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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2017

Das letzte Glas

Bitterer Calvados
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Deauville glänzt mit dem Krimifestival, das hat auch Auswirkungen auf Commissaire Leblanc und sein Team. Nicht nur, dass er sein Kommissariat für eine Lesung räumen soll, auch einen Todesfall hat er am ...

Deauville glänzt mit dem Krimifestival, das hat auch Auswirkungen auf Commissaire Leblanc und sein Team. Nicht nur, dass er sein Kommissariat für eine Lesung räumen soll, auch einen Todesfall hat er am Hals.

Jean Pierre Piccard, ein Superstar unter den Kriminalautoren, wurde tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Der starke Geruch nach Bittermandel, der aus dem Glas Calvados strömt, zeigt deutlich, es war Mord.

Leblanc braucht nicht lange um herauszufinden, dass JPP, wie er sich nennen ließ, eine ganze andere Persönlichkeit war, als er sich öffentlich darstellte. Rücksichtslos und manipulativ gegen andere Menschen, die er ausnutzte und dann fallen ließ. Doch egal, welche neue Spur sich auftut, Leblanc gerät immer wieder in eine Sackgasse.
Mir gefiel besonders, wie ruhig und besonnen die Polizeiarbeit geschildert wurde, ohne dass es je langatmig wird. Die Anspielungen auf den Literaturbetrieb und den Krimiboom fand ich dabei sehr witzig. Dazu passen die Ausflüge in Leblancs private Liebeswirren, die ebenfalls recht amüsant sind, aber dabei immer am Rand bleiben und nicht zu viel Raum einnehmen.

Die Normandie ist auch als Schauplatz sehr schön geschildert, man merkt, dass die Autorin die Gegend wie ihre Westentasche kennt und liebt. Gute Personenbeschreibungen und ein Spannungsbogen, der sich immer weiter steigert, je tiefer die Ermittlungen fortschreiten, machen den Krimi zu einer runden Sache.

Für mich ist es bisher der beste Krimi in der Reihe um Leblanc.

Veröffentlicht am 06.02.2017

Liebeswirren

Franz oder gar nicht
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Ausgerechnet dem berühmten und äußerst attraktiven Fernsehkoch Raphael Franz bricht die junge Anästhesistin Jo während der Narkose einen Schneidezahn ab. Zu dumm, dass sie mit ihren Versuchen, sich zu ...

Ausgerechnet dem berühmten und äußerst attraktiven Fernsehkoch Raphael Franz bricht die junge Anästhesistin Jo während der Narkose einen Schneidezahn ab. Zu dumm, dass sie mit ihren Versuchen, sich zu entschuldigen, alles nur noch schlimmer macht. Jo ist davon überzeugt, dass Raphael ihr den ganzen Ärger heimzahlen wird. Doch was sie nicht ahnt: Raphael kocht nicht nur exzellent, sondern auch vor Leidenschaft … (Klappentext)
Meine Meinung:
„Franz oder gar nicht“ ist ein leichter und humorvoller Roman, dabei ist die Sprache nie platt. Temporeich und voller Situationskomik macht es Spaß den beiden Protagonisten zu folgen. Die kabbeln sich gewaltig und man weiß ja: Was sich liebt, das neckt sich! Diese Liebeswirren werden von der Autorin leichtfüßig und charmant erzählt. Immer im Wechsel von Raphaels und Josephines Gefühlen, die gar nicht so weit auseinanderliegen.
Sehr gelungen persifliert ist der Alltag in der Chirurgieabteilung der Klinik, allein schon diese Szenen lösten einen Lachanfall nach dem anderen bei mir aus. Ich habe mich mit dieser Liebeskomödie bestens amüsiert. Der Autorin ist ein unterhaltendes und witziges Buch gelungen.

Veröffentlicht am 26.01.2017

Auf der Suche nach einem besseren Leben

Niemand ist bei den Kälbern
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„Niemand ist bei den Kälbern“ ist ein Buch, das mich auch nach der Lektüre noch lange beschäftigt, sogar verstört hat. Hier hat die Autorin einen Nerv getroffen und das ist für mich ein Zeichen, dass Literatur ...

„Niemand ist bei den Kälbern“ ist ein Buch, das mich auch nach der Lektüre noch lange beschäftigt, sogar verstört hat. Hier hat die Autorin einen Nerv getroffen und das ist für mich ein Zeichen, dass Literatur auch immer eine gesellschaftliche Relevanz hat.


Die Autorin erzählt vom Landleben, aber kein Idyll, wie es so gern verklärt von Zeitschriften und Büchern dargestellt wird, sondern harte ungeschminkte Realität. In einer Region, die von Landflucht, Verarmung und fehlender Infrastruktur geplagt wird, lebt Christin auf dem Milchhof von Jan und seinen Eltern in Mecklenburg-Vorpommern. Die Lebensumstände sind hart, niedrige Milchpreise, fehlende Perspektiven, tagtäglich ein Lebenskampf. Die Beziehung zu Jan ist geprägt von Lieblosigkeit und Misstrauen, sie bleibt dort, weil sie einfach keine andere Möglichkeit für sich sieht. Christin träumt von einem anderen Leben, aber antriebslos lässt sie sich treiben und wartet. Ihre innere Zerrissenheit ist schmerzhaft spürbar.

Es gibt kaum Figuren mit Empathie in diesem Buch, grade das macht die Lektüre so intensiv. Es zwingt mich dazu, mich mit Menschen auseinanderzusetzen, die so in meiner Lebenswirklichkeit nicht vorkommen. Alkoholmissbrauch, akzeptierte Kriminalität und das Fehlen von moralischen Leitlinien ist ein Ausdruck des Gefühls, abgehängt zu sein von einer lebenswerten Zukunft.


Die Hauptfigur, Christin, wurde mir im Lauf der Lektüre immer unsympathischer, erstaunlich, dass eine „Papierfigur“ diese Reaktion auslöste, für mich aber auch ein Beweis, wie gelungen Alina Herbing sie darstellte und wie genau sie beobachtet.


Das ist keine ländliche Idylle, das eine harte, raue Wirklichkeit, die in Sprache und Stil adäquat umgesetzt wurde.

Veröffentlicht am 25.01.2017

DI Kim Stone

Silent Scream – Wie lange kannst du schweigen?
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DI Kim Stone, die „Heldin“ dieses Krimis ist eine schwierige Person. Menschliche Gefühle und Regungen hat sie tief in sich vergraben, Small Talk ist auch nicht ihrs und der freundliche Umgang mit Zeugen, ...

DI Kim Stone, die „Heldin“ dieses Krimis ist eine schwierige Person. Menschliche Gefühle und Regungen hat sie tief in sich vergraben, Small Talk ist auch nicht ihrs und der freundliche Umgang mit Zeugen, Verdächtigen oder sogar Kollegen, macht ihr Probleme. Dass sie trotzdem erfolgreich ist, ihre Kolleginnen und Kollegen für sie durchs Feuer gehen, liegt sicher auch an ihrer phänomenalen Erfolgsquote und nicht zuletzt an ihrer Loyalität.
Eine Serie von Morden, deren Muster Kim Stone, oder Guv, wie ihre Kollegen sie nennen, schnell durchschaut, führt sie auf das Gelände eines alten, verlassenen Kinderheimes und damit auch in ihre Vergangenheit, denn Kinderheime kennt Kim zur Genüge. Als dort noch Gebeine von jungen Mädchen gefunden werden, ist jedem klar, dass hier in der Vergangenheit der Schlüssel zum Täter liegt.
Der Krimi ist wirklich sehr spannend geschrieben. Natürlich erfindet die Autorin in ihrem Debüt das Rad nicht neu, ähnliche Themen und Sujets hat man schon öfters gelesen, aber sie schafft es einen eigenen Ton zu finden. Die Figur der Kim Stone ist nicht frei von Klischees, sie folgt ganz dem Muster „harte Schale, weicher, tief versteckter Kern“, aber auch hier macht es Spaß, ihr zu folgen. Ich habe zwar das ganze Buch über nicht begriffen, warum sie von Kollegen „Guv“ genannt wird und ob das eine besondere Bedeutung hat, aber ich finde sie gut charakterisiert und die schrittweise Enthüllung ihrer eigenen Vergangenheit, macht es dem Leser leicht, ihr Verhalten zu verstehen. Auch die rotzigen Dialoge und Auseinandersetzungen mit dem korrekten Chef sind gut geschrieben. Die übrigen Teammitglieder hätten eine stärkere Rolle verdient, vielleicht werden sie im zweiten Buch mehr an Profil gewinnen.
Die Spannung ist sehr gut aufgebaut und schon nach wenigen Seiten ist man in der Geschichte drin und wirklich begierig auf die Auflösung. Da gibt es noch ein paar Haken, die überraschend, aber in der Rückblende auch sehr logisch sind. Insgesamt ein gutes Debüt, das zu lesen sich lohnt.
Warum allerdings der englische Titel „Silent scream“ beibehalten wurde, hat sich mir nicht ganz erschlossen.

Veröffentlicht am 17.01.2017

Schöne Familiengeschichte

Die Eismacher
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Seit Generationen ziehen die Eismacher aus dem Cadore Tal den Sommer über in den Norden, wo sie ihre Eiscafés betreiben und kehren nur für die Wintermonate ins Tal zurück. So will es die Tradition und ...

Seit Generationen ziehen die Eismacher aus dem Cadore Tal den Sommer über in den Norden, wo sie ihre Eiscafés betreiben und kehren nur für die Wintermonate ins Tal zurück. So will es die Tradition und als Giovanni Talamini mit der Tradition bricht, weil er für sich einen anderen Lebensweg sieht, geht ein Riss durch die Familie.
Giovanni hat die Poesie entdeckt, studiert Literatur und wird Lektor und Herausgeber, während sein jüngerer Bruder das Geschäft übernimmt. Giovanni erzählt die Geschichte seiner Familie aus zwei Perspektiven, die des Urgroßvaters, der als erster Eis machte, noch mit Schnee, den er von den Gipfelgletschern holte und aus seiner eigenen Sicht. Er spürt, wie er der Familie fremd wurde und wie sein Bruder sich immer mehr von ihm zurückzieht, obwohl Luca Sophia zur Frau nimmt, in die beide verliebt waren.
Lyrik und Eis sind die beiden Themen dieses Romans, das kommt leicht und zartschmelzend daher. Auch wenn das Bild im Bezug auf Eis abgenutzt ist, es passt hier wirklich. Die beschriebenen Eiskompositionen lassen mich den Geschmack auf der Zunge spüren. Die zitierten Gedichte sind immer auch ein Spiegel für die Gefühle der beiden Brüder. Dieser unausgesprochene Bruderzwist war für mich auch das stärkste Element dieses Buchs, bei dem ich immer wieder vergessen habe, dass ich einen Roman in der Hand halte. Aus dem Nachwort des Autors erklärt sich auch diese Echtheit. Er hat in Südtirol viele Familiengeschichten der Eismacher gehört und sie alle zu einem exemplarischen Leben verwoben. Dabei bleibt Giovanni, der Ich – Erzähler als einzige Figur ein wenig blass im Hintergrund. Grade von dieser Figur hätte ich gern noch mehr erfahren. Aber sonst ist alles da, was zu einem richtigen Lesegenuss gehört, zarte Liebesgeschichten, Familiendrama, Tragik und Trauer, Abenteuer und ein feiner Humor.
Ich habe diesen schönen Roman in einem Rutsch gelesen und mich bestens unterhalten.