Spannende Familiensaga
Königsberg. Bewegte Jahre„...Die Meute lief, und die Jäger trieben ihre Pferde an. Hufe trommelten auf dem Boden, und Maximilian ahnte, dass nicht nur er sich wie im Rausch befand. Von der rechten Seite näherte sich vom Hügel ...
„...Die Meute lief, und die Jäger trieben ihre Pferde an. Hufe trommelten auf dem Boden, und Maximilian ahnte, dass nicht nur er sich wie im Rausch befand. Von der rechten Seite näherte sich vom Hügel ein einsamer Reiter, kam näher und schloss sich an, ritt im wilden Galopp vorbei und setzte sich an die Spitze...“
Der einsame Reiter ist Helene, Maximilians Schwester. Wir schreiben das Jahr 1904. In der Rominter Heide trifft sich der Adel mit dem Haus Hohenzollern zur Jagd. Natürlich sind auch die Familien von Schletter und von Reichenbach dabei. Gerhard von Sabrowski wird dabei auf Maximilians Cousine Victoria aufmerksam.
Die Autorin hat einen spannenden und gut recherchierten historischen Roman geschrieben. Obwohl ich Teil I nicht kenne, hatte ich auf Grund der im Text integrierten Rückblicke kein Problem der Handlung zu folgen. Trotzdem sind mir sicher manche Feinheiten entgangen. Deshalb würde ich unbedingt empfehlen, mit dem ersten Teil zu beginnen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Zeitverhältnisse werden realistisch widergespiegelt.
„...Ob Wilhelm von Schletter mit sich haderte, weil jene Maßnahme Bismarcks, die Russen auszuweisen, indirekt ein Erstarken der Sozialdemokratie förderte?...“
Noch deutlicher werden die Veränderungen in der folgenden Aussage.
„...Ostpreußens Kulturlandschaft war einzigartig gewesen, ein Gemisch aus masurischen, polnischen, deutschen und litauischen Traditionen, und all dies war preisgegeben worden, weil man sich derzeit wohl nichts mehr zu wünschen schien als eine ethnisch homogene Bevölkerung...“
Nicht nur die unterschiedlichen politischen Ansichten in den Familien bergen Konflikte. Das merkt unter anderen Magdalena, die einen polnischen Arzt geheiratet hat und nun die Ressentiments gegen die Polen aus der eigenen Verwandtschaft zu spüren bekommt. Auch die masurische Sprache ist im Rückgang begriffen.
Ab und an ist eine Spur von feinen Humor oder Sarkasmus zu spüren. Besonders aufgefallen ist mir dies bei Magdalena und Friedrich, dem jüngsten Spross aus dem Hause von Schletter.
„...Wie kann man „Du bekommst meine Mitgift nicht?“ schonend umschreiben?...“
Im Hause von Schletter träumt Helene von einer eigenen Pferdezucht, während Maximilians Liebesbeziehung auf Ablehnung des Vaters trifft.
Gehard von Sabowski weiß, dass er Victoria nie heiraten darf, denn für ihn kommt nur eine Frau des Hochadels infrage. Trotzdem macht er ihr den Hof und wird übergriffig. Glücklicherweise weiß sie sich von ihrem Vater verstanden und kann auf seine Beistand hoffen.
Dann aber ziehen schwarze Wolken am Horizont auf. Der Erste Weltkrieg beginnt und die jungen Männer werden eingezogen. Die Autorin beschreibt nur an wenigen stellen die Zustände an der Front, dann aber drastisch. Maximilian erlebt das Wüten in Leuven.
„...Glas klirrte, Flammen schlugen heraus. Über Maximilian warf eine Frau ihr Kind aus dem Fenster und brach sich beim Sprung hinterher das Genick. Weitere Häuser wurden durchsucht, und bei wem man Waffen fand, der musste sich ein Grab schaufeln...“
Die Angst in der Heimat vor einer möglichen Todesnachricht wird deutlich dargestellt. Gleichzeitig muss das schwieriger werdende Leben organisiert werden.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs schließt die Autorin diesen Band ab.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.