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Veröffentlicht am 03.10.2020

Im Zweifel für die Angeklagte?

In der Hitze eines Sommers
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1965 New York. Die von ihrem Mann getrennt lebende Ruth Malone lebt mit ihren zwei kleinen Kindern zusammen und bestreitet ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit in einer Bar. Auf ihr Äußeres legt Ruth sehr ...

1965 New York. Die von ihrem Mann getrennt lebende Ruth Malone lebt mit ihren zwei kleinen Kindern zusammen und bestreitet ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit in einer Bar. Auf ihr Äußeres legt Ruth sehr viel wert, jedoch ist sie auch kein Kind von Traurigkeit und lässt sich immer mal wieder auf ein Techtelmechtel ein, was zu Getuschel in der Nachbarschaft führt, denn ihr promiskuitiver Lebensstil stößt so manchem auf. Eines Nachts verschwinden ihre beiden Kinder aus dem verschlossenen Kinderzimmer und werden kurze Zeit später ermordet aufgefunden. Da Ruths Lebenswandel nicht der Norm entspricht, wird sie schon bald von der Polizei als Mörderin abgeurteilt. Nur der für den Herald arbeitende Reporter Pete Wonicke deckt bei seinen Recherchen nach und nach auf, dass Ruth das Opfer einer sehr schnell und oberflächlich urteilenden Gesellschaft ist…
Emma Flint hat mit „In der Hitze eines Sommers“ einen unterhaltsamen spannenden Roman vorgelegt, der das Gesellschaftsbild der 60er Jahre in den USA auf sehr intensive Weise wiederspiegelt und sich an einer tatsächlichen Begebenheit orientiert. Der flüssige und bildhafte Schreibstil lässt den Leser gedanklich 55 Jahre in der Zeit zurückreisen, um dort durch wechselnde Perspektiven Ruths Schicksal mitzuverfolgen und dabei eine Gesellschaft präsentiert zu bekommen, die damals Gang und gäbe war. Der Leser lernt nicht nur Ruths Gedanken- und Gefühlswelt kennen, sondern auch die von Reporter Pete und Sergeant Devlin. Dabei eröffnet sich dem Leser nicht nur die von der Gesellschaft geprägten Denkmuster, sondern lassen auch Raum für eigene Interpretationen. Der Mordfall an sich ist nur der Auslöser einer Debatte der Öffentlichkeit, die sich hauptsächlich an dem Lebenswandel von Ruth stört und sich unter dem Deckmantel der Anständigkeit zu einem Urteil befähigt sieht. Das nahezu feindliche Frauenbild stößt dem Leser oftmals sauer auf, denn obwohl mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen, gibt es solche Aburteilungen auch heute noch und spiegelt die Kleingeistigkeit der Menschen wieder, wenn auch oftmals in anderem Zusammenhang. Die Suche nach dem wahren Mörder gerät dabei völlig ins Hintertreffen, obwohl dieser am Ende doch noch aufgeklärt wird. Der Spannungsbogen ist intelligent angelegt und steigert sich durch die unterschiedlichsten Denkweisen sowie die Recherche von Pete immer mehr in die Höhe.
Die Charaktere sind lebhaft ausgestaltet und überzeugen durch glaubwürdige menschliche Züge. Der Leser steht zwar als Zuschauer am Rand, kann sich jedoch gut in Ruth hineinversetzen und fiebert mit, wie es für sie wohl ausgehen mag. Ruth ist einer Frau, die nicht nur hart arbeitet, um ihre Familie zu ernähren, sie sehnt sich nach der wahren Liebe und verschenkt ihr Herz leider etwas zu oft, um dann doch wieder allein zu sein. Sie liebt ihre Kinder, aber sie hat auch eigene Träume, die sie nicht aufgeben will. Pete Wonicke hat die Neugier zum Beruf erhoben, lässt nicht locker bei seinen Nachforschungen und verliert sein Herz an Ruth, die davon gar nichts ahnt. Sergeant Devlin steht sinnbildlich für die sich zum Richter aufgeschwungene Gesellschaft, die mit dem Finger auf Ruth zeigt und sie abfällig verurteilt. Devlin ist so verblendet durch seine Sichtweise, dass er seiner eigentlichen Aufgabe gar nicht nachkommt.
„In der Hitze eines Sommers“ ist ein sehr eindringlicher Roman über die Denk- und Handlungsweise der damaligen Gesellschaft, die alle verurteilt, die nicht mit ihr konform gehen. Dabei spielt neben Prüderie auch Neid eine unterschwellige Rolle. Sehr gut konstruierte und tiefgründige Handlung mit viel Spannung, die auch nach der letzten Seite noch im Kopf verweilt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2020

Einstimmung auf das Fest der Liebe

Die Weihnachtsvilla
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In nicht mal mehr 3 Monaten ist wieder Weihnachten, genau die richtige Zeit, um sich auf das Fest der Familie einzustimmen. Da schadet es nicht, zu einem Buch zu greifen, dass mit seinem Inhalt diese Stimmung ...

In nicht mal mehr 3 Monaten ist wieder Weihnachten, genau die richtige Zeit, um sich auf das Fest der Familie einzustimmen. Da schadet es nicht, zu einem Buch zu greifen, dass mit seinem Inhalt diese Stimmung schon einmal zu entfachen weiß und die Vorfreude weckt, vor allem nach den vergangenen schwierigen Monaten der Coronazeit, die uns noch eine Weile begleiten wird.
Für das Buch „Die Weihnachtsvilla“ haben sich vier talentierte Autorinnen zusammengetan, um den Leser mit stimmungsvollen Weihnachtsgeschichten zu unterhalten. Neben Hanna Caspians „Heller Stern in finstrer Nacht“ und Martina Sahlers „Weihnachten in Summerlight House“ finden sich auch Anne Jacobs „Heimkehr“ sowie Karin Baldvinssons „Das Weihnachtsversprechen“, vier Kurzgeschichten, die in sich geschlossen sind und den Leser in flüssig-bildhaftem, warmherzigen Erzählstil auf Reise schicken, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die unterschiedlichsten Regionen. So trifft der Leser bei Caspian auf Clarissa, die untröstlich ist, weil sie die Kette ihres Verlobten verloren hat. Bei Baldvinsson lernt man Sóla kennen, die in Dänemark lebte und nun nach einiger Zeit in ihre Heimat Island zurückkehrt, ohne zu wissen, ob sie in der alten Villa, ihrem Elternhaus, noch willkommen ist. Jedes Geschichte, jedes Schicksal steht für sich, doch alle eint ein Thema: es geht um die Liebe. Gerade zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, passen sie deshalb einfach wunderbar. Neben alten Gesellschaftsstrukturen und –erwartungen geht es um Sehnsüchte und Liebe, die der Leser an der Seite der Protagonisten erleben darf vor jeweils recht malerischer winterlicher Kulisse. Jede Erzählung ist in sich nicht nur romantisch, sondern auch spannend umgesetzt und sorgt nach Beendigung für ein Wohlgefühl sowie vorweihnachtliche Stimmung.
„Die Weihnachtsvilla“ ist eine schöne Zusammenstellung wunderbar erzählter Geschichte, die den Leser in die Vergangenheit reisen und so den Alltag vergessen lassen. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 02.10.2020

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen." (Aristoteles)

Das Wörterbuch des Windes
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Swea hat mit ihrem Ehemann Hendrik eigentlich einen schönen Urlaub in Island verleben wollen, doch schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Reise kommt es zwischen den beiden zum Bruch. Swea muss traurig feststellen, ...

Swea hat mit ihrem Ehemann Hendrik eigentlich einen schönen Urlaub in Island verleben wollen, doch schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Reise kommt es zwischen den beiden zum Bruch. Swea muss traurig feststellen, dass vieles in ihrer Ehe eine Lüge ist. Sie schnappt sich den Mietwagen und rauscht allein davon und trifft am Walfjord auf den ehemaligen Lehrer Einar Pálsson, der sie für einige Tage in sein Sumarhús am Meer einlädt. Dort weilt auch der sehr zurückhaltende Jón Ámarsson, der im Alkohol das Vergessen sucht. Bei Einar hat Swea endlich die Zeit, ihr Leben und ihre Ehe zu reflektieren, um vielleicht doch noch einen Neuanfang zu wagen und ihre Träume zu verwirklichen…
Nina Blazon hat mit „Das Wörterbuch des Windes“ einen sehr unterhaltsamen und anrührenden Roman vorgelegt, der den Leser mit viel Tiefgründigkeit und Einfühlungsvermögen positiv überrascht. Mit flüssig-leichtem, atmosphärischem und bildhaften Erzählstil entführt die Autorin den Leser nach Island, lässt die eisbedeckte, windige und wilde Landschaft Islands bei der Lektüre vor dessen Auge vorbeiziehen, während er mal an der Seite der Bankangestellten Swea deren Gedanken- und Gefühlswelt studieren darf, mal findet er sich neben Einar wieder, der eine bewegte Vergangenheit hat. Mit den gewählten wechselnden Perspektiven in der Ich-Form lässt die Autorin den Leser ganz nah an die Charaktere herankommen, um mit ihnen ihre Befürchtungen, Sorgen, Träume und Wünsche zu teilen. Swea, die deutsche Touristin, die ausgerechnet in Island ihr Leben wieder zusammenzusetzen versucht und sich darüber klar werden muss, wohin ihre weitere Lebensreise gehen soll, steht Einar gegenüber, der früher als Lehrer viele Jahre in Deutschland gearbeitet hat und sich nun in seiner Heimat davor fürchtet, dass seine Vergangenheit ihn einholen wird. Beide scheinen im ersten Moment nichts gemeinsam zu haben, doch schafft es die Autorin wunderbar, Parallelen zwischen ihnen aufzuzeigen, die letztendlich dazu führen, dass sich beide auf ganz besondere Weise gegenseitig Unterstützung bieten. Dass Swea selbst mal Kunst studiert hat und am Ende für die Ehe mit einem Künstler ihre eigenen Träume aufgegeben hat, macht deutlich, wie sehr sie sich auf ihren Mann gestützt und sich selbst dabei vergessen hat. Gleich einem Puzzle lässt die Autorin den Leser nach und nach die unterschiedlichen Lebenspfade erkennen und hält ihn mit einigen Wendungen konstant bei der Stange.
Die Charaktere sind wie aus dem Leben gegriffen, bestückt mit menschlichen Eigenschaften wirken sie glaubwürdig und authentisch. Sie machen es dem Leser leicht, sich in ihrer Mitte wohl zu fühlen und ihr Schicksal zu verfolgen. Swea hat vor langer Zeit ihre Träume aufgegeben und ein sicheres Leben gewählt. Nun steht sie plötzlich gezwungenermaßen an einem Scheideweg und muss ihr Leben neu sortieren. Die Konfrontation mit ihrer Niederlage ist nicht einfach, erfordert Mut genauso wie ein Sprung ins kalte Wasser. Einar ist ein sympathischer Mann, der schon so einiges erlebt hat und dies nicht so einfach aus seinem Gedächtnis streichen kann. Auch er muss erst mit sich ins Reine kommen, bevor er das Leben wieder genießen kann. Jón hat ebenfalls Probleme, denen er sich aber nicht wirklich stellen will. Aber Lif und weitere Protagonisten geben der Handlung zusätzliche Impulse.
„Das Wörterbuch des Windes“ ist eine tiefgründige Geschichte über Menschen am Scheideweg, denen sich zur Melodie des isländischen Windes Erkenntnisse über ihr eigenes Lebens auftun, die die Möglichkeit schaffen, alles zu verändern. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.09.2020

„Ich bin sehr auf dem Boden geblieben. Nur nicht auf dieser Welt.“ (K. Lagerfeld)

Karl Lagerfeld
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Knapp zwei Jahre nach seinem Tod übt das Ausnahmetalent Karl Lagerfeld ungebrochen Faszination aus und ist in den Herzen seiner Anhänger weiterhin präsent und sehr lebendig. Wer das Glück hatte, ihn persönlich ...

Knapp zwei Jahre nach seinem Tod übt das Ausnahmetalent Karl Lagerfeld ungebrochen Faszination aus und ist in den Herzen seiner Anhänger weiterhin präsent und sehr lebendig. Wer das Glück hatte, ihn persönlich kennenzulernen, dem werden sein Einfallsreichtum, sein Charisma, seine unverblümte Art sowie sein Gefühl für Stil und Eleganz gepaart mit dem jeweiligen Zeitgeist unvergesslich bleiben. In jedem Menschen schlummern zahlreiche Talente und Anlagen, von denen er nur einen Bruchteil zu nutzen weiß. Karl Lagerfeld allerdings war zeitlebens ein neugieriger Mensch, der nicht nur ein besonderes Auge für sein Umfeld hatte, sondern neben seinem zeichnerischen Können auch ein anerkannter guter Fotograf war. Er war nicht nur intelligent und belesen, sondern sorgte auch mit seiner direkten und etwas schnoddrigen Art für zahlreiche kontrovers diskutierte Zitate. Doch das Gesicht des privaten Karl Lagerfeld und was ihn ganz persönlich beschäftigte, hat er nur wenigen offenbart.
Alfons Kaiser hat seine Bekanntschaft zum Modeschöpfer genutzt und mit „Karl Lagerfeld: Ein Deutscher in Paris“ eine Biografie über das Multitalent vorgelegt, in dem er einige Einblicke in dessen Privatleben, das für die meisten zu seinen Lebzeiten verschlossen blieb. Eloquent unterhält er den Leser und bedient sich dabei auch zahlreicher Interviews mit Freunden, Weggefährten und Arbeitskollegen, um die schillernde Persönlichkeit auf eine persönlichere Ebene zu führen und gleichzeitig die Bewunderung und Verehrung des Autors durchschimmern zu lassen. Karl, der aus wohlhabender Hamburger Familie stammte, zu der er ein ambivalentes Verhältnis hegte, besuchte 1949 bei Dior seine erste Modenschau und zog 1952 nach Paris, wo er 1954 für seinen Entwurfsbeitrag bei einem Wettbewerb des Internationalen Wollsekretariats den ersten Platz für sich verbuchen konnte. Seine Schneiderlehre machte er bei Balmain und wurde 1983 Chefdesigner von Chanel. Als unermüdliches Arbeitstier überließ Lagerfeld nichts dem Zufall, wovon nicht nur sein untrügliches Gespür für Zeitgeist, sondern auch seine bis ins Effeff durchgeplanten und gestylten Defilees sowie seine Kollektionen zeugen. Sein Privatleben hielt er streng unter Verschluss, dabei verbrachte er 17 Jahre an der Seite von Jacques de Bascher, der 1972 als Steward bei Air France arbeitete, als er KL kennenlernte und 1989 an einer Aidserkrankung verstarb. Mit dem französischen Designer Yves Saint Laurent war er freundschaftlich verbunden, obwohl de Bascher mit diesem eine Affäre hatte. Der 1998 lancierte Duft Jako erinnert noch heute an KLs große Liebe.
Kaiser zeigt dem interessierten Leser KL mal von einer ganz anderen Seite, lässt ihn menschlicher und zugänglicher wirken als das öffentliche Bild, was sich über Jahrzehnte hinweg manifestiert hat. Davon zeugen auch die ausgewählten Fotos, die die Geschichte noch unterstreichen. Eine gelungene und unterhaltsame Biografie, bei der während der Lektüre die schnoddrige Stimme Karl Lagerfeld durch den Kopf schießt.

Veröffentlicht am 27.09.2020

„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ (J. W. v. Goethe)

Die Königin des Ritz
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Normalerweise steht das Pariser Hotel Ritz für Luxus und Glamour, doch das ist schlagartig vorbei, als die Nazis in Frankreich einmarschieren und das Hotel requirieren, um dort ihr Hauptquartier zu errichten. ...

Normalerweise steht das Pariser Hotel Ritz für Luxus und Glamour, doch das ist schlagartig vorbei, als die Nazis in Frankreich einmarschieren und das Hotel requirieren, um dort ihr Hauptquartier zu errichten. Eine böse Überraschung, die den Hoteldirektor Claude Auzello und seine Frau Blanche nach ihrer Rückkehr aus Nimes erwartet, ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Doch es ist immer noch das Ritz, und in diesem Sinne versuchen die Auzellos, ihre Gäste weiterhin zu verwöhnen, während sich Außenwelt immer mehr verschiebt. Blanche kann die schrecklichen Nazis kaum ertragen und beschließt für sich, etwas dagegen zu unternehmen. Sie schließt sich der Résistance an, um ihren Beitrag zum Widerstand zu leisten, was sie oftmals in sehr prekäre Situationen bringt, aus der sie sich nur mit einiger Raffinesse retten kann. Ohne das Wissen seiner Frau engagiert sich Claude ebenfalls im Widerstand, doch sein Beweggrund ist vor allem, Blanche zu beschützen…
Mit „Die Königin des Ritz“ legt Melanie Benjamin einen unterhaltsamen, historischen Roman vor, der nicht nur die Pariser Lage zur Zeit der Nazibesatzung sehr gut wiederspiegelt, sondern auch das Ehepaar Claude und Blanche Auzello, geborene Rubenstein, zum Leben erweckt, die zu jener Zeit mit der Geschäftsführung des Pariser Hotel Ritz betraut war. Der lebhaft-flüssige und bildgewaltige Schreibstil schickt den Leser mit wenigen Zeilen auf Zeitreise in die Vergangenheit, wo er durch von der Autorin gewählte wechselnde Erzählperspektiven mal an die Seite von Claude, mal an die von Blanche schlüpft, um sie, ihre Gedanke- und Gefühlswelt sowie ihre Beweggründe kennenzulernen. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt in ihrer Handlung Fiktion mit Realität auf wunderbare Weise miteinander verschmelzen und mit dem historischen Hintergrund eine Symbiose eingeht. Das pöbelhafte und grausige Verhalten der Nazis wird dem Leser ebenso eindrücklich vor Augen geführt wie das sich verändernde Pariser Lebens und die Infiltrierung seiner Bevölkerung durch die perfide Nazi-Ideologie. Die farbenfrohen Beschreibungen des Luxushotels nebst seiner illustren Gäste wie Hemingway, Coco Chanel oder Marlene Dietrich bilden einen krassen Gegensatz dazu und muten nahezu unwirklich an, während im Hintergrund nicht nur die jüdischen Angestellten nach und nach das Hotel verlassen müssen. Die Arbeit der Auzellos im Widerstand kommt in der Handlung leider zu kurz, vielmehr wird das Augenmerk auf die Ehe der beiden und ihr Wirken im Ritz gelegt. Der Spannungsbogen bewegt sich im Mittelmaß und wird vor allem von der Ehe zwischen Claude und Blanche sowie von der Besetzung des Hotels durch die Nazis gespeist.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausgestattet, die sie zwar überzeugend und realtitätsnah wirken lassen, mit denen der Leser aber erst im Verlauf der Geschichte langsam warm wird. Blanche ist eine Frau, die mal große Träume hatte, die sich jedoch nicht erfüllten. Sie agiert oft fordernd, selbstsüchtig und oberflächlich, dann wieder unsicher, leidenschaftlich oder wie eine Mata Hari, während sie ihre Herkunft zu verstecken sucht. Claude ist ein Mann mit zwei Gesichtern, als Franzose muss es ihm ungeheuer schwer gefallen sein, sich den Deutschen zu beugen und ihnen nicht ins Gesicht zu spucken. Stattdessen rutscht er auf den Knien vor ihnen unter dem Deckmantel des Widerstands. Lily ist eine Frau, die sich nicht in die Karten schauen lässt. Aber auch einige Nebendarsteller sorgen für einigen Unterhaltungswert.
„Die Königin des Ritz“ ist ein historischer Roman, der sich an wahren Begebenheiten orientiert und nicht nur Einlass in das legendäre Pariser Ritz zu Kriegszeiten gewährt, sondern vor allem die Ehe von Claude und Blanche Auzello unter die Lupe nimmt. Interessante Lektüre, die recht kurzweilig zu lesen ist. Verdiente Empfehlung!