Auf der Suche nach dem goldenen Käfer
Miss Bensons ReiseIch muss gestehen, ich war lange unsicher, ob ich den neuen Roman von Rachel Joyce lesen soll oder nicht. Doch dann bekam ich ganz tolle Ansichtskarten mit Zitaten aus dem Buch zugeschickt.
"Es passiert ...
Ich muss gestehen, ich war lange unsicher, ob ich den neuen Roman von Rachel Joyce lesen soll oder nicht. Doch dann bekam ich ganz tolle Ansichtskarten mit Zitaten aus dem Buch zugeschickt.
"Es passiert so leicht, dass man sein Leben mit Dingen verbringt, für die man kein bisschen brennt. Aber jetzt waren sie endlich unterwegs."
"Das Gefühl, wenn man schafft, was man sich niemals zugetraut hätte, ist unbeschreiblich."
Den Zitaten nach hörte es sich nach einer spannenden Reise für die zwei unterschiedlichen Frauen an. Also machte ich mich ans Lesen.
Doch ich kam nicht vom Fleck. "Miss Bensons Reise" konnte mich einfach nicht fesseln. Obwohl - und das muss ich dem Roman zugute halten - die Story immer wieder neue unvorhersehbare Wendungen nimmt, mit denen man wirklich nicht rechnen konnte.
Es passiert recht viel, angefangen von Margery Bensons Aussetzer in ihrer Schule, wo sie Hauswirtschaft unterrichtet, über den Vorsatz nun doch endlich nach Neukaledonien zu reisen um den goldenen weichflügeligen Rosenkäfer zu suchen, wie auch um mögliche Reisebegleiter zu finden, sich endlich auf die Reise zu begeben und anzukommen - und dann gings ja erst richtig los. Trotz pausenlosen Ereignissen und in dem Sinne nicht langweilig, war der Roman es doch: irgendwie langweilig.
Schuld daran ist das Gesamtpaket zwischen zu viel los und einer total überspitzten und übertriebenen Charakterzeichnung, zudem das Gefühl, dass sich fast alles eher nach 1890 denn nach 1950 anhörte, alles märchenhaft wirkte. Item, die Geschichte konnte mich nicht für sich einnehmen.
Es ist praktisch keine normale Figur vorhanden: Margery lebt gewissenhaft nach Plan, fast schon langweilig, gehemmt, tut nichts spontanes und wirkt viel älter, als sie ist. Enid Pretty ist die Extrovertierte mit einem grossen Geheimnis, schafft es aber Menschen für sich zu gewinnen durch ihre Schwatzhaftigkeit und hat absolut keine Hemmungen. Dann gibts noch eine Figur, sagen wir mal sowas wie ein dunkler Schatten, der sehr unsympathisch ist und dem Roman einen Hauch von Thriller gibt. Alle haben sie eine tragische Vergangenheit, die nach und nach erzählt wird.
In diesem Spannungsfeld wird nach dem Goldkäfer in Neukaledonien gesucht. Abenteuerlich und gewagt eigentlich. Mit durchaus schönen Beschreibungen des Urwalds. Aber die beiden Frauen hätten sich nie gefunden in England, so gegensätzlich wie sie sind. Und doch entsteht eine etwas komplizierte Freundschaft, Rachel Joyce will die Frauen jedenfalls unbedingt so sehen - sie haben ja niemand anders auf der Reise, als sich selbst. Mich konnte die Autorin nicht von dieser Freundschaft überzeugen, sie hatte etwas Seltsames an sich.
"Miss Bensons Reise" ist nicht so eindrücklich wie "Harold Fry" und "Queenie", nicht so traurig wie "Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte", nicht so hoffnungslos wie "Mister Frank", aber sehr sehr tragisch.
Fazit: Das Ende ist in etwa die Zusammenfassung des ganzen Romans: komisch, tragisch und unausgereift zugleich.
3 Punkte.