Eine schöne Liebesgeschichte
„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? ...
„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? Das ist mir nicht egal.“ (85%)
Das sagt Joseph, 22, zu Lucy, 42, als sie ihn fragt ob er für oder gegen den Brexit stimmen wird. Die beiden kommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, haben unterschiedliche Hautfarben und einen großen Altersunterschied. Doch sie verlieben sich ineinander und beginnen eine Beziehung.
Natürlich ist das eine Beziehung, die auf recht wackeligen Beinen steht. Vor allem Lucy denkt zunächst viel über all die möglichen Probleme dieser Partnerschaft nach. Und die Probleme sind mannigfaltig: Sie bewegen sich in unterschiedlichen Kreisen und befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen. Ganze Lebensplanungen wie z.B. eine mögliche Familiengründung auf Josephs Seite könnten in dieser Beziehung nicht umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die beiden oftmals nicht auf Augenhöhe kommunizieren und sind.
Die Darstellung dieser komplexen Partnerschaft und Liebe finde ich recht gelungen. Sie ist ganz und gar unkitschig. Wir sehen hier zwei Menschen, die sich lieben - egal, wie unterschiedlich sie sind - und die versuchen, diese Liebe zu leben.
Deshalb drei von fünf Sternen.
Doch dann kommt noch eine ganze Menge an wirklich großen Themen hinzu. Allen voran der Brexit. Leider bleibt dieses Thema im Roman ziemlich auf der Strecke. Am Ende sind die Aussagen dazu dann etwa: Leute aus der Arbeiterschicht sind für den Austritt, Bildungsbürger nicht. Zwei Kreuze zu machen ist besser als gar nicht wählen zu gehen. Und Trump ist ein größeres Problem als der Brexit.
Wenn Hornby einen jungen Engländer mit dunkler Hautfarbe über den Brexit nachdenken lässt und dabei aufzeigt, dass Rassismus viele Facetten haben kann, und warum der EU-Austritt auch für unter dem Rassismus leidende Briten in Frage kommen konnte - dann ist das wiederum sehr klug und spannend.
Es kommen aber noch Themen wie das Altern, Scheidung, Trennungskinder, Alkoholismus, Musik, das Schulwesen und das Bildungssystem hinzu. Ach ja, und dann noch... Sex, Sex, Sex. (Darüber wird die ganze Zeit geredet, ohne dass es wirklich spannend wäre oder was Aufregendes passieren würde.)
Der Roman will zu viel auf einmal und Hornby bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Finde ich. Und bin deshalb ein bisschen enttäuscht.
Doch wie gesagt: Die Liebesgeschichte ist ganz schön und dafür lohnt sich der Roman dann doch.
„Sie war glücklich, glücklich in einer Blase, und der einzige Grund, sie platzen zu lassen, war, dass Blasen nicht das wahre Leben waren. Aber Blasen ließen das Leben erträglich werden, und der Trick bestand darin, so viele wie möglich zu machen.“ (33%)