Völlig unangemessen gekleidet für diese Wetterverhältnisse watet die 12-jährige Hannah bei extremer Kälte durch Eis und Schnee, als der Ex-Mountie Eric Nyland sie auf einer Fahrt aufgabelt und zurück nach Hause bringt. Dabei fühlt er sich allerdings ziemlich unwohl, denn der er kennt Nigel Wilson, den ehemaligen Lebensgefährten von Hannahs verstorbener Mutter schon lange und kann diesen nicht ausstehen. Schon bald wird Hannah aufgrund von Nigels Gewaltausbrüchen vom Jugendamt aus dessen Haushalt herausgeholt, jedoch ist es kurz vor Weihnachten und eine Pflegefamilie muss erst noch gefunden werden. Hannah möchte gern solange bei Eric wohnen, der sie deshalb in seine Familie einlädt, obwohl Ehefrau Ellie nicht gerade erfreut darüber ist, haben sie doch schließlich mit genügend eigenen Problemen zu kämpfen, die ein fremdes Kind nur noch verschärft. Aber dann kommt alles ganz anders, denn Hannah ist wie ein Lichtstrahl in dunkler Zeit, der die Familie Nyland wieder enger zusammenrücken lässt…
Fran Kimmel hat mit „Hannahs Gefühl für Glück“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der zwar in der Weihnachtszeit manifestiert ist, dessen Geschichte allerdings so ganz anders ist, als man anhand des Covers und des Klappentextes vermuten würde und somit eine angenehme Überraschung darstellt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil der Autorin lässt den Leser rasch in die Handlung eintauchen, um voller Spannung auf die Ereignisse warten, die sich ihm hier offenbaren werden. War schon die Auffindung von Hannah und deren Lebensumstände eine herzzerreißende Angelegenheit, erwartet den Leser innerhalb der Nyland-Familie eine Achterbahn der Gefühle, denn hier gibt es so einige Baustellen, die das Miteinander zu einer dramatischen Zerreißprobe machen. Hat der Leser Ellies Ablehnung gegenüber Hannahs Einzug zuerst als hartherzig abgeurteilt, wird er schnell eines Besseren belehrt, denn Ellie hat so einiges am Hals, kümmert sich nicht nur um die beiden schwierigen Söhne und einen dementen Schwiegervater, sondern im Verlauf der Handlung kommt noch etwas aus den Tiefen hervor, das auf ihr Gemüt drückt. Sehr schön zu beobachten sind die Veränderungen innerhalb der Familie bedingt durch Hannahs Anwesenheit, die nach und nach zum Vorschein kommen. Mit behutsamer Hand laviert die Autorin den Leser durch die Nylandische Familiengeschichte, die mit Hannahs Hilfe einige neue Kapitel schreiben wird.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert in Szene gesetzt, ihre lebendigen menschlichen Eigenschaften wirken glaubhaft und authentisch auf den Leser, der gleichzeitig interessiert und berührt an ihrer Wandlung teilnimmt. Waisenkind Hannah wirkt mit ihren 12 Jahren einerseits jung, andererseits aufgrund ihres Schicksals auch unendlich alt. Doch trotz all des Leids ist gerade sie die Wärmedecke, die die Familie Nyland braucht, denn Hannah ist sensibel, empathisch und vor allem wahnsinnig liebenswert. Ellie fühlt sich durch die Verantwortung für alle Familienmitglieder restlos überfordert, sie hat sich selbst unterwegs verloren und funktioniert eigentlich nur noch. Eric ist ein freundlicher Mann, der sich allerdings mehr mit sich selbst beschäftigt, als seine Frau zu entlasten. So fällt auch die Beaufsichtigung seines dementen Vaters Walter in Ellies Zuständigkeitsbereich. Zusätzlich spielen Nigel Wilson, Betty Holt, Sammy und Daniel gewichtige Rollen in dieser intensiven Geschichte.
„Hannahs Gefühl für Glück“ ist ein schönes modernes Märchen, das zum Nachdenken anregt. Eine der Botschaften ist wohl „Gib und es wird Dir gegeben“, denn die Veränderungen innerhalb der Familie durch Hannahs Anwesenheit gehen ans Herz und machen einmal mehr deutlich, dass man seine Aufmerksamkeit mehr nach außen als nach innen richten sollte. Verdiente Leseempfehlung!