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Veröffentlicht am 14.06.2021

Was wäre gewesen, wenn …?

Die Mitternachtsbibliothek
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Hätten wir uns für diesen Job und nicht den anderen entschieden; wären wir nach der Schule ein Jahr ins Ausland gegangen; hätten wir uns getraut, unserem Schwarm zu sagen, dass wir in ihn verknallt sind ...

Hätten wir uns für diesen Job und nicht den anderen entschieden; wären wir nach der Schule ein Jahr ins Ausland gegangen; hätten wir uns getraut, unserem Schwarm zu sagen, dass wir in ihn verknallt sind (…). Das Leben besteht aus Entscheidungen. Jede einzelne, ob groß oder klein, formt unseren Weg und bestimmt, wer wir sind.

Matt Haigs Roman beschäftigt sich mit den vielen Entscheidungen eines Lebens. Hauptprotagonistin Nora, die ihr Dasein als Anhäufung schlechter Entscheidungen betrachtet, sieht keinen anderen Ausweg als Selbstmord. Statt abzutreten, landet sie in der Mitternachtsbibliothek, die all ihre ungelebten Leben enthält. Der Autor greift hierbei den Gedanken an Multiversen auf, wodurch Nora die Chance erhält, zu sehen, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte sie andere Entscheidungen getroffen.

Welches Leben hätte sie am glücklichsten gemacht? – während Nora dieser Frage nachgeht und unzählige Parallelleben ausprobiert, wird nicht nur deutlich, dass die Wirklichkeit unserer Vorstellung nicht immer gerecht wird, sondern auch, in welchem Maße wir die Leben anderer beeinflussen. Damit war die Geschichte für mich eine kleine Hommage an den Film „Ist das Leben nicht schön?“ (1946), der ebenfalls auf wundervolle Weise aufzeigt, wie stark Menschen miteinander verbunden sind.

🦋 Was ist (Lebens)Glück?
🦋 Gibt es das „eine richtige Leben“?
🦋 Wo beeinflussen wir die Leben anderer?
🦋 Wem sollten wir verzeihen?
🦋 Gibt es ein „zu spät“ für einen Kurswechsel?
🦋 Folgen wir unserem Herzen oder den Erwartungen anderer?

Diese und weitere Fragen kommen einem beim Lesen in den Sinn.

Mich hat der Roman berührt als auch nachdenklich gestimmt, mehrmals innehalten und reflektieren lassen, wie es um mich und mein Leben steht.

In Summe: Ein wundervolles Buch mit mehr als einer bedeutsamen Botschaft

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Veröffentlicht am 14.05.2021

Komplexes Meisterwerk

Die amerikanische Nacht
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„Ist die Kunst größer als das Leben?“

Mein Philosophen-Ich hätte Freude über diese Frage zu diskutieren. An dieser Stelle fungiert sie jedoch als Brücke zu Marisha Pessls 800 Seiten starkem Werk, das ...

„Ist die Kunst größer als das Leben?“

Mein Philosophen-Ich hätte Freude über diese Frage zu diskutieren. An dieser Stelle fungiert sie jedoch als Brücke zu Marisha Pessls 800 Seiten starkem Werk, das nicht nur sprachlich absolut brillant ist.

Ich lese kaum/keine Krimis & Thriller. Hin und wieder gibt es aber Bücher, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und dann gibt es dieses Buch, das mich mit Haut und Haar in seine Welt gesogen und als anderen Menschen wieder ausgespuckt hat.
Diesen Roman als reinen Thriller abzustempeln, würde ihm nicht gerecht werden, weil er einfach mehr als das ist. Thrill, Mystery, Kunst, (Familien)Drama, Übernatürliches, das dich fragen lässt, ob es wirklich übernatürlich ist oder nur den Anschein erweckt. Ich vermag mir kaum vorzustellen, wie (lange) die Autorin diese komplexe Tiefe erarbeitet hat.

Ja; die tragende Frage ist, typisch für das Genre: „Wie und warum starb Ashley Cordova?“ Dieses Rätsel will gelöst werden. Während man mit dem in Ungnade gefallenen Journalisten Scott und zwei selbsternannten Begleitern die Spuren des toten Mädchens zurückverfolgt, drängt sich einem die fesselnde Frage auf: „Wer war Ashley Cordova?“
Der Weg von der Tochter bis zum Vater ist nicht weit, sodass man schließlich auf die größte Frage, das eigentliche Mysterium dieses Buches stößt: „Wer ist Stanislav Cordova? Welcher Mensch verbirgt sich hinter dem Filmemacher, den mehr Geheimnisse und Geschichten umgeben, als seine umstrittenen Filme hinterlassen?“

Mich hat dieser Roman auf ganzer Linie umgehauen. Wahrheit und Fiktion lagen so dicht beieinander, wurden von der Autorin so gekonnt ineinander verwoben, dass sie kaum voneinander trennbar waren. Faszinierend, fesselnd, atemraubend, hypnotisierend, eindringlich, schockierend, einzigartig – ich geize nicht mit Adjektiven, weil dieses Buch sie verdient hat.

Ein derart komplexes, lebendiges Mysterium um einen fiktiven Menschen – eine ganze Familie zu erschaffen, ist absolut meisterhaft. Etwas Vergleichbares habe ich bis dato noch nicht gelesen.

Ob Kunst größer ist als das Leben?

Gut möglich, dass das Lesen dieses Buches der eigenen Antwort neue Sichtweisen verleiht.

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Veröffentlicht am 10.10.2020

Roadtrip & Entwicklungsreise

Nach oben führt auch ein Weg hinab
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Die erste Seite: Du sitzt mit Maddy im Flugzeug nach Kanada, weißt nicht, was dich dort erwartet, hast eigentlich eh null Bock den Sommer in deiner früheren Heimat zu verbringen, in einem Haus mit deinem ...

Die erste Seite: Du sitzt mit Maddy im Flugzeug nach Kanada, weißt nicht, was dich dort erwartet, hast eigentlich eh null Bock den Sommer in deiner früheren Heimat zu verbringen, in einem Haus mit deinem Erzeuger, in dem – Überraschung – auch noch ein alter Mann mit Rollstuhl lebt.
Maddys Persönlichkeit lässt sich schon nach wenigen Seiten zusammenfassen: zickig, vorlaut, egoistisch, null Rücksichtnahme auf die Gefühle anderer, stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht und mehr an der Zahl ihrer Follower als am echten Leben interessiert. Also nicht wirklich ein Sympathieträger. Was nicht bedeutet, dass es so bleiben muss.

Wenn ein Foto wichtiger ist als der Moment (oder das eigene Leben; ihr wisst wovon ich spreche, wenn ihr zu der Szene kommt) und dein Selbstbild auf einer Zahl anonymer Menschen basiert, läuft definitiv etwas falsch. Social-Media ist (größtenteils) eine Scheinwelt. Das ist den meisten bewusst und doch versuchen wir gezielt/unbewusst mitzuhalten; uns ´von der perfekten Seite` zu präsentieren. Dass das weder gut tut noch glücklich macht, spürt man meistens – doch wie aussteigen? Gerade dann, wenn, wie in Maddys Fall, alle (Zukunfts-)Hoffnungen daran hängen? Oder muss man´s nur richtig machen? Immerhin führen eine Menge Influencer ein imposantes Leben. Weil Maddy nach einem derartigen Lifestyle strebt und ein Jobangebot höhere Follower-Zahlen voraussetzt, setzt sie alles auf die Rundreise durch die Rocky Mountains. Und wenn es nicht allein geht, muss Großvater Stan eben mit. „Eigentlich gar nicht so schlecht, wenn der Alte alles zahlt“, denkt sich Maddy.

Man sagt bekanntlich, jede Reise verändere einen Menschen. Stück für Stück bzw. Campingplatz für Campingplatz zu verfolgen, wie Maddy genau das tut, sich Menschen gegenüber öffnet, Handlungen und Denkweisen reflektiert und ihre Mitmenschen nicht mehr nur wie nützliche Requisiten behandelt, ist eine abenteuerliche, unterhaltsame Reise, die mit vielen Weisheiten (ich sage nur Opa Stan 😉), Begegnungen und Realismus gespickt ist.

Die Menschen Kanadas sind so nett, dass ich es manchmal kaum glauben konnte; allerdings schöpft die Autorin aus ihren eigenen Reiseerfahrungen, weshalb ich es wohl doch tun muss. Natürlich existieren auch in Kanada schwarze Schafe, wie Maddy am eigenen Leib erfahren muss. Ebenso muss sie sich eingestehen, dass Menschen einem unter die Haut gehen können, ohne dass man es geplant hat oder will. Genau deshalb, weil der Charme des Australiers Vince nur schwer zu ignorieren ist, wird aus dem Opa-Enkelin-Trip zunehmend ein Dreier-Trip.

Ich mag Romanzen/Liebesgeschichten in Büchern. Dennoch empfand ich es als sehr positiv, dass die Autorin die Lovestory zwischen Maddy & Vince nicht in den Fokus gerückt oder als „Heilmittel“ für Maddy präsentiert hat. Die entstehende Nähe zwischen den beiden ist wichtig für Maddys Entwicklung, doch geht es bei diesem Roadtrip nicht darum, sich einen Lover zu angeln, sondern darum, sich selbst und seinen Weg zu finden. Insofern feiere ich die klare Botschaft, die in den meisten Büchern zu kurz kommt: Frauen brauchen keine Männer, um ihr Leben in den Griff zu bekommen (andersherum gilt das natürlich genauso).

April Wynter schreibt locker und flüssig; die Schauplätze wirken authentisch und greifbar, weshalb das Lesen überaus unterhaltsam ist. Die eingestreuten QR-Codes, die auf die Website der Autorin führen, Reisetipps, Insiderwissen & Fotos ihrer eigenen Reise präsentieren, verwandeln das Lesevergnügen in ein interaktives Abenteuer.

FAZIT
Diese Geschichte ist nicht nur ein Roadtrip durch Kanada, sondern auch eine Reise des Erwachsenwerdens und Reifens; des Erkennens, was im Leben wirklich wichtig ist und ein wichtiger (mahnender) Beitrag die sozialen Netzwerke betreffend. Unterhaltung, Denkanstöße, Reisefeeling, (Selbst)Reflexion – all dies hat dieser Roman zu bieten. Von mir eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 04.10.2020

Noch besser als Teil 1!

Die Chroniken von Alice - Die Schwarze Königin
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Ich gebe zu: Ich war nicht ganz sicher, was mich in diesem zweiten Teil erwartet. Nun, da ich ihn gelesen habe, kann ich sagen: Er war tatsächlich noch besser als sein Vorgänger!

Die Story geht unmittelbar ...

Ich gebe zu: Ich war nicht ganz sicher, was mich in diesem zweiten Teil erwartet. Nun, da ich ihn gelesen habe, kann ich sagen: Er war tatsächlich noch besser als sein Vorgänger!

Die Story geht unmittelbar da weiter, wo sie im ersten Teil geendet hat. Und hier greift eigentlich schon das, was dieses Buch noch eine Schippe besser macht. Teil 1 lehnte lose an der allgemein bekannten Alice-Story; man traf auf Charaktere wie den Hutmacher, die Grinsekatze, das Walross etc., denen die Autorin neue Rollen auf den Leib geschneidert, ihre Kernpersönlichkeit jedoch (im Großen) beibehalten hat. Genau dieses Bekannte, das zu etwas Neuem wurde, war das, was begeisterte. Für Teil 2 jedoch gibt es keine Vorlage oder Richtung, kein Erahnen oder Erwarten, was passieren könnte – Überraschungseffekt auf ganzer Linie. Und das nicht nur für den Leser: auch Alice, die die Stadt noch nie verlassen hat, sieht sich fremdem Terrain gegenüber. Und natürlich lauern auch dort im Unbekannten eine Vielzahl von Gefahren und Schreckensgestalten.

Kratzt Alice in Teil 1 lediglich an ihrer Magie, ohne dass näher auf ihre Fähigkeiten eingegangen wird, rückt die Autorin ihre Fähigkeiten diesmal in den Fokus, was mich sehr gefreut hat. Gemeinsam mit Alice erkundet man das Ausmaß ihrer Kräfte und lernt, der Situation geschuldet, sich allein zu beweisen. Was mich an der Storyline am meisten fasziniert hat, sind die märchenhaften Elemente. Gekonnt und innovativ wandelt die Autorin Klassiker des Genres für ihre eigenen Zwecke um; erschafft tiefdunkle Wälder, schaurige Hütten, lauernde Bestien, Gestaltwandler, Orte, die Prüfungen bereithalten und Zauberer, die ihre Macht ohne Skrupel einsetzen.

Versteht mich nicht falsch: zauberhaft, kindlich oder fröhlich ist auch dieser Teil keineswegs; man kann die Geschichte allenfalls als dunkles Schauermärchen für Erwachsene bezeichnen. Die Ereignisse sind von Tragik und Grausamkeit durchwebt, denen jedoch, als Ausgleich, eine an Mut, Kraft und Selbstbewusstsein reifende Alice gegenübersteht. Geprägt von den traumatischen Ereignissen ihrer Vergangenheit und dem Verlust von Hatcher (ob zeitweise oder dauerhaft müsst ihr selbst herausfinden), wächst sie zu einer starken Frau heran, die ihre Angst nicht hinter sich lässt, sich ihr und dem, was vor ihr liegt, aber dennoch stellt. War der Showdown in Teil 1 eher kurz geraten, kommt man diesmal ganz auf seine Kosten; und das eigentlich schon im ganzen letzten Drittel. Nicht nur ballt die Autorin eine spannende Szene an die nächste, sie zückt zudem ein paar unerwartete Asse aus dem Ärmel, die alles verändern (könnten) ...

Die Atmosphäre des Buches ist eindringlich und fesselnd; der Schreibstil der Autorin flüssig, direkt und nicht zimperlich, was das „Bilder im Kopf entstehen lassen“ angeht – ein echter Christina Henry-Roman eben. Wer es düster mag und sich nicht so leicht schocken lässt, sollte die Autorin und ihre weiteren Bücher auf jeden Fall im Auge behalten!

ABSCHLUSSFAZIT
Alice ist definitiv erwachsen geworden. Und was den Axtmörder Hatcher angeht: Da ich nicht zu viel verraten will, sage ich lediglich: Ich liebe diesen Charakter und füge an dieser Stelle ein abschließendes Zitat aus dem Buch an: „Alice wusste all dies, wusste, dass er sich nach dieser Erlösung sehnte. Doch sie wusste auch, unerklärlicherweise, dass er ein guter Mann war und dass diese gute Seite seiner mörderischen Impulse unter Kontrolle hielt – meistens zumindest.“

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Blutig, dunkel & mit dem Geschmack von Wahnsinn versehen

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Ihr kennt den Disney-Zeichentrickfilm oder die Realverfilmung von Tim Burton und glaubt, damit auch diese Geschichte zu kennen? – Falsch gedacht.

Dieser Roman ist weder kindlich noch pastellfarben oder ...

Ihr kennt den Disney-Zeichentrickfilm oder die Realverfilmung von Tim Burton und glaubt, damit auch diese Geschichte zu kennen? – Falsch gedacht.

Dieser Roman ist weder kindlich noch pastellfarben oder unschuldig. Er ist blutig, dunkel und gefährlich, schmeckt stellenweise nach Wahnsinn und ist ohne Frage nichts für sensible Gemüter.

Die Autorin verwandelt die bekannten Wunderland-Elemente und Charaktere geschickt in etwas Neues und rückt zudem das Thema körperliche/sexuelle Gewalt an Frauen in den Fokus. Auch wenn es keine ausufernden Schilderungen gibt, wird das, was zur Sprache kommt reichen, um euch einen Knoten in den Magen zu legen. Das "Wunderland" ist in diesem Buch eine ruchlose Stadt, die von ziemlich kranken Kerlen regiert wird.

Ich hatte schon immer ein Faible für den Hutmacher und liebe ihn als Axtmörder Hatcher genauso, während ich andere Charaktere dauerhaft mit anderen Augen sehen werde.

Das dunkle Wunderland mitsamt seiner unmoralisch bis kranken Protagonisten, seinen Abgründen und der gebrochenen Alice, bildet eine mörderisch gefährliche Geschichte, die fasziniert, fesselt und hier und da leichtes Unwohlsein verursacht. Der Schreibstil ist flüssig und packend; die Brutalität passt zur Geschichte, hat aber dennoch einen Schockeffekt inne.

Wer nicht zu zart besaitet ist und gern mal eine dunkle und erwachsene Alice-Geschichte lesen möchte, in der sogar eine Crazy-Romance vorkommt, dem kann ich einen Besuch im DARK WONDERLAND absolut empfehlen.

Dass ihr das weiße Kaninchen und andere Charaktere danach immer noch mögt, kann ich euch allerdings nicht versprechen ... 😉


Obwohl der Roman kein offenes Ende hat und man damit nicht gezwungen ist, den Folgeband zu lesen, freue ich mich schon jetzt auf den Herbst, wenn "Die schwarze Königin" erscheint.

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