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Veröffentlicht am 23.09.2020

Ungewöhnliche Romanbiografie über eine außergewöhnliche Persönlichkeit

Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt
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„Alle, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, machten sich erneut auf den Weg, um ihnen zu entkommen.“ (S. 31) Aristides de Sousa Mendes ist Portugals Generalkonsul in Bordeaux, als der 2. Weltkrieg ...

„Alle, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, machten sich erneut auf den Weg, um ihnen zu entkommen.“ (S. 31) Aristides de Sousa Mendes ist Portugals Generalkonsul in Bordeaux, als der 2. Weltkrieg ausbricht. Schon lange weiß er von der Judenverfolgung der Nazis und welche Staaten sie dabei unterstützen. Er ist Katholik und nicht damit einverstanden, wie mit diesem Problem umgegangen wird – auch von Portugals Ministerpräsident Salazar, seinem direkten Vorgesetzten. Als die Deutschen die Maginot-Linie umgehen, beginnt die nächste Flüchtlingswelle. Mendes will ihnen helfen, aber Salazar verbietet es. Portugal soll neutral bleiben. Doch Mendes fühlt sich vom Heiligen Franziskus persönlich berufen und stellt in kürzester Zeit angeblich bis zu 30.000 Visa aus (eine andere Quelle spricht „nur“ von 1575), fälscht sie zum Teil, obwohl längst ein Disziplinarverfahren gegen ihn läuft, bis er nach Portugal zurückbeordert wird.

„Portugal ist abseits der diktatorischen Politik mein Traumland geblieben.“ (S. 71) Dort lebt die Familie zunächst im reich ausgestatteten Herrensitz in Cabanas de Viriat, schließlich gehören sie zum alten Adel und waren bisher immer reich. Doch aus Angst vor Salazars Rache verlassen die Kinder nach und nach das Land. Dann enthebt Salazar Mendes tatsächlich aller Ämter und entlässt ihn ohne Bezüge oder eine Pension aus dem Staatsdienst. Die Familie verarmt systematisch und wird zeitweise sogar von der jüdischen Gemeinde unterstützt – Mendes Frau kommt nur schwer mit dieser veränderten Lebenssituation klar, aber alle Schreiben und Einsprüche Mendes an Salazar ändern nichts.

Dagmar Fohl hat eine ungewöhnliche Romanbiografie über eine außergewöhnliche Persönlichkeit geschrieben. Aristides de Sousa Mendes war ein sehr weltgewandter und charismatischer, weitgereister und weltoffener Mann. Er kann nicht verstehen, dass sich Salazar (und damit Portugal) aus allem raushalten will, während er täglich immer mehr verzweifelte Flüchtlinge sieht. Also handelt er einfach. „Draußen stehen Tausende von Menschen, sie waschen und rasieren sich nicht, sie essen und trinken nicht, sie vermeiden, auszutreten, aus Angst, ihren Platz in der Schlange zu verlieren, sie tun es für ein Visum, um den Nazis zu entkommen!“ (S. 39). Er geht damit an seine physischen und psychischen Grenzen. Dazu kommt die Angst vor Salazars Rache. Außerdem hat er ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Frau, weil er sich trotz 30 Jahre Ehe und 14 gemeinsamer Kinder in eine 20 Jahre jüngere Sängerin und Pianistin verliebt, die ihm hochschwanger nach Portugal folgt. Es ist die Geschichte eines in vieler Hinsicht zerrissenen und später gebrochenen Mannes.

Der Roman ist sehr bewegend und wichtig im Kampf gegen das Vergessen, allerdings hatte ich mit dem etwas hölzernen Schreibstil kleinere Probleme. Die Autorin hat ihn aus Mendes‘ Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben und die Episode um die Erteilung der Visa liest sich zum Teil wie eine Ansammlung knapper Fakten – wahrscheinlich soll damit gezeigt werden, wie die Zeit immer knapper wurde. Zudem gibt es in der Handlung kleine Sprünge und ich konnte die Personen, mit denen er verkehrt nicht immer zuordnen.
4 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 28.08.2020

Mehr als nur die Tochter von …

Die Tochter des Zauberers - Erika Mann und ihre Flucht ins Leben
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„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements ...

„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements träumen.“ (S. 75) Erika und ihr Bruder Klaus reisen im Herbst 1936 nach Amerika, um alles für das politisches Kabarett „Pfeffermühle“ vorzubereiten. Sie sollen Visa, Auftritte und vor allem Geld für die restliche Truppe organisieren, die mit einem anderen Schiff folgen wird. Die „Pfeffermühle“ will Amerika aufrütteln und vor den Nazis warnen. „Wenn Amerika jetzt nicht aufwacht, um sich gegen Hitler zu stellen, werden wir uns eines Tages verwundert die Augen reiben, weil wir die Chance verpasst haben.“ (S. 67) Aber schon beim ersten Dinner mit potentiellen Geldgebern wird Erika klar, dass diese kein Interesse an Hitler und Europa haben und die Amerikaner die Texte der Pfeffermühle auch in Englisch nicht verstehen würden, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt. Die Leute wollen unterhalten werden, nicht belehrt. Außerdem werden sie und Klaus nur auf die Rolle der Kinder von Thomas Mann reduziert. Ein eigener Kopf oder gar eine Karriere wird ihnen nicht zugestanden. Man möchte familiäre Anekdoten über den Literaturnobelpreisträger hören, keine Warnung vor dem nächsten Krieg, an den sowie niemand glaubt. Dabei ist sie so viel mehr als nur die Tochter von …

Eins vorweg, Erika und ich wären wahrscheinlich keine Freunde geworden. Dazu erscheint sie mir zu unsympathisch, manipulativ, vergnügungssüchtig, abgehoben und egoman. Sie ein echtes Luxusweibchen, hatte keine Probleme damit, sich von anderen aushalten zu lassen und im Restaurant das teuerste Gericht auf der Karte zu bestellen, auch wenn sie wusste, dass ihr Gegenüber sich das eigentlich nicht leisten konnte. Aber sie war auch sehr intelligent, leidenschaftlich, zielstrebig, selbstbewusst und durchsetzungsstark. „Meist haben zu Hause alle auf mein Kommando gehört, sogar die Eltern. Dabei musste ich nicht einmal selbst am Ruder stehen. Den Part habe ich Klaus überlassen. Mir hat das Schalten und Walten aus dem Hintergrund genügt.“ (S. 366) Sie wollte Hitler stoppen, die Welt wachrütteln und hat sogar ihren Vater dazu gebracht, endlich Stellung zu beziehen. Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von ihr und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt auch, wie umstritten Erika wegen ihres Lebensstils selbst innerhalb des Ensembles der „Pfeffermühle“ war und wie sie deswegen angefeindet wurde.

Erika scheint ein echter Freigeist gewesen zu sein: verheiratet mit einem Engländer wegen des Passes, lebt sie offen mit der Münchner Künstlerin Therese zusammen. Doch als sie in New York ankommt, lernt sie gleich zwei faszinierende Männer. Den Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert und den Bankier Maurice Wertheim. Beide machen ihr Avancen, Maurice wird ihr Förderer, finanziert die „Pfeffermühle“ und legt ihr jeden nur denkbaren Luxus und die Welt zu Füßen. Da kann Martin nicht mithalten, aber bei ihm findet sie Ruhe und Geborgenheit. Wenn es nach Klaus geht, soll sie sich natürlich für Maurice entscheiden, aber das Herz will, was es will – und auch Therese gibt nicht so leicht auf. Ein Liebestaumel beginnt.

Die symbiotische Beziehung des Geschwisterpaares spielt in diesem Buch eine sehr große Rolle. Erika ist nur ein Jahr älter als Klaus und hat eine extrem engere Bindung zum ihm. Sie will ihm zu seinem Durchbruch als Schriftsteller verhelfen. Er lebt und arbeitet wie im Rausch, flüchtet sich immer wieder in Drogenexzesse, unternimmt Selbstmordversuche. Klaus ist menschenscheu und kann nicht offen mit seiner Homosexualität umgeben. „Tut mir leid, dass ich anders bin. Es kann halt nicht jeder so erfolgreich wie du mit beiderlei Geschlecht turteln.“ (S. 37)
So unterschiedlich Erika und Klaus auch sind, eines haben sie gemeinsam. Sie wollen endlich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters treten und als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen werden. Allerdings erschien mir ihre Beziehung an einigen Stellen zu ungesund und zu eng – welches Geschwisterpaar küsst sich schon leidenschaftlich auf den Mund?!

Heidi Rehn gibt das Flair vom New York der 40er Jahre sehr anschaulich wieder, die Kunst- und Künstlerszene, in der sich Erika bewegt, den Broadway, die Shows, Kellerclubs und Nachbars, dazu kommen die vielen Berühmtheiten der damaligen Zeit (wie z.B. Vicky Baum, Billy Wilder, Kurt Weil oder die Roosevelts), denen sie begegnet. Auch das Hotel Bedford, die Sammelstelle und neuen Heimat der Emigranten (vor allem Juden), die Europa bereits verlassen hatten, wird sehr lebendig beschrieben.

Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von Erika Mann und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt deren umstrittenen Lebenswandel, ihren Kampf gegen Hitler und die symbiotische Beziehung mit ihrem Bruder Klaus, welche mir nicht immer gesund erschien. Und auch sonst war die bisexuelle Erika für jede Art von Beziehungen offen, konnte sich nur schwer für nur eine Person entscheiden …

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Veröffentlicht am 26.08.2020

Träume sind (Bier-)Schäume

Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis
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Colina ist Schankmädchen in einer München Wirtsstube und träumt von einem besseren Leben. Sie schafft es mit viel Dreistigkeit und Einfallsreichtum, von dem aus Nürnberg neu zugezogenen Bierbrauer Curt ...

Colina ist Schankmädchen in einer München Wirtsstube und träumt von einem besseren Leben. Sie schafft es mit viel Dreistigkeit und Einfallsreichtum, von dem aus Nürnberg neu zugezogenen Bierbrauer Curt Prank als Gouvernante für dessen Tochter Clara engagiert zu werden.
Prank will sein fränkisches Bier unbedingt auf dem Oktoberfest ausschenken – ein schnell erlassenes Gesetz verhindert das aber. Seine letzte Chance ist Claras Hochzeit mit dem Vorstandsvorsitzenden der größten Münchner Brauerei, der allerdings mehr als doppelt so alt ist wie sie. Clara entzieht sich diesem Vorhaben durch die Flucht und Colina landet wieder da, wo sie nie mehr hinwollte – als Schankmädchen auf dem Oktoberfest …

Oberwachtmeister Lorenz Aulehner ist neu bei der Kriminalabteilung der königlichen Schutzmannschaft in München. Er soll der Nachfolger des jetzigen Leiters werden und ist mit seinen Kollegen für Ruhe und Ordnung auf dem Oktoberfest zuständig, denn hinter den Kulissen kämpfen die Bierbrauer und Wirte mit harten Bandagen und unlauteren Mitteln um die Gäste und Vorherrschaft. Als es im Umfeld der Wiesn zu einigen Todesfällen kommt stellt sich die Frage, ob diese etwas mit den Ausschanklizenzen für das Fest zu tun haben.

„Oktoberfest 1900“ von Petra Grill zeichnet ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit und vermittelt dabei viele historische Fakten. Ich wusste z.B. nicht, dass die Ausschanklizenzen damals noch nicht an die großen Brauereien, sondern an kleine Wirte vergeben wurde, die mit dem dort erwirtschafteten Geld das restliche Jahr überbrücken mussten. Um ordentlich daran mitzuverdienen, kauften die großen Brauereien die Wirte nach und nach auf. „In ein paar Jahren gibt’s in München kein Wirtshaus mehr, das nicht einer Brauerei gehört.“ (S. 302)
Auch die Arbeitsbedingungen der Schankmädchen waren unvorstellbar. Sie schufteten täglich bis zu 18 Stunden und bekamen keinen festen Lohn, sondern nur ihr Trinkgeld. Deshalb verdienten sich was dazu, indem sie mit den männlichen Gästen schliefen.

Colina hat mich sehr beeindruckt. Sie ist zielstrebig, taff und weiß genau, was sie will – einen ordentlichen Lohn und nicht mehr von den Trinkgeldern und der Hurerei abhängig sein. Doch als sie glaubt, es endlich geschafft zu haben, wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Clara ist zu Beginn eine verwöhnte und sehr naive Fabrikantentochter. Aber sie will sich nicht länger dem Willen ihres Vaters unterordnen, sondern sich ihren Ehemann selber suchen. Dass sie für ihr Glück alles riskiert und eine sehr starke, fast schon harte Persönlichkeit wird, hat mich sehr überrascht.
Lorenz Aulehner will alles richtig machen und seinen Chef beeindrucken, kann seine menschliche Seite zum Glück aber nicht ganz abschalten. Als Außenstehender hat er einen unvoreingenommenen Blickwinkel auf den Münchner Klüngel und ist noch niemandem verpflichtet.

Die Autorin erzählt die Geschichte abwechselnd aus Colinas und Aulehners Perspektive und lässt auch berühmte Persönlichkeiten wie König Otto von Bayern oder Fanny zu Reventlow auftreten. Sie schreibt sehr detailverliebt und lässt Hintergrundinformationen zur wirtschaftlichen und politischen Situation, den Frauenrechten, Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Protagonisten einfließen. Leider waren mir diese Schilderungen manchmal etwas zu ausführlich und sorgten in der an sich recht spannenden Handlung für ein paar kleine Längen. Davon abgesehen hat mich das Buch aber sehr gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Das Modell und die Fotografin

Die Bilder der Frauen
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1942: Jessica May ist Fotomodell in New York, ziert die Titelseiten der Vogue, schreibt aber auch selbst Artikel und macht Fotos. Als ihr Freund ein Foto von ihr für die Werbung von Damenhygiene verkauft, ...

1942: Jessica May ist Fotomodell in New York, ziert die Titelseiten der Vogue, schreibt aber auch selbst Artikel und macht Fotos. Als ihr Freund ein Foto von ihr für die Werbung von Damenhygiene verkauft, enden ihre Karriere und ihre Beziehung abrupt. Jessica sieht das als Chance, sich endlich einen Namen als Kriegsfotojournalistin zu machen und überredet ihre Chefin, sie für die Vogue nach Europa zu schicken. Ihre Voraussetzungen für den Job, sind gut, da ihre Eltern Paläobotaniker und mit ihr auf der ganzen Welt unterwegs waren. Sie braucht keinen Luxus zum Leben, spricht fließend Französisch, Italienisch, etwas Deutsch. Zusammen mit anderen Journalistinnen wird sie der Armee unterstellt und bekommt den Rang eines Captains, darf aber immer nur dann arbeiten, wenn sie auch einen Marschbefehl bekommt. Also besteht ihre Zeit in Europa lange nur aus Warten …

Natasha Lester erzählt in ihrem neuen Buch „Die Bilder der Frauen“ von zu Unrecht vergessenen Heldinnen des 2. Weltkrieges – weiblichen Journalistinnen. Von Frauen wie Lee Miller (Jessicas historischem Vorbild) und Martha Gellhorn, der Ehefrau von Ernest Hemingway, die genau wie ihre männlichen Kollegen oft an vorderster Front und mitten im Kriegsgeschehen waren, aber trotzdem nicht ernst genommen, (sexuell) belästigt und bei der Arbeit behindert wurden. Sie lässt den Leser an deren Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung teilhaben. Ich fand es erschreckend, dass selbst Ernest Hemingway seiner Frau den Beruf bzw. den Erfolg nicht gegönnt hat. „Bist du Kriegskorrespondentin oder die Frau in meinem Bett?“ (S. 95)

Der Krieg wird sehr direkt, bewegend, aufwühlend und intensiv aus weiblicher Sicht beschrieben. Jessica und Martha sollen eigentlich nur die weiblichen Army-Mitglieder wie z.B. Krankenschwestern interviewen und fotografieren, finden ihre Inspirationen aber überall, haben die Kamera stets griffbereit und berichten neben dem aktuellen Geschehen auch von den kleinen Freuden oder Glückbringern der Soldaten, von geretteten Kindern, die in Lazaretten aufgezogen werden. Und obwohl sie ihren Job wirklich gut machen, berühmte Bilder schießen und Millionen Menschen erreichen, werden sie nicht immer wieder respektlos behandelt und auf ihr Geschlecht reduziert. „Ich dachte, sie sehen mich inzwischen als eine der Ihren. Aber inzwischen glaube ich, dass wird nie passieren. Ich bin in erster Linie eine Frau, und alles andere ist bestenfalls zweitrangig.“ (S. 224)
Natasha Lester lässt das Grauen des Krieges lebendig werden, schreibt über die Befreiung der KZ’s und wie die Soldaten nicht glauben konnten, was sie da sehen. Sie lässt Jessica aber auch über die Vergewaltigungen der Französinnen durch die amerikanischen Soldaten recherchieren und wie diese versucht, dem entgegenzuwirken.
Auch die zarte Liebesgeschichte zwischen Jessica und Major Dan Hallworth hat sich harmonisch in die Handlung eingefügt und mir gut gefallen.

Daneben gibt es noch einen zweiten Handlungsstrang, der 2004 in Frankreich spielt. Arthandlerin D‘Arcy soll für ihre Galerie die Fotos des berühmten „Photographer“ nach Sydney holen. Niemand weiß, wer sich hinter dem Pseudonym versteckt, aber D‘Arcy kommt dem Geheimnis bald auf die Spur und damit auch der Vergangenheit ihrer eigenen Familie. Dieser Teil der Geschichte war ebenfalls sehr spannend und überraschend, allerdings war mir die darin enthaltene Liebesgeschichte etwas zu flach und für die Handlung nicht wirklich notwendig.

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Veröffentlicht am 05.08.2020

„Bitte, nennen Sie mich Grace.“

Miss Kelly und der Zauber von Monaco
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1955 dreht sich in Cannes alles um das Film-Festival. Die Journalisten jagen Promis wie z.B. Grace Kelly für das perfekte Foto. Auch James Henderson soll im Auftrag seines Redakteurs Bilder von ihr liefern ...

1955 dreht sich in Cannes alles um das Film-Festival. Die Journalisten jagen Promis wie z.B. Grace Kelly für das perfekte Foto. Auch James Henderson soll im Auftrag seines Redakteurs Bilder von ihr liefern und verfolgt sie dafür bis in die kleine Parfümerie von Sophie Duval. Diese versteckt Grace im Hinterzimmer, woraus sich eine lebenslange Freundschaft der beiden Frauen entwickelt und ein Flirt zwischen James und Sophie. Aber haben sie auch eine gemeinsame Zukunft?

James ist ein Getriebener, der seine Erlebnisse als Soldat im 2. WK nicht vergessen kann. Er ist geschieden und Vater einer kleinen Tochter, darf sie aber nur selten sehen. Obwohl er lieber Landschaftsaufnahmen machen würde, hält er sich mit den Fotos von Berühmtheiten über Wasser.

Auch Sophie hat es nicht leicht. Ihr Vater war Parfümeur und hat sie bis zu seinem frühen Tod selbst ausgebildet. Er ist ihr großes Vorbild, sie eifert ihm in allem nach und träumt davon, einen neuen Duft zu entwickeln. Ausgerechnet Grace Kelly und James inspirieren sie zu einer ganzen Serie.
Sophie ist mit dem millionenschweren Lebemann Lucien liiert, der sie lieber heute als morgen als Ehefrau an seiner Seite sehen würde. Ihr Bestreben, eine neue Duftlinie zu entwickeln und damit die Schulden des Unternehmens zu tilgen, belächelt er nur.
Außerdem muss sie sich um ihre spiel- und alkoholsüchtige Mutter kümmern, die auf den Verkauf des Unternehmens drängt.

„Miss Kelly und der Zauber von Monaco“ erzählt die nicht unkomplizierte Liebesgeschichte von Sophie und James abwechselnd aus ihrer beider Sicht. Zeitungsartikel über Grace Kelly lockern die Handlung auf und zeichnen ein prächtiges Bild der zukünftigen Fürstin. Man erfährt alles über ihre Roben, das Kennenlernen und die Hochzeit mit Fürst Rainier inkl. der aufwendigen Vorbereitungen. Aber ist sie nur der Rahmen bzw. das Bindeglied zwischen Sophie und James und nicht die Hauptperson, wie ich nach dem Lesen des Klappentextes gedacht hatte.

Die Autorinnen schildern ihre Protagonisten sehr lebendig und lassen den Leser auch an deren Innenleben teilhaben. Ich konnte mir auch die feudale Kulisse der Côte d'Azur, die rauschenden Feste und das Leben der Schönen und Reichen zur damaligen Zeit sehr gut vorstellen und wäre gern dabei gewesen. Sie gestatten aber auch einen Blick hinter die Kulissen – wie aufreibend die Berichterstattung der Presse zur Hochzeit war. Die Journalisten mussten um jedes Foto oder Interview kämpfen, es kam zu regelrechten Schlachten unter ihnen und mit der Polizei. Auch Grace konnte sich kaum noch frei bewegen, wurde auf Schritt und Tritt beobachtet.

Mein Fazit: Eine schöne Kombination aus Liebesgeschichte und biografisch angehauchtem Roman mit interessanten Details über die Arbeit eines Parfumeurs, Grace Kelly und die Pressearbeit bzgl. ihrer Hochzeit.

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