Auf geht's zur Wiesn
Oktoberfest 1900 - Träume und WagnisColina möchte kein Schankmädchen mehr sein und sich die Hände auf ihrem Körper gefallen lassen müssen. So reift in ihr der Plan, ihr Leben zu ändern und sich als Gouvernante zu bewerben. Damit ihr Vorhaben ...
Colina möchte kein Schankmädchen mehr sein und sich die Hände auf ihrem Körper gefallen lassen müssen. So reift in ihr der Plan, ihr Leben zu ändern und sich als Gouvernante zu bewerben. Damit ihr Vorhaben gelingt, ist einiges an List notwendig., um im Hause Prank die Stelle zu bekommen. Curt Prank indessen verfolgt ein großes Ziel - seine Bierburg soll alles bisher dagewesene auf dem Oktoberfest in den Schatten stellen und so scheut er auch nicht davor zurück, seine Tochter Clara mit dem schmierigen Anatol Stifter zu verheiraten, damit sein Plan gelingt. Doch Clara hat ihren eigenen Kopf und will sich nicht mehr unterordnen...
Mit "Oktoberfest 1900" hat Petra Grill dem größten Volksfest der Welt ein großartiges Denkmal gesetzt und einmal richtig am Rädchen der Zeit gedreht, um den Leser zurück in das noch neue 20. Jahrhundert zu versetzten, als es noch Bierbuden und keine großen Festzelte gibt.
Sie erzählt die Geschichte der Bierbuden- und Brauereibesitzer, die sich mit den Einnahmen der Wiesn mehr oder weniger über Wasser halten und deckt Klüngeleien, Vetternwirtschaft und noch manch andere Überraschungen auf.
Der Jahrmarkt der Eitelkeiten ist von der Autorin gut bestückt, denn sie baut langsam und sorgfältig ihre Geschichte auf, damit sich die agierenden Figuren Schritt für Schritt entwickeln können. Neben dem mehr als zwielichtigen Pfandleiher gibt es noch den Polizisten Aulehner, der einem mehr als ominösen Todesfall auf die Spur kommen muss, Clara Prank entwickelt sich von der Tochter aus gutem Hause zu einer eigenständigen, jungen Frau, die aus den vorgefertigten Schubladen herausschlüpft und ihren eigenen Weg geht und die beiden mich faszinierenden Charaktere Curt Prank und Colina Kandl.
Curt Prank verfolgt mit einem fast schon ungesunden Ehrgeiz sein Vorhaben, die größte Bierburg auf der Wiesn zu haben, geht dabei über die sprichtwöriltlche Leichen und lässt die Muskeln spielen, damit sein ambitioniert Plan aufgeht. Im Verlauf des Romans lernt man die Hintergründe für sein Handeln kennen und kann schon den einen oder anderen Schitt nachvollzeihen, der ihn antreibt. Ohne Prank gäbe es heute kein "Prosit der Gemütlichkeit" unter den Festzelthimmeln - erstaunlich, wie authentisch die Szenen in seiner Bierburg geschildert sind, fast so, als würde man sich mitten unter die feiernden Menschen mischen.
Colina Kandl ist für mich der beeindruckendste Charakter im Roman - ihre Entwicklung von dem unterdrückten Schankmädchen zur emanzipierten Frau, die ihren Willen durchsetzt, ist grandios beschrieben. Allein der Einfallsreichtum wie sie die Stelle bei Prank bekommt, ist nicht von schlechten Eltern und sorgt für Schmunzler Ihre Energie und der Mut, die Welt zu verändern und sich für bessere Konditionen auf der Wiesn, aber auch für sich selbst, einzusetzen, springen direkt aus den Seiten über. Eine dynamische, konsequente Frau die weiß, was sie will.
Der Mix aus Romanze, historischem Krimi und Emanzipationsgeschichte spielt gekonnt mit dem Gefühlen des Lesers, spiegelt die Zeit um 1900 sehr authentisch wieder und ersetzt den leider ausgefallenen Gang auf die diesjährige Wiesn zu 100%.