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Veröffentlicht am 24.09.2020

Fesselnder Island-Weihnachtskrimi und gelungener Trilogie-Abschluss

NEBEL
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Dieser Island-Krimi ist der letzte Teil einer ungewöhnlichen, spannenden Trilogie rund um Kommissarin Hulda Hermannsdóttir. Nach “Dunkel” und “Insel” folgt mit “Nebel” ein krönender Abschluss, der sich ...

Dieser Island-Krimi ist der letzte Teil einer ungewöhnlichen, spannenden Trilogie rund um Kommissarin Hulda Hermannsdóttir. Nach “Dunkel” und “Insel” folgt mit “Nebel” ein krönender Abschluss, der sich gleichzeitig auch wie der Beginn anfühlt.

Die Trilogie läuft nämlich rückwärts ab, Hulda ist in diesem Buch circa 40 Jahre alt, wohingegen sie in “Dunkel” an ihre Pensionierung denkt. Ich kenne alle drei Bücher in der Reihenfolge ihres Erscheinens, aber wer experimentieren möchte, kann die drei Krimis sicher auch chronologisch lesen.

Manches mag dann nicht mehr überraschend sein, anderes hingegen wird nicht durch die ersten Bände für die nachfolgenden “gespoilert”.

Aber zum Buch: Hulda widmet sich in den ersten Monaten des neuen Jahres gerade ein paar alten Fällen, die sie bisher nicht klären konnte, als sie in einem aktuellen Fall ermitteln soll. Weit weg von Reykjavík im Westen der Insel muss sie hunderte Kilometer nach Osten reisen, wo in einem einsamen Hof zwei Leichen gefunden wurden.

Der Krimi ist zweigeteilt. Der Leser erfährt in Teil 1 einiges davon was in dem Hof vorging, was zu den Morden geführt haben könnte. Manches aber bleibt komplett im Dunkeln sodass man selbst gut versuchen kann, Querverbindungen herzustellen.

In Teil 2 liegt der Schwerpunkt dann auf Huldas Ermittlungen und sie kann teilweise aufdecken welche fatale Verkettung von Umständen passiert sein muss. Damit nicht genug, wird Hulda auch von ihrer eigenen familiären Situation enorm belastet.

Ragnar Jónasson hat mit “Nebel” einerseits die Trilogie erfolgreich beendet, andererseits aber auch einen eigenständigen, wunderbar fesselnden Pageturner geschaffen. Island um die Weihnachtszeit mit viel Schnee und Dunkelheit ist natürlich ein prädestiniertes Setting für Schauergeschichten.

Noch ein Blick auf die Trilogie: Nach dem sehr sehr guten Start mit “Dunkel” und dem ein wenig schwächeren “Insel” lässt “Nebel” das Niveau zum Ende wieder stark steigen.

Veröffentlicht am 24.09.2020

Eine explosive Mischung

Das schwarze Band
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August Emmerichs aktuellstes Abenteuer (für diese Bezeichnung würde er mich rügen) im Sommer 1921 holt ihn kräftig aus seiner Komfortzone. Zwar ermitteln er und Kriminalinspektor Ferdinand Winter in einem ...

August Emmerichs aktuellstes Abenteuer (für diese Bezeichnung würde er mich rügen) im Sommer 1921 holt ihn kräftig aus seiner Komfortzone. Zwar ermitteln er und Kriminalinspektor Ferdinand Winter in einem Mordfall im Rotlichtmilieu aber Emmerich kann nicht so viel Zeit in den verzwickten Fall stecken wie er gerne möchte.

Auf Anordnung, der nicht einmal er sich widersetzen kann, muss er die Schulbank drücken und Lernstoff dort nachholen wo bei ihm am meisten fehlt: Umgangsformen und Stil. Die beiden kongenialen Protagonisten sind also einen Teil der Zeit voneinander getrennt.

Witzigerweise fiebert man währenddessen fast noch mehr mit Winter und Emmerich mit als sonst, da die Situation für beide auf unterschiedliche Weise sehr gefährlich und heikel wird.

Alex Beer zeichnet ein sehr düsteres Bild der Anfangsjahre der Österreichischen Republik. Der Kaiser ist weg, lang lebe… ja, wer eigentlich? Die Not nach dem Krieg ist immer noch greifbar, dem Großteil der Bevölkerung geht es nicht so gut wie ihnen versprochen wurde und andere wiederum sind überzeugt, dass es allen (oder zumindest ihnen selbst) in einer Monarchie besser ginge.

Eine explosive Mischung auf der dieser historische Krimi gründet.

Elektrisierend ist auch wieder einmal, wie Cornelius Obonya Handlung und Charaktere zum Leben erweckt. Einfühlsam, zurückhaltend, mit Witz in der Stimme an den richtigen Stellen und dann wieder polternd und überfallartig sodass man als Hörer öfter den Atem anhält als man mitbekommt.

“Das schwarze Band” ist Teil 4 der Reihe um Kriminalinspektor August Emmerich.

Veröffentlicht am 19.09.2020

Überzeugender Krimi mit sympathischem Ermittler

Der falsche Preuße
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Uta Seeburg entführt den Leser in das München des Jahres 1894. Es gibt einen kleinen Plan vorne und hinten im Buch und viele kleine Details die sie beschreibt lassen einen die - auch für damalige Verhältnisse ...

Uta Seeburg entführt den Leser in das München des Jahres 1894. Es gibt einen kleinen Plan vorne und hinten im Buch und viele kleine Details die sie beschreibt lassen einen die - auch für damalige Verhältnisse - Großstadt erleben.

Wir blicken aus den Augen von Hauptmann Wilhelm Freiherr von Gryszinski auf die Welt, folgen ihm auf Schritt und Tritt und sehen ihm bei kriminalistischer Arbeit über die Schulter. Viele wegweisende Erfindungen und Vorgehensweisen wurden tatsächlich zur damaligen Zeit gemacht. Die heutige Spurensicherungs- und Ermittlungsarbeit beruht auf vielen Maximen die auch in “der falsche Preuße” angeschnitten werden.

Gryszinski bekommt nicht nur einen knackigen Fall serviert, der ihn durch viele Gesellschaftsschichten treibt sondern muss sich als Preuße auch noch zwischen seinem Arbeitgeber und der Heimat entscheiden. Werden beide Seiten versuchen, seine Ermittlungen zu beeinflussen?

“Der falsche Preuße” ist ein gut gestrickter Kriminalfall in überzeugendem historischen Kontext mit skurrilen Charakteren und einer feinen Prise Humor. Gryszinski ist ein angenehmer, glaubhafter Protagonist der manches Mal etwa Pech hat um es liebevoll zu formulieren. Aber er hat sein Herz am rechten Fleck.

Veröffentlicht am 20.08.2020

Kindheit prägt

Abgründe
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Im Inneren des Umschlags steht unter anderem: “Ein Buch für alle, die sich für die menschliche Psyche und ihre Abgründe interessieren.” Das klingt etwas reißerischer oder besser gesagt voyeuristischer ...

Im Inneren des Umschlags steht unter anderem: “Ein Buch für alle, die sich für die menschliche Psyche und ihre Abgründe interessieren.” Das klingt etwas reißerischer oder besser gesagt voyeuristischer als ich das Buch erlebt habe.

Man muss nicht Psychologie studiert haben um den Ausführungen, Gedanken und Erzählungen von Hans Hopf gut folgen zu können. Er beschönigt nichts, wenn er auch die realen Personen hinter den Geschichten natürlich so gut es geht schützt.

Ja, manche Szenen sind nicht so einfach vorstellbar, dennoch wirkt niemand in diesem Buch “entmenschlicht” oder bloßgestellt. Man sollte wirklich nicht mit dieser Einstellung herangehen, sich Erzählungen erwarten die wie boulevardeske Zeitungsartikel oder “True-Crime”-Stories daherkommen. Alles auf diesen 187 Seiten beruht auf wahren Begebenheiten. Aber so wie auch Hans Hopf in seinem Beruf kann der Leser sowohl mitfühlen als auch Distanz bewahren.

Vielleicht kann dieses Buch (und können auch bisherige Werke Hopfs, die ich nicht selbst kenne) ein wenig Verständnis für die vielschichtige Arbeit und die psychischen Probleme unserer Mitmenschen in den Lesern wecken.

Es ist zu hoffen, dass die Stigmatisierung und das Kleinreden dieser Erkrankungen auch einmal endet und dass damit sowohl Psychiater selbst als auch deren Anforderung allgemein akzeptierter werden. Die Aussage “das ist in seiner oder ihrer Kindheit begründet” wird gerne belächelt, nach dieser Lektüre wird man damit vorsichtiger sein.

Veröffentlicht am 15.08.2020

Frauen im Fokus

Der dunkle Bote
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Zum dritten Mal dürfen wir uns hörend und staunend an August Emmerichs Fersen heften und eine wunderbar spannende wie erhellende Zeitreise ins Wien des Jahres 1920 begehen.

Es ist November, kalt und nebelig ...

Zum dritten Mal dürfen wir uns hörend und staunend an August Emmerichs Fersen heften und eine wunderbar spannende wie erhellende Zeitreise ins Wien des Jahres 1920 begehen.

Es ist November, kalt und nebelig auf den Straßen und in den Herzen der von den Nachwehen des Krieges geplagten Menschen. Minderheiten und alle, die irgendwie “anders” sind, haben ein besonders schweres Los. Wie auch viele der Frauen.

Im Krieg durften sie das Land am Laufen halten, nun kehren die Männer zurück, übernehmen ihre Jobs und machen ihnen das Leben in vielerlei Hinsicht schwer. Doch langsam regt sich Widerstand. Eine mutige Journalistin hat sich zum Ziel gesetzt, diese Schicksale publik zu machen.

Kriminalinspektor August Emmerich hat auch ein Ziel: Seine Lebensgefährtin Luise vor deren eigenem Kriegsheimkehrer zu retten. Und nebenbei hat er noch ein paar Morde am Hals, quasi business as usual.

Wieder mit dabei: Assistent Ferdinand Winter, ein paar Kollegen von “Leib und Leben” sowie Schleichhändler Veit Kolja, der in Band 2 etwas Pause hatte. Wie immer sind alle wunderbar gesprochen von Cornelius Obonya, der Charaktere, Stimmung und Erzähler zu einer faszinierenden Einheit formt, beinahe wie ein ganzes Ensemble.