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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.09.2020

Räumt mit Klischees und Vorurteilen auf

Lotti und Otto (Band 2)
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Typisch Jungs. Mädchenkram. Sollten wir uns von diesen und ähnlichen Vorurteilen und Klischees daran hindern lassen, was uns wirklich Spaß bringt? Nein, auf keinen Fall. Denn wer sagt, dass nur Mädchen ...

Typisch Jungs. Mädchenkram. Sollten wir uns von diesen und ähnlichen Vorurteilen und Klischees daran hindern lassen, was uns wirklich Spaß bringt? Nein, auf keinen Fall. Denn wer sagt, dass nur Mädchen gerne backen? Und es sich nicht schickt, wenn ein Mädchen mit Pfeil und Bogen umgehen kann? Nur leider schleichen sich solche Gedanken immer noch viel zu oft in den Alltag ein, nicht zuletzt, weil wir seit Generationen so geprägt werden. Doch es liegt an uns selbst, dem ein Ende zu setzen.

Dass alte Vorurteile und Klischees längst überholt und sehr uncool sind, machen die Otterkinder Lotti und Otto in der gleichnamigen Kinderbuchreihe spielerisch und mit ganz viel Herz schon den kleinsten Lesern klar. Mit „Lotti & Otto – Eine Geschichte über ‚echte Kerle‘, alte Vorurteile und neue Freunde“ ist kürzlich der zweite Band der Reihe von Collien Ulmen-Fernandes und Carola Sieverding erschienen. Die Leser erwartet ein spannendes Abenteuer mit vielen bezaubernden Figuren, die trotz oder wegen ihrer Stärken, Schwächen, Ängste und Vorurteile voneinander lernen, miteinander Hürden meistern und daran wachsen. Das Buch lädt Kinder dazu ein, vorgegebene Denkmuster zu hinterfragen, Neues auszuprobieren und andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Eine tolle Botschaft, die wunderbar in dieser Geschichte umgesetzt wurde.

Gestützt wird die lehrreiche Handlung von liebevoll illustrierten, bunten Bildern. Die nicht nur das Geschehen der Geschichte wunderbar widerspiegeln, sondern die jungen Leser noch viel mehr entdecken lassen. So scheint unter anderem eine kleine Mausfamilie ein Eigenleben zu führen. Für mich sind sowohl die Handlung als auch die Illustrationen absolut gelungen und empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 23.09.2020

Der Weg zu sich selbst

Das Buch eines Sommers
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Für Nicolas ist sein Onkel Valentin, der ein berühmter Schriftsteller und charakterlich das Gegenteil von seinem Vater ist, ein großes Vorbild und die wichtigste Bezugsperson. Nach dem Abitur verbringt ...

Für Nicolas ist sein Onkel Valentin, der ein berühmter Schriftsteller und charakterlich das Gegenteil von seinem Vater ist, ein großes Vorbild und die wichtigste Bezugsperson. Nach dem Abitur verbringt er einen prägenden Sommer in dessen Villa, in dem sich die Beziehung der beiden intensiviert und in Nicolas der Wunsch heranreift, selbst Schriftsteller zu werden. Doch dann kommt das wahre Leben dazwischen und Nikolas fühlt sich verpflichtet, das Pharmazie-Unternehmen seines Vaters zu übernehmen. Als Onkel Valentin stirbt, verbringt Nicolas notgedrungen ein paar Tage mit seiner vernachlässigten Frau und seinem kleinen Sohn in Valentins Villa. Tage der Erkenntnisse folgen und für Nicolas bietet sich die Chance, sein Leben zu überdenken. Dabei bekommt er unerwartete Hilfe…

Mit „Das Buch eines Sommers“ hat Bas Kast ein Buch über Verpflichtungen und Träume, die Angst vorm Scheitern und den Mut zu leben, das Erfinden und Erzählen von Geschichten, Liebe und Verlust, sich verlieren und sich finden, kostbare Momente und verlorene Zeit, Familie und Karriere geschrieben – verbunden mit Fakten zur Neurowissenschaft und Pharmazie, wunderbaren Charakteren, einer liebevollen Story und ganz viel Poesie und Fantasie.

Bei mir hat das Buch einen Nerv getroffen und mich berührt. Für mich war es das perfekte Buch zum Ausklang dieses speziellen Sommers, der für jeden von uns seine Tücken hatte und die eine oder andere Frage nach Veränderung aufwarf. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Bei nur 240 Seiten und großer Schrift ist das leicht möglich. Das zentrale Thema dabei: Bin ich der Mensch, der ich tief im Inneren bin? Verleugne ich mein wahres Ich zum Gefallen anderer? Setze ich die richtigen Prioritäten? Was erwarte ich vom Leben? Gelungen baut Bas Kast dabei seine Erfahrungen als Neurowissenschaftler und Wissenschaftsjournalist in die Geschichte mit ein. Es ist philosophisch, erinnert den Leser an die wichtigen Dinge im Leben und regt zum Nachdenken an. Dennoch ist es kein Lebensratgeber.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Emotionen pur

Wir gegen euch
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Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass sich in diesem Buch alles um Eishockey dreht. „Gähn, wie langweilig“, werden jetzt vielleicht einige von Euch denken. Doch weit gefehlt. Ich kann Euch dieses ...

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass sich in diesem Buch alles um Eishockey dreht. „Gähn, wie langweilig“, werden jetzt vielleicht einige von Euch denken. Doch weit gefehlt. Ich kann Euch dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen. Für mich ist es definitiv zu einem meiner Lieblingsbücher geworden. Denn es handelt von so viel mehr als nur Eishockey! „Wie gegen uns“ von Fredrik Backman ist so vielschichtig, dass es mich mit jeder der 536 Seiten mehr und mehr in seinem Bann gezogen hat. Es geht um Freundschaft und Loyalität, wie sie stärker nicht sein können – zeigt aber auch deren Grenzen auf. Das Erwachsenwerden inklusive der Angst zu versagen, dem Bedürfnis, es allen recht zu machen, und dem starken Wunsch, aus vorgegebenen Pfaden auszubrechen. Gefühle, Wünsche und Prozesse, die sich ebenfalls durch das gesamte Erwachsenenleben ziehen. Es geht um die Macht der Gruppe, aber auch um die Fähigkeiten jedes Einzelnen. Darum, wie Entscheidungen unser Leben beeinflussen, ebenso wie die der anderen. Zusammenhalt und Ausgrenzung, Liebe und Verrat, Verzweiflung und Hoffnung, Trauer und Wut… Ich könnte ewig weitererzählen. Ich habe mit den Protagonisten, die ich aufgrund ihrer liebenswerten Eigenheiten und manch einem Fehler ins Herz geschlossen habe, mitgefiebert, mitgelitten, mich mit ihnen gefreut, mit ihnen getrauert, die eine oder andere Träne vergossen, war fassungslos, ratlos, hoffnungsvoll, stolz und glücklich. Mehr kann einem ein Buch nicht geben. Ich bin süchtig. Für mich ist „Wir gegen euch“ ein Geschenk. Danke dafür!

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Ein Buchhighlight 2020

Die Optimisten
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Auch wenn das Jahr noch nicht einmal halb vorbei ist, kann ich jetzt schon sagen, dass „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai zu meinen Lesehighlights 2020 gehören wird. Einerseits konnte ich es nicht aus ...

Auch wenn das Jahr noch nicht einmal halb vorbei ist, kann ich jetzt schon sagen, dass „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai zu meinen Lesehighlights 2020 gehören wird. Einerseits konnte ich es nicht aus der Hand legen, andererseits habe ich das Ende gefürchtet. Der Roman ist zutiefst bewegend, ausdrucksstark und menschlich, wie nur wenige Bücher. Ich kann ihn uneingeschränkt weiterempfehlen.

Die Handlung wird aus der Sicht zweier Hauptcharaktere erzählt, wobei diese etwa 30 Jahre zeitversetzt von ihren Erlebnissen berichten.

Chicago 1985: Yale kommt durch einen Tipp seiner Freundin Fiona auf die Spur einer unbekannten, vermutlich mehrere Millionen Dollar teuren Bildersammlung, die seiner Karriere den entscheidenden Anstoß verleihen könnte. Gleichzeitig wird sein privates Umfeld immer mehr aus den Angeln gehoben. Das unbarmherzige HI-Virus breitet sich aus. Sein Freund Nico ist einer der ersten, der an AIDS stirbt, weitere folgen.

Paris 2015: Nicos Schwester Fiona ist auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter Claire, die sich offenbar nicht finden lassen will. Dabei werden alte Wunden wieder aufgerissen und es wird klar, dass Fiona ihre Erlebnisse der 80er-Jahre und damit einhergehende Gefühle nie ganz aufgearbeitet hat.

„Das ist der Unterschied zwischen Optimismus und Naivität. Keiner hier im Raum ist naiv. Naive Menschen haben noch keine echte Prüfung hinter sich, deshalb meinen sie, ihnen könnte nichts passieren. Optimisten wie wir haben schon etwas durchgemacht und stehen trotzdem jeden Tag auf, weil wir glauben, wir könnten verhindern, dass es noch einmal passiert. Oder wir tricksen uns einfach aus, um das zu glauben.“

Das Virus sucht seine Opfer willkürlich aus, daran werden die Protagonisten, die einem im Laufe des mehr als 600 Seiten starken Buchs ans Herz wachsen, immer wieder erinnert. Ein wahlloser Rundumschlag, der „Boystown“, das Viertel der schwulen Szene Chicagos, bis ins Mark erschüttert. Die Angst, sich anzustecken, immer mehr infizierte oder kranke Freunde und Bekannte, die Auseinandersetzung mit dem Tod, auch mit dem eigenen nach Erhalt eines positiven Testresultats… Wie geht man damit um? Selbstzerstörung, Kampfbereitschaft, Fassungslosigkeit oder Selbstisolation – nur ein minimaler Bruchteil aller denkbaren menschlichen Wesenszüge. Aber vor allem ist es der Optimismus, der heraussticht, trotz der fatalen Lage. Er zeigt sich, wenn es darum geht, die letzten Wochen so angenehm wie möglich zu machen, in der Hoffnung, dass bald ein Medikament gegen das Virus gefunden wird, selbst dann noch, wenn klar ist, dass das Leben dem Ende zugeht. Denn Aufgeben kommt nicht infrage, stattdessen wird bis zuletzt für ein Umbruch in der Gesellschaft, im Gesundheitssystem, in der Forschung gekämpft – und für ein menschenwürdiges Leben und Sterben. Das klingt jetzt alles wahnsinnig ernst und traurig. Und ja, das ist es auch, aber vor allem ist die Geschichte von Mut, Freundschaft, Zusammenhalt, Liebe und Lebenslust geprägt. Aber auch von Schuld und Verlust, die neben dem Erlebten und den Erinnerungen (positive und negative) das restliche Leben beeinflussen.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Bleibt nachhaltig im Gedächtnis

Das zweitbeste Leben
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„Deine andere Frau und dein anderes Mädchen sind ein Geheimnis?“, fragte ich. (…)

„Nein. Das verstehst du falsch. Dana, du bist ein Geheimnis.“

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„Liebst du mich denn nicht?“, fragte ich.

„Das hat ...

„Deine andere Frau und dein anderes Mädchen sind ein Geheimnis?“, fragte ich. (…)

„Nein. Das verstehst du falsch. Dana, du bist ein Geheimnis.“

-

„Liebst du mich denn nicht?“, fragte ich.

„Das hat mit Lieben nichts zu tun“, sagte er. „Du musst jetzt nach Hause. Ich h-h-habe mich entschieden, genau wie du, als du angefangen hast, Ch-Chaurisse zu belästigen. Du hättest fast mein Leben ruiniert.“

Szenen wie diese veranlassen mich, „Das zweitbeste Leben“ von Tayari Jones zu den eindringlichsten Büchern zu zählen, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Das Buch erzählt von der Konkurrenz zwischen zwei Mädchen, die sich nicht einmal persönlich kennen, die Suche nach sich selbst, das Streben nach Anerkennung und Liebe vom Vater, das Leben als dunkelhäutiges Mädchen in Amerika in den 1980er-Jahren, die Diskrepanz zwischen Verstand und Gefühl und darum, immer zurückstecken zu müssen. Und bei all dem ist ein wichtiger Punkt noch gar nicht genannt: Die Autorin schildert vor allem ein sehr kompliziertes Familienverhältnis, das von Grund auf zum Scheitern verurteilt ist. Denn James Witherspoon ist ein Bigamist. Er hat zwei Frauen und mit ihnen zwei Töchter (Dana und Chaurisse) im gleichen Alter. Während Dana von der ersten Familie weiß, ist die Zweitfamilie für Chaurisse und ihre Mutter, wie auch für die Öffentlichkeit, ein großes Geheimnis.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Nacheinander erzählen die Mädchen von ihrer Kindheit, der Geschichte ihrer Eltern und ihrem Platz in der Welt. Während Chaurisse in einer scheinbar intakten Familie aufwächst, kämpft Danas geheime Familie, die nur an einem Tag der Woche existiert, um Anerkennung und wird sich ihrer Zweitrangigkeit immer bewusster. Doch Dana gibt sich mit ihrem Status nicht zufrieden und dringt mit Hartnäckigkeit, aber auch viel Unsicherheit, in das Leben ihrer Halbschwester ein. Die ahnt von allem nichts – bis es zum unausweichlichen Knall kommt.

So unterschiedlich die Werdegänge der Mädchen auch sind, macht die Autorin immer wieder deutlich, dass beide unter dem Verhalten ihrer Eltern zu leiden haben. Nicht nur, weil ab einem gewissen Punkt nichts mehr so ist, wie es zuvor war, sondern vor allem, weil die Eltern nicht zu verstehen scheinen, dass gerade die Kinder die Leidtragenden sind. Der Egoismus der Eltern ist von der Autorin hervorragend dargestellt, sodass sich bei mir die Nackenhaare aufstellten.

Mir sind besonders die Gespräche zwischen dem Vater und seiner jeweiligen Tochter im Gedächtnis geblieben, die verdeutlichen, wie gut oder schlecht es um das Verhältnis bestellt ist. Während Chaurisse offen und ohne Angst mit ihrem Vater reden kann und er seine Tochter liebevoll und stolz Butterblume nennt, tritt Dana ihrem Vater lange Zeit ängstlich und zögernd entgegen. In ihr tobt geradezu ein Gefühlschaos. Die macht sich klein, um bei ihrem Vater nichts falsch zu machen, um nicht zu stören oder ihn nicht respektlos zu behandeln. Andererseits möchte sie von ihm wahrgenommen und gelobt werden, sucht seine Unterstützung und fordert ihn immer wieder heraus, um überhaupt irgendeine Reaktion von ihm zu bekommen. All das beschreibt Tayari Jones eindrucksvoll, glaubhaft und mitreißend, wird dabei aber nie rührselig und mitleidig. Und das macht „Tayari Jones“ zu einem ganz besonderen Buch, das ich klar empfehlen kann. Ich bin gespannt, ob mir ihr erster Roman, „In guten wie in schlechten Tagen“, auch so gut gefallen wird.

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