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Veröffentlicht am 20.09.2020

Bitte mehr von diesem Ermittlerduo!

Schüssler und die verschwundenen Mädchen
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Ich mag ja Krimis mit etwas schrulligen Detektiven/Protagonisten, ähnlich wie bei Agatha Christies Hercule Poirot und Miss Marple. Victor Glass hat mit seinem Ludwig Schüssler und Caroline Geiger ein zwar ...

Ich mag ja Krimis mit etwas schrulligen Detektiven/Protagonisten, ähnlich wie bei Agatha Christies Hercule Poirot und Miss Marple. Victor Glass hat mit seinem Ludwig Schüssler und Caroline Geiger ein zwar weniger schrulliges als viel mehr liebenswertes (und für 1890 recht liberales und fortschrittliches) Ermittlerduo geschaffen, Schüssler muss sich mit seinen Ermittlungserfolgen aber auch nicht hinter anderen Detektiven verstecken. Und das Buch "Schüssler und die verschwundenen Mädchen" nicht vor anderen Detektiv- oder Ermittlergeschichten. Ein Indiz dafür ist, dass ich das Buch innerhalb kürzester Zeit durchgelesen habe.

In Augsburg des späten 19. Jahrhunderts ist die Industrialisierung im vollen Gang und Maschinen ersetzen nicht selten die Tatkraft eines Arbeiters. Selbst in herrschaftlichen Häusern gibt es schon Geräte, die die Arbei der Hausmädchen und Diener ersetzen und dazu beitragen, dass die Herrschaften Personal einsparen können. In dieser Zeit verlieren vor allem weibliche Arbeitskräfte ihre Anstellung, ziehen entweder von Augsburg ins Württembergische, heiraten oder töten sich aus Verzweiflung oder geraden ganz gewaltig in die Bredouille. Ganze Frauenscharen verschwinden aus der Stadt. Als auch Luise Habenicht verschwindet, wendet sich ihr Verlobter an Ludwig Schüssler. Er glaubt nicht, dass Luise freiwillig verschwunden, eher, das ihr etwas zugestoßen ist. Schüssler will den Auftrag gar nicht erst annehmen, ist er doch mit einem Betrugs- und Diebstahlsfall in einem Kaufhaus betraut worden. Dort trifft er auch erstmalig auf Caroline Geiger. Gemeinsam nehmen sie sich dann dem Fall mit der verschwundenen Verlobten an, nicht wissend, das die Geschichte noch viel größere Dimension annimmt.

Von Schüssler und Caroline Geiger würde ich gern noch mehr lesen. Die sind wirklich ein tolles Gespann. Ich hoffe doch, das Victor Glass noch mehr Bücher über die beiden schreibt.

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Kurz und bündig

Wir sind nicht nachtragend ..., wir vergessen aber auch nichts.
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Kürzlich ist das neueste Werk von Uwe Steimle erschienen. Es trägt den interessanten Titel "Wir sind nicht nachtragend ..., wir vergessen aber auch nichts". Darin schreibt Uwe Steimle über seine Kindheit, ...

Kürzlich ist das neueste Werk von Uwe Steimle erschienen. Es trägt den interessanten Titel "Wir sind nicht nachtragend ..., wir vergessen aber auch nichts". Darin schreibt Uwe Steimle über seine Kindheit, über aktuelle Geschehnisse und einige Begebenheiten, die schon ein paar Monde zurück liegen. Und dabei legt er einen ruhigen, ausgeglichenen, teils wehmütig, teils bissig-satirischen Tonfall an den Tag. Er ist leise, wo seine Kritiker laut sind und hat für jene, die nach 30 Jahren immer noch die Mauer im Kopf haben und die ewig gleichen Vorurteile gegen die Ostdeutschen, insbesondere gegen ihn anbringen, nur ein müdes Schulterzucken übrig. Jammer-Ossi? Ein Uwe Steimle jammert nicht, der stellt fest. Und, was ich an ihm seit jeher total sympathisch finde, er kann sich so schön an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Für mich ist und bleibt der "Zauberer von Ost", da können seine Kritiker Gift und Galle spucken, bis zum Umfallen.

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Der Ruhrpott ist ein sympathisches Fleckchen Erde

Ein Traum vom Glück
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Ich mag das Ruhrgebiet. Wenn ich mir überhaupt vorstellen könnte, in den Westen zu ziehen, dann wäre der Ruhrpott, ja gar Essen meine erste Wahl.
Ich sehe schon eure fragenden Gesichter. Wieso zur Hölle ...

Ich mag das Ruhrgebiet. Wenn ich mir überhaupt vorstellen könnte, in den Westen zu ziehen, dann wäre der Ruhrpott, ja gar Essen meine erste Wahl.
Ich sehe schon eure fragenden Gesichter. Wieso zur Hölle denn Essen, wieso der Pott? Ganz einfach: Weil wir Vogtländer wie auch unsere Nachbarn, die Erzgebirgler mit dem Pott etwas gemeinsam haben: Unsere Bergbautradition. Bei Zeiten wurde uns im Musikunterricht das Steigerlied beigebracht, weshalb ich es beim Lesen vom ersten Teil von Eva Völlers Ruhrpottsaga mehr mitgesungen als gelesen habe. Und dann mag ich die Geradlinigkeit der Ruhrgebietler sowie ihren Dialekt. Da gibts ne Ansage direkt ins Gesicht, ohne viel Aufhebens. Nach Essen möchte ich auch mal, weil da eine gute Freundin wohnt, mit der ich zwar schon viel geschrieben, sie aber bisher leider nie persönlich getroffen habe und weil da eine meiner Lieblingsserien spielt: Der letzte Bulle. Ja, ich oute mich als großer Mick-Brisgau-Fan. 😁

Katharina, die Hauptprotagonistin im ersten Band von Eva Völlers Ruhrpottsaga sieht das etwas anders. Die will am liebsten wieder raus aus Essen. Denn die Stadt steht für sie vor allem für den Essengeruch, den ihre Schwiegermutter beim Kochen produziert, den Kohlestaub, der die Bettwäsche auf der Leine schwarz färbt und sich im Flur des Hauses absetzt und spießige Nachbarn, die über sie lästern, weil sie die geschminkte Schickse aus Berlin ist, die sie angeblich für was Besseres hält. Dabei will Kathi bloß unabhängig sein. Zu Ende des Krieges ist sie mit ihren beiden Töchtern aus Berlin geflüchtet und ist bei ihrer Schwiegermutter in Essen untergekommen. Ihr Mann gilt seit dem Krieg als vermisst und außer seiner Mutter Mine glaubt keiner mehr an eine Rückkehr. Kathi träumt von einem eigenen Laden, in dem sie ihre selbstgeschneiderten Kleider verkaufen kann und möchte sich und ihren Töchtern lieber heute als morgen ein Leben in Düsseldorf aufbauen, doch dann steht plötzlich Johannes, der Neffe ihres verschollenen Mannes vor der Tür und ihr Leben wird auf den Kopf gestellt.

Mir hat der erste Band der Ruhrpottsaga sehr gut gefallen. Eva Völler hat einen angenehmen Schreibstil und lässt es keine Sekunde langweilig werden. Der Roman ist voller unabsehbarer Wendungen, verbotener Liebe, Altnazis, die Stunk suchen und einer Menge Bergsteigerlatein. Ein wunderbarer historischer Roman über die 50er Jahre und die Nachkriegszeit im Ruhrpott. Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Von der Mutter eine Ehefrau vorsetzen lassen? Das klingt für Unsereins ziemlich meschugge!

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
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Mordechai "Motti" Wolkenbruch ist ein 25 Jahre alter Schweizer, studiert Wirtschaft und arbeitet nebenher in der Versicherungsagentur seines Vaters. Soweit, so normal. Allerdings stammt er aus einer chassidisch-jüdischen ...

Mordechai "Motti" Wolkenbruch ist ein 25 Jahre alter Schweizer, studiert Wirtschaft und arbeitet nebenher in der Versicherungsagentur seines Vaters. Soweit, so normal. Allerdings stammt er aus einer chassidisch-jüdischen Familie und da ticken die Uhren ein wenig anders, ist er doch mit seinen 25 Jahren bald schon überreif für eine Heirat. Also versucht ihn seine Mame (Mutter) mit allen Mitteln an die Frau zu bringen. Zum Leidwesen Mottis schleppt sie sie ihn von einem Schidech zum nächsten (Dates, aus denen bestenfalls eine Beziehung und eine darauf resultierende Heirat hervorgeht), stellt ihm allerdings nur Damen vor, die ihr selber ähneln (inklusive eines großen Tuches = Hinterns). Motti will sich seine zukünftige Frau selbst heraussuchen, verguckt sich aber an der Uni ausgerechnet in eine Schickse (Nichtjüdin) und damit beginnen seine Probleme. Als der Pakt, den er mit Michéle schließt, einem Mitglied aus der jüdischen Gemeinde, die ebenfalls unter den vielen Schidechs leidet, die ihre Mutter organisiert, nämlich so zutun, als hätten sie aneinander Interesse, um ihre Ruhe vor den ewigen Verkupplungsversuchen ihrer Mütter zu haben, wird er zu seinem Rabbi geschickt, damit dieser ihm den Kopf geraderückt. Der schlägt ihm allerdings vor, nach Isreal zu fliegen, denn da wären die jüdischen Frauen anders als die in der Schweiz und man könne sich dort schneller verlieben. Gesagt getan: Motti reist nach Israel, aber statt von dort eine Braut mit heim zu bringen, bringt er die Erkenntnis mit, dass er aus den engen Strukturen des chassidischen Judentums ausbrechen und sein eigenes Leben leben will.

Es heißt ja, man solle seine lokalen Buchhandlungen unterstützen und so ist mein Freund bei einem Besuch in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung hier in Leipzig auf "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" gestoßen. Der Klappentext hat uns beide angesprochen und so haben wir kurz hintereinander dieses lustige, aber auch zeitweilen ernste und traurige Buch gelesen. Da chassidische Juden jiddisch sprechen ist auch das Buch von Thomas Meyer in Jiddisch geschrieben worden, womit ich aber keinerlei Probleme hatte, im Gegenteil. Wenn ich einen Begriff nicht verstanden habe, habe ich im Glossar nachschlagen können oder, wie der Autor auf der Umschlagseite vorgeschlagen hat, das Wort einfach laut vor mich hingesprochen.

Das Buch bietet einen wunderbaren Einblick in die jüdische Kultur, in die Lebensweise und Gedankengänge. Manchmal ist es nötig, dass wir Gojeten (Nichtjuden) über unseren Tellerrand hinauszuschauen und andere Kulturen kennenlernen, um sie besser verstejen zu können und Vorurteile abzubauen. Wie ginge das besser, als mit einem so lustigen Roman zur Verständigung. Der jüdische Humor kann im Übrigen so bissiger oder schwärzer sein, als der britische, nur so zur Warnung.

Und apropos Tellerrand: Das Buch enthält auch ein Rezept für Matzenknödel, dass man nachkochen kann. Schon mal Matzenknödelsuppe gegessen? Nein? Dann besteht hier dringend Nachholbedarf, denn diese schmeckt echt gut. Man kann sie in etwa mit Grießklößchen vergleichen, nur das Matzen keine so trockene Konsistenz hat wie Grieß.
Wie Markus Kavka bei MTV immer so schön sagte: "Haben wir wieder was gelernt."

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Der Sozialismus war kein Bauern- und Arbeiterparadies

Duft nach Weiß
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Ich bin noch ein DDR-Kind, 1988 geboren, jedoch habe ich von der DDR überhaupt nichts mehr mitbekommen. Ich kenne sie nur aus Erzählungen und weiß, dass ich im Kinderwagen bei der Wende-Demos in Plauen ...

Ich bin noch ein DDR-Kind, 1988 geboren, jedoch habe ich von der DDR überhaupt nichts mehr mitbekommen. Ich kenne sie nur aus Erzählungen und weiß, dass ich im Kinderwagen bei der Wende-Demos in Plauen dabei war und ich weiß, dass es im Intershop immer gut gerochen hat (meine Oma kennt den Geruch allerdings nur, weil sie am Laden vorbeiging, drin war sie nie). Mein Opa durfte damals nur zur Transportpolizei gehen, wenn er in die Partei SED eintrat, mit ungeahnten Folgen für meine arme Mutter: Meine Urgroßeltern hatten Westverwandtschaft und durften diese besuchen. Einmal brachten sie meiner Mutter, die schon von klein auf ein großer Tierfreund war, Tierzeitschriften mit. Daran hatte sie nicht lange Freunde, denn diese wurden von meinem Opa sofort weggeworfen. Hätte ja was antisozialistisches drinstehen können und die Stasi lauerte überall. Nicht auszudenken, wenn beim Kommisar der Tramsportpolizei Westzeitschriften gefunden werden. Das nimmt ihn meine Mutter heute noch übel.

Ja, die DDR war nicht das sozialistische Bauern- und Arbeiterparadies, als welches sie dargestellt wurde. Es gab die Stasi, es wurden jungen Mütterndie Kinder weggenommen, wenn sie als nicht systemtreu galten und diese dann in Heime gesteckt, Jugendliche, die nicht spurten kamen in die Jugendwerkhöfe, Systemgegner gar ins Gefängnis und man wusste nie, ob man einen Stasispitzel im Freundeskreis, manches Mal gar in der Familie hatte. Zudem wurde am "antifaschistischen Schutzwall" (an der Mauer) und an den innerdeutschen Grenzen scharf geschossen und etliche "Republikflüchtlinge" mussten dort ihr leben lassen. Zudem stelle ich mir die DDR immer grau und trist und farblos vor, als hätte jemand, so wie der Michael in Nina Hagens Lied, den Farbfilm vergessen.

Dass der Sozialismus anderswo aber noch schlimmer gewütet hat, wo es in der DDR wahrscheinlich vergleichsweise noch "human" zuging, erzählt uns Stefanie Gregg in "Duft nach Weiß". Wie schon bei Sandra Brökels Bücher über Pavel Vodák und den Prager Frühling und wie auch bei Nino Haratischwilis Jahrhundertgeschichte über Georgien wurde mir auch in dieser Geschichte wieder ein guter Einblick in den Sozialismus des Ostblocks gegeben, der wesentlich rapiater mit seinen Dissidenten und Linienabweichlern vorging, als es sich die Leute in der DDR hätten ausmalen können. Das wird uns in diesem Buch eindrücklich mit der Geschichte des Autoren Georgi Markow erzählt, dem der bulgarische Sozialismus und der Präsident Todor Schiwkow die Luft zum Schreiben und Atmen nehmen, der daraufhin nach England flüchtet und fortan auf Radio Free Europe und der BBC Schiwkow und seinen Sozialismus durch den Kakao zieht, bis man ihn schließlich zum "Schweigen bringt".

Man sieht es aber auch schön an der Geschichte von Anelija die aus dem kleinen Dörfchen Radilovo kommt und sich mit viel Ergeiz, Fleiß und Wissensdurst den Weg aufs Gymnasium ebnet, nur um dann gesagt zu bekommen, dass sie nicht das studieren darf, was sie will. Auch sie flüchtet aus Bulgarien und kommt dabei fast um, für den Traum, in Deutschland studieren zu dürfen, was sie will.

Wir, die wir in der BRD aufwachsen konnten, können uns heute nicht mehr vorstellen, wie es ist, in einem sozialistischen Regime zu leben. Die Erzählungen meiner Verwandtschaft zeigen mir vor allem eins: Ich könnte in einer Diktatur nicht überleben, auch ich müsste wie Anelija und Georgi Markow flüchten und mir anderswo ein anderes Leben aufbauen. Und ich wohne jetzt schon nur 2 Stunden von meiner Heimat entfernt und hab garstiges Heimweh, jetzt stelle man sich mal vor, wie es wäre, in ein anderes Land zu gehen.

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