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Veröffentlicht am 09.11.2020

Zusammenhalt, Miteinander... und eine Schneekugel!

Weihnachtsfabel
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„Wenn die Nacht finster ist, dann nimmst du eine Lampe oder ein Handy in die Hand und machst dir Licht. Aber wenn es in deiner Seele dunkel ist, womit leuchtest du dann?“

Lasst mich so viel verraten – ...

„Wenn die Nacht finster ist, dann nimmst du eine Lampe oder ein Handy in die Hand und machst dir Licht. Aber wenn es in deiner Seele dunkel ist, womit leuchtest du dann?“

Lasst mich so viel verraten – mit einem Buch wie diesem!
Irgendwo in einem Hinterhof liegt ein verstecktes Büro, man erkennt es nur am verblassten Stern auf dem Briefkasten, kein Name, keine Nummer. Und im Büro Stern, da arbeiten Korbinius und seine Gehilfin Jule. Das ganze Jahr über sammeln sie Eingaben, Bitten von Menschen, jemandem zu helfen - nicht sich selbst, so sind die Regeln!
Und in der stillsten Zeit des Jahres verweben die beiden all diese Bitten und Schicksale zu einem dichten Teppich, verknüpfen die Fäden so lange, bis sie ein wunderschönes Bild ergeben.
Dieses Jahr beginnt alles mit einer Schneekugel… Und die, obwohl fix auf einem Sockel aus Sternensplittern verankert, bringt so manches ins Rollen, bis alles an der richtigen Stelle ist…
Die Hauptperson dieser Fabel ist wohl Hieronymus Schollenbein, ein strenger Vermieter, der leidenschaftlich Schneekugeln sammelt und unversehens zu einem wirklich besonderen Stück gerät. Dadurch berührt beschließt er, der Weihnachtshasser, seinen Mietern einen Weihnachtsbaum zu schenken. So in Stimmung versetzt bewegt sich auch im Mietshaus vieles, wird zB an Türen geläutet, an denen vorher rasch vorbeigegangen wurde. Aber jeder findet in dieser Geschichte Platz und jeder ist mit jedem verbunden…
Wobei, der wirkliche Star der Geschichte ist der neue Zusammenhalt, das Miteinander – und eine Schneekugel.
Lenny Löwenstern führ uns mit seiner Weihnachtsfabel ganz nah an Menschen, wie du und ich, an einsame Witwer, verbissene Sammler, alleinerziehende Mütter. Er beleuchtet sie von allen Seiten – und mit Hilfe der Schneekugel holt er mit Korbinius und Jule auch aus ihnen das Beste raus oder bringt sie dahin, wo sie hingehören! Seine Geschichte ist real, und ebenso verträumt und versponnen. Eben weil es Menschen wie wir sind, die durch Kleinigkeiten, den berühmten Schlag eines Schmetterlingsflügels, am Ende ganz wo anders landen, als sie es erwartet haben.
Der Autor hat mich mit seinen Worten sehr berührt, ich mag seine Formulierungen mit denen er mich zum Schmunzeln und Nachdenken bringt.
So gerüstet freue ich mich – auf ein wenig Ruhe und vor allem Schnee!
Fazit: Eine zauberhafte Fabel, ein bunter Teppich aus Schicksalsfäden, bezaubernd verwebt zu einem Muster, das das Herz berührt…

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Ein bunter, lauter Midlife Coming of Age Roman mit vielen leisen Songs dazwischen – lesenswert!

Kind der 90er
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„Ich stehe ständig unter Zeitdruck, komme chronisch zu spät, habe tausend Dinge im Kopf, die noch zu erledigen sind. Das Quengeln der Kinder gibt mir den Rest und bringt meistens das Fass zum Überlaufen.“

Seite ...

„Ich stehe ständig unter Zeitdruck, komme chronisch zu spät, habe tausend Dinge im Kopf, die noch zu erledigen sind. Das Quengeln der Kinder gibt mir den Rest und bringt meistens das Fass zum Überlaufen.“

Seite 14

Als ihre beste Freundin Nina Julia dann auch noch zu einer 90iger Feier überreden will, ist sie erst gar nicht begeistert. Lieber früh ins Bett…

Doch als sie, zeitgemäß gestylt, im ehemaligen Lieblingslokal steht, ist alles wieder da – die alten Songs, die eigenwilligen Getränke und die Freunde von früher. Und Jannik, ihre Jugendliebe, samt den dazugehörigen Gefühlen…

Schon das quietschig-bunte Cover lässt Schreckliches vermuten, ja, hier werden alle Modesünden und mehr oder weniger guten Trends und Lieder der 90er wieder ausgepackt. Aber wer glaubt, dass „Kind der 90er“ ein unterhaltsam, leichter Frauenroman mit viel Retrogefühl ist, der erwartet zu wenig.

Natürlich katapultieren einen die Leckereien wie BumBum-Eis und Lieder von Blümchen über Dr. Alban, Marusha bis hin zu Guns`n Roses wieder zurück in die eigene Jugend.

Doch Julia kämpft mit mehr – denn endlich könnte sie alles haben, was sie mit 16 wollte: Jannik, die große Freiheit, keine Verpflichtungen. Das klingt doch viel aufregender als der Alltag mit zwei kleinen Kindern und einem Mann, der ständig Überstunden macht. Und so beginnt für sie eine Zeit des Nachholens, was sie früher versäumt hat, aber auch des Nachdenkens.

Man nennt die Midlife-Crisis nicht umsonst zweite Pubertät, und so ist Julias Denken und Handeln geprägt von einem Auf und Ab ihrer Gefühle im Schleudergang.

So unterhaltsam ich den ersten Teil des Buches fand, so nachdenklich und reflektiert fand ich den zweiten – das gepaart mit einem überraschenden Schluss war für mich pures Lesevergnügen!

Schnappt euch das Buch! Und mit einem letzten Ohrwurm „I know what I want and I want it now” (Culture Beat mit Mr. Vain)- entlasse ich euch in die 90er. Packt die Tigerleggins und die Neonfarben aus, es wird ein bunter Ritt!

Fazit: Ein bunter, lauter Midlife Coming of Age Roman mit vielen leisen Songs dazwischen – lesenswert!



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Veröffentlicht am 24.10.2020

Keine leichte Kost, aber definitiv lesenswert!

Die zitternde Welt
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„Er war ein Heimatloser. Denn Heimat war leider viel zu sehr das, woher er kam, als das, wo er sich einrichten hätte wollen.“

Hoffnungen, Wünsche, Träume, Erwartungen… Voll davon macht sich Maria auf ...

„Er war ein Heimatloser. Denn Heimat war leider viel zu sehr das, woher er kam, als das, wo er sich einrichten hätte wollen.“

Hoffnungen, Wünsche, Träume, Erwartungen… Voll davon macht sich Maria auf den Weg nach Anatolien, hochschwanger auf der Suche nach dem Vater des Kindes.
Wir befinden uns am Ende des 18ten Jahrhunderts, Wilhelm, der Kindsvater, war ohne sie losgezogen, die Bagdad-Bahn zu bauen und sich ein schönes Leben zu erarbeiten, bevor er Maria zu sich holt.
Und sie führen ein reiches Leben, schöner als Maria es sich in Leonding jemals erträumt hätte…
Doch das Leben und die weltpolitischen Entwicklungen haben andere Pläne, bald steht der erste Weltkrieg vor der Tür und die Familie muss sich auf den Weg machen, in eine Heimat, die keine mehr ist…
Es ist eine schwere Geschichte, die uns Tanja Paar locker formuliert serviert. Wie das Cover und der Titel zeigen, die Welt steht kopf, sie zittert unter den Schüssen der Weltkriege, unter den Erschütterungen die es verursacht, wenn große Herren ihre Interessen durchsetzen…
Über viele Jahre begleiten wir Maria, aber auch ihre Kinder, wechseln die Perspektive, flüchten in andere Länder und Identitäten. Und doch bleiben die Fragen die gleichen, wo ist Heimat, was ist mir wichtig, Wohlstand oder Sicherheit für meine Lieben, was bin ich bereit zu opfern? Und welche Opfer provoziere ich, ohne es zu ahnen?
Tanja Paar führt uns durch die Geschichte, bringt uns historischen Persönlichkeiten näher und lässt Jahreszeiten nur nebenbei einfließen. Was anfangs verwirrend war, machte für mich später den Reiz dieses Buches aus.
Manchmal fast zu hautnah lässt sie spüren, was es heißt, vertrieben zu werden, sich verstecken zu müssen, alles zu verlieren – um Ende vielleicht doch etwas Hoffnung schöpfen zu können!
Nein, „Die zitternde Welt“ ist wirklich keine leichte Kost, aber sie ist es definitiv wert, gelesen zu werden!

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Unbedingt lesen!

Der hellste Teil der Nacht
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Ich habe ein Leben gelebt, das verdammt noch mal nicht meines war, ich bin einem Takt gefolgt, zu dem ich niemals tanzen wollte. Um am Ende mit nichts dazustehen als einem Herzen mit viel zu vielen Dellen….

Nach ...

Ich habe ein Leben gelebt, das verdammt noch mal nicht meines war, ich bin einem Takt gefolgt, zu dem ich niemals tanzen wollte. Um am Ende mit nichts dazustehen als einem Herzen mit viel zu vielen Dellen….

Nach einem missglückten Interview wird Melinda auch noch von dem berühmten Autor Simeon Wiese im Internet kritisiert. Harsch kommentiert sie zurück. Und unversehens schreiben die beiden in der Anonymität des Internets über ihre Gefühle.

Ich wünschte mir ein wenig die Fähigkeit der Autorin, mit Worten zu jonglieren, um hier zeigen zu können, wie sehr mich dieses Buch berührt hat, zerstört, in Scherben auf den Boden geschmissen – und Stück für Stück wieder zusammengesetzt!
Melinda ist auch Autorin, im richtigen Leben heißt sie Ada. Sie macht eine schwere Zeit durch, immer mehr merkt sie, wie sehr sie für andere gelebt hat. Einzig bei Simeon, wenn die Nacht am dunkelsten ist, kann sie über ihre wahren Wünsche und Träume reden. Und auch er öffnet sich, wie er es nie wollte und konnte. Denn Simeon hat ein großes Geheimnis…
Was macht „Der hellste Teil der Nacht“ so besonders? Wir starten mit Adas Interview, wortgewandt wehrt sie sich gegen die Attacken des Radiomoderators und dann gegen Simeons. Schon hier mochte ich ihren Humor, ihre Schlagfertigkeit. Daraufhin intensiviert sich der Chatkontakt der beiden, in jeder Zeile spürt man, wie sie sich näher kommen, wie zwei Seelen sich treffen. Es ist unbeschreiblich, wie viel man über das Leben der zwei erfährt, obwohl wir nur den Chatverlauf kennen. Und dann kam das große Kabooom, der Wechsel.
Aus seiner Sicht erfahren wir Simeons Geheimnis, leiden mit ihm… Und wer ein wenig ehrlich ist, muss zugeben, dass auch er selbst solche Verletzungen verursacht haben kann…
Den Rest der Geschichte erzählen uns Ada und Simeon abwechselnd. Elja Janus schafft es, seitenweise nur das Fallen des Regens wie Melodie in meinen Ohren klingen zu lassen und sofort raus zu wollen um mich selbst unter die Tropfen zu stellen (obwohls bei uns grad Schneeregen bei 2 Grad über 0 hat ;) ). Ich kann nicht begreifen, wie ein Buch, das sich hauptsächlich mit Emotionen beschäftigt, so abwechslungsreich und spannend geschrieben sein kann!
Aber ich weiß, dass mich jede Zeile gepackt hat, dass die Seiten nur so dahingeflogen sind und ich danach mit einem letzten Seufzer umgeblättert habe – und am liebsten sofort wieder von vorne anfangen würde!
Unbedingt lesen!

Fazit: Wer „Gut gegen Nordwind“ gemocht hat, wird dieses Buch lieben. Quatsch, jeder mit einem Funken Gefühl muss dieses Buch lieben!

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Veröffentlicht am 07.10.2020

Lasst euch entführen in eine andere Welt, voller Spannung, Nostalgie, Zusammenhalt, Freundschaft – und Wein!

Rebenopfer
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„Führt dieser Weg denn nach Elwenfels?“, fragte er, als Erwin ruckelnd anfuhr.
„Eigentlich führe alle Wege irgendwie nach Elwenfels“, kam die Antwort. (Seite 163)

Nach einer gescheiterten Karriere als ...

„Führt dieser Weg denn nach Elwenfels?“, fragte er, als Erwin ruckelnd anfuhr.
„Eigentlich führe alle Wege irgendwie nach Elwenfels“, kam die Antwort. (Seite 163)

Nach einer gescheiterten Karriere als Polizist verdient Carlos Herb sein Geld als Privatdetektiv. Auf der Suche nach dem vermissten Messe-Magnaten Hans Strobel landet auch er ebendort, in Elwenfels. Ein merkwürdiges Dorf mit eigenwilligen Einheimischen, die trotz ihrer offenen, schräg-liebenswürdigen Art anscheinend etwas zu verbergen haben…

„Ah jo. Un wenn ma halt in de Wildnis überlebe will, dann muss ma sich mit de Eingborene gut stelle. Sonst landet ma noch im Kochtopp, gell?“ (Seite 223)

Gemeinsam mit Carlos stürzen wir kopfüber in dieses Dorf, das wie aus der Zeit gefallen wirkt. Um die Wahrheit aus ihnen herauszukitzeln, versucht er sich ein wenig anzupassen. Und ehe er es sich versieht, sitzt der passionierte Biertrinker vor einer Blumenvas voller Wein mit einem Schuss Mineralwasser und weiß nicht, wie ihm geschieht.

„Ich dachte, du trinkst keinen Alkohol“, brummte er Anthony an.
Der lächelte sein Glas an und erwiderte, ohne Carlos anzusehen: „Des is kein Alkohol. Des is Wein.“ (Seite 248)

Wenn ich soviel zitiere, dann meist, weil ich euch schon einen Vorgeschmack geben will – und weil ich mich selbst nicht entscheiden kann, was die beste Stelle war… Ich kann nicht mal genau das Genre definieren, in das „Rebenopfer“ fällt. Auf der einen Seite Krimi, mit gaaaanz viel Lokalkolorit. Auf der anderen Seite eine Satire über unsere ach so schöne moderne Welt, ein schräges Märchen, weil wir mit Carlos das Dornröschen hinter der Dornenhecke entdecken, eine mystische Geschichte, denn wo die Pfalz ist kann die Elwetritsche nicht weit sein. Und über all dem eine große Kraft, der Zusammenhalt in einem Dorf, das ein Geheimnis bewahren will…
Beim Lesen geriet für mich die Suche nach Hans Strobel fast schon ein wenig in Vergessenheit, ich habe mich verloren und wiedergefunden in der Backstube von Frau Zippel bei leckeren Brötchen, hab über die Schilder an Cordulas Unterwäschegeschäft gelacht und mich mit Anna, die den Rehen Gute Nacht sagt, auf ihrer Veranda unterhalten. Und schon die süßen, kleinen Trauben geschmeckt, die du in keinem Geschäft so kaufen kannst sondern nur frisch vom Weinstock pflücken…
Auch Carlos vergisst beinahe seinen Auftrag, schnell fühlt er sich assimiliert und fragt sich, ob er überhaupt zurück will, nach Hause. Denn das Wort hat für ihn auf einmal eine andere Bedeutung.
Gut, dass da noch zwei dunkle Gestalten in einem Saab sind, die uns und Carlos daran erinnern, dass das Rätsel um Strobels Verschwinden noch immer nicht geklärt ist!

Fazit: Lasst euch entführen in eine andere Welt, voller Spannung, Nostalgie, Zusammenhalt, Freundschaft – und Wein!

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