Profilbild von Nabura

Nabura

Lesejury Star
offline

Nabura ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Nabura über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2020

Liebe und Unsterblichkeit

Finale
0

Nach dem Ende des letzten Caraval sind Donatella und ihre Schwester Scarlett in der Hauptstadt Valenda geblieben. Die Schicksalsmächte wurden ebenso wie ihre Mutter Paloma aus dem Schicksalsdeck befreit, ...

Nach dem Ende des letzten Caraval sind Donatella und ihre Schwester Scarlett in der Hauptstadt Valenda geblieben. Die Schicksalsmächte wurden ebenso wie ihre Mutter Paloma aus dem Schicksalsdeck befreit, befinden sich jedoch weiterhin in einem Schlafzustand. Während die Schwestern das Erwachen ihrer Mutter herbeiwünschen fürchten sie gleichzeitig, was die Schicksalsmächte in der Welt anstellen werden. Dante erscheint jede Nacht in Tellas Träumen erscheint und sie fragt, ob sie den Preis für den Sieg des letzten Caraval will. Julian hingegen hat sich bei Scarlett schon eine ganze Weile nicht gemeldet. Dafür will ihr Verlobter sie endlich kennenlernen. Die Krönungszeremonie rückt näher, doch dann überschlagen sich die Ereignisse.

Die Geschichte beginnt kurz nach den Ereignissen des zweiten Bandes und man sollte auch nur mit Vorkenntnissen in diesen letzten Teil starten. Nachdem der Fokus im ersten Band auf Scarlett und im zweiten auf Tella lag, wechseln die beiden Schwestern sich nun mit dem Erzählen der Geschichte ab. Sie sind aus dem Palast aus- und in eine kleine Wohnung an Standrand eingezogen, wo sie darauf warten, dass sich der Zustand ihrer Mutter verändert.

Im zweiten Band wurde das große Geheimnis um Legend endlich gelüftet. Aus den Ereignissen haben sich aber neue Fragen ergeben, die für Spannung sorgen. Mit Neugier wartete ich auf den Moment, in dem die Schicksalsmächte erwachen. Das Thema Liebe spielt eine noch größere Rolle als in den vorherigen Bänden. Beide Schwestern sehen sich mit jeweils zwei Männern konfrontiert, die um ihre Gunst werben. Aber können Unsterbliche wirklich lieben, oder ist das für sie nur ein weiteres Spiel?

Schon nach kurzer Zeit erwischte mich die temporeiche Geschichte eiskalt mit einem dramatischen Ereignis, mit dem ich wirklich nicht gerechnet habe. Neue Informationen lassen vieles in neuem Licht erscheinen und die Charaktere müssen sich einem Problem stellen, das größer ist als alles, was sie bislang kannten. An manchen Stellen hätte ich mir noch mehr Kontext und erklärende Worte gewünscht, denn vieles passiert so schnell, dass man gedanklich kaum hinterherkommt. Zum Ende hin gibt das Buch in Sachen Spannung und Dramatik noch mal alles. Ich bin mit dem Ende der Trilogie absolut zufrieden.

Wer „Caraval“ und „Legendary“ gelesen hat, den erwartet mit „Finale“ nun der im wahrsten Sinne des Wortes krönende Abschluss der Trilogie!

Veröffentlicht am 18.09.2020

Weiterleben nach einer schrecklichen Tragödie

Das Haus in der Claremont Street
0

Der neunjährige Tom hat eine schreckliche Tragödie miterlebt: Sein Vater hat seine Mutter zu Tode geprügelt und sich anschließend selbst umgebracht. Seine Tante Sonya, die Toms gesetzlicher Vormund ist, ...

Der neunjährige Tom hat eine schreckliche Tragödie miterlebt: Sein Vater hat seine Mutter zu Tode geprügelt und sich anschließend selbst umgebracht. Seine Tante Sonya, die Toms gesetzlicher Vormund ist, nimmt den Jungen bei sich auf. Doch seit dem Vorfall spricht er nicht mehr, isst kaum, gibt sich abweisend und auch Psychologen dringen nicht zu ihm durch. Sonya, die sich immer eigene Kinder gewünscht hat, kapituliert schließlich und überlässt den Jungen ihrer chaotischen Schwester Rose. Ist ihr Haus in der Claremont Street in Toronto ein besseres Umfeld für Tom?

Gleich zu Beginn des Buches ereignet sich auf wenigen Seiten die Tragödie, die Tom seine Eltern nimmt und ihn verstummen lässt. Der Vorfall wird an dieser Stelle und auch später nicht explizit geschildert, und das Buch springt anschließend zur Trauerfeier für seine Eltern. Seine Mutter hatte zwei Schwestern und einen Bruder, deren Leben im weiteren Verlauf des Romans beleuchtet werden.

Tom hat sich ganz in sich selbst zurückgezogen, woran insbesondere seine Tante Sonya verzweifelt, die sich um ihn kümmern möchte. Das Buch ist aus den Perspektiven von Tom, Sonya und ihren Geschwistern Rose und Will geschrieben. Jeder von ihnen hat Schuldgefühle im Hinblick auf den Tod ihrer Schwester und geht die Trauerbewältigung anders an. Außerdem gibt es eine ganze Reihe weiterer Themen, mit denen die Charaktere sich auseinandersetzen müssen wie ein unerfüllter Kinderwunsch und Spielsucht.

Sonya, Rose und Will wollen für Tom eigentlich nur das Beste, doch ihre dysfunktionalen Verhaltensweisen sorgen immer wieder für neue Instabilität. Die Geschichte schlägt ein ruhiges Tempo an und erzeugt eine bedrückende Atmosphäre. Gelegentlich blitzt schwarzer Humor auf, etwa wenn die Geschwister darüber diskutieren, was sie mit der Urne ihres Schwagers machen sollen, die ebenso wie die ihrer Schwester zu ihnen gebracht wurde.

Ich fand die Geschichte berührend, hätte mir insgesamt aber noch mehr Nähe zu den Charakteren gewünscht, denn trotz der wechselnden Perspektiven blieben mir manche Aspekte ihres Verhaltens ein Rätsel. Das Geschehen stimmt nachdenklich und ich habe mitgebangt, ob es der Familie gelingen wird, sich um Toms willen zusammenzuraufen. Ein eindringlicher Roman über Familie und Trauerbewältigung.

Veröffentlicht am 12.09.2020

Unterhaltsamer Pendlerroman mit vielen Zufällen

Das Glück in vollen Zügen
0

Marie wohnt in Herrsching am Ammersee in einem Bauwagen direkt am Wasser. Der Wagen steht auf dem Grundstück ihrer Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemanns begonnen hat, ihr Leben neu zu sortieren. Jeden ...

Marie wohnt in Herrsching am Ammersee in einem Bauwagen direkt am Wasser. Der Wagen steht auf dem Grundstück ihrer Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemanns begonnen hat, ihr Leben neu zu sortieren. Jeden Tag pendelt Marie mit dem Zug nach München. Das tut auch Johannes, der aus der Großstadt zurück nach Herrsching gezogen ist, um bei seinem demenzkranken Vater zu leben und ihn zu unterstützen. Beide haben sich schon häufiger im Zug gesehen, aber noch nie miteinander geredet. Durch einige Zufälle glauben sie, dass der jeweils andere vergeben ist. Bevor es zu einem Gespräch kommen kann werden die Leben der beiden gehörig durcheinander gewirbelt.

Der Roman schlägt einen lockeren Ton an. Marie genießt ihr Leben am Ammersee mit morgendlichen Schwimmrunden und der Rottweilerhündin Dexter an ihrer Seite. Diese ist schwanger, sodass die Aufregung allmählich steigt. Weniger begeistert ist Marie hingegen von den Plänen ihrer Mutter, mit ihr auf eine Gala zu gehen, wo alles was in München Rang und Namen hat anwesend sein muss.

Johannes nimmt Marie zum ersten Mal wahr, als diese im Zug unbeeindruckt von den Menschen um sie herum ein Umzieh-Manöver von lässig zu chic absolviert. Auch anders herum ist Marie auf Johannes aufmerksam geworden, allerdings eher wegen der merkwürdigen Telefonate, die er im Zug führt. Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht der beiden geschrieben, sodass man erfährt, was sie übereinander denken und wie ihr Verhalten auf den jeweils anderen wirkt.

Die beiden fahren aber nicht nur Zug, sondern jeder sieht sich einigen Herausforderungen gegenüber. Marie kommt mit dem neuen Freund ihrer Mutter nicht klar und bereitet sich darauf vor, dass ihre Hündin Welpen bekommt. Johannes muss feststellen, dass die Demenz seines Vaters schnell voranschreitet und überlegen, welche Unterstützung er benötigt. Trotz dieser ernsten Themen verliert das Buch seine Leichtigkeit nicht und bietet immer wieder Szenen, die mich zum schmunzeln brachten.

Die Geschichte legt es darauf an, den Leser mit zahlreichen verpassten Chancen verrückt zu machen. Der Zufall will es immer wieder so, dass die beiden sich zum Beispiel knapp verpassen oder aufgrund eines mitgehörten Gesprächs die Situation falsch deuten. Für meinen Geschmack dauerte diese Phase aber zu lang an.

„Das Glück in vollen Zügen“ ist eine locker erzählte Pendler-Geschichte mit vielen turbulenten und unterhaltsamen Momenten. Sie spricht aber auch ernste Themen an, denen die beiden Protagonisten sich stellen müssen. Romantik spielt eine eher untergeordnete Rolle, denn Marie und Johannes erleben das meiste ohne den jeweils anderen. Ein Roman für alle, die die Phase des gegenseitigen Beobachtens vor dem ersten Gespräch am spannendsten finden!

Veröffentlicht am 30.08.2020

Überleben im Neufundland des 18. Jahrhunderts

Die Unschuldigen
0

Die Geschwister Evered und Ada leben mit ihren Eltern und ihrer kürzlich geborenen Schwester in einer abgelegenen Bucht in Neufundland. Im Sommer und Herbst fangen und verarbeiten sie Fische, die ihr Vater ...

Die Geschwister Evered und Ada leben mit ihren Eltern und ihrer kürzlich geborenen Schwester in einer abgelegenen Bucht in Neufundland. Im Sommer und Herbst fangen und verarbeiten sie Fische, die ihr Vater auf einem zweimal jährlich eintreffenden Schiff gegen Vorräte eintauscht. Doch dann sterben das Baby, die Mutter und der Vater kurz nacheinander an einer Krankheit. Evered und Ada, zu diesem Zeitpunkt ungefähr zwölf und zehn Jahre alt, wollen in der Bucht bleiben und das ihnen bekannte Leben fortführen. Es ist für die beiden ein Ringen mit der wilden, unberechenbaren Natur und der eigenen Einsamkeit.

Der Klappentext des Buches verrät bereits, dass Evered und Ada mitten in der Wildnis von Neufundland im 18. Jahrhundert auf sich allein gestellt sind. Entsprechend wenig überrascht war ich vom Tod ihrer Eltern und ihrer Schwestern auf den ersten Seiten, wovon auf den allerersten Seiten recht schnell berichtet wird. Die beiden überlebenden Geschwister haben sich in ihrem ganzen Leben noch nicht weit von der Bucht entfernt und kennen außer ihrer Familie keine anderen Menschen außer der Hebamme Mary Oram, die zur Geburt ihrer Schwester eine Weile bei ihnen wohnte. Ihr Wissen von der Welt ist entsprechend eingeschränkt auf das, was ihre Eltern und Mary Oram ihnen gesagt und gezeigt haben.

Ich war neugierig, ob die Geschwister ihr bisheriges Leben fortführen können und wollen. Ein Schiff könnte sie innerhalb weniger Tage zum Dorf Mockbeggar bringen, doch die beiden wollen lieber versuchen, in ihrer Bucht zu überleben. Ohne die Unterstützung ihrer Eltern wird das zu einem herausfordernden Kampf ums Überleben. Können sie genug Fisch verarbeiten, um mit den eingetauschten Vorräten den Winter zu überstehen? Dazu wird nicht nur Geschick benötigt, sondern auch das Wetter muss mitspielen.

Die Geschichte wird in einem ruhigen Tempo und sehr atmosphärisch erzählt. Man begleitet Evered und Ada beim Fischfang, der Robbenjagd und durch lange dunkle Wintertage. Auch das Verhältnis der Geschwister zueinander wird intensiv beleuchtet. Die beiden sind durch die gemensam verbrachte Zeit unzertrennlich. Sie wissen, dass sie als Geschwister einander nicht heiraten können, haben aber keinerlei sexuelle Aufklärung erhalten, sodass sie entsprechechende Regungen nicht richtig einordnen können.

Die Routine der beiden wird gelegentlich unterbrochen, zum Beispiel von einem Sturm oder Besuchern in der Bucht. Ich hätte mir in Summe mehr Spannung gewünscht, denn auch diese Ereignisse lösen keine größeren Umbrüche aus. Über mehrere Jahre bleibt man an Evereds und Adas Seite, die sich beharrlich den harten Lebensumständen entgegen stellen und lieber ihr bekanntes Leben weiterführen wollen als sich ins Ungewisse aufzumachen. Ein eindringlich erzählter Roman, der mich tief in die Wildnis Neufundlands des 18. Jahrhunderts eintauchen ließ.

Veröffentlicht am 29.08.2020

Ein Vermisstenfall im hohen Nordosten Islands

Kalmann
0

Im hohen Nordosten Islands befindet sich das Dorf Raufarhövn. In dem ehemaligen Fischerdorf leben inzwischen nur noch wenige Menschen. Einer von ihnen ist Kalmann. Er macht den zweitbesten Gammelhai nach ...

Im hohen Nordosten Islands befindet sich das Dorf Raufarhövn. In dem ehemaligen Fischerdorf leben inzwischen nur noch wenige Menschen. Einer von ihnen ist Kalmann. Er macht den zweitbesten Gammelhai nach seinem Großvater, der inzwischen im Pflegeheim lebt. Zu Kalmanns Standard-Ausrüstung gehören Cowboyhut, Sherrifstern und eine alte Mauser - drei Dinge, die ihm sein amerikanischer Vater bei seinem einzigen Besuch überlassen hat. Eines Tages entdeckt Kalmann während der Jagd auf einen Polarfuchs eine große Blutlache. Damit fangen die Probleme an. Denn Róbert McKenzie, der Quotenkönig des Dorfes, ist verschwunden.

Das Buch ist aus der Ich-Perspektive Kalmanns geschrieben. Er ist dreiunddreißig Jahre alt und hat sein ganzes Leben in Raufarhövn verbracht. In der Schule war er immer der schlechteste und einige Leute behaupten, dass die Räder in seinem Kopf rückwärts laufen. Sein Großvater, mit dem er lange unter einem Dach lebte, hat ihm jedoch viele wichtige grundlegende Dinge beigebracht, ist mit ihm auf die Jagd gegangen und mit dem Boot aufs Meer gefahren. Er hat Kalmann immer darin bestärkt, dass mit ihm schon alles in Ordnung sei.

Kalmanns Schilderungen und vor allem sein Verhalten deuten auf eine geistige Behinderung hin, die in ihrer Natur nicht näher erläutert wird. Wenn er die Kontrolle verliert, neigt er zu Gewaltausbrüchen, die sich vor allem gegen ihn selbst, manchmal aber auch eher versehentlich gegen andere richten. Seine Gedanken sind einfach gestrickt und pragmatisch, manchmal auch ein wenig philosophisch. Frauen werden von ihm allerdings auf ihr Aussehen und die potenzielle Fähigkeit, mit ihm Kinder zu zeugen, reduziert. Die Lektion in Emanzipation hat sein Großvater wohl übersprungen.

Als Kalmann eine große Blutlache in der Nähe des Artic Henge entdeckt, einem noch unvollendeten Steinkreis, der zur Touristenattraktion werden soll, geraten einige Dinge in Bewegung. Die Polizistin Birna kommt ins Dorf, um die Ermittlungen im Vermisstenfall Róbert McKenzie aufzunehmen, und das Blut ist der einzige Anhaltspunkt. Kalmanns Überlegungen, ob ein Eisbär Róbert gefressen hat, kommen ihr höchst ungelegen, da sie Suchtrupps losschicken will. Schließlich kommt es zu weiteren Vorfällen, bei denen zunächst nicht klar ist, ob es einen Zusammenhang gibt.

Die atmosphärischen Schilderungen des Lebens inmitten der rauen Natur haben mich in die Geschichte eintauchen lassen. Der Autor lebt selbst seit einigen Jahren in Island und hat das Lebensgefühl im kleinen Raufarhövn gelungen eingefangen. Durch die Ermittlungen ist im Dorf so viel Trubel wie lange nicht mehr. Zum Ende hin gibt es noch mal einige Twists - manche sah ich kommen, andere konnten mich überraschen.

„Kalmann“ wird von vielen als einfältiger und harmloser Dorftrottel abgestempelt. Ihn beschäftigt allerdings so einiges, wie der Leser dank der Ich-Perspektive des Romans schnell feststellen konnte. Kalmann ist ein spezieller, ungewöhnlicher Protagonist, den ich aber nicht sonderlich sympathisch fand. Das muss man auch nicht, um die Atmosphäre Islands zu genießen und im Vermisstenfall mitzurätseln. Ein Roman für alle, die Lust auf eine ganz besondere Reise in einen abgelegenen Zipfel Islands haben!