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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Fesselt auf ruhige, atmosphärische Art

Nach dem Sommer
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Mein vielleicht einziger Kritikpunkt ist, dass es mir am Anfang dann doch ein bisschen schnell ging. Gut, die beiden kennen sich schon seit sechs Jahren, aber dann doch nur auf Entfernung und unter etwas ...

Mein vielleicht einziger Kritikpunkt ist, dass es mir am Anfang dann doch ein bisschen schnell ging. Gut, die beiden kennen sich schon seit sechs Jahren, aber dann doch nur auf Entfernung und unter etwas anderen .... Umständen. Wenn man allerdings davon absieht, dann handelt es sich um eine unheimlich süße Liebesgeschichte, die mich verzauberte und immer wieder zum Lächeln brachte.
Wer hier hohe Spannung und rasende Action sucht, ist falsch. Das Buch ist eher ruhig, die Beziehung (nicht die Gefühle ^^) werden langsam aufgebaut und die Interaktion der beiden ist eben einfach süß. Die Spannung im Hintergrund wird vor allem dadurch gehalten, dass es Sams letzter Sommer sein wird, doch gerade zum Ende hin steigert sich das Buch auch spannungstechnisch.

Zu fesseln vermochte es mich vor allem durch den Schreibstil, der in wie von der Autorin nicht anders gewohnten Weise eine fast mystische Atmosphäre schafft, auch wenn ihr Stil noch nicht ganz so entwickelt ist wie in späteren Werken. Dennoch vermochte er, Gerüche lebensecht zu vermitteln und die Bilder des Waldes vor meinen Augen entstehen zu lassen. Gerade am Anfang wirkt es, als würden die beiden Protagonisten Grace und Sam die Geschichte im Rückblick erzählen, doch diese Distanz schwindet schnell. Beide erzählen aus der Ich-Perspektive, abwechselnd in unregelmäßigen Abständen.
Das Buch zog mich in seinen Bann und bewies, dass es keine rasante Action benötigt, um den Leser an seine Seiten zu fesseln.

Sam ist auch süß. Kein gefährlicher Bad Boy, sondern ein verletzlicher Junge, der einerseits in seine Wolfrudel ein Zuhause gefunden hat, sich aber andererseits an seine menschliche Seite klammert. Noch dazu ist er ziemlich schüchtern, und ich musste ihn einfach ins Herz schließen.
Grace ist pragmatisch und kontrolliert, durch die ständige Abwesenheit ihrer Eltern hat sie schon früh gelernt, selbstständig zu sein. Die Wölfe faszinieren sie, ganz besonders der eine mit den bernsteinfarbenen Augen. Sie mochte ich ebenfalls, auch weil sie nie unüberlegt handelt, und doch in Sams Anwesenheit auftaut.
Wie ich es ebenfalls von der Autorin gewohnt bin, gibt es keine Schwarz-Weiß-Differenzierung. Das beginnt schon mit dem Rudel, das ja schon irgendwie aus Raubtieren besteht, auf der anderen Seite lernt man durch Sams Sicht auch ihren menschlichen Seiten kennen. Aber auch andere Charaktere sind oft vielschichtig, einige handeln moralisch nicht immer richtig, und haben doch auch Seiten, die sie wieder sympathisch machen, sodass man keinen einfach als gut oder böse klassifizieren kann.

An sich könnte das Buch auch alleine stehen, da das Ende ziemlich abgeschlossen ist, dennoch wartete auf mich bereits der zweite Band, um mich erneut in diese Kleinstadt mit ihren Geheimnissen zu entführen.

Fazit: Eher ruhige, aber dennoch sehr fesselnde und atmosphärische Geschichte mit einer süßen Liebe und sehr vielschichtigen Charakteren

Veröffentlicht am 15.09.2016

Berührend, zuckersüß und tiefgründig

Mein bester letzter Sommer
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Obwohl mich die Geschichte interessiert hat, bleib vor dem Lesen doch eine gewisse Skepsis, die daher rührte, dass das Thema todkranke Teenager - so hart das jetzt klingt - allmählich ausgereizt ist. Dementsprechend ...

Obwohl mich die Geschichte interessiert hat, bleib vor dem Lesen doch eine gewisse Skepsis, die daher rührte, dass das Thema todkranke Teenager - so hart das jetzt klingt - allmählich ausgereizt ist. Dementsprechend war ich schon mal positiv überrascht, dass Tessa kein Krebs hat.
Rückblickend betrachtet bin ich froh, dem Buch eine Chance gegeben zu haben, denn es erwartete mich eine zuckersüße Liebesgeschichte.

Dabei war ich im Prolog noch ein wenig irritiert, denn es handelt sich hier buchstäblich um Liebe auf den ersten Blick. Zack - er kam, sie sah, große Liebe. Zugegeben, ich bin da normalerweise wirklich kein Fan von, weil ich eher auf Entwicklungen stehe, dennoch habe ich dieser Liebesgeschichte das verziehen, weil die Gefühle einfach unglaublich nachvollziehbar dargestellt wurden, sodass ich sie mitempfunden habe.
Außerdem sind die beiden wirklich süß zusammen. Eifersuchtsanfälle treten zwar auf, werden aber sehr schnell wieder abgehandelt, stattdessen warten auf den Leser niedliche Dialoge mit zwei Charakteren, die sich in den jeweils anderen einfühlen und alles für den anderen tun würden. Die Liebe des Lebens, einen Sommer lang. Und ich konnte nicht anders, als mich in den Bann ziehen und mir zwischendurch ein Lächeln auf die Lippen zaubern zu lassen.

Dennoch spielt auch Tessas Krankheit eine Rolle. Sie selbst macht im Verlauf des Buches eine Entwicklung mit Symbolkraft durch. Anfangs ist sie wütend, lehnt alles ab und verschließt sich in ihrem Zimmer, um ihren Tod zu organisieren, ist reizbar und genervt. Ich fand das nicht übertrieben, aber das ist Ansichtssache, ich habe auch schon gegenteilige Meinungen gelesen. Angesichts des nahenden Todes, mit dem sie konfrontiert wird, fand ich das Verhalten aber schon wieder nachvollziehbar, gerade weil es vermutlich schwierig ist, damit umzugehen. Dabei finden sich gerade anfangs auch viele teils tiefgründige Gedankengänge zum Sterben.
Ihr ganzes Leben lang war sie eine durchgeplante Perfektionistin, und erst Oskar regt sie dazu an, endlich auch mal spontan zu handeln und loszulassen. Dadurch ergeben sich unheimlich viele wunderschöne Szenen, auf die ich aus Spoilergründen nicht näher eingehen werde, die aber so beschrieben wurden, dass die Bilder vor meinem Auge entstanden. Und das manchmal ziemlich köstliche Essen schien ich geradezu zu schmecken.
Das Buch enthält einen Roadtrip quer durch Italien, dargestellt vorne auf einer Karte zum Mitverfolgen, immer begleitet von Musikstücken, die hinten in einer Playlist zusammengestellt wurden. Und Italien bietet eine wirklich malerische Kulisse.

Oskar ist aufmerksam, kümmert sich um Tessa, bleibt bei ihr trotz dass sie bald sterben wird und verfügt dennoch über Ängsten und Sorgen, die ihm Vielschichtigkeit verleihen.
Generell sind alle Charaktere unglaublich tiefgründig. Hinter der äußeren Fassade und dem Verhalten, das auf den ersten Blick oft nicht sonderlich sympathisch wirkt, verbirgt sich ein vielschichtiger Charakter, der Hintergründe für ebendieses Verhalten hat und auch nur Ängste verbirgt. Gerade in Tessas Familie zeigen sich auch unterschiedliche Weisen der Bewältigung.
Was noch mein Herz berührt hat, waren Menschen, die eigentlich Fremde sind, dann aber Tessa helfen, einfach so. Solche Menschen gibt es wirklich, und dass ihnen hier ein Platz gewidmet wurde, hat mich einfach nur bezaubert.

Würde ich das Buch mit einem Wort beschreiben müssen, würde ich sagen: Berührend. Berührend sind diese süße Liebesgeschichte, die tiefgründigen Charaktere und die Handlung. Und, wie es zu erahnen war, ist das Buch auch emotional, sodass meine Augen nicht so ganz trocken blieben.
Der Schreibstil ist zwischenzeitlich fast poetisch angehaucht, insgesamt aber vor allem locker gehalten, sodass es auch einige humorvolle Stellen gibt.

Fazit: Berührend - eine zuckersüße Liebesgeschichte mit äußerst tiefgründigen Charakteren

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein fesselndes Märchen mit tiefgründigen Charakteren

Zorn und Morgenröte
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Inhalt:

An jedem Tag nimmt sich der Herrscher von Chorasan, Chalid Ibn al-Rashid, eine neue Frau, die er mit der Morgendämmerung hinrichten lässt. Doch dann meldet sich die junge Shahrzad freiwillig - ...

Inhalt:

An jedem Tag nimmt sich der Herrscher von Chorasan, Chalid Ibn al-Rashid, eine neue Frau, die er mit der Morgendämmerung hinrichten lässt. Doch dann meldet sich die junge Shahrzad freiwillig - mit dem festen Willen, zu überleben und ihre beste Freundin, eine dieser Bräute, zu rächen. Sie beginnt ein Spiel um Leben und Tod ...


Meine Meinung:

Die Geschichte ist von „1001 Nacht“ inspiriert, und die Atmosphäre ist dieselbe. Das orientalische Setting verbunden mit dem märchenhaften Schreibstil entführt den Leser in eine uns fremde, zauberhafte Welt und lädt so zum Träumen ein. Dies wird noch unterstrichen durch den poetischen Schreibstil, der mit malerischen Beschreibungen Bilder vor den Augen des Lesers entstehen lässt.
So wird beispielsweise der Palast als wunderschön beschrieben und ich glitt in eine Welt wie der aus „1001 Nacht“. Schattenseite des Ganzen ist allerdings, dass auch die Namen authentisch sind, was dazu führen kann, dass sie für ungewohnte Ohren schwerer zu merken sind.

Shahrzad ist ein toller Charakter. Ich mochte ihre überlegene, vielleicht zwischendurch leicht überhebliche Art, mit der sie sowohl mit dem Kalifen als auch mit ihrem Leben spielt. Sie ist sehr selbstbewusst und ungemein schlagfertig, nicht immer respektvoll, dafür eigenständig und eigenwillig. Ihre Schlagfertigkeit verleiht dem Buch eine Spur Humor.
Sie will ihre Freundin Shiva rächen und der Leser merkt schnell, wie sie für die Menschen, die ihr nahestehen, kämpft. Sie ist selbstlos, gerade weil sie sich freiwillig für den Tod meldet, man spürt ihre steigende Angst, die mit dem Morgengrauen kommt und doch lässt sie sich keine Schwäche anmerken, gibt sich überlegen und unbesiegbar.

Chalid Ibn al-Rashid gilt als grausamer König, doch schon im Prolog wird dem Leser vor Augen geführt, dass sich mehr dahinter verbirgt. So wird er zu einem unheimlich tiefgründigen, tollen Charakter mit vielen, oft auch dunklen Seiten und einem Geheimnis, das lange verborgen bleibt. Die brennende Frage nach dem Hintergrund der Morde und der Andeutungen im Prolog treibt den Leser durchs Buch und fesselt ihn zusammen mit der spannenden Handlung an die Seiten. Action und ruhigere Abschnitte wechseln sich ab, jedoch immer durchzogen von einer pulsierenden Spannung.
Das Buch wird aus mehreren Sichten erzählt, meist von der Hauptperson, aber auch andere Charaktere erhalten kurze Passagen.

So zum Beispiel Tarik, Shahrzads Liebe und Freund seit Kindestagen, ein sehr impulsiver Charakter, der Shahrzad über alles liebt.
Oder Jahandar, Shahrzads Vater, ebenfalls ein vielschichtiger Charakter. Ihre Schwester Irsa erhält kaum Auftritte, doch schon auf den wenigen Seiten wirkte sie recht lebendig.
Leider gibt es auch ein Liebesdreieck und das ist der Punkt, der meine Begeisterung ein wenig dämpfte. Nichtsdestotrotz konnte mich der Rest aber so überzeugen, dass dies eines der bisher besten Bücher dieses Jahres ist - ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung!


Fazit: Die starke, selbstbewusste, schlagfertige Shahrzad trifft auf den äußerst tiefgründigen Chalid mit der Absicht, ihn zu töten und ein dunkles Geheimnis und eine fesselnde Spannung verbunden mit vielschichtigen Charakteren und dem poetischen Schreibstil lassen die Seiten nur so vorbeifliegen!

Veröffentlicht am 30.09.2020

Schwermütige, über weite Strecken ruhige, aber auch sehr lehrreiche Geschichte!

Die Sommer
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Das Buch besteht in erster Linie aus Rückblicken, wer einen actionreichen Spannungsbogen sucht, ist hier also fehl am Platz. Dennoch hat es sich für mich auch an keiner Stelle wirklich gezogen, sondern ...

Das Buch besteht in erster Linie aus Rückblicken, wer einen actionreichen Spannungsbogen sucht, ist hier also fehl am Platz. Dennoch hat es sich für mich auch an keiner Stelle wirklich gezogen, sondern konnte mich gerade auch mit dem leicht poetischen Schreibstil überzeugen, der Bilder von Syrien in meinem Kopf malte, unterlegt mit leichter Melancholie.

Im Endeffekt besteht das Buch zu einem großen Teil aus Rückblicken, in denen sich die Protagonistin Leyla an die Sommer erinnert, die sie in dem Heimatdorf ihres Vaters bei ihrer kurdischen Verwandtschaft in Syrien verbracht hat. An die Sommer mit ihrer Familie dort, die sie teils sehr ins Herz geschlossen hat und die ihr viel beibringt.
Als LeserIn erfährt man dadurch sehr viel über die êzîdische (die im Buch benutzte Schreibweise, weswegen ich sie hier auch wähle) Kultur, Geschichte und politische Situation. Ich muss gestehen, dass ich sehr wenig Wissen über ÊzîdInnen habe, wodurch dieses Buch sehr lehrreich für mich war.

Gleichzeitig dreht es sich aber auch um die Identität der Protagonistin, die zwischen ihrem Leben in Deutschland und ihrer kurdischen Identität hin- und hergerissen ist beziehungsweise versucht herauszufinden, wie sie beides gleichzeitig sein kann.
Ich muss zugeben, dass Layla bis zum Schluss nicht so ganz greifbar wurde für mich, vielleicht auch, weil man zu wenig über ihren Alltag erfährt. Gegen Ende wird ihre Beziehung mit ihrer Freundin aufgegriffen und ihr Studium, vorher ein wenig ihre Freundschaft, aber sie bleibt eher passiv - was aber durchaus intendiert sein dürfte.

Insgesamt bleibt der Spannungsbogen anfangs eher flach, ist aber durchaus da, gerade da man ahnt, dass die teils idyllisch anmutenden Sommer nicht von Dauer sein werden, was mir ein wenig ins Herz schnitt. Im letzten Drittel stieg der Bogen dann nochmal und spätestens jetzt war ich gefesselt, aber auch schockiert und betroffen von den Dingen, die letztendlich ja tatsächlich geschehen sind. Das macht die Geschichte umso eindrücklicher.

Die Grundstimmung der Geschichte ist relativ melancholisch, gerade auch, weil man als LeserIn längst weiß, dass der Syrische Bürgerkrieg kommen wird, und die schönen Erinnerungen an das Leben in dem Dorf in Nordsyrien einen umso bitteren Beigeschmack haben - umgekehrt werden aber auch in der Vergangenheit schon Themen wie Unterdrückung und Massenmorde angesprochen. Das macht das Buch zu keiner leichten Lektüre, aber zu einer umso lesenswerteren und sehr aktuellen.

FAZIT: Lesenswerte, poetische, aber auch melancholische und schwermütige Geschichte, die die Möglichkeit eröffnet, viel über Êzîd*innen zu lernen

Veröffentlicht am 05.05.2020

Ein Kaleidoskop aus Erinnerungen

Ein Lied für die Vermissten
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Das Buch zeichnet sich durch seinen einzigartigen Stil aus. Schon der Schreibstil selbst ist sehr individuell und ziemlich poetisch, was ich aber sehr gerne mochte. Dieser Stil sorgte dafür, dass die oft ...

Das Buch zeichnet sich durch seinen einzigartigen Stil aus. Schon der Schreibstil selbst ist sehr individuell und ziemlich poetisch, was ich aber sehr gerne mochte. Dieser Stil sorgte dafür, dass die oft melancholische und leicht bedrückende Atmosphäre absolut bei mir ankam.

Gleichzeitig ist dies kein Buch, das man einfach so weglesen kann, stattdessen erfordert es die volle Aufmerksamkeit. Die Geschichte besteht aus Rückblicken des Protagonisten Amin, die allerdings nicht chronologisch erzählt werden. Stattdessen springt er zwischen den verschiedenen Zeitebenen - vor allem 2006 und 1996 - und dann verschiedenen Zeitpunkten hin und her, und nicht immer fiel es mir leicht, ihm dabei zu folgen.
Dennoch macht genau das diese Geschichte auch aus: dass sie aus einem Kaleidoskop aus verschiedenen Augenblicken besteht, die nach und nach zusammengesetzt werden, bis sich am Ende ein Bild mit Verbindungen gibt - bei dem auch scheinbar willkürlich gewählte Erinnerungen vom Anfang plötzlich eine Bedeutung erhalten. Ich fand es authentisch, dass die Erinnerungen anfangs eher über Assoziationen aneinandergereiht werden, schließlich erfolgt das eigene Erinnern oftmals genauso.

Und auch wenn die Handlung nur aus Erinnerungen bestand, konnte sie mich doch absolut in ihren Bann ziehen, vielleicht gerade wegen dieses besonderen Stils und der Atmosphäre. Dadurch ist es ein eher ruhiges, melancholisches, aber deswegen nicht weniger tiefgründiges und eindrückliches Buch. Dies ist auch grade deswegen der Fall, weil einige ernste Themen wie der Umgang mit KriegsverbrecherInnen, Traumata, psychische Erkrankungen oder Gewalt gegen Frauen angesprochen werden.

Wir tauchen also ein in eine Stadt und ein Land, die von wiederholten Konflikten geprägt sind. Und darum geht es in diesem Buch: wie mit dem überwundenen Bürgerkrieg umgegangen wird. Und vor allem auch, wie vieles schlichtweg verschwiegen wird.
Dem Autor, dessen Eltern selbst den Libanon im Bürgerkrieg verlassen haben, gelingt es dabei, ein sehr einnehmendes und bedrückendes Bild von der Gesellschaft und dem über allem schwebenden Einfluss, den der Krieg auch nach seinem Ende noch hat, zu zeichnen - verlorene Kindheiten, die Frage von Schuld, zerstörte Gebäude ... all das erhält mit diesen poetisch-schönen Worten eine Form.

Dabei wird aus der Nachbemerkung und der Danksagung deutlich, wie viel Recherche der Autor in dieses Werk gesteckt hat, sodass die beschriebenen Ereignisse in ihrer Individualität vielleicht fiktiv sein mögen, dabei jedoch auf tatsächliche Geschehnisse basieren. Teilweise in dem Buch auftauchende Aussagen von Offizieren oder ZeugInnen sind real.

Der Protagonist Amin bleibt bis zum Ende ein passiver Erzähler, der die Erinnerungen und Geschichten zusammenträgt und zusammensetzt, was dazu führte, dass er für mich als Charakter nur schwer greifbar war. Umgekehrt passt es aber eindeutig zu der Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird. Andere Charaktere wie seine Großmutter erhalten mehr Tiefe und sind gerade in dem Fall seines Kindheitsfreundes Jafar auch sehr faszinierend.
Das Ende lässt dann ein paar Fragen offen, was ich sehr authentisch finde, und ich mochte es, wie es zum sogenannten Arabischen Frühling überleitet.

Fazit: Verschiedene Erinnerungen werden asynchron durch den eher passiv bleibenden Protagonisten erzählt, bis sie sich am Ende zu einem zusammenhängenden Bild zusammensetzen. Die Handlung bleibt dadurch recht ruhig und nicht immer ist es dabei leicht, die Zeitsprünge einzuordnen. Dem außergewöhnlichen, poetischen Stil gelingt es, die bedrückende, melancholische Atmosphäre im Nachkriegs-Libanon herüberzubringen, und die intensive Recherche des Autors spiegelt sich auch in dem gelungenen Einweben vieler ernster Themen wider.