Tolles Leseabenteuer auf Münchner Volksfest im Jahr 1900
Colina glaubt fest daran, dass das Leben mehr für sie bereithält, als Bier auszuschenken. Doch als einfache Schankmagd 1990 im München ist das Leben hart: Sie lebt lediglich vom Trinkgeld der Gäste, hat ...
Colina glaubt fest daran, dass das Leben mehr für sie bereithält, als Bier auszuschenken. Doch als einfache Schankmagd 1990 im München ist das Leben hart: Sie lebt lediglich vom Trinkgeld der Gäste, hat noch einen kleinen Sohn zu versorgen und ist permanent auf der Flucht vor dem gewalttätigen Ehemann. Selbstbewusst beschließt Colina, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und bewirbt sich bei einem reichen Bierbrauer aus Nürnberg als Gouvernante für dessen Tochter Clara. Diese hat jedoch ihren eigenen Kopf und agiert ganz und gar nicht so, wie Colina und ihr Vater es sich wünschen…
„Oktoberfest 1990 – Träume und Wagnis“ ist das Erstlingswerk der bayrischen Autorin Petra Grill und wurde als begleitender Roman zur gleichnamigen ARD-Serie anhand der Drehbücher verfasst. Trotz dieser Vorlage steht das Buch als eigenständiges Werk da, welches sich vor der Serie keinesfalls verstehecken muss, meiner Meinung nach diese sogar übertrifft. Es lassen sich aber problemlos Buch und Serie genießen, da es sich zwar um dasselbe Geschehen handelt, dieses aber aus anderen Blickwinkeln und aus Perspektive unterschiedlicher Figuren beleuchtet wird.
Petra Grill ist es ganz wunderbar gelungen, die Stimmung und das Flair der 1990 mit allen Licht- und Schattenseiten einzufangen. Auch der typisch Münchnerische Lokalkolorit inklusive Dialekt zieht sich durch das gesamte Buch, als Leser hat man wirklich sofort das Gefühl, in die bayrische Landeshauptstadt zur damaligen Zeit katapultiert worden zu sein. Sehr gut gefallen hat mir insbesondere der Einbezug tatsächlich existierender Personen oder historischer Ereignisse, es ist spürbar, dass sich die Autorin intensiv und mit viel Herzblut befasst und jede Menge recherchiert hat. Chapeau vor dieser wunderbaren Leistung!
Dies hängt insbesondere mit dem lebendigen und anschaulichen Schreibstil Petra Grills zusammen. Sie beschreibt Menschen, Gebäude und Gegebenheiten sehr detailliert und authentisch, so dass man sich als Leser ein genaues Bild machen kann. Noch dazu lässt sich das Buch flüssig und angenehm lesen, die Kapitel haben eine angenehme Länge. Emotionen sind nachvollziehbar beschrieben und greifen auf den Leser über, ich habe eine regelrechte Achterbahn der Gefühle erlebt.
Inhaltlich gibt es in „Oktoberfest 1990“ mehrere Handlungsstränge, die parallel laufen, sich miteinander verflechten, wieder auseinanderdriften und letztendlich aber doch alle Bestandteile eines großen und ganzen sind. Dabei gibt es einen permanent hohen Spannungsbogen, der verschiedene Höhepunkte erlebt, auch durch teilweise wirklich überraschende Wendungen. Am Ende sind mir noch einige Fragen offen geblieben, aber diese werden sich im Verlauf der Serie noch klären – insofern hat das dem positiven Gesamteindruck keinerlei Abbruch getan. Verschiedene Figuren erfahren in den einzelnen Phasen des Buches mal mehr, mal weniger Beachtung, so dass sie nach und nach dem Leser immer vertrauter werden, er sie aber dennoch gut auseinanderhalten kann. Einige davon wachsen einem richtig ans Herz, andere benötigen etwas Zeit, bis man sie einschätzen kann, wieder andere sind von Beginn an unsympathisch. Jede für sich ist aber facettenreich und durchgängig konzipiert und somit absolut glaubwürdig. Eine tolle Mischung!
Insgesamt haben mich das Buch und das Münchner Oktoberfest mich sehr schnell in seinen Bann gezogen und ich war wirklich traurig, als ich mich von Colina, Clara und Co. Verabschieden musste. Die toll recherchierten Hintergrundinformationen und die dadurch treffend vermittelte Atmosphäre haben dem Buch eine Authentizität gegeben, die man oft in historischen Romanen vermisst. Auch die Figuren waren lebensnah und sind mir ans Herz gewachsen. Ein Buch, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen kann!