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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.09.2020

Ein originelles Kammerspiel.

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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Ein ernstes Thema - eine Ehekrise - witzig-spritzig, schlagfertig und mit viel Humor an den Leser gebracht.

Im Zentrum stehen ein Ort (ein Pub), ein Ehepaar (Tom und Louise), ein Problem (eine Ehekrise) ...

Ein ernstes Thema - eine Ehekrise - witzig-spritzig, schlagfertig und mit viel Humor an den Leser gebracht.

Im Zentrum stehen ein Ort (ein Pub), ein Ehepaar (Tom und Louise), ein Problem (eine Ehekrise) und ein Lösungsansatz (eine Paartherapie).

Tom und Louise sind seit vielen Jahren verheiratet und jetzt ist der Wurm drin.

Die Ärztin Louise hat ihren Ehemann, den Musikjournalisten Tom betrogen. Die beiden haben zwei Kinder und einen Hund und über die Jahre ist etwas zu kurz gekommen und verloren gegangen. Die gegenseitige Aufmerksamkeit? Die Leidenschaft?

Eine Paartherapie soll aus der Sackgasse heraus helfen.

Höchst originell ist, dass es hier um eine Paartherapie geht, man aber nicht ein einziges Mal einer Sitzung beiwohnt.
Man erlebt nur, bzw. stattdessen die Sitzungen vor den Sitzungen in der Kneipe gegenüber der Praxis mit.
Und die sind äußerst amüsant, manchmal auch albern, erkenntnisreich, kurzweilig und unterhaltsam. Auch nachdenkliche, ernste, tiefgründige und bittere Momente gibt es.

Es ist wie ein aus 10 Akten bestehendes Kammerdpiel, das aus den Dialogen zwischen Tom und Louise besteht.

Bei aller zugrunde liegender Ernsthaftigkeit sind die 10 Episoden herzerwärmend und komisch.
Man muss schon wegen der häufigen Wiedererkennungseffekte aus dem Eheleben schmunzeln.
Ich bin mir sicher, dass jedes lange verheiratete Ehepaar sich im ein oder anderen wiederfindet.

Es zeigt sich hier, dass Nick Hornby ein scharfsinniger Beobachter ist, der das Beobachtete brilliert und pointiert wiedergeben kann.

Es ist sehr vergnüglich, den Wortgefechten der beiden zu lauschen.
Man fliegt regelrecht durch dieses äußerst schmale Bändchen, das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 15.09.2020

Tiefgründig, sprachlich herausragend und anspruchsvoll!

Was wir voneinander wissen
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Eine intensive Beschäftigung mit tiefgründigen Fragen und die Angst vor Fehlentscheidungen.

Orientierung an Anderen und Anderem, um zu sich selbst zu finden.

Poetisch, philosophisch, psychologisch, wissenschaftlich, ...

Eine intensive Beschäftigung mit tiefgründigen Fragen und die Angst vor Fehlentscheidungen.

Orientierung an Anderen und Anderem, um zu sich selbst zu finden.

Poetisch, philosophisch, psychologisch, wissenschaftlich, brisant und kurzweilig.

Ausgehend von der Frage, ob sie, schließlich zum zweiten Mal schwanger, noch ein zweites Kind haben möchte, beschäftigt sich eine Frau, die namenlose Ich-Erzählerin, mit dem Leben ihrer Mutter und ihrer Großmutter.

So wie ein ins Wasser geworfener Stein konzentrische Kreise verursacht, kommt die Autorin von der zentralen Fragestellung hin zu anderen Menschen und anderen Themen.

Sie überdenkt einschneidende Entscheidungen und ihre eigene Rollle. Sie reflektiert ihre Beziehungen zu wichtigen Bezugspersonen und ihren Umgang mit Schicksalsschlägen.

Es ist originell (aber nachvollziehbar), dass sie mit ihren Überlegungen bei der großen Verbundenheit und innigen Beziehung des Psychoanalytikers Sigmund Freud und seiner Tochter Anna, ebenfalls Psychoanalytikerin, ankommt und es ist interessant, dass ihre Gedanken zum ersten Kaiserschnitt wandern, wobei Mutter und Kind wegen mangelnder Hygiene keine Chance hatten, zu überleben.

Sie streut immer wieder biographische Details berühmter Wissenschaftler wie Wilhelm Conrad Röntgen und John Hunter ein.

Warum zieht sie all diese Berühmtheiten zu Rate?
Auf den ersten Blick erscheint es willkürlich.
Aber inzwischen glaube ich, dass sie sich genau mit diesen Persönlichkeiten beschäftigt, weil sie sich alle in irgendeiner Weise mit den Themen Schwangerschaft, Geburt, Kinder, Durchblick, Weitblick, Blick ins Innere und Erkenntnis auseinandergesetzt haben.

Immerhin sucht die ich Erzählerin ja auch nach einer Erkenntnis. Sie sucht Antworten auf existentielle Fragen und letztlich, meine ich, den Sinn des Lebens.

Im Verlauf des Romans erfahren wir von erniedrigenden und traumatisierenden Erfahrungen und so einiges über ihre Biografie, die einerseits von zu großer Distanz und andererseits von zu großer Nähe geprägt ist, und das wiederum erklärt den Grund für ihre Auseinandersetzung mit der Mutterrolle im Speziellen und mit ihrer Sinnsuche im Allgemeinen.

Die Mutter der Erzählerin war kühl und distanziert und es ist davon auszugehen, dass sie ihrer Tochter, der namenlosen Ich-Erzählerin, nicht genug emotionale Zuwendung geben konnte.

Sie, also die gerade erwähnte Mutter, wurde von der eigenen Mutter, einer Psychoanalytikerin, in deren Ausbildung als Probandin, „missbraucht“.

Keine Wunder, dass sie auf die übergriffige und bedrohliche Nähe mit schützender emotionaler Distanziertheit reagierte, was ihrer eigenen Tochter, der Ich-Erzählerin, wiederum schadete und eine Art innerer Leere bescherte.

Die Autorin erzählt überwiegend in sachlich-nüchterner Sprache, benutzt brillante Formulierungen, wortgewaltige Metaphern und bildet zum Teil ellenlange Sätze.

Unterm Strich schreibt sie davon, dass man erst dann eine liebevolle und herzliche Mutter werden kann, wenn man selbst genügend Aufmerksamkeit und emotionale Zuwendung erhalten hat.

Ich empfehle das anspruchsvolle, sprachlich herausragende und gelungene Werk gerne weiter, möchte es jedoch ungern als typischen Roman bezeichnen.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Eine idyllische Insel und der Blick hinter die Kulissen.

Alma
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Zwei interessante Lebensgeschichten, die idyllische Insel Mauritius im Indischen Ozean, deren koloniale Vergangenheit und postkoloniale, moderne Gegenwart.

All diese Themen und noch viel mehr verarbeitet ...

Zwei interessante Lebensgeschichten, die idyllische Insel Mauritius im Indischen Ozean, deren koloniale Vergangenheit und postkoloniale, moderne Gegenwart.

All diese Themen und noch viel mehr verarbeitet der französische Literaturnobelpreisträger Le Clézio (2008) in seinem lesenswerten Roman „Alma“.

Jeremy Felsens Vorfahren lebten auf der Insel Mauritius. Sie hatten eine Plantage, „Alma“, auf der sie Zuckerrohr und Tabak anbauten.

Der Wissenschaftler Jeremy besucht nun die Insel, um, vordergründig, nach Spuren des ausgestorbenen Vogels Dodo zu suchen.
In Wahrheit, aber zunächst unbewusst, begibt er sich auf die Spuren seiner Herkunft.

Er findet keine Spuren dieses Vogels, aber er stößt auf Spuren seiner Familie.

Er trifft auf uralte Zeitzeugen, für die die Felsens noch ein Begriff sind und schließlich auch auf Dodo.
Aber nicht auf den ausgestorbenen Vogel, sondern auf einen weiteren Nachkommen der Familie Felsen.
Dodo ist der unerwünschte und illegitime Sohn aus der außerehelichen Beziehung zwischen dem alten Felsen mit einer Sklavin. Er ist obdachlos und lebt nach wie vor in der Gegend der inzwischen zerstörten Plantage „Alma“.

Jeremy und Dodo erzählen ihre Geschichten.
Jeremy wird mit den düsteren Seiten der Geschichte und mit der Schuld seiner Familie konfrontiert, die sie in der Kolonialzeit auf sich geladen hat.
Dodo erzählt, wie er erkrankte, verstoßen wurde und als Bettler über die Insel wanderte.

Die Gräueltaten des Kolonialismus (Sklavenhandel, Raubbau an der Natur, barbarischer Umgang mit der Tierwelt), die Spuren der Vergangenheit und die tiefe innere Zerrissenheit der Insel, werden der Schönheit und Romantik der Insel gegenübergestellt.

„Alma“ ist ein auf hohem Niveau unterhaltsamer, melancholischer, poetischer und ernüchternder Roman, in und mit dem man sich wohl fühlt.

Man erfährt einerseits von der blutigen Geschichte der Insel und lernt andererseits deren wunderschönen Seiten kennen.

Es ist also durchaus auch ein interessanter und informativer Roman.

Ich empfehle ihn sehr gerne, auch wenn er anspruchsvoll zu lesen ist und manchmal Längen hat.

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Unfall und Begegnung als Auslöser für Suchen (und Finden).

Beinahe
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Die 59-jährige Autorin ist selbst Ärztin, weshalb es ihr scheinbar mühelos gelingt, den Klinikalltag authentisch zu beschreiben.
Was ihr ebenfalls gut gelingt, sind die Schilderungen eines Unfalls und ...

Die 59-jährige Autorin ist selbst Ärztin, weshalb es ihr scheinbar mühelos gelingt, den Klinikalltag authentisch zu beschreiben.
Was ihr ebenfalls gut gelingt, sind die Schilderungen eines Unfalls und einer bedeutungsvollen Begegnung.

Frauke Röhrs erzählt in ihrem Roman „Beinahe“ also von einem Beinahe-Unfall und von einer nachhaltigen Begegnung.

Diese erste Begegnung zwischen der Ärztin Lena und dem 16-jährigen Ivo hat emotionale Intensität, denn sie geschieht im Rahmen eines Beinahe-Unfalls bei nebeligen Wetter auf einer Landstrasse im Norden Deutschlands.
Wie nicht selten der Fall, führt dieses einschneidende Ereignis dazu, über das Leben und über mögliche oder notwendige Veränderungen nachzudenken.

Beinahe-Unfall und Begegnung werden zu Auslösern für Introspektion und Reflexion. Voraussetzungen für Bewegung und Entwicklung.

Ich werde mich hüten, etwas über diese Bewegung und Entwicklung zu verraten, denn ich will niemandes Lesevergnügen mindern.

Nur soviel: Schulprobleme, familiäre Probleme und berufliche Überforderung spielen eine Rolle in diesen Reflexionen.
Das bzw. sein Leben nicht zu verpassen wird zum Orientierungs- und Fixpunkt.

Was die Bremerin Frauke Röhrs wunderbar herausarbeitet und vermittelt, ist die Botschaft, dass man seine Probleme anpacken und sein Leben gestalten kann.
Dass Veränderungen zwar schwierig sind, dass sie aber zu etwas Positivem führen können.

Die Charaktere werden in ihrer Vielschichtigkeit dargestellt. Man bekommt einen guten Eindruck von ihrem Innenleben, kann sich einfühlen.

Ich möchte den zum Nachdenken anregenden 270-seitigen Roman sehr gerne empfehlen.
Die Autorin erzählt Brisantes ohne rührselig oder sentimental zu werden.

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Die Entstehungsgeschichte von „Dr. Schiwago“ und vieles mehr!

Alles, was wir sind
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Was steckt hinter „Doktor Schiwago“?

Die Geschichte hinter der Geschichte.

Der Russe Boris Pasternak (1890-1960), ein wankelmütiger Mann mit zweifelhafter Prioritätensetzung und Autor des weltberühmten ...

Was steckt hinter „Doktor Schiwago“?

Die Geschichte hinter der Geschichte.

Der Russe Boris Pasternak (1890-1960), ein wankelmütiger Mann mit zweifelhafter Prioritätensetzung und Autor des weltberühmten Romans „Doktor Schiwago“ hat eine treue Geliebte: die Redakteurin Olga, verwitwete Mutter zweier Kinder.

Der amerikanische Geheimdienst CIA will sich im kalten Krieg gegen den Ostblock im Allgemeinen und die Sowjetunion im Besonderen einer außergewöhnlichen Waffe bedienen:

Im Allgemeinen geht es bei dieser Waffe um Worte, Bücher, Literatur!
Im Speziellen geht es bei dieser Waffe um „Doktor Schiwago“.

Die Agentin Sally soll die junge Sekretärin Irina, Tochter russischer Einwanderer, deren Vater vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurde, dazu ausbilden, diese sog. „Schiwago-Mission“ zu übernehmen.
Es geht hier um einen streng geheimen amerikanischen Propagandafeldzug: Irina soll den in der Sowjetunion verbotenen Roman unter der Bevölkerung verteilen, um deren Widerstand zu wecken.

Ich empfehle den packenden Roman, der gleichzeitig Liebesgeschichte, Agententhriller und historischer Roman ist und von Politik, Macht, Liebe und den starken Frauen hinter einflussreichen Männern handelt, sehr gerne weiter.

Die Entstehungsgeschichte von „Dr. Schiwago“ kennenzulernen und mehr über die Arbeit der CIA, über den Wettlauf um technische Neuerungen und über Leben und Unterdrückung in der Sowjetunion zu erfahren, ist äußerst interessant.

Der Roman liest sich flüssig und ist von Anfang bis Ende spannend, unterhaltsam und informativ.

Die Figuren werden sehr anschaulich und in ihrer ganzen Komplexität gezeigt.
Der Leser bekommt einen guten Einblick in die Innenwelt der Charaktere.
Olga z. B. ist zwar eine liebende Frau, die für diese Liebe große Opfer bringt, gleichzeitig ist sie aber auch sehr fordernd und in ihrer Mütterlichkeit zu hinterfragen.

Umgebung und Atmosphäre werden authentisch dargestellt und es wird eine Gesellschaftsbild gezeichnet, in dem Unterschiede zwischen Ost und West definiert und herausgearbeitet werden.

Dass die Autorin Lara Prescott eine umfangreiche und umfassende Recherchearbeit geleistet hat, um dieses Buch zu schreiben erkennt man unschwer.

Sehr empfehlenswert!

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