzogen – was in der DDR als eher unüblich gilt – war weder bei den Pionieren noch ist sie Mitglied der SED. Ihre eigene Vergangenheit hat sie gelehrt vor der Staatssicherheit auf der Hut zu sein, weshalb ich sie fast ein bisschen dafür bewundert habe, dass sie nach Karls Offenbarung über die Verpflichtung bei ihm blieb. Hier kam Karl aber sicherlich auch Luises Erziehung und die mahnenden Worte ihrer Mutter zu Hilfe. An dieser Stelle kann ich es nur schwer nachvollziehen, dass Luise sich – als Erwachsene – noch etwas sagen lässt. Nach Auskunft des Autors ist es jedoch so, dass die Verhältnisse unter der katholischen Erziehung tatsächlich so gewesen sind, dass sich die Frau unterzuordnen hatte. Ich habe dafür wenig Verständnis, konnte es anhand der Erklärungen jedoch verstehen. Luise ist für mich die Hauptfigur der Geschichte, da sie die Leidtragende in allen Situationen ist und dennoch nicht zerbricht.

Karl ist in meinen Augen ein sehr schwacher Charakter. Von früh an leidet er unter seinem mangelnden Selbstwertgefühl – zunächst Martin gegenüber, später gegenüber Luise. Er stellt sich gern selbst als Opfer dar und Luise ist schuld an allem. In einem Boxkampf mit Martin, als sie noch Teenager waren, gewinnt Karl das Recht um Luises Hand anzuhalten während Martin darauf zu verzichten hat.
Allein der Umstand, dass zwei junge Männer darum kämpfen, wer nun die geliebte Frau zum Altar führen darf, ohne eben diese zu fragen, was sie will, finde ich schon etwas seltsam. Andererseits, aufgrund der Tatsache, dass Martin einfach verschwindet, kann Luise nicht wissen, was aus ihm geworden ist und lässt sich deshalb auf Karl ein. Dies wiederum kann ich gut verstehen. Karl wusste aber immer, dass er nur die 2. Wahl ist und nimmt es billigend in Kauf.
Den Posten als Betriebsdirektor will er haben, weil er Luise beweisen will, dass er besser ist als Martin. Die Tatsache, dass Karl sich nach so langer Zeit immer noch mit Martin vergleicht und immer noch glaubt, beweisen zu müssen, dass er besser ist, lässt für mich den Schluss zu, dass sich an seinem Selbstwert nichts geändert hat. Dass er dafür aber eine Grenze überschreitet und sich – mit wirklich naiven Begründungen – auf die Stasi einlässt, macht ihn für mich so richtig unsympathisch. Als er bemerkt, dass er eben nicht nur belangloses Zeug abliefern kann, ist es zu spät. Da er nicht mehr ausbrechen kann, verändert er sich, verliert jeglichen Lebensmut und macht Luise nicht nur das Leben zur Hölle sondern wirft ihr vor, Schuld daran zu sein. Er musste ihr doch beweisen…
Karl ist ein Charakter, dem ich im wahren Leben wirklich nicht gern begegnen möchte. Er war mir immer unangenehm. Ich habe ihn mir groß und massig vorgestellt, während Luise eher zierlich wirkt, ihm also auch körperlich absolut unterlegen ist. Hin und wieder habe ich mich sogar gesorgt, dass Karl handgreiflich werden könnte.

Karl und Luise werden sehr fein beschrieben. Ich hatte ein ziemlich genaues Bild über die beiden im Kopf und konnte mir ihren Alltag lebhaft vorstellen. Luises Vergangenheit wird ebenfalls recht genau erzählt und vermittelt dem Leser ein sehr rundes Bild dieser Figur, sodass es leicht fällt sie zu mögen.

Demgegenüber steht Martin, der im Grunde ja der Auslöser für Karls Dilemma ist. Leider bleibt diese Figur sehr blass. Da Martin anfänglich nur in Luises Erinnerungen auftaucht, bleibt er für mich auch mehr oder weniger im Status Erinnerung hängen. Sehr viel weiter arbeitet er sich nicht daraus hervor, obwohl er ja wieder in Luises Leben tritt. Mich hätten seine Vergangenheit, seine Aufgabe in der Gegenwart, wegen der er zurückkam, und seine Verstrickung in die Fänge der Staatssicherheit sehr interessiert. Hierüber erfährt der Leser leider nichts oder nur einige Bruchstücke.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Hans Montag ist flüssig. Mit vielen Details, die aber nicht ausufern, beschreibt er das Eichsfeld, sodass der Leser ein gutes Bild vor Augen haben kann. Auch das Leben in unmittelbarer Nähe der Grenze und der 5km Sperrzone klingt authentisch. Lieb gewonnen habe ich so kleine Beobachtungen wie z.B. einen Zivilen, der auf der Transit-Autobahn Fotos von Westautos macht, sollten sie sich Verfehlungen leisten.

Die Tristesse (z.B. die leeren Läden) der DDR stellt der Autor gut dar, wobei Karl und Luise ja in gehobenen Verhältnissen leben. Sie fahren Wartburg statt Trabi, sie wohnen in einem Haus usw.

Historischer Hintergrund:
Die Erzählung darüber, dass im Eichsfeld die katholische Kirche dominierte statt der SED hat mich dazu genötigt im Internet nachzuschauen. Und tatsächlich, es gab diesen Landstrich in der DDR, in dem die Kirche und nicht die Partei regierte. Das finde ich sehr spannend und interessant zu lesen, zumal dieser Einfluss immer und immer wieder im Leben von Karl und Luise auftaucht.

Demgegenüber kommt mir der Bericht über die Arbeitsweise der Staatssicherheit deutlich zu kurz. Zwar wird immer wieder erwähnt, an welcher Stelle sie ihre Finger im Spiel gehabt haben soll, aber wirklich davon erzählt, was passiert ist und warum wird leider nicht. Da der Klappentext versprach, dass hier die Geschichte einer Familie erzählt wird, die an der Stasi zerbrochen ist, hatte ich mir mehr in diese Richtung erwartet.

Fazit:
Alles in Allem ist diese Geschichte ein gelungenes Familiendrama, das zum Ende hin vielleicht etwas schnell abgehandelt wird. In Karl und Luise kann sich der Leser gut hineinversetzen, Martin bleibt mir zu blass. Auch das Thema Stasi wird nur erwähnt, aber leider nicht erklärt. 3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 03.10.2019

Kurzgeschichten zum Lachen und Nachdenken

Der Dreiundvierzigjährige, der aus der Haustür trat und spazieren ging
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Ich habe das Büchlein im Zuge einer Leserunde gelesen, wofür ich mich beim Autor bedanke. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung längerer und kürzerer Geschichten, über die man lachen und bisweilen auch ...

Ich habe das Büchlein im Zuge einer Leserunde gelesen, wofür ich mich beim Autor bedanke. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung längerer und kürzerer Geschichten, über die man lachen und bisweilen auch nachdenken kann.

Jens Rohrer nimmt sich in seinen Geschichten zumeist das eigene Leben vor und schreibt sie in der ICH-Form. Während seiner Erzählungen überzieht er Situationen teilweise bis ins Groteske, was bei mir zu einigen lauten Lachern geführt hat. Bisweilen allerdings auch zu absolutem Unverständnis. Mir war bei mancher Geschichte nicht klar, was genau der Autor mir damit mitteilen wollte. Allerdings sehe ich es – ganz wie im wahren Leben – so, dass dies sicherlich auch Geschmackssache ist und von jedem Leser individuell eingestuft werden muss.

Besonders gefielen mir die Geschichten, die Alltagssituationen beleuchtet haben, denn hier fand ich mich selbst auch wieder und konnte seinen Beobachtungen nur allzu oft zustimmen und über sie lachen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Geschichten, die mich nachdenklich zurück ließen. Hierzu zählen definitiv „2030“ und „Die neue RTL-Show“. Beides sind Geschichten, die eher kritischer Natur sind und mir gut gefallen haben. Sie regen den Leser an etwas länger zu verweilen, bevor er die nächste Geschichte beginnt. „2030“ habe ich sogar zweimal gelesen.

Jens Rohrers Schreibstil lässt sich leicht lesen, manchmal aber gibt es in den Geschichten irgendwie ein Durcheinander der Gedanken und lässt die Frage zurück „Und was wollte mir der Dichter damit sagen?“. Humor ist immer individuell, insofern werden unterschiedliche Leser über verschiedene Geschichten lachen (oder auch nachdenken) können. Ein bisschen ist es wie bei den Comedians... Nicht jeder Witz gelingt, nicht jeder Hieb kommt an.

Fazit:
Es handelt sich bei diesem Buch um eine kurzweilige Sammlung von Geschichten, bei denen nicht jede einen Treffer landen kann. Dies mag auch durch die wirklich vielfältigen Themen bedingt sein. Ob dem Leser die Geschichten gefallen oder nicht, wird sicher auch am eigenen Humor liegen. Mir gefielen die Alltagsgeschichten besonders gut, weil der Autor treffsicher beschreibt, was er beobachtet hat. 3 von 5 Sternen.