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Veröffentlicht am 07.11.2020

"Her name was Lola..."

Capitana
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Eine Frau ist die Herrscherin über ein Drogen-Kartell in L.A. – diese, allen typischen Geschlechter-Stereotypen zuwiderlaufende, Ausgangssituation beherrscht den als Thriller eingestuften Roman Capitana ...

Eine Frau ist die Herrscherin über ein Drogen-Kartell in L.A. – diese, allen typischen Geschlechter-Stereotypen zuwiderlaufende, Ausgangssituation beherrscht den als Thriller eingestuften Roman Capitana von Melissa Scrivner Love. Die Hauptfigur Lola Vasquez ist dabei nicht nur Drogenboss, harte Geschäftsfrau, Killer und Ermittlerin, sondern auch Mutter, Tochter, Schwester, Freundin, Geliebte und eben Frau.

Der Roman ist eine positive Überraschung, denn statt einer einseitig harten und brutalen Thrillerhandlung, die einen mit atemloser Bedrohlichkeit und der ständigen Aussicht auf Gewalt bei der Stange hält (diese Elemente sind natürlich auch vorhanden), wartet der Roman vor allem mit der Studie einer jungen Frau in einer ungewöhnlichen Position auf, gefangen im Spannungsfeld von sozialen Erwartungen, gesellschaftlichen Geschlechternormen, kulturellen Traditionen und den Ansprüchen ihres kriminellen Tagwerks. So gerät der Text über weite Strecken zu einer Persönlichkeits- und Gesellschaftsstudie, die ein Licht auf die Situation der Latino-Gemeinde in Los Angeles und das belastete Verhältnis zwischen dem weißen Amerika und den US-Bürgern mit mexikanischen Wurzeln wirft und dabei besonderes Augenmerk auf die stereotype Wahrnehmung der Frauen richtet. Das ist sehr gut gemacht und gesellschaftskritisch aussagekräftig, allerdings werden zur Entlarvung der Klischees leider auch immer wieder Klischees bedient, so dass sich Roman quasi selbst auch wieder seine Kraft nimmt. Hier wäre eine deutlichere Ablösung von erwartbaren Mustern sehr wünschenswert gewesen.

Die eigentliche Thrillerhandlung wartet mit einigen Überraschungsmomenten auf, aber der Thrill bleibt in Capitana eher Unterfütterung und Nebenhandlung für die Charakterdarstellung und Entwicklung Lolas. So wirken die Überfallszenen, Schießereien und Entführungen meist recht bemüht und künstlich, wenn nicht gar sehr unrealistisch – so als ob das Herz der Autorin eigentlich für die anderen Passagen schlägt, in denen Lola mit ihrer Rolle als Mutter, Schwester und Freundin hadert. Lolas leichte Orientierungslosigkeit in ihren sozialen Funktionen wird sehr gut durch den dosierten und zurückhaltenden Schreibstil gestützt, der allerdings etwas zu deutlich dazu neigt, Lolas Überforderung mit und vielleicht sogar Abneigung gegenüber ihren Positionen zu unterstreichen.

Da der Roman aber gerade in diesen Teilen einen sehr guten Spannungsaufbau hat und hier sehr interessante Einblicke in ein zutiefst geteiltes L.A. offenbart, lohnt sich der Roman. Er bietet ein unterhaltsames, interessantes und fesselndes Leseerlebnis für alle, die eher eine komplexere Figurenentwicklung als rasanter und packender Nervenkitzel reizt.

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Veröffentlicht am 22.10.2020

Paula trauert

Der Moment zwischen den Zeiten
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Paulas Lebensgefährte möchte nicht mehr mit ihr leben und verliert nur Stunden nach dieser Mitteilung sein Leben. Fortan ist Paula gefangen in einer Mischung aus Schweigen, Zorn, Wut, Arbeitseifer, Rachegelüsten, ...

Paulas Lebensgefährte möchte nicht mehr mit ihr leben und verliert nur Stunden nach dieser Mitteilung sein Leben. Fortan ist Paula gefangen in einer Mischung aus Schweigen, Zorn, Wut, Arbeitseifer, Rachegelüsten, Verlust und vor allem Trauer – aber worum trauert Paula eigentlich?

Dies ist vielleicht nicht unbedingt die vorherrschende Frage des Romans, aber die, die sich mir nach der Lektüre des Buches, das ich in kürzester Zeit gelesen habe, aufdrängt. Natürlich trauert Paula um Mauro, den Mann, den sie für den Begleiter durch ihr Leben gehalten hat. Aber ihr Bedauern ist vielschichtiger. Sie betrauert Chancen vertan zu haben, Möglichkeiten zu spät genutzt zu haben, es sich in ihrer Beziehung zu bequem gemacht zu haben, den prägenden Verlust ihrer Mutter, die fehlende Zweisamkeit mit einem Partner, das Ende der Jugend, die sprachlose Beziehung zu ihrem Vater – und vor allem beweint sie sich selbst und das, was aus ihr geworden ist. Gefangen ist sie dabei in dem unsteten Versuch, wieder Halt zu finden und sich selbst als eigenständige Paula wieder im Leben zu verankern. Auch wenn sich diese Liste nach einem ganzen Katalog von Selbstmitleid anhört, versinkt Paula doch nie im Gram. Im Gegenteil – ihre Trauer ist von einem relativen, manchmal leider sehr unreifen, Aktionismus geprägt, der in seiner Darstellung den Roman lebendig macht und vor allem auf überzogene und langatmige Innenschauen verzichtet, die nur auf der Stelle treten. Diese ausgesprochen gut gehaltene Balance zwischen Introspektion und Aktion ist der Grund dafür, dass man als Leser mit großem Interesse das Trauerjahr der Protagonistin begleitet.

Paulas Figur ist äußerst lebensecht. Ihre Handlungsweisen sind zwar nicht immer unbedingt nachvollziehbar, unterstreichen aber so, dass jeder Mensch seinen individuellen Weg der Trauer – noch dazu in der hier geschilderten, außergewöhnlichen Situation – gehen muss. Sympathisch ist mir Paula jedoch nicht, sie wäre von ihrem Wesen und ihren Gedanken und vor allem auch von ihrer Art her, mit anderen Menschen umzugehen, sicher nicht meine Freundin. Aber auch hier: alles, was sie tut und fühlt, passt haargenau zu der Figur, die Marta Orriols dem Leser präsentiert.

Was den Romanaufbau anbelangt, sind besonders die sehr gelungenen Zwiesprachen mit Mauro hervorzuheben, in denen Paula Einblicke in eine verletzlichere, sanftere Frau gewährt und in denen der stumpfe Schmerz des Verlustes greifbar wird. Der Roman besticht insgesamt durch treffende Sprache und oft auch punktgenaue Beobachtungen zu Verlust und Verlassen, allerdings habe ich mich an ebenso vielen Gemeinplätzen und abgedroschenen Weisheiten, die den Text durchziehen, gestört.

Der Roman hat mich mit seiner außergewöhnlichen Thematik beeindruckt und beschäftigt, aber Paulas einsame, scharfe Trauer bleibt mir bei aller Authentizität fremd. Lesenswert ist Der Moment zwischen den Zeiten auf jeden Fall – denn irgendwie trauern wir alle immer um etwas.

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Veröffentlicht am 01.10.2020

Bitte mehr Spannung

Achtung, Übernachtung!
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Hühnchen und Mats gehen in die 3. Klasse und sind allerbeste Freunde. Als ihre Eltern zu einem Kostümfest eingeladen werden, möchten sie unbedingt mit von der Partie sein und setzten alles daran, sich ...

Hühnchen und Mats gehen in die 3. Klasse und sind allerbeste Freunde. Als ihre Eltern zu einem Kostümfest eingeladen werden, möchten sie unbedingt mit von der Partie sein und setzten alles daran, sich unbemerkt einzuschleichen. Doch dann werden sie Zeuge eines Kriminalfalls.

Achtung, Übernachtung! ist ein gelungenes Hörbuch für Kinder. Die Geschichte ist sehr authentisch und lebensnah an die Welt von Achtjährigen angepasst – so spielen Walkie Talkies und die Play Station eine wichtige Rolle im Alltag. Mats und Hühnchen fühlen sich schon recht groß, haben aber noch sehr viel Unfug vor und suchen nach einem Abenteuer. Als Figuren laden sie Kinder zur Identifikation ein – jeder wurde schon einmal in der Schule geärgert und die Kommunikation via Walkie Talkie ist für alle Kinder reizvoll. Die Handlung an sich weist ein paar harmlose Spannungsmomente auf, die für einige Achtjährige sicherlich zu wenig sind. Richtig aufregend wird es eigentlich nie, da hätte es ruhig ein wenig mehr Grusel sein können. Lustige Stellen gab es zwar auch einige, aber auch hier entstand der Eindruck, dass die Geschichte ihr Potenzial nicht ganz entfaltete. Schmunzeln konnte man, laut lachen eher nicht.

Der Sprecher des Hörbuchs ist großartig. Er liest unglaublich abwechslungsreich und sehr lebendig. Jede Figur ist eindeutig zu erkennen – manchmal wird die Lesung fast zum Hörspiel.

Insgesamt ist Achtung, Übernachtung! ein inhaltlich gefälliges Hörbuch, dass gekonnt die Lebenswelt von Drittklässlern aufnimmt, dessen Spannung jedoch hinter den Erwartungen zurückblieb. Dies wird zwar durch die exzellente Sprecherleistung sehr gut aufgefangen, aber ein bisschen mehr Pfiff wäre doch wünschenswert gewesen.

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  • Charaktere
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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 27.08.2020

"Those were the days my friend" (G. Raskin)

Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
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Anton Winter, Sohn des berühmten und gefeierten Late-Show-Moderators Buddy Winter, berichtet dem Leser vom unsteten Leben mit seinem flamboyanten, egozentrischen Vater, seinen eigenen, konsequenten Abnabelungsversuchen ...

Anton Winter, Sohn des berühmten und gefeierten Late-Show-Moderators Buddy Winter, berichtet dem Leser vom unsteten Leben mit seinem flamboyanten, egozentrischen Vater, seinen eigenen, konsequenten Abnabelungsversuchen von dieser schillernden Vaterfigur, davon, wie es ist, mit John Lennon in einem Haus zu leben, und von dem New York und Amerika des Jahres 1980 - einer verlorenen Welt.

Dieser Roman ist seltsam: während ich ihn las, fragte ich mich wiederholt, was das Ganze eigentlich soll, wohin soll es gehen, was soll am Ende dabei herauskommen und so richtig angetan war ich nicht.

Nun habe ich die letzte Seite umgeblättert und bin erfüllt von einer tiefen Melancholie und, ja, tatsächlich Traurigkeit, denn ohne es beim Lesen zu merken, hat mich das Buch berührt und war ein guter Freund - so wie John Lennon es für Anton ist und umgekehrt. Dieser emotionale Effekt auf den Leser ist letztlich der Tatsache geschuldet, dass die letzten zwei Kapitel sehr stark sind und dass der Fokus des Romans erst in der zweiten Hälfte richtig zu Tage tritt: es geht letztlich um eine symbolische, verdrehte Vater-Sohn-Beziehung, in der der Vater den Sohn wie einen Kumpel oder Vater behandelt und sich in emotionaler und professioneller Abhängigkeit von ihm befindet, während sich der Sohn zunächst völlig unbewusst, dann allmählich immer zielgerichteter, von seinem Vater lösen möchte. Hilfsfigur und Freund auf diesem Weg ist John Lennon, der in dem Roman fast schon zu einer Retterfigur stilisiert wird. Interessanterweise spielt der Text sehr häufig mit der Idee, dass man Prominente und Stars nie kennenlernen kann, sie irgendwie nie real sind, und genau dies passiert auch in diesem Buch: John Lennon bleibt trotz seiner Bedeutung für den Roman und seines regelmäßigen Auftretens eine weitestgehend unfassbare, nebulöse Figur.

Die Handlung selbst berichtet im Grunde nur von Antons Abnabelungsprozess, von seinen und Buddys Versuchen im Showgeschäft wieder Fuß zu fassen und von Treffen und Gesprächen mit John Lennon - einen eigentlichen Spannungsbogen sucht man hier vergeblich, im Gegenteil, der Roman plätschert eher gefällig vor sich hin. Das tut er jedoch wirklich sehr gut und vor allem mit einer großen Liebe zu New York und den Achtzigern. Die Beschreibungen strotzen vor Lokal- und vor allem Zeitkolorit: wir dürfen z.B. mit Anton zu den Olympischen Spielen in Lake Placid reisen und Reagans Wahlkampf erleben. Dies hat mich sehr begeistert und nostalgisch gestimmt, es ist schmerzhaft, festzustellen, dass eine Zeit, die man nun häufig so belächelt, doch ihren ganz eigenen Zauber hatte und auch das New York, das hier gezeichnet wird, für immer passé ist. Vermutlich hätte der Roman mich noch stärker in seinen Bann schlagen können, wenn ich die Beatles-Zeit und die frühen Achtziger bewusster erlebt hätte - so glaube ich insgesamt tatsächlich, dass es sich hier eher um ein Buch handelt, das besonders für die Kinder der 1950er und 1960er einen besonderen Reiz entfaltet und eine Heimkehr bedeutet.

Ein Schwachpunkt des Romans ist meines Erachtens die Anzahl zu vieler Nebenpersonen, die sich zu sehr ähneln, weil sie nicht differenziert genug konzipiert wurden. Manchmal fühlte ich mich deshalb etwas verloren in der Handlung - allerdings gestehe ich dem Autor zu, dass dies eine absichtsvolle Entscheidung war: die Buddy Winter Show ist eben eine Two-Men-Show mit dem Gaststar John Lennon - alle anderen Personen sind Nebenfiguren.

Der Roman ist eine nostalgische, sehr lesenswerte Lektüre für New York-Liebhaber, Beatles-Verehrer, Baby-Boomer und alle, die schon immer wissen wollten, wie Ronald Reagan Präsident werden konnte.

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Veröffentlicht am 04.08.2020

Der Zauber der Mode

Die Modeschöpferin
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Die Schwestern Simonetta und Chiara sind zusammen aufgewachsen, haben sich aber aufgrund der familiären Umstände und politischen Gegebenheiten aus den Augen (und dem Herzen) verloren. Beide verbindet die ...

Die Schwestern Simonetta und Chiara sind zusammen aufgewachsen, haben sich aber aufgrund der familiären Umstände und politischen Gegebenheiten aus den Augen (und dem Herzen) verloren. Beide verbindet die Liebe zur Mode und Schönheit und so ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden im Modekosmos im Rom der Sechziger Jahre wieder aufeinandertreffen.

Katja Maybach bietet mit ihrem Roman eine unterhaltende und kurzweilige Geschichte für Sommertage, die einen nicht nur an schöne Plätze in der italienischen Metropole mitnimmt, sondern auch mit den harten Bandagen vertraut macht, mit denen in der Modewelt hinter dem Glanz und dem Glamour gekämpft wird. Besonders alle Aspekte, die die Mode betreffen, sind ausgezeichnet, mit Begeisterung und viel Liebe zum Detail geschildert und transportieren hervorragend die Arbeit, den Wert, aber auch die Sinnlichkeit und die Bedeutung, die Mode zu einem wesentlichen Teil der Kultur (und des Konsums) machen. Dabei kommt die Handlung des Romans weitestgehend ohne überzogene Dramatik aus. Zwar gibt es einige durchaus bedrohliche, gewaltsame und auch spannende Momente, diese fügen sich aber gut in den gesamten Handlungsverlauf ein und werden so eher zu einem Teil des "Alltags" in der Modewelt.

Belebt wird die Geschichte von zahlreichen Perspektivenwechseln, die Lesern, die diese Art des Romanaufbaus nicht unbedingt favorisieren, durchaus etwas viel werden können - auch weil dadurch manchmal etwas an Handlungstiefe und Figurenkomplexität verloren geht. Gleichzeitig erlauben diese Wechsel aber fast schon filmartige Schnitte untereinander, die wiederum äußerst erfrischend und sehr gut gemacht sind.

Der Schreibstil ist angenehm unaufgeregt und sehr lesbar - lediglich in den Brief- bzw. Aufsatzteilen habe ich den unverkennbaren Ton der jeweiligen Figur vermisst. Außer dem Wechsel in die erste Person Singular und der Kursivierung des Textes unterschieden sich diese Teile meines Erachtens kaum vom restlichen Romantext.

Die Figuren sind liebevoll und gelungen gezeichnet. Dadurch, dass fast alle unmittelbar am Modeprozess beteiligten Figuren eigene Abschnitte erhalten, lernt man als Leser die verschiedenen Figuren gut kennen und erhält Einblick in unterschiedliche Aspekte der Modewelt. Allerdings führt - wie oben bereits angedeutet - diese Kleinteilung auch dazu, dass einige Figuren zu oberflächlich behandelt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die männlichen Figuren, die als romantische Bezugspersonen der Schwestern gelten können, keine eigenen Abschnitte haben - eine gute Wahl, denn so bleiben sie recht mysteriös.

Die Modeschöpferin ist ein kurzweiliger, lebendiger und bunter Einblick in die römische Modewelt der 1960er Jahre für alle Modebegeisterten oder solche, die es werden wollen.

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