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Veröffentlicht am 11.09.2020

sollte Pflichtlektüre für alle in der Psychiatrie Arbeitenden werden

Schizophrenie ist scheiße, Mama!
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Ein großartiges Buch. Großartig deswegen, weil es so wichtig ist.

Die Autorin bekommt einen Anruf aus dem Internat, sie möge bitte ihre Tochter abholen. Und damit beginnt ein Alptraum sowohl für die Mutter, ...

Ein großartiges Buch. Großartig deswegen, weil es so wichtig ist.

Die Autorin bekommt einen Anruf aus dem Internat, sie möge bitte ihre Tochter abholen. Und damit beginnt ein Alptraum sowohl für die Mutter, als auch natürlich für Lena, ihre Tochter. Ob es sich dabei um Schizophrenie handelt, oder um eine manisch-depressive Erkrankung mit psychotischen Episoden ist im Grunde nebensächlich (es existieren beide Diagnosen für Lena, was öfter vorkommen kann, wenn man bei verschiedenen Psychiatern ist).

Das Leid der Tochter, ihre Ungeduld, ihre Ängste, ihr Bemühen um Normalität und ihr Scheitern, ihr ausuferndes, lautes irrationales Verhalten, ihre Anschuldigungen (aus Verzweiflung, aus wahnhaftem Erleben heraus), ihr Geld ausgeben, ihre Verwahrlosung - das alles ist für die Mutter nur schwer zu ertragen und auszuhalten. Sie will helfen und unterstützen, sie will das Leid ihrer Tochter lindern und ihr beistehen. Aber wie ? Was kann sie tun ? Was braucht ihr Kind jetzt ? Was ist richtig, was ist falsch ? Völlig allein gelassen von Ärzten und Pflegekräften sucht sie nach Informationen über die Erkrankung und versucht ihr möglichstes, um Lena zu helfen. Sie sucht Wohnungen, wenn Lena wieder rausgeflogen ist, sie gibt ihr Arbeit, sie besucht sie täglich in der Klinik, sie putzt und räumt auf, wenn Lena es nicht schafft, sie versucht sie zu motivieren ihre Medikamente zu nehmen und sie moralisch zu unterstützen und aufzubauen. Sie gibt ihr Bestes. Aber das ist nicht leicht bei so einer Erkrankung.

Viel Zeit und Energie hätte sie sich sparen können, wenn sie von Ärzten und Pflege aufgeklärt worden wäre über die Erkrankung und was sie erwarten kann. Ich arbeite seit 25 Jahren in der Psychiatrie und weiß, dass Angehörige kaum wahrgenommen werden, dass sie in erster Linie gesehen werden, als die, die den Patienten die Sachen bringen (Zigaretten, Kleidung, Geld, Shampoo etc.), dass man sich zu wenig Zeit für sie nimmt und in ihrer Verzweiflung oft alleine lässt. Ich verweise meist auf Angehörigen Gruppen, die bei uns an der Klinik sehr gut sind und wo Angehörige die nötige Unterstützung bekommen, die der Autorin hier so dringend fehlt. In Angehörigen Gruppen erhalten die Eltern/Geschwister/Kinder/ Partner/Freunde nicht nur Psychoedukation, also Aufklärung und Infos über die Erkrankung, die Medikamente und deren Nebenwirkung und wie sie mit dem Patienten und dessen Verhalten umgehen können, sondern auch Unterstützung, Anteilnahme, Entlastung, das Gefühl, sie stehen nicht alleine da, andere machen die gleichen Erfahrungen, Trost Hoffnung und Zuversicht. In den Gruppen berichten Angehörige davon, was bei ihnen geholfen hat, was funktioniert hat und was nicht. Sie werden Schuldgefühle los (Hab ich was falsch gemacht, bin ich schuld, was hätte ich anders machen können, hätte ich sie besser auf der Schule gelassen trotz mobbing, hätte ich strenger sein müssen oder lascher, hätte ich mehr Zeit mit ihm verbringen sollen oder ihm mehr Freiraum gönnen sollen usw.) und können auch ihrem Ärger Luft machen. Manche Erkrankungen z.B. Depressionen können wütend machen und fast alle Erkrankungen lassen einen verzweifeln und lösen Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit aus. Hier kann man sagen, wie man sich fühlt ohne, dass man schief angesehen wird. Hier geht es um einen selbst, nicht um den Patienten, auch wenn über ihn, seine Erkrankung und sein Verhalten gesprochen wird. Es gibt Ratschläge und Infos bzgl. Betreuung, Einweisung oder was man macht, wenn der Sohn sich verbarrikadiert hat, wenn er aus Verfolgungswahn aggressiv wird, wenn er aufgrund von Vergiftungsideen nicht mehr ißt und trinkt, wenn der Mann in seiner Manie alles Geld verschenkt oder sonstwie ausgibt, wenn die Patienten sexuell völlig enthemmt sind und Job, Wohnung etc. verlieren, wenn sie Kontakt abbrechen und nur noch sich zurückziehen und verwahrlosen etc.

An dieser Stelle möchte ich auch auf den Trialog hinweisen, den es in vielen Städten gibt. Dort sitzen Angehörige, Patienten und Profis (Psychiater, Pflege, Sozialarbeiter, Therapeuten) zusammen, ohne miteinander zu tun zu haben . Es sind also nicht die Angehörigen der Patienten, die daran teilnehmen, sondern Fremde. Und dann schildert jeder wie er das Verhalten der Patienten, ihre Erkrankung etc. erlebt. Wären es die Angehörigen des Patienten, wären die Emotionen zu hoch, um informativ seine Sicht der Dinge darlegen zu können, aber auch so erfährt man viel von der Sicht der anderen und versteht so viel besser, warum sich jemand weigert, die Medikamente zu nehmen, warum in der Klinik auf Tagesstruktur Wert gelegt wird, warum die Eltern einen haben einweisen lassen, warum man Nachts alle Möbel auf die Straße räumt, um Angreifer abzuwehren, warum es in der Klinik nachts keinen Kaffee mehr gibt etc. etc. Alle 3 Teilnehmergruppen profitieren enorm von diesem Austausch, der ja auch völlig ohne Schuldzuweisungen abläuft, da die drei sonst nichts miteinander zu tun haben.

Für Profis : Ich finde, dieses Buch sollte jeder, der in der Psychiatrie arbeitet als Pflichtlektüre lesen, egal ob Arzt, Therapeut, Pflege oder Sozialarbeiter. Denn es ist so, wie die Autorin es schildert, die Angehörigen kommen oft zu kurz und werden mit ihren Fragen und Sorgen allein gelassen. Wir versuchen zwar uns Zeit für Angehörigengespräche zu nehmen, aber auf einer Akutstation ist dies nicht immer möglich und so verlieren wir die Angehörigen oft aus dem Blick. Dieses Buch würde uns wieder bewußtmachen, dass wir uns mehr Zeit nehmen (müssen).

Für Angehörige ist dieses Buch auch sehr hilfreich, da sie sich hier sicher wiederfinden werden und merken, sie stehen nicht alleine da. Auch sind im Anhang viele nützliche Adressen und Literatur aufgeführt.

Für Patienten kann dieses Buch auch hilfreich sein, damit sie -ähnlich wie beim Trialog- besser verstehen können, warum Angehörige oder Freunde sie in die Klinik gebracht oder eine Betreuung eingerichtet haben und wie ihre Erkrankung auf Außenstehende wirkt. Vielleicht ermöglicht dies Buch ihnen, mit ihrer Familie ins Gespräch zu kommen, was sie sich in einer Krankheitsphase für sich wünschen, was sie als hilfreich empfinden etc.

Für Nichtbetroffene : Psychische Erkrankungen sind immer noch mit einem großen Stigma behaftet, oft , weil es befremdlich wirkt und Angst macht. Was man nicht versteht, wird abgelehnt. Auch die Autorin stößt -selbst im Freundeskreis- auf Unverständnis, Ablehnung und völlig deplazierte "gute Ratschläge". Dieses Buch gibt einen guten EInblick in die Schwierigkeiten, mit denen es betroffene Familien zu tun haben und ich finde, es ist immer gut seinen Horizont zu erweitern, um mehr Verständnis für andere Menschen zu haben. Also, liebe Leute, lest dieses Buch.

Ich habe schon viel Literatur zu diesem Thema gelesen, sowohl von Patienten selbst, als auch von Angehörigen (auch die Bücher "Der Tag an dem meine Tochter verrückt wurde" und "Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen" sind sehr gut). Dieses hier finde ich aber besonders eindringlich, da es hier wirklich um die Erfahrungen als Angehörige geht und nicht die Erkrankung selbst im Mittelpunkt steht. Und wie gesagt, ich halte es für alle, die in der Psychiatrie arbeiten für ein Muß, damit die Angehörigen und ihre Bedürfnisse wieder mehr gesehen werden. Ich werde es jetzt nachkaufen und allen jungen Kolleginnen schenken.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

ein wahrer Pageturner

Aus schwarzem Wasser
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Bewertet mit 5 Sternen

Super ! Ganz große klasse. Eins der spannensten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich will hier nicht viel verraten, nur erstmal die Empfehlung aussprechen, nicht den Klappentext ...

Bewertet mit 5 Sternen

Super ! Ganz große klasse. Eins der spannensten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich will hier nicht viel verraten, nur erstmal die Empfehlung aussprechen, nicht den Klappentext zu lesen, denn dann sind die ersten Seiten noch eindrucksvoller und spannender. Das Buch hat mich regelrecht mitgerissen und es war lange nicht klar, in welche Richtung es geht.

Es geht um geheime Forschungen, soviel verrate ich doch. Die Geschichte wird durch Personenwechsel und Zeitsprünge vorangetrieben, denen man aber sehr gut folgen kann, da sie deutlich gekennzeichnet sind. Die Figuren sind sympathisch und nachvollziehbar. Man kann sich gut in sie hineinversetzen. Klar gibt es auch hier mal kleine Mängel, aber die fallen nicht ins Gewicht. Der Schluß hat mir nicht ganz so gut gefallen, weil es noch vieles gab, worüber ich mehr hätte lesen wollen und ich fand ihn etwas zu konstruiert.

Sprachlich war es eine positive Überraschung, vor allem zu Beginn. Das hat man bei Thrillern selten. Es gibt richtig poetische Metaphern ("Die seltsame Leere, die sie zurücklässt, breitet sich in mir aus, wie Tinte auf einem nassen Stück Papier " um nur eine davon zu nennen) und auch stilistisch bin ich beeindruckt.

Wer Spannung und Geheimnisse mag und einen Pageturner sucht, kommt hier voll auf seine Kosten. Ich werde ab jetzt nach der Autorin Ausschau halten.

Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 27.08.2020

toller Humor, so gut wie der erste Teil

Das Kind in mir will achtsam morden
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Ein wunderbar humorvolles Buch, das seinem Vorgänger "Achtsam morden" durchaus das Wasser reichen kann. Man muß den Vorgänger nicht lesen, aber ich glaube, einfach um des Lesevergnügens willen sollte ...

Ein wunderbar humorvolles Buch, das seinem Vorgänger "Achtsam morden" durchaus das Wasser reichen kann. Man muß den Vorgänger nicht lesen, aber ich glaube, einfach um des Lesevergnügens willen sollte man dies tun.

Björn ist Anwalt und hat nun 2 Mafiaclans zu leiten. Wie er da reingeschlittert ist, möchte ich hier nicht verraten, aber er hat alle Hände voll zu tun und leitet auch noch einen Kindergarten. Auch wenn er dank seines Therapeuten nun ganzheitlich und achtsam mordet, möchter er gar nicht mehr morden, denn das hat er ja nie gewollt. Es hat sich nur halt immer so ergeben. Aber irgendwie passiert ihm doch wieder ein Mord. Sein Therapeut zeigt ihm den Zugang zum inneren Kind. Ob ihm dies weiterhilft ?

All die vielen kleinen, beiläufigen Bemerkungen sind herrlich. z.B. bei der Beschreibung von Nils "Sein flaumiger Oberlippenbart passte weder in die Alpen noch in sein Gesicht." Oder "Nils war exakt der Typ Mensch, dessentwegen man Urlaub in den Alpen macht: Um ihn wenigstens eine Woche nicht zu sehen". Diese saloppen und sarkastischen Beschreibungen haben es mir angetan : "...irgendwelche Schwachmaten mit Testosteron-Fehlfunktion..." Das Buch wimmelt nur so von unscheinbaren und doch witzigen Bemerkungen, die dem Buch die richtige Würze geben : " Das ist der Vorteil von Ikea Möbeln. Zerstört oder unzerstört sehen sie fast gleich aus." oder "Die Frau, die keinen Sex mit mir haben wollte, war sauer, weil sich eine andere Frau dafür bedankte, auch keinen Sex mit mir gehabt zu haben. Und wer ging zum Coaching, um sein vermeintlich irrationales Handeln in den Griff zu bekommen? Ich."

Besonders schön fand ich auch das mit den Spielplatzverwüstern, dass sie nun die Gelegenheit hätten einen Beschwerdebrief bzgl. des Reinigungszyklus an die Stadtverwaltung zu schreiben."...versuchte ich meinen inneren Zwiespalt zwischen Mitleid und Genugtuung wertneutral zu formulieren." Ich freue mich sehr, dass der Autor nicht all sein Pulver im ersten Buch verschossen hat, sondern wir auch hier auf unsere Kosten kommen. Mein absoluter Favorit ist die Stelle mit der Katze, die ich hier nicht wiedergeben kann ohne zu spoilern.

Vom Konzept des inneren Kindes habe ich schon gehört, finde es hier aber sehr gut und anschaulich erklärt, für alle, die damit nicht vertraut sind, sodass es auch für Laien nachvollziehbar ist. Auch manche "Weisheiten" machen nachdenklich oder sind sehr treffend. " Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wenn ihm niemand das Vertrauen gibt, dass er dort keimen kann, oder von einem Vogel in eine neue Heimat geflogen wird, bleibt dem Apfel nur, im Schatten des Baumes zu verrotten."

Insgesamt ein toller Lesegenuß, der einen oft zum Lachen brachte. Ein herrliches Buch.

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Veröffentlicht am 16.08.2020

toller Einblick

Zwei alte Frauen
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Ein harter Winter setzt einer Gruppe Indianern in Alaska so zu, dass der Häuptling beschließt, zwei alte Frauen zurückzulassen, in der Hoffnung, durch zwei Esser weniger das Überleben des Stammes zu sichern. ...

Ein harter Winter setzt einer Gruppe Indianern in Alaska so zu, dass der Häuptling beschließt, zwei alte Frauen zurückzulassen, in der Hoffnung, durch zwei Esser weniger das Überleben des Stammes zu sichern. Die beiden Frauen sind zunächst fassungslos über diesen Verrat, beschließen aber dann, nicht auf den Tod durch erfrieren, verhungern oder Tiere zu warten, sondern so lange wie möglich am Leben zu bleiben. Nach und nach erinnern sie sich an die Jagdmethoden aus ihrer Jugend und nehmen den Kampf mit dem Winter auf.

Sehr spannend und leicht zu lesen. Die Autorin, selbst eine Angehörige des Stammes, lebt seit Jahren allein mit Kind in einer alten Trapperhütte nach den Traditionen ihrer Vorfahren und hat diese Überlieferung der 2 alten Frauen aufgeschrieben. Es liest sich schnell (140 Seiten) und zeigt die Entbehrungen und harte Arbeit während des Überlebenskampfes, aber auch die Entwicklung der beiden Frauen von hilflosen, jammernden Alten zu selbstbewußten kämpferischen Frauen. Ich fand das Buch sehr lesenswert und interessant. Klare Leseempfehlung für alle, die gerne etwas über Menschen, ihre Entwicklung und fremde Kulturen wissen wollen.

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Veröffentlicht am 25.07.2020

heiterer Krimi

Kreuzstich Bienenstich Herzstich
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Ein heiterer Krimi, der, obwohl auch spannend, vor allem durch seine sympathischen, menschlichen Charaktere besticht und eher locker flockig daher kommt. Kommissar Seiferheld, nach einem Arbeitsunfall ...

Ein heiterer Krimi, der, obwohl auch spannend, vor allem durch seine sympathischen, menschlichen Charaktere besticht und eher locker flockig daher kommt. Kommissar Seiferheld, nach einem Arbeitsunfall Frührentner, sieht einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen einiger alleinstehender Männer, deren Ableben aber eindeutig als Unfälle deklariert wurden. Seine ehemaligen Kollegen nehmen ihn nicht ernst und lachen ihn nur aus. Tief gekränkt versucht er einen Lockvogel zu finden, um dem Täter auf die Spur zu kommen.

Habe das Buch sehr gerne gelesen. Der Humor ist sehr schön und eigentlich wichtiger als die Auflösung. So ist das Buch auch aufgebaut. Es ist sehr leichte Kost und macht Spaß. Ich denke, ich werde mir mehr Bücher aus der Reihe zulegen, wenn ich mal was Kleines, Heiteres für Zwischendurch lesen möchte. Auch möchte ich wissen, wie es mit den Charakteren weitergeht und ob der Kommissar bei seinem heimlichen Hobby, dem Besticken von Kissenbezügen, erwischt wird. Es ist ihm nämlich sehr peinlich ein so unmännliches Hobby zu haben.

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