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Veröffentlicht am 24.04.2021

Rettung für Chiara?

Zara und Zoë - Die Tochter des Paten
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Seit ihrem letzten gemeinsamen Fall herrscht zwischen den Zwillingen Zoë und Zara Funkstille. Zara ist wieder zuhause bei Ehemann und Tochter und lässt es beruflich langsam angehen. Zoë hingegen ist voller ...

Seit ihrem letzten gemeinsamen Fall herrscht zwischen den Zwillingen Zoë und Zara Funkstille. Zara ist wieder zuhause bei Ehemann und Tochter und lässt es beruflich langsam angehen. Zoë hingegen ist voller Trauer und Wut und will ihre Schwester niemals wiedersehen. Doch dann kommt alles ganz anders: Chiara, die Tochter des Paten Benito Bolatelli, wird entführt und Zoë soll sie zurückholen. Doch das geht nicht ohne die Hilfe von Zara….

Der dritte Band der Thriller-Reihe aus der Feder von Alexander Oetker setzt kurz nach den Ereignissen aus dem vorherigen an. Dabei zeigt sich Protagonistin Zoë ungewohnt verletzlich, was mir persönlich aber gut gefällt. Sie war für mich schon immer der Zwilling, den ich lieber mochte. Ihre Figur ist, in meinen Augen, um einiges komplexer und trotz des Mafiamilieus auch sympathischer. Zara ist mir durch alle Bände immer fremd geblieben und das ändert sich auch in diesem nicht.

Wie gewohnt wird die Handlung aus den unterschiedlichsten Perspektiven erzählt und springt auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Das hat zwar den Vorteil, dass auch die Gegenseite zu Wort kommt und durchaus Überraschendes offenbart, zum anderen verwirrt die Erzählweise aber auch und bremst den Verlauf des Hauptstrangs. Das zu Beginn recht verhaltene Erzähltempo scheint sich von Seite zu Seite zu steigern, so dass der Autor am Ende nur noch so durch die Ereignisse fliegt. Hier hätte ich mir, vor allem bei der konkreten Auflösung, doch noch einige Zeilen mehr gewünscht.

Eine Sache stört mich an der Reihe jedoch am meisten: Die Zwillinge – und vor allem Zoë – sind in der Lage, wahre Höchstleistungen zu vollbringen. Sei es der Sprung von einer Autobahnbrücke auf einen fahrenden LKW oder die Vernichtung eines kompletten Dschihadisten-Camps quasi im Alleingang. Doch immer dann, wenn es darauf ankommt, patzen sie. Dann, wenn sie ganz allein dem Drahtzieher gegenüberstehen oder dann, wenn Freunde oder Familie in Gefahr sind. Das mag durchaus menschlich sein, aber es gefällt mir nicht, wie oft dieses Motiv als Handlungsmotor eingesetzt wird. Dennoch gelingt es Alexander Oetker, dass ich einfach dranbleiben muss!

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Irgendwie amüsant, aber irgendwie auch nicht

Komplett Gänsehaut
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Es gibt diese Bücher, da weiß man nach dem Lesen sofort, was man in die zugehörige Rezension schreiben wird. Was man gut fand, was weniger gut und wie man es formulieren wird. Und dann gibt es „Komplett ...

Es gibt diese Bücher, da weiß man nach dem Lesen sofort, was man in die zugehörige Rezension schreiben wird. Was man gut fand, was weniger gut und wie man es formulieren wird. Und dann gibt es „Komplett Gänsehaut“ von Sophie Passmann. Gekauft habe ich ihr Buch, weil ich die Autorin einfach mag. Ihre Art, Dinge auszusprechen, ihren Ton, ihr ganzes Auftreten, ihr Engagement – und ehrlich gesagt hat der gelbe Buchschnitt der Erstausgabe auch eine Rolle gespielt. Wie Sophie Passmann das wohl fände? Ziemlich bürgerlich wohl, aber vielleicht auch ein wenig verständlich.

Ihr neues Buch ist ein 173 Seiten langer „Rant“, wie man so schön sagt, eine Schimpftirade also und worüber? Über sich selbst und das Leben, das sie führt. Ein Leben, so langweilig und bürgerlich, voller pseudo-intellektueller Diskussionen in schäbigen Küchen bei einem Gläschen Grauburgunder. Mit einem Freundeskreis, den man irgendwie verabscheut, aber auch liebt, denn eigentlich ist man sich doch ziemlich ähnlich. Als Leser*in findet man das zwar amüsant, aber auf eine Art auch ganz schön undankbar.

„Darf die das?“, fragt man sich. Mit 27 Jahren so schreiben, als hätte sie allein die Wahrheit des Lebens begriffen und die Gesellschaft in all ihren Facetten durchschaut. So privilegiert sein, sich dessen bewusst sein und das gleichzeitig so herabwürdigen. Natürlich darf sie das! Und manchmal ist das unheimlich komisch und so auf den Punkt, dass man sich nach dem ersten Schmunzeln ein wenig ertappt fühlt. Manches ist aber auch so bemüht, so künstlich überhöht – als wüsste Sophie Passmann ganz genau, was man von ihr hören will. (Und vermutlich weiß sie das auch.)

„Komplett Gänsehaut“ ist kein Roman und keine Biografie, sondern ein einziger langer innerer Monolog, ein „stream of consciousness“, wie man es früher im Deutschunterricht nannte. Jeder Satz fühlt sich so an, als sei er für Social Media geschrieben: provokant, gut zitierbar, aber leider eben auch wahr. Und man fragt sich unweigerlich: Ist das ehrlich gemeint oder einfach nur gute Selbstinszenierung? Ich habe keine Antwort darauf, aber dennoch mochte ich das Buch irgendwie – und irgendwie auch nicht.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Zwei miteinander verknüpfte Schicksale

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
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Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das ...

Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das Leben zur Hölle gemacht wird. Auch Thibault ist momentan nicht glücklich. Seinen Traumjob als Chirurg musste er nach einem Unfall, der ihn mehrere Finger gekostet hat, aufgeben und daher ist er schon seit Jahren für einen ärztlichen Dienst in Paris tätig. Seine Beziehung ist unglücklich, seine Partnerin stets emotional auf Distanz. Und so beschließen beide am selben Tag, dass sich ihr Leben radikal ändern muss.

Delphine de Vigan versteht es, Geschichten über ganz normale Menschen zu erzählen – über ihre Schwächen, ihre Einsamkeit und ihren Alltag. Auch in „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist ihr das gut gelungen. Bei dem Roman handelt es sich übrigens um eine Neuausgabe des bereits 2010 veröffentlichen Werkes im Taschenbuch. Erzählt wird die Handlung dieses einzigen entscheidenden Tages, wechselnd aus der Perspektive von Mathilde und Thibaut, die unweigerlich aufeinander zusteuern.

Beide Schicksale sind grandios dargestellt. An Mathildes Beispiel zeigt die Autorin auf, wie eine kleine Unstimmigkeit im Beruf zu wirklich furchtbarem Mobbing und einem Berufsleben auf dem Abstellgleis führen kann. Lange schweigt die alleinerziehende Frau, sucht die Schuld bei sich selbst und schämt sich aber auch dafür, dass sie sich so einfach hat ins Abseits drängen lassen. Angenehm ist ebenfalls, dass Thibault als der männliche Part in einer Beziehung verletzlich gezeigt wird und als derjenige, der sich mehr Liebe und Geborgenheit wünscht – er war mir von Beginn an sehr sympathisch.

Der Schluss des Romane lässt den Leser jedoch unzufrieden zurück. Ich persönlich hätte die Charaktere gerne noch etwas länger begleitet, denn so bleibt der Eindruck, die lange Einleitung zu einer Geschichte gelesen zu haben, die dann nicht zu Ende erzählt wird. Immerhin gelingt es Delphine de Vigan aber, dass ich mich noch lange frage, was wohl aus Mathilde und Thibault geworden ist. Und das ist doch auch etwas wert.

Fazit: Ein solides Werk der Autorin, aber nicht ihr bestes.

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Veröffentlicht am 05.10.2020

Jagd auf Luc Verlain

Baskische Tragödie
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Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet ...

Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet er mit Kollegin Anouk sein erstes Kind, doch dann wird am Strand reinstes Kokain angespült, ein kleiner Junge spielt damit und fällt ins Koma. Und auch Verlains mysteriöser Unbekannter meldet sich zurück, dieses Mal mit dem Ergebnis eines Vaterschaftstests und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse.

„Baskische Tragödie“ setzt nach den Ereignissen aus dem letzten Band ein und wenn ich die Handlung beschreiben sollte, so wäre das „Jason Bourne meets James Bond mit einer Prise The Saw“. Alexander Oetker mutet seinem Kommissar wirklich einiges zu: eine Festnahme, Drogenhandel, waghalsige Verfolgungsjagden, Entführungen und das alles fern von dessen Heimat, nämlich im spanischen Teil des Baskenlandes in San Sebastián. Auf sein Team muss er dabei verzichten, erhält aber Hilfe von unerwarteter Seite und zeigt dabei neue Facetten seiner Persönlichkeit.

Man kann nicht behaupten, dieser Fall sei nicht spannend; im Gegenteil fliegen die Seiten nur so dahin und dem armen Luc Verlain wird kaum eine Verschnaufpause gegönnt. Wer der große Gegenspieler unseres Kommissars ist, deutet sich dabei zwar bereits in den ersten Kapiteln an, dennoch ist es durchaus überraschend, wie sich am Ende alles zusammenfügt. Also keine Kritik? Doch, leider schon. Für mich war das nicht, was ich suche, wenn ich einen Luc Verlain-Krimi aufschlage. Ich erwarte „meinen Kommissar“, sein Team, sein übliches privates Umfeld, seine Liebe zum Essen und zu seiner Region und seine Macken. Stattdessen habe ich in „Baskische Tragödie“ etwas bekommen, das eher einem Actionfilm gleicht – eine Handlung, die man eher in Oetkers Reihe um die Zwillinge Zara und Zoe vermuten würde.

Fazit: Ein grundsolider spannender Fall, für mich jedoch insgesamt „too much“. Ich würde mir wünschen, dass der Autor in den kommenden Bänden wieder zum Altbewährten zurückkehrt, auch wenn das vielleicht nicht immer so wahnsinnig aufregend ist.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

DER Klassiker der Naturliteratur

Walden
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Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, ...

Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, was der Mensch tatsächlich zum Leben braucht. In „Walden oder Vom Leben im Wald“ berichtet er von dieser Zeit, ergeht sich zum einen in detaillierten Naturbeschreibungen, dokumentiert aber auch Wirtschaftliches, wie seine Ausgaben für den Bau der Blockhütte sowie seine Lebenshaltungskosten.

Dieses Werk ist DER Klassiker schlechthin, wenn es um den Versuch eines alternativen Lebensstils geht. Thoreau verfasste es auf der Basis seiner Tagebuchaufzeichnungen, die er stark zusammenfasste und den Text in einen symbolischen Jahreszyklus goss. Das liest sich manchmal angenehm unterhaltsam und modern, an anderer Stelle schweift der Autor jedoch ab und holt zu philosophischen Vorträgen aus, was den Lesefluss doch sehr erschwert. Thoreau war Anhänger des Transzendentalismus, einer Weltanschauung, die Gott in der Natur sucht – das ist aus jeder Zeile deutlich zu lesen.

Betrachtet man jedoch, wie sich alles in der Realität tatsächlich abgespielt hat, so wird schnell deutlich, dass Thoreau hier eher einen theoretischen Text über ein alternatives Leben in den Wäldern verfasst hat. Denn in Wirklichkeit stand diese Blockhütte auf dem Grundstück seines Mentors und guten Freundes Ralph Waldo Emerson, war nur etwa 200 Meter von der Hauptstraße entfernt und Thoreau verbrachte viel Zeit mit Einladungen bei Freunden und bekam Lebensmittelpakete von seiner Mutter, damit er auch im Wald nicht verhungern sollte.

Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Anspruch und Realität, wenn Thoreau sich über das schnelle, ausbeutende unternehmerische Leben auslässt und nach der Rückkehr aus dem Wald die Bleistiftmanufaktur seines Vaters übernimmt. Dennoch bleibt „Walden“ ein wichtiger Klassiker der Naturliteratur, der in der vorliegenden Manesse-Ausgabe nochmals ein besonderes Augenmerk verdient. Im praktischen Kleinformat passt das Büchlein in jede Tasche und überzeugt, passend zum Thema, mit einem Druck auf zertifizierten Papier und einer klimaneutralen Herstellungsweise.

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