Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.11.2020

Viel Privates, wenig Spannung

Kaltes Gold
0

Im ehemaligen Lappland legt die Schneeschmelze die Leiche eines Mannes frei. Olivia Rönning wird von ihrem neuen Chef damit beauftragt, sich den Fundort genauer anzuschauen. Auf dem Hinweg stürzt der Hubschrauber ...

Im ehemaligen Lappland legt die Schneeschmelze die Leiche eines Mannes frei. Olivia Rönning wird von ihrem neuen Chef damit beauftragt, sich den Fundort genauer anzuschauen. Auf dem Hinweg stürzt der Hubschrauber in einer Schlechtwetterfront über dünn besiedeltem Gebiet ab. Der Pilot ist schwer verletzt, und Olivia macht sich auf den Weg zu einem Angelcamp, um Hilfe zu holen. Dabei kreuzt sie den Weg eines dubiosen Pärchens, die offenbar auch zu dem Fundort gelangen wollen. Es kommt zu einem Schusswechsel. Olivia erschießt den Mann, wird selbst getroffen, die Frau kann fliehen. Schwerverletzt wird Olivia geborgen. Mette, ihre ehemalige Chefin, informiert den mittlerweile in Thailand lebenden Stilton, dieser kommt umgehend zurück und beteiligt sich an den Ermittlungen. Es stellt sich heraus, dass sie es mit einem Verbrechen zu tun haben, das bis in die Tage des Zweiten Weltkriegs zurück reicht und das bereits nicht nur Mette sondern auch Stilton und Olivias verstorbener Vater bearbeitet haben.

Aber…bis sie zu dieser Erkenntnis gelangen, sind von dem 500-Seiten-Krimi bereits knapp 300 Seiten vergangen, die mit ausufernden Beschreibungen des Privatlebens der Protagonisten gefüllt sind. Speziell die Liebesbeziehung zwischen Olivia und ihrem an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidenden Freund Lukas wird mit allen Höhen und Tiefen breit ausgewalzt. Dazu Mettes Befindlichkeiten, die sich nicht so recht in dem krankheitsbedingten Ruhestand zurechtfindet und Stilton Zweifel, ob er zu seiner Freundin nach Thailand zurückkehren oder in Schweden bleiben soll. Und Verweise zu Greta, Klimawandel und dessen Auswirkungen dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Es ist ja nett, wenn man in einem Kriminalroman auch an dem Privatleben der Ermittler teilnehmen darf, aber für mich leider zu viel des Guten, hat unnötig aufgebläht, nichts zur Handlung beigetragen und damit die Spannung gekillt. Für mich leider der schwächste Band der Reihe.

Veröffentlicht am 07.10.2020

Unterhaltsamer Schmöker mit Schwächen

Und die Welt war jung
0

Die fünfziger Jahre. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, Aufbruchstimmung durchzieht das Land. Es ist eine Zeit der Verheißung, alles scheint möglich. Doch die Nachwirkungen der Kriegszeit sind überall spürbar, ...

Die fünfziger Jahre. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, Aufbruchstimmung durchzieht das Land. Es ist eine Zeit der Verheißung, alles scheint möglich. Doch die Nachwirkungen der Kriegszeit sind überall spürbar, zeigen, dass nicht jede/r diese dunklen Jahre einfach abstreifen kann.

Drei Städte, drei Familien, deren Schicksale untrennbar miteinander verwoben und deren Sorgen und Nöte in Ansätzen exemplarisch für das Leben während der Aufbaujahre sind. Warum nur in Ansätzen? Nun, während die „einfachen Leute“ sich abstrampeln müssen, damit sie wieder auf die Beine kommen, sitzen die Familien, die hier im Zentrum der Handlung stehen, doch alle im mehr oder minder gemachten Nest. Zumindest haben alle ein Dach über dem Kopf, das ihnen gehört, auch wenn es mittlerweile bei fast allen dort etwas enger geworden ist.

Bei Gerda und Heinrich Aldenhoven in Köln sind neben ihren Kindern nun auch noch die ausgebombten Kusinen eingezogen. Mit dieser Einschränkung könnten sie ja noch leben, aber schwieriger gestaltet sich die Sicherung des Lebensunterhaltes. Der Ertrag von Heinrichs Kunstgalerie ist auf ein Minimum geschrumpft, zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.

Elisabeth und Kurt Borgfeldt in Hamburg leben in ähnlich beengten Verhältnissen, da man bei ihnen schlesische Flüchtlinge einquartiert hat. Um ihr Einkommen müssen sie sich keine Sorgen machen, verdient Kurt bei der Sparkasse doch so viel, dass seine Familie über die Runden kommt. Aber da ist die Sorge um ihren Schwiegersohn, der seit Kriegsende in Russland vermisst wird.

Heinrichs Schwester Gerda hingegen fehlt es in San Remo an nichts. Die Familie ihres Mannes ist vermögend, das Leben sorgenfrei. Wenn da nicht ihre ewigen Streitereien mit der Familienmatriarchin Agnese wären, die sich in alles einmischt.

Der Autorin ist mit diesem ersten Band der Drei-Städte-Saga ein leichter und unterhaltsamer Schmöker gelungen, auch wenn mir die ganzen Liebeleien und Beziehungsprobleme stellenweise etwas zu viel waren. Ihr Blick auf die Nachkriegsjahre ist leider nur bedingt gelungen, da sie diesen meiner Meinung nach zu sehr auf die einzelnen Personen und deren Schicksal ausrichtet. Was hingegen die gesellschaftlichen und politischen Probleme angeht, kratzt sie leider nur an der Oberfläche, bleibt diffus. Doch trotz dieser Schwächen habe ich den Roman gerne gelesen, da der Fortgang der Handlung immer wieder die eine oder andere überraschende Wendung bereithält. Genau das Richtige für trübe Herbsttage.

Veröffentlicht am 24.09.2020

Nichts Neues aus Altena

Winter der Hoffnung
0

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Diese Zeit wird als der „Hungerwinter“ in Erinnerung bleiben. Es ist eine Zeit der Unsicherheit, des Mangels. Den Menschen fehlt es ...

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Diese Zeit wird als der „Hungerwinter“ in Erinnerung bleiben. Es ist eine Zeit der Unsicherheit, des Mangels. Den Menschen fehlt es an allem. Brennstoff ist knapp, die Grundnahrungsmittel gibt es, wenn überhaupt, auf Lebensmittelkarten. Das Geld ist nichts mehr wert, aber der Schwarzmarkt floriert. Und wer Schmuck, Pelze, teures Porzellan oder ähnliches über die Zeit retten konnte, findet noch immer Möglichkeiten, dort zumindest ab und zu die kargen Rationen zu ergänzen. Vordergründig sind die Nationalsozialisten entmachtet, aber bei genauem Hinschauen sieht man, dass die „alten Kameraden“ noch immer an den Schaltstellen sitzen und dort ihre Macht gnadenlos ausspielen.

Auch die im Mittelpunkt stehende Fabrikantenfamilie Wolf wurde von Schicksalsschlägen nicht verschont und kämpft ums Überleben. Ihre Maschinen sollen im Zuge der Reparationsforderungen der britischen Besatzer demontiert und als Wiedergutmachung für die Bombardierung Coventrys nach England verschickt werden. Ein Vorhaben, das es zu verhindern gilt, denn letztlich wären es nicht nur die Wolfs, sondern vor allem die einfachen Arbeiter, denen man damit ihre Lebensgrundlagen entziehen würde. Soweit die Ausgangssituation dieses Romans, der die Handlungsträger für den nachfolgenden Roman einführt: Das Ehepaar Wolf, die Töchter Ulla, Gundel und Ruth, deren Mann Fritz, traumatisierter Kriegsheimkehrer und Alt-Nazi, Tommy, Benno und Bernd, die Freunde der jungen Frauen.

Mit Prequels ist es so eine Sache. Hat man „Unsere wunderbaren Jahre“ gelesen, weiß man, wie sich die verschiedenen Beziehungen entwickeln werden, welchen Fortgang die Handlung nimmt, was natürlich das Interesse auf Sparflamme hält, da ja bereits alles gesagt wurde. Neue Aspekte fehlen, die Charakterisierung der Personen ist im Nachfolger, schon allein wegen der fast 1000 Seiten, wesentlich ausgereifter. Die Story rund um die zu erwartende Demontage und die Weihnachtsfeier ist dünn, die Liebeleien sind über Gebühr aufgebläht. Dieser schmale Roman ist über weite Strecken trivial, es mangelt an dem Niveau, das man aus den anderen Romanen des Autors kennt. Gelungen sind einzig die authentischen Beschreibungen der Nachkriegsatmosphäre, der Überlebenskampf, was ich so auch aus den Erzählungen meiner Großmutter kenne. Schade.

Veröffentlicht am 17.09.2020

Vier Leben - gescheitert

Leben ist ein unregelmäßiges Verb
0

1980. Leander, Frida, Ringo und Linus, vier Zwölfjährige, aufgewachsen in einer niedersächsischen Land-WG, in der die Erwachsenen sich von den Reglementierungen der Gesellschaft befreien wollen und abgeschottet ...

1980. Leander, Frida, Ringo und Linus, vier Zwölfjährige, aufgewachsen in einer niedersächsischen Land-WG, in der die Erwachsenen sich von den Reglementierungen der Gesellschaft befreien wollen und abgeschottet als Selbstversorger leben. Aber sie ignorieren auch geltende Gesetze wie die Schulpflicht, was letzten Endes dazu führt, dass die Kommune von den Behörden zerschlagen wird und man die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung reißt.

Sie werden getrennt, bei Verwandten oder Pflegefamilien untergebracht, die sich mal mehr, mal weniger gut um sie kümmern und ihnen helfen sollen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die ihnen komplett fremd ist. Zwar haben sie eine Ahnung von dem Leben dort draußen, aber diese speist sich im Wesentlichen aus dem, was die Erwachsenen ihnen eingetrichtert haben. Aber glücklicherweise gibt es da auch noch die Erinnerungen an die Klassiker der Weltliteratur, aus denen ihnen Konrad abends vorgelesen hat und die ihnen helfen, ihre neue Lebenssituation einzuordnen.

Alternierend verfolgen wir in den nachfolgenden vierzig Jahren ihre Wege, ihre Versuche der Anpassung und der Rebellion und schlussendlich des Scheiterns.

Der Roman lässt mich zwiespältig zurück. Auf der einen Seite ist da diese unglaublich beeindruckende Sprache, einfallsreich und fantasievoll, die jedem der vier Leben einen eigenen Klang verleiht. Auf der anderen Seite die Komplexität der Lebensgeschichten, und damit sind wir auch schon bei dem Punkt, an dem meine Kritik ansetzt. Ab knapp der Hälfte des Romans gehen die Pferde mit dem Autor durch, er kommt vom Hölzchen auf‘s Stöckchen. Eine dramatische Situation jagt die nächste, Klischeefallen nicht vermieden, eine Unmenge von Figuren ohne besondere Funktion für den Fortgang der jeweiligen Geschichte eingeführt. Komplexität schön und gut, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben. So bleiben am Ende fast 1000 Seiten, prall gefüllt mit allerlei Überflüssigem, die man meiner Meinung nach durchaus ohne Qualitätsverlust hätte einkürzen können.

Veröffentlicht am 31.08.2020

Peggy G., die Kunst und die Affären

Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück
0

Guggenheim, Name einer Dynastie, jedem Kunstinteressierten geläufig, sind die von ihnen gegründeten Museen doch rund um den Erdball vertreten. In dem vorliegenden Roman steht Peggy Guggenheim im Zentrum, ...

Guggenheim, Name einer Dynastie, jedem Kunstinteressierten geläufig, sind die von ihnen gegründeten Museen doch rund um den Erdball vertreten. In dem vorliegenden Roman steht Peggy Guggenheim im Zentrum, unkonventionellen Nichte von Solomon Guggenheim, Philantroph, Kunstsammler und Begründer der gleichnamigen Stiftung zur Förderung des Verständnisse für moderne Kunst sowie Namensgeber des weltberühmten Guggenheim-Museums in New York.

Der Roman ist im Wesentlichen auf Peggys Zeit in Europa zwischen 1937 und 1942 fokussiert, in der sie den Grundstock für ihre Sammlung legt. Ganz die verwöhnte Tochter der amerikanischen Upper Class mischt sie sich nicht unter das gewöhnliche Volk, sondern verkehrt in Künstler- und Literatenkreisen. Und das liest sich wie ein Who-is-Who der Berühmtheiten: Joyce, Beckett, Cocteau, Kandinsky, Tanguy, Ernst, um nur einige zu nennen. Sie ist ruhelos, ständig auf der Suche. Und so, wie sie zwischen Paris und London hin und her pendelt, ist es auch mit den Männern. Unzählige, mit denen sie Bett und Tisch teilt, immer auf der Suche nach dem Einen.

Leider sind es diese zahlreichen Beziehungs- und Bettgeschichten, die alles andere überlagern und mir den Zugang zu Peggy Guggenheim als Persönlichkeit, Sammlerin und Mäzenin erschwert haben. Nicht zu vergessen ihr Leben als Jüdin in einem nationalsozialistisch geprägten Europa vor dem Zweiten Weltkrieg und großzügige Unterstützerin des Emergency Rescue Committee, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge vor dem NS-Regime.


Was bleibt ist das Bild einer naiven Salonlöwin auf der Suche nach privatem Glück, die zwar für die Rettung zahlreicher von den Nazis als entartete Kunst bezeichneten Gemälde verantwortlich ist, für die aber Kunst letztendlich ein Mittel zum Zweck war. Schade.

Ein Hinweis an das Lektorat: „Swinging London“ (auf der zweiten Textseite) ist ein Begriff, der in den Sechzigern geprägt wurde und 1937 mit Sicherheit noch nicht gebräuchlich war.