Falscher Glanz des Wiener Hofes
Das Kaffeehaus - Falscher GlanzWer schon einmal die Bücher der Autorin Marie Lacrosse alias Marita Spang gelesen hat, weiß, dass sie nicht nur spannende Unterhaltung, sondern auch fesselnde historische Romane bieten kann. Den enormen ...
Wer schon einmal die Bücher der Autorin Marie Lacrosse alias Marita Spang gelesen hat, weiß, dass sie nicht nur spannende Unterhaltung, sondern auch fesselnde historische Romane bieten kann. Den enormen Zeitaufwand und viel Recherchen auf sich nehmend, verarbeitet sie im neuesten Buch 📖«Kaffeehaus — Falscher Glanz» (2021) geschichtliche Fakten am Kaiserhof nach der bekannten Mayerling-Affäre und bietet dem Leser eine würdige Fortsetzung der spannenden Geschichte um das fiktive Kaffeehaus in Wien, den Dreh- und Angelpunkt der Reihe.
Die Geschichte umspannt den Zeitraum 1889 bis 1891 und ist gut aufgeteilt. Wie der Leser bereits aus dem ersten Band weiß, ist die junge Komtess Sophie gezwungen die Hofdame der Kaiserin Sisi zu werden und ihre Stelle am Wiener Hof anzunehmen. Doch wie sie sehr schnell feststellen muss, weist das Leben, obschon es vordergründig glamourös und pompös erscheint, hinter den Kulissen jedoch den falschen Glanz und mehrere Risse auf. Durch verschiedene Episoden— sei es der Tramway-Streik in der Hauptstadt oder Missstände des Militärs in abgelegenen Gegenden, — gibt die Autorin der k.u.k. Monarchie ein zerfurchtes Gesicht, in dem Armut, Verzweiflung oder soziale Ungerechtigkeit tagtäglich von den Einwohnern alles abverlangten. Wie lange es noch dauern wird, bis die Katastrophe eintritt, weiß (noch) niemand.
Einer bildhübschen Märchenfee gleich, wie die Kaiserin beim Volk verehrt wird, wird Sisi im Roman aber nicht porträtiert. Sie bekommt ein eindringliches, bedeutsames bis erschütterndes Porträt einer Frau, die zerrissen zwischen Schuldgefühlen, ehelichen Pflichten und dem anstrengenden Hofzeremoniell ist. Mit jenem drückenden Gefühl, in einer Welt gefangen zu sein, in der nichts mehr Sinn zu ergeben scheint, versucht die Monarchin wie eine Getriebene dem Ganzen ständig zu entkommen und lässt dabei ihre neue Promeneuse Sophie von Werdenfels sie auf ihren Abenteuern begleiten und Zeugin ihrer Gedanken, Gefühle aber auch Absonderlichkeiten werden. Genau dieser Kontrast zu den kitschigen Filmen macht den Roman so reizvoll.
Der Schreibstil ist wie immer flüssig und bildhaft, sodass der Leser schnell in ein vergangenes Jahrhundert abtaucht. Die Entwicklung der Geschichte wird konzentriert dargestellt, dramatische und wichtige Ereignisse wiederum sind mit viel Liebe zum Detail beschrieben. Die Figuren und ihr privates Leben entwickeln sich mit der Reihe weiter mit, das gibt den Personen die persönliche Note und einen bleibenden Eindruck. Die Autorin vereint in ihrer Handlung historisch belegte Realität mit Fiktion auf so herrliche Weise, dass man die Übergänge nur durch das Nachwort erkennen kann. Wie ein wunderschöner Teppich aus Worten und Fakten gewebt, bei dem das Muster sich im Laufe der Geschichte richtig entwickelt und erst bei den letzten Seiten in seiner ganzer Schönheit und Tragik dem Leser zu Füßen liegt und die Dinge ein klein wenig in die notwendige Richtung bewegt.
Ein perfektes Buch, um für einige Zeit in eine besondere Geschichte einzutauchen. Großartige Unterhaltung! 👍