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Veröffentlicht am 22.11.2020

Komplexer Eröffnungsband einer neuen Thrillerreihe

Wolfssommer
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Haparanda, die verschlafenen Kleinstadt hoch oben im Norden Schwedens, die schon bessere Tage gesehen hat, bietet den geografischen Hintergrund für Hans Rosenfeldts neue Thrillerreihe. Den Autor kennen ...

Haparanda, die verschlafenen Kleinstadt hoch oben im Norden Schwedens, die schon bessere Tage gesehen hat, bietet den geografischen Hintergrund für Hans Rosenfeldts neue Thrillerreihe. Den Autor kennen wir doch bereits aus den Büchern über den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman, die er gemeinsam mit Michael Hjorth geschrieben hat. Aber ein Vergleich verbietet sich, denn „Wolfssommer“ ist anders. Dunkler, härter.

Ein toter Wolf wird gefunden, nicht ungewöhnlich für diese Gegend nahe der finnischen Grenze. Wären da nicht die menschlichen Überreste in seinem Magen, deren Herkunft geklärt werden muss. Als man in den Wäldern eine männliche Leiche findet, wird die Polizei eingeschaltet, Hannah Wester, eine Polizistin, die mit den Nebenwirkungen des Klimakteriums kämpft, von Verlassensängsten geplagt wird und eine Affäre mit ihrem jüngeren Chef hat, ist die Verantwortliche in diesem Fall. Die Ermittlungen führen ins Drogenmilieu, lassen einen missglückten Deal vermuten. Als dann auch noch diverse dubiose Gestalten samt einer Profikillerin auftauchen, ist es mit der Ruhe in Haparanda endgültig vorbei.

Der Aufbau der Handlung ist genau das, was man von einem skandinavischen Thriller erwartet. Eine menschenleere Gegend, eine komplexe Story, die sich erst allmählich entfaltet, im Zentrum eine interessante, von Selbstzweifeln geplagte Protagonistin und ihre Gegnerin, eine skrupellose Killerin ohne Gewissen. Soweit alles wie gehabt, aber dennoch konnte mich dieser Thriller nicht völlig überzeugen, was vor allem an den eingeflochtenen Backstorys der Figuren lag, die den Plot unnötig überfrachtet haben. Unzählige Handlungsfäden, deren Relevanz sich erst allmählich erschließt, führen stellenweise zu Verwirrung und reduzieren das Tempo. Zum Ende hin werden diese zwar stimmig zusammengeführt, aber insgesamt gesehen hätte sich der Autor den einen oder anderen Punkt, ohne das Interesse des Lesers zu verlieren, auch für die Fortsetzung aufheben können.

Veröffentlicht am 02.11.2020

Zurück zu den Anfängen - Kingsbridge erwacht

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit
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Die Geschichte der Kathedrale von Kingsbridge hat mit Ken Folletts neuem Roman Zuwachs bekommen. Nach „Die Säulen der Erde“, „Die Tore der Welt“ und „Das Fundament der Ewigkeit“ reisen wir nun zurück in ...

Die Geschichte der Kathedrale von Kingsbridge hat mit Ken Folletts neuem Roman Zuwachs bekommen. Nach „Die Säulen der Erde“, „Die Tore der Welt“ und „Das Fundament der Ewigkeit“ reisen wir nun zurück in die „Dark Ages“, das Dunkle Zeitalter, und erfahren mehr darüber, wie aus Dreng‘s Ferry, dem kleinen Provinznest im Nirgendwo, über die Jahre das prosperierende Städtchen „Kingsbridge“ wird. Gleichzeitig begleiten wir über einen Zeitraum von zehn Jahren Menschen der verschiedensten Gesellschaftsschichten, deren Schicksal untrennbar mit diesem Ort verbunden ist.

Allen voran auf Seiten der „Guten“ ist Edgar, Sohn eines Bootsbauers, der im Laufe des Romans seine handwerklichen Fertigkeiten immer weiter entwickelt, so dass am Ende ein begnadeter Baumeister aus ihm wird. Einen Verbündeten findet er in Aldred, dem bibliophilen Mönch, der ihm zeitlebens freundschaftlich zugetan ist und ihn bei der Realisierung seiner Projekte unterstützt. Gegen alle Widerstände sind diese beiden schlussendlich dafür verantwortlich, dass sich Kingsbridge zu einer wohlhabenden Handelsstadt und einem spirituellen Zentrum entwickelt, woran die von Edgar gebaute Steinbrücke über den Fluss, die namensgebende „Kingsbridge“ einen wesentlichen Anteil hat.

Auf Schurkenseite dominiert Bischof Wynstan das Geschehen. Bösartig, korrupt und grausam, besessen von Geld, Macht und Einfluss, ein Mensch ohne Prinzipien und Moral, der in seinem schändlichen Treiben von seinen Brüdern unterstützt wird.

Und dann ist da noch Ragna, die normannische Edelfrau, Angetraute von Aldermann Wil, dem Bruder Wynstans, die schon kurz nach der Eheschließung ihre Träume von der romantischen Liebe begraben muss.

Zahlreiche Nebenfiguren, deren Schicksale immer wieder Schnittstellen mit den Hauptpersonen aufweisen, runden das Personenkarussell ab. Herrscher und Beherrschte, Adlige und Bauern, Sklaven und Mönche, alle nehmen mehr oder weniger bedeutende Rollen im Fortgang der Handlung und der Entstehung von Kingsbridge ein.

Sehr interessant waren die informativen Einschübe des Autors zu dieser Epoche, die mangels vorhandener Exponate den Historikern wenig konkrete Anhaltspunkte liefert und sich eher auf Vermutungen als Beweise stützt. Aber die Erklärungen scheinen einleuchtend, so könnte es tatsächlich gewesen sein.

Follett schreibt in eingängiger Sprache und hält den Leser durch die verschiedenen Erzählstränge, die die Handlung vorantreiben, bei der Stange. Aber leider vergibt er die Chancen, die dieses Genre bietet, und bleibt, besonders am Ende, den Klischees der üblichen historischen Schmöker verhaftet, die die Welt in Schwarz und Weiß einteilen. Ein märchenhafter Schluss, bei dem die Schurken ausnahmslos ihre gerechte Strafe erhalten und sich für die „Guten“ und Kingsbridge alles zum Besten wendet. Aber dennoch hat mich der Roman gut unterhalten. Ich habe ihn gerne gelesen, was mit Sicherheit der Fähigkeit des Autors geschuldet ist, lebendige Szenarien zu kreieren und Emotionen beim Leser zu wecken.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Schaf im Wolfspelz

Unter Wölfen - Der verborgene Feind
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Um seine Familie vor der Deportation zu bewahren, hat Isaak Rubinstein die Identität gewechselt. Der jüdische Antiquar wird zu dem Sonderermittler Adolf Weissmann und ermittelt für eine Widerstandsgruppe ...

Um seine Familie vor der Deportation zu bewahren, hat Isaak Rubinstein die Identität gewechselt. Der jüdische Antiquar wird zu dem Sonderermittler Adolf Weissmann und ermittelt für eine Widerstandsgruppe im inneren Kreis der Nationalsozialisten. Er ist sozusagen ein Schaf im Wolfspelz, das permanent damit rechnen muss, enttarnt und gefressen zu werden. Ein Doppelleben, das ihn mehr als einmal an seine persönlichen Grenzen bringt, gibt es doch immer wieder kritische Situationen, in denen er droht aufzufliegen. Das ist leider auch die Schwachstelle des Buches, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass dies wirklich unentdeckt bleibt. Aber sei’s drum, spannend ist das Szenario allemal.

Als die Widerstandsgruppe Informationen zu der „Operation Georg“ benötigt, sieht er sich gezwungen, wieder in das Haifischbecken der nationalsozialistischen oberen Gesellschaft einzutauchen. Dabei ist ihm die Bekanntschaft mit Ursula von Rahn, die ihn unbedingt ehelichen möchte, äußerst hilfreich. Aber bevor diese Beziehung zu eng wird, taucht glücklicherweise die Leiche einer jungen Frau auf. Da diese die Tochter eines hochrangigen Parteimitglieds ist, sind natürlich die kriminalistischen Fähigkeiten des hochkarätigen Sonderermittlers gefragt. Zumal es sich schnell herausstellt, dass offenbar ein Serienmörder in Nürnberg sein Unwesen treibt.

Alex Beers Kriminalroman zeichnet sich durch die gelungenen atmosphärischen Schilderungen aus, die den Nürnberger Alltag im Dritten Reich eindringlich beschreiben. Die Ängste der Menschen, die unter den Nazis leiden. Die Propaganda-Maschinerie, verkörpert von hetzenden Presseorganen. Täglicher Terror, der Misstrauen sät und dafür sorgt, dass sich niemand mehr sicher fühlen kann. Am wenigsten Isaak Rubinstein, der in ständiger Furcht vor der Entlarvung lebt. Seine Verunsicherung in der einen oder anderen prekären Situation ist förmlich greifbar, man bangt mit ihm, wünscht ihm dass er die Tarnung aufrechterhalten kann und davonkommt. Fortsetzung folgt…wir dürfen gespannt sein!

Veröffentlicht am 20.10.2020

Wenn die Fiktion von der Realität überholt wird

Die Krieger
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Schaut man dieser Tage nach Frankreich, wird einem bewusst, dass die Thematik dieses Romans aktueller nicht sein könnte:

1984 geht die Münchner Diskothek Liverpool in Flammen auf. Ein Brandanschlag, der ...

Schaut man dieser Tage nach Frankreich, wird einem bewusst, dass die Thematik dieses Romans aktueller nicht sein könnte:

1984 geht die Münchner Diskothek Liverpool in Flammen auf. Ein Brandanschlag, der die ermittelnde Polizei vermuten lässt, dass ein Revierkampf im Rotlichtmilieu der der Auslöser ist. Bis ein Bekennerschreiben auftaucht, das eine Verbindung zu verschiedenen ungeklärten Verbrechen in Oberitalien vermuten lässt. Noch ist das bloße Spekulation, findet man unter den Opfern doch neben einer Prostituierten nicht nur Drogenabhängige und Dealer sondern auch Mönche und Priester. Soweit die – reale – Ausgangssituation in Martin Maurers „Die Krieger“.

Die Ermittlungen in München laufen auf Hochtouren, jedem Hinweis wird nachgegangen. Und so ist es auch selbstverständlich, dass ein Beamter zu den Kollegen nach Mailand geschickt werden muss. Es trifft den Neuzugang aus Berlin, Kommissar Nick Marzek, und da dieser des Italienischen nicht kundig ist, darf/muss ihn Graziella Altieri, Putzfrau im Kommissariat, begleiten und als Übersetzerin fungieren. Je mehr sich die beiden in die Fallakten der italienischen Kollegen vertiefen, desto mehr festigt sich der Eindruck, dass die Taten nicht das Werk „einfacher“ Krimineller sind, sondern einen politisch-ideologischen Hintergrund haben.

Obwohl in der Zwischenzeit fast vierzig Jahre vergangen sind, ist die Thematik dieses Romans erschreckend aktuell, wenn man sich die Motive der Täter anschaut, Sie sind er Überzeugung, dass sie als Handlanger des göttlichen Willens agieren, wenn sie, beide geprägt durch ihre katholisch-fundamentalistische Überzeugung, ihre Verbrechen begehen und ihre Bekennerschreiben mit Nazi-Symbolen (Runen, Hakenkreuzen etc.) und dem Spruch „Gott mit uns“ signieren.

Ein lesenswerter Roman mit einer komplexen Story, die die Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Und da der Autor nahe an den Tatsachen bleibt, empfehle ich, zum besseren Verständnis, sich parallel dazu über die „Gruppe Ludwig“ zu informieren, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Veröffentlicht am 29.09.2020

Typische Hornby Love-Story, aber kein Brexit-Roman

Just Like You
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Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich ist „Just like you“ nur sehr bedingt ein Brexit-Roman. Die Handlung ist zeitlich zwar rund um das Referendum angesiedelt, aber das Thema wird nur oberflächlich und ...

Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich ist „Just like you“ nur sehr bedingt ein Brexit-Roman. Die Handlung ist zeitlich zwar rund um das Referendum angesiedelt, aber das Thema wird nur oberflächlich und lediglich in knappen Bemerkungen innerhalb der Gespräche der Protagonisten angeritzt, meist nur auf die Frage nach dem Wahlverhalten reduziert. Nur in einem kurzen Wortwechsel merkt man bei Josephs Vater die Hoffnung, die dieser mit dem Verlassen der EU verknüpft. Wobei er allerdings auch nur die Ausländer raus-Parolen nachbetet, die die Leaver im Vorfeld verbreitet haben.

Lucy (42, Lehrerin, Mutter zweier Kinder, getrennt lebend, weiß und links-liberal) trifft Joseph (22, Aushilfsverkäufer und Hobby-DJ, ungebunden, schwarz und eher unpolitisch) in dem Fleischerladen, in dem er hinter der Theke steht. Beide sind eher zurückhalten, nur bedingt auf Partnersuche, und dann sind ja da noch die unterschiedlichen Lebenswelten und nicht zuletzt der große Altersunterschied. Aber dennoch kommen sie ins Gespräch, nähern sich vorsichtig an und verlieben sich ineinander. Trennen sich und kommen wieder zusammen. Und das war’s dann auch schon.

So, und damit wäre auch das Genre geklärt, dem dieser Roman zuzurechnen ist. „Just like you“ ist eine Love Story, allerdings in der für Hornby typischen Form mit Augenzwinkern erzählt. Mitten aus dem Alltag, ohne pseudoromantischen Schmus, dafür mit jeder Menge Bedenken und Soll-ich oder Soll-ich-nicht auf beiden Seiten.

Aber leider bleibt der Autor doch sehr an der Oberfläche. Er beschreibt zwar das Leben in Lucys trendigem Viertel Islington, verliert sich aber in Äußerlichkeiten und umschifft die problematischen Aspekte, die sich aus der Verbindung der beiden Protagonisten ergeben. Meine Erwartungen wurden zwar nur teilweise erfüllt, aber alles in allem war es doch eine unterhaltsame, leichte Lektüre für zwischendurch, die gerne gelesen habe.