Um 1600, Istanbul. Der junge Knabe Cihan überlebt im Topaki-Palast das grausame Dekret des Sultans, der alle männlichen Verwandten ermorden lässt, nur mit Hilfe des dort beschäftigten Küchenchefs, der sich seiner annimmt und von dort entfernt. Cihan hat die außergewöhnliche Begabung, einen sehr ausgeprägten und feinen Geschmackssinn zu besitzen, der ihn schon bald mit den besten Köchen des Landes zusammenbringt, die ihn fördern und fordern. Dabei lernt er seine große Liebe kennen, die Tänzerin Kamer, von der er aber schon bald wieder getrennt wird. Doch er hofft darauf, dass sich ihre Wege irgendwann wieder kreuzen. Seine Ausbildung führt ihn durch die Länder des Orients, wo er so manches Küchen- und Gewürzgeheimnis aufschnappt und seine Kochkünste immer mehr verfeinert. Dann ist es endlich soweit: er nimmt als Küchenmeister des Sultans in der Palastküche seinen Platz ein und sinnt insgeheim nicht nur auf Rache für die Dinge, die ihm als Kind wiederfahren sind, er hofft auch, endlich Kamer wiederzusehen…
Saygin Ersin hat mit „Der Meisterkoch“ nicht nur einen sehr opulenten und farbenprächtigen Roman vorgelegt, sondern entführt den Leser in die sagenumworbene Zeit der 1001 Nacht. Der flüssige, leicht blumige und bildgewaltige Erzählstil lässt den Leser schnell zwischen den Seiten abtauchen und sich an der Seite von Cihan auf eine abenteuerliche Reise begeben, die sämtliche Sinne anspricht. Geschickt webt Ersin die Geschichte um Cihan, lässt den Leser durch Rückblenden seine schicksalhafte Kindheit miterleben sowie seine Laufbahn, die ihn nicht nur zu einem vollendeten Küchenmeister, sondern auch zum Herrscher der Gewürze und des Geschmacks werden lassen. Der Autor schildert die Geschichte so plastisch, dass man als Leser nicht nur die wundervollen exotischen Gerüche in der Nase hat, sondern sie auch am Gaumen spürt. Die Beschreibungen der Palastküchen, des unzähligen Personals und des extrem hohen Aufwands, der damals betrieben wurde, lässt einen an ein Schlaraffenland denken, in dem unendlich Milch und Honig fließen, während im sich im Kopf wunderschöne farbenprächtige Bilder formen. Die eingewebte romantische Liebesgeschichte ist ein gutes Kontrastprogramm zu den Rachegedanken, die Cihan mit seinen Gerichten in die Tat umsetzen will. Der Autor lässt seinen Protagonisten wie einen Magier der Sinne wirken, der durch den Umgang mit Kräutern und Gewürzen seine Konsumenten verzaubert und so Zugang zu allerlei Informationen und Bereiche erhält. Ersin webt seinen Spannungsbogen sehr geschickt durch die wechselnden Perspektiven, die er bis zum Ende gut hoch halten kann.
Die Charaktere sind sehr differenziert ausgestaltet, wirken auf gewisse Weise zauberhaft, aber auch glaubwürdig und authentisch. Der Leser tummelt sich unsichtbar in ihrem Dunstkreis, um nicht nur Geheimnissen und Intrigen auf die Spur zu kommen, sondern auch das Schicksal einiger zu verfolgen. Cihan ist ein Geschmackstalent, dessen Welt nicht nur die Dufte, sondern auch der Gaumen ist. Er ist wiss- und lernbegierig, fleißig, geschickt und innovativ in der Auswahl seiner Zutaten, die die Genießer nicht nur schwelgen lassen, sondern ihm auch Türen öffnen, die eigentlich verschlossen sind. Auf wundersame Weise gelingt es ihm, seine Umwelt allein durch sein Können zu manipulieren, um sein Ziel zu erreichen. Kamer ist eine talentierte Tänzerin, die im Palast wie in einem Gefängnis lebt. Sie kann sich dort zwar frei bewegen, doch untersteht sie den Wachen und wird wie ein Eigentum behandelt. Aber auch die Herrin der Aromen sowie die vielen Küchenchefs, denen Cihan auf seinen Reisen begegnet, hinterlassen großen Eindruck und sind für die Geschichte unerlässlich.
„Der Meisterkoch“ ist eine wunderschöne Entführung in den farbenprächtigen, exotischen Orient. Der Roman lässt den Leser in eine Märchenwelt eintauchen, die nicht nur seine kulinarischen Genüsse anspricht, sondern auch mit einer Geschichte verzaubern kann, die außergewöhnlich und geheimnisvoll ist. Absolute Leseempfehlung!