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Veröffentlicht am 08.02.2017

Scholz & Jacobi

Weit weg ist anders
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Edith Scholz, die ca. 70-jährige ungeduldige Berlinerin, wird nach einem Sturz in ihrer Wohnung erst nach eineinhalb Tagen von ihrem Postboten Oskar Mannstein entdeckt.
Notarzt, Krankenhaus, Hüftoperation ...

Edith Scholz, die ca. 70-jährige ungeduldige Berlinerin, wird nach einem Sturz in ihrer Wohnung erst nach eineinhalb Tagen von ihrem Postboten Oskar Mannstein entdeckt.
Notarzt, Krankenhaus, Hüftoperation und Reha folgen unvermeidlich ihrem Unfall. Während der Reha lernt sie Christel Jacobi kennen, die ihre Freundschaft sucht. Aber Edith Scholz sucht keine Freundschaft. Sie liebt es unabhängig zu sein. Sie ist kratzbürstig, angriffslustig und zupackend. Christel Jacobi ist das krasse Gegenteil von Großstadtpflanze Edith. Sie kommt aus der Kleinstadt Husum. Sie liebt Yoga und Handarbeiten. Im Gegensatz zu Edith ist sie mimosenhaft, emotional und ängstlich, aber auch ziemlich manipulierend. Trotz einer großen Abneigung und der vielen Gegensätze finden die Beiden zueinander und machen sich in ein großes Abenteuer auf.

Ich habe mich köstlich amüsiert. Ich bin auch bereits sechzig Jahre und finde es köstlich, wie natürlich Frau Scholz und Frau Jacobi agieren. Jeder kennt so eine Frau Scholz und Frau Jacobi. Man mag sie Beide, aber auf Dauer kann man wohl keine von Beiden immer in seiner Nähe haben. Wenn man Frau Scholz allzu nah auf die Pelle rückt, wird sie mit jedem Tag unausstehlicher und kratzbürstiger, damit sie wieder alleine ihrem gewohnten Tagesablauf nach gehen kann. Frau Jacobi würde mir auf Dauer ziemlich auf die Nerven gehen, so lieb und so nett sie auch ist.
Für ein bestimmtes Ziel haben sie sich aber arrangiert und dabei festgestellt, dass sie ihr gewohntes Leben doch nicht lange Zeit entbehren können.
So amüsant und unterhaltsam die Wortgefechte zwischen den beiden Frauen zu lesen waren, so lässt es mich doch nachdenklich und ein bisschen traurig zurück.
Weite Sprünge können wir mit zunehmendem Alter nicht mehr machen, aber es gibt immer noch Menschen, die es versuchen. Und das ist schön zu lesen.

Veröffentlicht am 24.01.2017

Geschichte, wie sie jeder liebt

Der Jahrhunderttraum (Jahrhundertsturm-Serie 2)
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Berlin 1891, die nächste Generation der Familie von Briest wächst heran und erlebt die Geschichte ihrer Zeit. Die Kinder derer von Briest, Otto, Amalie und Levin streben zunächst in verschiedene Richtungen. ...

Berlin 1891, die nächste Generation der Familie von Briest wächst heran und erlebt die Geschichte ihrer Zeit. Die Kinder derer von Briest, Otto, Amalie und Levin streben zunächst in verschiedene Richtungen. Ihre Mutter Antonie von Briest engagiert sich immer mehr für die Frauenbewegung, was ihrem Mann Moritz von Briest, Geschäftsführer der Firma von Siemens, zunehmend beruflich schadet und ihre Ehe gefährdet. Otto, der Ingenieurwissenschaften studiert, wird während seines Studiums in die antisemitische und aufrührerische Strömung von Oskar Glock getrieben, die er aber frühzeitig wieder verlässt um seinen Vater in die USA zu folgen. Amalie lässt sich von dem Engagement ihrer Mutter für die Frauenbewegung nicht mitreißen, geht aber mit der Zeit ihren eigenen Weg. Levin von Briest verschreibt sich dem Traum vom Fliegen und begleitet Lilienthal, Wölfert und Zeppelin bei der Entwicklung ihrer Luftschiffe und Flugapparate.

So sollten Geschichtsbücher geschrieben werden. Sie würden die Schüler unterhalten, fesseln und nebenbei ihnen die geschichtlichen Ereignisse näherbringen.
Ich fühle mich bestens unterhalten und informiert.

„Der Jahrhunderttraum“ beschäftigt sich mit dem großen Traum der Menschheit, dem Fliegen. Wie schon „Der Jahrhundertsturm“ beschreibt Herr Dübell anhand der fiktiven Familie von Briest das gesellschaftliche und politische Umfeld dieser Zeit.
Über einen Zeitraum von nicht einmal 20 Jahren fächert der Autor vor unseren Augen unter anderem die Entwicklung des „Zeppelin“ und anderer Fluggeräte, die Entstehung der Frauenbewegung und ihre gesellschaftlichen und beruflichen Folgen sowie ein kriminelles, antisemitisches Umsturzszenario, das an Größenwahn und Fanatismus nur noch vom „Dritten Reich“ getoppt wird.

Dieser historische Roman liest sich zeitweise wie ein spannender Krimi, ist nicht frei von Gewaltszenen und lässt den Leser immer wieder um das Überleben der Akteure bangen. Eingestreut in die spannende Handlung finden wir hin und wieder die neuesten Errungenschaften und Erfindungen des täglichen Gebrauchs, was uns immer wieder daran erinnert, dass nur die Familie von Briest und Oskar Glock fiktiv sind. Ansonsten handelt es sich hier um einen hervorragend recherchierten historischen Roman, der uns die Geschichte um die Jahrhundertwende in 20. Jahrhundert näher bringen will.
Das ist großartig gelungen, danke.

Veröffentlicht am 28.12.2016

Beklemmend, aber spannend

Schere 9
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Hauptkommissar Heinz Baldur und sein neues Team, zu dem auch die Praktikantin Melek Arslan gehört, haben es mit brisanten Serienmorden zu tun. Innerhalb weniger Tage werden fünf Männer gefoltert und bestialisch ...

Hauptkommissar Heinz Baldur und sein neues Team, zu dem auch die Praktikantin Melek Arslan gehört, haben es mit brisanten Serienmorden zu tun. Innerhalb weniger Tage werden fünf Männer gefoltert und bestialisch ermordet. Die Opfer sich immer untreue Ehemänner. Ist jemand auf einem Rachefeldzug?
Baldur, selbst untreu, hat sich nach einem Giftanschlag seiner Verlobten auf sein Leben, von Köln nach Frankfurt versetzen lassen.
Jetzt in Frankfurt leidet Baldur noch immer unter den Folgen des Giftanschlags, insbesondere in Hinblick auf die Opfer dieser Mordserie. Er und sein Team finden keine andere Gemeinsamkeit unter den Opfern außer deren Untreue.

„Ein beklemmender Blick in die Abgründe der menschlichen Seele – ein Krimi, der nachwirkt.“
Genauso habe auch ich diesen Thriller empfunden. Der Leser erhält Einblick in die schon in der Kindheit verletzte Seele des Ermittlers Hauptkommissar Heinz Baldur. Nach dem Giftanschlag platzen die bereits vernarbten Verletzungen wieder auf und diese Mordserie gibt ihm fast den Rest.
Auch bei einer der Täterinnen erfahren wir von ihren Verletzungen in der Jugend und den daraus resultierenden Folgen. Es tuen sich Abgründe auf, die man manchmal nicht lesen will und doch gehört alles zusammen.
Isabella Archan hat daraus einen wirklich beklemmenden Triller gemacht, der noch lange nachwirkt.

Veröffentlicht am 08.12.2016

Berührend

Wir kennen uns nicht
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Wir kennen uns nicht

Das ist für mich der aussagekräftigste Satz im Beziehungsroman von Brigit Rabisch. In abgewandelter Form las man diese Aussage fast auf jeder Seite.
Es geht um die Beziehung von Mutter ...

Wir kennen uns nicht

Das ist für mich der aussagekräftigste Satz im Beziehungsroman von Brigit Rabisch. In abgewandelter Form las man diese Aussage fast auf jeder Seite.
Es geht um die Beziehung von Mutter und Tochter. Im Fall von Lena und Ariane hat sich die Mutter-Tochter-Beziehung von Anfang an nicht aufbauen lassen. Lena, die selbst eine unglückliche und demütigende Kindheit erlebt hat, kann ihre Tochter nicht annehmen und ihr mütterliche Gefühle entgegen bringen. Ariane wird von Kindermädchen versorgt und fühlt sich beiseite geschoben. Außerdem veröffentlicht ihre Mutter in ihren Bestsellern ihre Vorstellung vom Familienleben als alleinerziehende Mutter mit einer Supertochter.
Lena schreibt schon seit ihren frühen emanzipatorischen Anfängen Bücher über eine fiktive Lara, die ihr Leben so meistert, wie Lena es gerne meistern würde.
„Sie hat bisher ihr ganzes Leben in Schrift verwandelt. Wenn sie ihren Tod nicht in Schrift verwandeln kann, wozu soll er gut sein“
In ihren Büchern hat sie ein wundervolles Verhältnis zu ihrer Tochter. Im wahren Leben empfindet sie keine Liebe für Ihre Tochter, kann ihre keine Zärtlichkeit und Geborgenheit schenken. Sie bemerkt zwar, dass das Verhältnis zu ihrer Tochter nicht gut ist, aber sie ist sich sicher, ihrer Tochter ein Leben ermöglicht zu haben, von dem sie immer geträumt hat.
Ariane entwickelt eine immer größer werdende Wut ob der Enttäuschungen, Vernachlässigungen und Instrumentalisierung für Lenas Bücher. Sie gibt ihre Mutter auf und versucht eine eigene Familie aufzubauen.

Birgit Rabisch lässt, nach einer paukenschlagähnlichen aufrüttelnden Anklage von Ariane an die Leser, Mutter Lena und Tochter Ariane im Wechsel zu Wort kommen. Beide reflektieren über ihre Kindheit und über ihr Verhältnis zueinander. Aber miteinander zu reden gelingt ihnen nicht und somit sind Verständnis und Vergebung in weiter Ferne.

Das offene Ende stimmt mich etwas versöhnlich und hoffnungsvoll.

Das war ein sehr aufwühlendes Buch, da es von tiefen Gefühlen und Verletzungen eines Kindes erzählte und einer Mutter, die nicht in der Lage war ihre Demütigungen und Verletzung aus ihrer Kindheit zu verarbeiten

Veröffentlicht am 29.11.2016

In Cornwall wird weiterhin gemordet

Gestorben wird früher
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Mabel Clarence hat sich im Laufe der Jahre in Lower Barton und Umgebung einen gewissen Ruf erworben. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Penelope Jennings mit der Bitte an sie wendet, den überraschenden ...

Mabel Clarence hat sich im Laufe der Jahre in Lower Barton und Umgebung einen gewissen Ruf erworben. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Penelope Jennings mit der Bitte an sie wendet, den überraschenden Tod ihrer Freundin Elisabeth Bennett zu untersuchen. Penelope befürchtet, dass ihre Freundin von ihrem Neffen Thomas Bennett ermordet wurde.
Kurzerhand mietet Mabel sich in die Seniorenresidenz ein, in der Elisabeth zuletzt gelebt hat. Schon nach kurzem Aufenthalt machen sich die Seniorenresidenz-Leitung, Pfleger(innen), Mitbewohner und sogar der Arzt, der die Totenscheine immer so passend ausstellt, verdächtig. Als ein zweiter Mord geschieht, sieht Mabel schnellen Handlungsbedarf. Sie bezieht Alan und Victor in ihre Ermittlungen ein und informiert die zuständige Polizei, aber die Polizei sieht keinen Grund zum Eingreifen......

Das ist ein Cornwall-Krimi, wie man ihn sich nur wünschen kann, amüsant, kauzig, wie halt manche Cornishmen sind, britisch und mit viel Lokalkolorit. In jedem Kapitel spürt man die Liebe zu Cornwall und seinen Einwohnern. Einfühlsamer kann kein Reiseführer dem Leser diesen Landstrich näher bringen.
Miss Mabel Clarence, sicherlich von Miss Marple inspiriert, ist aber von einem anderen Kaliber. Die ehemalige Krankenschwester ist tatkräftig und stürzt sich mit viel Empathie in immer wieder neue Abenteuer.
Trotz ihrer guten Menschenkenntnis und Kombinationsfähigkeit, erliegt sie dem Charme und vor allem den Schmeicheleien eines Hochstaplers. Was nicht zuletzt daran liegt, das sie seit Jahren vergeblich um Anerkennung und Liebesbeteuerung seitens ihres Freundes Victor Daniels kämpft.
Mit diesem sechsten Fall wird nun das Ende der Serie eingeläutet. Schade! Wir werden Mabel und Victor vermissen.
Aber in Cornwall wird weiterhin gemordet werden. Im Nachwort wird uns eine neue Cornwall-Serie mit neuen und alten Protagonisten in Aussicht gestellt.
Bleibt mir nur noch der Autorin zu wünschen, dass sie bei der neuen Serie genauso ein gutes Händchen beweist wie bei dieser.