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Veröffentlicht am 07.11.2020

Ein toller Roman, der bis ins kleinste Detail recherchiert wurde

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
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Mit „Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre“ begibt sich Marie Lacrosse in die Welt des Hochadels und der Habsburgermonarchie und schildert die Mayerling-Affäre rund um Rudolf von Habsburg und Mary Vetsera.

Wien, ...

Mit „Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre“ begibt sich Marie Lacrosse in die Welt des Hochadels und der Habsburgermonarchie und schildert die Mayerling-Affäre rund um Rudolf von Habsburg und Mary Vetsera.

Wien, Ende des 19. Jahrhunderts: Sophie von Werdenfels ist eine junge Komtess, die sich nicht zu schade ist, auch mal im Kaffeehaus ihres Onkels Stephan Danzer auszuhelfen. Auch der Wiener Hofadel geht im Café Prinzess ein und aus und genießt die süßen Speisen und neuen Kreationen des Hauses. Hierüber lernt sie auch Richard von Löwenstein kennen. Als sich ihre Freundin Mary Vetsera in den Kronprinzen Rudolf verliebt und sogar eine Affäre mit ihm beginnt, werden beide Zeuge eines Verhältnissen das die Grundfesten der österreich-ungarischen Monarchie in seinen Grundfesten erschüttern wird.

Die Weingut-Trilogie der Autorin habe ich sehr genossen und so konnte ich mir natürlich auch diesen Roman nicht entgehen lassen, auch wenn der Adel grundsätzlich eher nicht so mein Thema ist. Bei Autor*innen, die ich kenne und wo ich weiß, dass gute Recherche hinter einem Buch steht, bin ich auch mal bereit ein bisschen aus meiner Komfortzone zu treten.
Der Schreibstil der Autorin hat mich dann auch sogleich in die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts entführt. Ich konnte mir das Kaffeehaus und die Arbeit dort, aber auch die Paläste und Schauplätze des Hochadels wunderbar vorstellen. Auch die Kleider, die hier ausführlich beschrieben werden, habe ich vor meinen inneren Augen in all seiner Pracht gesehen.
Den Adel fand ich wie erwartet eher weniger erbaulich. Alles ist darauf ausgelegt, was man nach außen hin repräsentiert. Um dazu zu gehören, muss man viel Geld investieren und wenn man etwas falsch macht und in Ungnade fällt, wird darüber geklatscht und getratscht, aber Mitgefühl spielt eher weniger eine Rolle. Die Affäre von Mary Vetsera und den Kronprinzen Rudolf war daher ein gefundenes Fressen.
Marie Lacrosse hat dazu die unzähligen Quellen ausführlich studiert und die Affäre in all seinen Details geschildert. Diese Schilderung verlangt mir großen Respekt ab, denn sie hat es geschafft, dass ich den Geschehnissen gespannt gefolgt bin, obwohl ich sowohl Mary Vetsera als auch Rudolf von Habsburg äußerst unsympathisch fand. Dennoch hat sie es geschafft in mir Mitgefühl für beide zu wecken. Ich war teilweise fassunglos ob der Ereignisse und wie skrupellos dies durch einige Personen ausgenutzt wurde.
Es war interessant, Kaiserin Sisi und Franz Joseph mal aus der historischen Perspektive zu betrachten. Ich habe die Sissi-Filme alle schon gesehen, aber ehrlich gesagt, nie so richtig bewusst, dennoch kamen mir einige Namen bekannt vor und mir sind sowohl Gemeinsamkeiten als auch deutliche Unterschiede aufgefallen. Ich mochte es sehr mal aus diesem verklärten Bild, dass man von Sisi und Franz Joseph durch die Filme hat, auszubrechen und einen Blick auf die wahren Verhältnisse zu werfen. An die Kinder kann ich mich ehrlich gesagt nicht wirklich erinnern, aber es war traurig zu sehen, dass Rudolf in dieser Familie nicht die Anerkennung gefunden hat, die er sich so sehr gewünscht hat.
Was das Buch für mich ein wenig schwierig gemacht hat, war das ich keine Figur hatte, mit der ich wirklich mitgefiebert habe. Sophie von Werdenfels ist nett, aber warum sie sich ausgerechnet in Richard von Löwenstein verliebt ist mir schleierhaft. Richard von Löwenstein bekleckert sich gerade am Anfang des Buches nicht gerade mit Ruhm. Im Laufe der Zeit wird er zwar sympathischer, aber seine Selbstreflektion am Ende des Buches fand ich schon sehr treffend. Ich fand beiden Figuren jedoch hervorragend in den historischen Kontext eingebaut, auch wenn sie mir ansonsten eher fern geblieben sind. Sehr gefreut habe ich mich über die kleinen Auftritte von Irene Gerban aus der Weingut-Trilogie, die in diesem Roman schon von Sterenberg heißt. Ich hoffe auf weitere Begegnungen in den Folgeromanen.
Das Buch ist mit umfangreichen Zusatzmaterial ausgestattet. Es gibt Kartenmaterial, ein Personenverzeichnis und ein Glossar. Im Nachwort schildert die Autorin ausführlich wie sie die Mayerling-Affäre komplett auseinandergenommen hat und anhand ihres Recherchematerials rekonstruiert hat. Man merkt dies dem gesamten Buch an und das ist etwas was ich sehr schätze. Auch Abweichungen zur Historie werden plausibel erklärt.

Fazit: Ein weiterer hervorragen recherchierter historischer Roman aus der Feder von Marie Lacrosse. Auch wenn ich mit dem Adel nicht warm geworden bin, habe ich die Ereignisse der Mayerling Affäre gerne verfolgt und ziehe meinen Hut vor der Gabe der Autorin, diese so greifbar zu schildern. Wenn ihr gut recherchierte historische Romane liebt, ist dies ein guter Lesetipp. Wenn ihr dazu noch gerne in die Welt des Adels abtaucht, umso mehr.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

1.257 Seiten und eine Welt, in die es sich lohnt, einzutauchen

Eines Menschen Flügel
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Mit „Eines Menschen Flügel“ hat Andreas Eschbach einen Science-Fiction Roman über eine Zivilisation erschaffen, in der die Menschen Flügel haben und auf einem anderen Planeten leben. Erschienen ist der ...

Mit „Eines Menschen Flügel“ hat Andreas Eschbach einen Science-Fiction Roman über eine Zivilisation erschaffen, in der die Menschen Flügel haben und auf einem anderen Planeten leben. Erschienen ist der Roman Ende September 2020 bei Lübbe.

Die Menschen leben auf einem fernen, scheinbar friedlichen und paradiesischem Planeten. Die ersten Siedler haben den Menschen Flügel gegeben, denn nicht alles ist so paradiesisch wie es scheint. Berührt man den Boden, stirbt man innerhalb weniger Momente. Doch auch der Himmel ist ein Rätsel. Dieser ist jederzeit bedeckt und gibt keinen Blick auf die Sterne frei. Die geflügelten Menschen wissen von ihren Vorfahren, dass es sie gibt und so keimt in einem jungen Mann namens Owen der Wunsch, zum Himmel zu fliegen und die Sterne zu sehen. Er schafft es, doch hierdurch wird eine Kette weiterer Ereignisse ausgelöst, die das Leben der Menschen auf diesem Planeten gefährdet.

Als ich dieses Buch entdeckt habe, war ich sofort Feuer und Flamme. Menschen mit Flügeln, ein fremder Planet, den Menschen einst besiedelt haben und irgendwas Fieses im Boden, ergibt für mich eine absolut spannende Kombination. Wie sieht das Leben mit Flügeln aus? Wie ist dieser scheinbar paradiesische Planet? Auch die 1.257 Seiten konnten mich nicht davon abhalten, dass ich das Buch unbedingt lesen möchte. Respekt hat mir die Seitenzahl dennoch eingeflößt. 800 - 1.000 Seiten lese ich durchaus häufiger, aber 1.257 sind schon eine Hausnummer.
Zum Schreibstil kann ich nur so viel sagen, dass ich diesen angenehm zu Lesen empfand. Hier hatte ich mir im Vorfeld allerdings auch keine Sorgen gemacht, weil mir NSA schon sehr gut gefallen hat. Eschbach beschreibt alles sehr genau, so dass man ein sehr klares Bild vom Planeten hat, was mir wirklich gut gefallen hat.
Der Aufbau der Geschichte ist eher gemächlich. Man lernt wirklich jeden Aspekt des Lebens auf diesem Planeten kennen. Wie leben die Menschen, was essen sie, welche Bräuche haben sie, nach welchen Regeln leben sie. Ich gebe zu, es hat bei mir etwas gedauert, bis ich das alles schätzen konnte. Die Menschen leben auf den Bäumen in Nestern und man lernt hier das Leben in unterschiedlichen Nestern genauestens kennen. Die eigentliche Geschichte, das Owen die Sterne sehen will, es schafft und damit weitere Ereignisse auslöst, läuft eher im Hintergrund mit, erhält aber auf jeden Fall die Spannung und das man erfahren möchte, was denn nun Schreckliches passieren wird.
Wäre da nicht der Hinweis gewesen, dass die Vorfahren auf diesen Planeten gekommen sind und ihre Nachfahren gentechnisch verändert haben, finde ich, hätte man das Buch auch fast für Fantasy halten können. Es hat für mich recht lange gedauert, bis weitere Aspekte aufkamen, die das Buch zu Science-Fiction machen.
Dieses Buch hat sich so klammheimlich in mein Herz geschlichen. Als die unterschwellige Gefahr zur Gewissheit wird, war ich so mit diesem Planeten und den Menschen, die darauf leben verbunden. Es ist der Wahnsinn in welcher Detailverliebtheit Andreas Eschbach diesen Planeten und das Leben darauf erschaffen hat. Es ist alles so greifbar und man möchte einfach, dass dieser Schöpfung nichts passiert.
Ich kann in diesem Buch auch keine Person im Besonderen nennen, mit der ich mitgefiebert habe. Die Kapitel sind immer aus der Sicht einer einzelnen Person geschildert und man lernt die Welt dadurch aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennen. Owen hat mich eingenommen, weil er unwiderruflich an seinem Traum die Sterne zu sehen, festgehalten hat. Kalsul wirkte zuerst unsympathisch, aber als wir die Geschichte aus ihrer Sicht ein Stück begleiten, merken wir wie sehr sie den Planeten und die Freiheit liebt, auch wenn sie zuweilen etwas zu oberflächlich wirkt. Bassaris hat mich mit seiner Treue zu Oris begeistert, dem er auf all seinen Wegen folgt, auch wenn es Gefahr bedeutet und es gibt noch so viele Personen mehr, die alle ihren Beitrag zur Geschichte leisten. Insgesamt hat der Autor hier eine Gesellschaft erschaffen, die durchaus ihre Fehler hat, aber insgesamt sehr erstrebenswert erscheint.
So begeistert ich von diesem Buch auch bin, hatte es dennoch einige Längen für mich. Besonders im letzten Abschnitt wurden einige Ereignisse nochmals aus anderer Sicht wiederholt. Ich verstehe die Notwendigkeit und das dies dem Aufbau des Buches an sich geschuldet ist, aber ich empfinde es dennoch als eher weniger gelungen. Das Ende des Buches insgesamt betrachtet, fand ich schon gut, aber es wirkte auf mich auch ein wenig nüchtern. Das Emotionale und das Epische was ich in den Seiten davor hatte, war plötzlich weg und irgendwie fühlte ich mich da ein wenig beraubt.

Fazit: 1.257 Seiten und eine Welt, die es sich definitiv lohnt zu Entdecken. Die Ausführlichkeit, in der sich Andreas Eschbach das Leben auf diesem fremden Planeten ausgedacht hat, ist bemerkenswert und sich eine Gesellschaft auszudenken, die so greifbar ist, dass man sie unbedingt schützen möchte, ist für mich persönlich eine besondere Kunst. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung, auch wenn ich kleinere Kritikpunkte hatte.

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Veröffentlicht am 10.10.2020

Ein toller Start in die Dilogie rund um die Soulman und den Tod

Ministry of Souls – Das Schattentor
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„Ministry of Souls - Das Schattentor“ ist der erste Teil einer Dilogie von Akram El-Bahay, in der es um die Zwischenwelt, einem Reich der Toten, geht und die durch gewisse Ereignisse in Gefahr gerät. Erschienen ...

„Ministry of Souls - Das Schattentor“ ist der erste Teil einer Dilogie von Akram El-Bahay, in der es um die Zwischenwelt, einem Reich der Toten, geht und die durch gewisse Ereignisse in Gefahr gerät. Erschienen ist der Roman Ende September 2020 im Lübbe-Verlag.

London, 1850: Es ist ein ungewöhnlicher Tag als der angehende Soulman Jack Smith auf seinen ersten Außeneinsatz geschickt wird. Als Soulman arbeiter er für das Ministerium für endgültige Angelegenheiten und ist dafür verantwortlich die Seelen der Toten in die Zwischenwelt zu bringen. Er wird in den Buckingham Palace geschickt, wo eine Delegation aus einem weit entfernten orientalischen Reich ermordet wurde. Doch eine der Personen lebt noch. Als sich Jack um die Prinzessin kümmern will, wird er von einem Schatten angegriffen. Der einzige Weg sie zu retten, besteht im Brechen eine der wichtigsten Regeln der Soulman und so bringt er die Prinzessin in die Zwischenwelt. Als er sie kurz darauf wieder zurückholen will, ist die Pforte bereits verschlossen und Jack steht vor einem großen Problem.

Ich gebe zu, ich war etwas skeptisch, denn London als Schauplatz fand ich ungewöhnlich für den Autor und auch das Cover deutete für mich auf eine ganz andere Art von Fantasy-Geschichte hin als ich es sonst vom Autor gewohnt bin. Meine Ängste waren allerdings unbegründet und spätestens beim Lesen der Leseprobe war ich schon verliebt in diese Geschichte. Akram El-Bahay verbindet die Dilogie geschickt mit einer anderen seiner Reihen, denn dieses Buch stammt aus der Bibliothek der ungeschriebenen Bücher.
Der Schreibstil zieht einen sofort in die Geschichte hinein. Die Stimmung und die Zeit des Ortes sind gut eingefangen. Man kann sich alles sehr gut vorstellen. Es ist gleichzeitig sehr fantasievoll, aber noch so nah an der Realität dran, dass es fast schon wieder realistisch erscheint und der Autor ist seiner Linie treu geblieben und vermischt wieder einmal unterschiedliche Kulturen auf wunderbare Weise miteinander.
Ich war begeistert von den Ideen, die hier eingeflossen sind. Einige Motive erkennt man aus seinen vorherigen Romanen wieder, diesmal wurden allerdings auch bekannte Aberglauben mit in die Geschichte eingebaut. Es geht im Besonderen um die Zwischenwelt, in der die Seelen der Toten vor ihrer Reise ins Jenseits gebracht werden und um Katzen, denen einiges in Bezug auf den Tod nachgesagt wird. Verbunden wird dies mit sagenhaften Gestalten aus 1001 Nacht und Legenden rund um einen persischen Gelehrten und seine Bücher.
Eingewoben ist das alles in eine äußerst spannende Geschichte, die relativ ruhig startet, einem aber zum Ende hin kaum Luft zum Atmen lässt. Aufgelockert wird das Ganze mit Humor. Ich mochte die teilweise sehr trockenen humoristischen Einlagen und habe mich köstlich amüsiert. Mit dem Tod geht es hier an sich, um ein sehr ernstes Thema, aber der Autor hat es geschafft, dies in ein neues Licht zu rücken. Mir gefiel die Vorstellung von der Zwischenwelt und dem Tod als Fortsetzung des Lebens.
Mit den Personen im Buch habe ich mitgefiebert. Jack, der angehende Soulman, ging mir bisweilen manchmal etwas mit seiner Art auf die Nerven. Man merkt dennoch schnell, dass er das Herz am rechten Fleck hat und nicht auf den Kopf gefallen ist, auch wenn er sich manchmal etwas begriffsstutzig gibt. Seine Wehrhaftigkeit und der unbedingt Wille die Prinzessin zu retten, hat mir sehr imponiert.
Die Prinzessin ist natürlich keine gewöhnliche Prinzessin. Sie lässt sich von den Motiven ihres Vaters leiten,ist äußerst intelligent und kann kämpfen, wenn es sein muss.
Mein heimlicher Held dieser Geschichte ist allerdings der Archivar Oz. Er kommt erst sehr unscheinbar daher, als Nerd, der in seinen Büchern lebt, aber ich verspreche euch, von ihm könnt ihr einiges erwarten und auch der Geist Agathas ist mir sehr ans Herz gewachsen. Die Dame möchte nicht wirklich von der echten Welt Abschied nehmen und ist manchmal echt schlagfertig.
Die Liebesgeschichte in diesem Buch ist mein einziger Kritikpunkt. Sie wirkte auf mich klischeehaft und es ging mir deutlich zu schnell. Vielleicht gibt es hier im zweiten Band nochmal eine Erklärung, warum sich gerade diese beiden Personen ineinander verlieben, aber der Funke in dieser Hinsicht ist bei mir nicht übergesprungen.
Das Ende dieses ersten Teiles ist gelungen. Das Buch endet in gewisser Weise mitten in der Geschichte, der Handlungsbogen des ersten Teils wurde allerdings zu einem guten Ende geführt und in Teil zwei kann man dann mit frischen Kräften starten. Ich bin gespannt, welche Geheimnisse die Zwischenwelt noch so zu bieten hat.

Fazit: Ein toller Start in eine neue Reihe, in der es um den Tod und das Danach geht. Auch wenn die Aufmachung etwas irreführend ist, so hat Akram El-Bahay wieder einmal bewiesen, dass er Einflüsse aus unterschiedlichen Kulturen wunderbar miteinander verweben kann. Empfehlenswert für alle, die spannende und fantasievolle Geschichten mit einer gehörigen Portion Humor mögen.

Veröffentlicht am 19.09.2020

Auch mit seinem neuesten Kingsbridge Roman kann mich Ken Follett überzeugen

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit
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„The Evening and the Morning“ ist das Prequel zu Ken Folletts Bestseller „Die Säulen der Erde“ und erzählt die Geschichte wie Kingsbridge rund um die Jahrtausendwende zu seinem Namen kam. Erschienen ist ...

„The Evening and the Morning“ ist das Prequel zu Ken Folletts Bestseller „Die Säulen der Erde“ und erzählt die Geschichte wie Kingsbridge rund um die Jahrtausendwende zu seinem Namen kam. Erschienen ist der Roman im September 2020 bei Pan Macmillan. Die deutsche Version ist unter dem Titel „Kingsbridge: Der Morgen einer neuen Zeit“ bei Lübbe erschienen.

England, 997: Das Leben Edgars soll sich an diesem Morgen dramatisch ändern. Hat er kurz zuvor noch die Flucht mit seiner heimlichen Liebe geplant, wird er nun überrascht vom Angriff der Wikinger und der vollkommenen Zerstörung seiner Heimatstadt. Die Familie verliert alles und beginnt ein neues Leben auf einer heruntergewirtschafteten Farm in Dreng‘s Ferry. Diese gehört zum Herrschaftsgebiet von Shiring, in dem eine illustre Familie an der Macht ist. Besonders Bischof Wynstan dürstet es nach unbegrenzter Macht und er ist bereit dafür alles zu tun.
Bruder Aldred träumt davon seine Abtei in einen Ort des Wissens und des Lernens zu verwandeln. Auf der Suche nach neuen Büchern reist er sogar bis in die Normandie, wo er die Tochter Graf Huberts kennenlernt, die ihn mit ihrer Intelligenz beeindruckt. Ihre Wege sollen sich wieder kreuzen als Ragna als Braut Wighelms von Shiring nach Shiring kommt.

Wo Ken Follett drauf steht, ist auch Ken Follett drin. „The Evening and the Morning“ ist ein sehr typischer Follett-Roman. Man weiß ganz genau, wer die Guten und die Bösen sind, man ahnt schon wer zusammen kommen wird und auch das Ende ist kein großes Geheimnis. Man könnte meinen, dass es dadurch langweilig wird, aber das empfand ich nicht so. Es ist manchmal auch ganz schön genau zu wissen, worauf man sich einlässt und ich liebe Ken Follett einfach.
Der Schreibstil zieht einen schnell in die Geschichte rein und ich mag es, dass der Wortschatz eher einfach gehalten ist. Einfach ist hier nicht gleichzusetzen mit schlecht. Manche mögen das so empfinden, aber für mich macht es Ken Follett zum perfekten Autor, um ein Buch mal im Original zu lesen. Ich mag den klaren Erzählstil und höre beim Lesen mittlerweile seine Stimme in meinem Kopf.
Der Spannungsbogen ist klar aufgebaut und steigert sich mit Fortschreiten des Buches. Diesmal muss ich sagen, hat er es auf den letzten 20% leider übertrieben. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass es mir bei „Die Säulen der Erde“ mittlerweile ähnlich ergehen würde. Die ersten 80% war das Buch für mich ein echter Wohlfühlroman. Man hat neue Informationen über die Zeit mitgenommen, man hat das Leben um die Jahrtausendwende und die Personen kennengelernt. Man hat an deren Leben teilgenommen und mitgefiebert. Wenn auch vorhersebar, war für mich bis dahin alles gut, aber dann finde ich, wurde es ein bisschen zu grausam, die Handlungen mancher Personen wurden für mich nicht mehr nachvollziehbar und manchen habe ich das Happy End so nicht gegönnt. Was sehr schade ist, denn ich wollte dieses Buch einfach nur von ganzem Herzen lieben.
Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass dies nicht genauso gewollt ist vom Autor. Ken Follett hat ein sehr klares Konzept für seine Romane, was er auch offen kommuniziert. Alle paar Seiten muss es eine Wendung geben, er möchte die Masse mit seinen Romanen erreichen und er mag es, dass die Personen eindeutig Gut oder Böse zugeteilt werden können, aber genauso war es sicher Kalkül, dass man über das Ende und die Ereignisse geteilter Meinung sein kann und so Diskussionen entstehen.
Das klingt jetzt fast schon ein wenig zu negativ, denn ich habe das Buch ja wie immer über weite Strecken genossen. Ich habe es genossen endlich mal wieder in einer anderen Zeit als dem 19. und 20. Jahrhundert unterwegs zu sein. Ich habe viel über das Leben zu jener Zeit gelernt, über die Unterschiede zwischen Normannen und Angelsachen, über das Rechtssystem und dass das Christentum zwar schon verbreitet war, aber sich noch nicht so streng an die Regeln gehalten wurde. Es gab für mich einige skurile neue Informationen zu entdecken und ich bin mir sicher, Ken Follett hat wieder super recherchiert. Immerhin hat er hierfür ein ganzes Team verfügbar.
Mit den Personen im Roman habe ich mitgefiebert, wenn auch nicht ganz so intensiv wie erhofft. Ragna hat mich beeindruckt mit ihrem Gespür für die Menschen. Sie weiß wie man Menschen für sich gewinnt, sie kann regieren und strategisch denken, ist intelligent und auch von Hindernissen lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Manchmal wirkte sie auf mich fast schon ein bisschen zu berechnend und von der Liebe hat sie eine sehr idealistische Vorstellung.
Edgar war so gut, dass es fast schon ein wenig weh getan hat. Er glaubt an die eine große Liebe und ist ein sehr treuer Mensch. Wenn es darum geht, etwas zu bauen, macht ihm keiner was vor. Er beobachtet und kann seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen und versucht es dann einfach selber und oftmals klappt das erstaunlich gut.
Aldred mochte ich sehr aufgrund seiner Wissbegierde und seiner Rechtschaffenheit. Ich war beeindruckt, wie hartnäckig er für seine Träume kämpft und wie er sich auch von Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lässt.
„The Evening and the Morning“ ist ein Roman, der nicht die geschichtlichen Ereignisse in den Vordergrund rückt, sondern der eine fiktive Geschichte vor historischem Hintergrund erzählt. Nur ab und zu hören wir von wichtigen historischen Ereignissen. Es gibt daher in diesem Roman kein wirkliches Nachwort, sondern nur eine kleine Danksagung. Auch ein Personenverzeichnis vermisst man in diesem Roman. Die Personenanzahl ist allerdings übersichtlich und man droht nicht durcheinander zu kommen.

Fazit: Ein historischer Roman in typischer Follett-Manier, der über weite Strecken zu überzeugen weiß. Gut recherchiert mit tollen Figuren, die zwar eindeutig in Gut und Böse unterteilt werden können, aber einen dennoch für sich einnehmen können. Historische Ereignisse spielen weniger eine Rolle, sondern das Leben um die Jahrtausendwende steht im Vordergrund.

Veröffentlicht am 25.07.2020

Ein spannendes Szenario, das äußerst realistisch wirkt

Divided States of America
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Claudia Kern entwirft in ihrem Roman „Divided States of America“ ein erschreckendes Szenario, in dem Amerika tief gespalten wird. Die Taschenbuchausgabe ist im Juli 2020 im Cross Cult Verlag erschienen. ...

Claudia Kern entwirft in ihrem Roman „Divided States of America“ ein erschreckendes Szenario, in dem Amerika tief gespalten wird. Die Taschenbuchausgabe ist im Juli 2020 im Cross Cult Verlag erschienen.

Johnson wurde zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Schon der Wahlkampf hat die Menschen von Amerika in einen tiefen Zwiespalt getrieben. Doch das Dekret das der neue Präsident erlässt, soll das Land noch viel weiter spalten. Er führt eine Ausweispflicht für alle ein und öffnet so Rassismus und Hass Tür und Tor. Millionen illegale Einwanderer und Flüchtlinge werden vom einen auf den anderen Tag zu Kriminellen erklärt und besitzen plötzlich keinerlei Lebensgrundlage mehr.

Eines vorweg: Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven und es lässt mich extrem gespalten zurück. Ziemlich am Anfang habe ich sogar übers Abbrechen nachgedacht, weil in diesem Buch Rassismus, Antisemitismus und Nazisprache reproduziert werden und mir ist dabei richtig schlecht geworden. Ich vermute, dass das von der Autorin auch so gewollt ist. Dieses Buch soll in gewisser Weise schocken. Letztendlich habe ich das Buch doch weiter gelesen und beendet, weil es mehrere Perspektiven gibt und mich die Entwicklung sowie das letztendliche Gesamtbild sehr interessiert haben.
Fangen wir daher diesmal mit den unterschiedlichen Perspektiven im Buch an. Wir erleben die Geschichte aus dem Blickwinkel illegaler Einwanderer, die seit Jahren und Jahrzehnten als Mitbürger in Amerika gelebt und sich in dieser Zeit nichts zu Schulden lassen kommen haben. Es gibt einen ehemaligen Talkmaster mit rassistischem Gedankengut, der zum Präsidenten von Amerika gewählt wurde und vollkommen überfordert ist. Wir haben Politiker, die aus taktischen Gründen dazu bereit sind über Leichen zu gehen. Wir haben Polizisten mit Migrationshintergrund, die engagiert sind im Kampf gegen Terrorismus. Es gibt eine Sekte voller Nazis mit Hang zur nordischen Mythologie und das Militär hat auch einzelne Kapitel im Buch.
Das sind sehr viele Perspektiven für ein Buch, die einen umfangreichen Einblick in das oben genannte Szenario gewähren. Ich fand das sehr spannend zu verfolgen und es hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Gerade für die illegalen Einwanderer wird die Situation teilweise sogar lebensbedrohlich. Es wurde keine Partei für eine bestimmte Perspektive ergriffen, sondern man kann sich das Ganze als Außenstehender anschauen und muss sich auch seine eigenen Gedanken dazu machen. Die geschilderte Situation im Buch ist sehr komplex, aber ich empfand das Ganze auch als realistisch in seinen Wechselwirkungen. Im weiteren Verlauf des Buches gab es noch einige Szenen, wo ich echt schlucken musste, in welchen Extremen sich das teilweise entwickelt hat.
Das Buch hat nicht eine eindeutige Hauptperson. Die einzelnen Perspektiven halten sich mehr oder minder die Waage. Im Gedächtnis geblieben ist mir Sam Jenner, der in der Nazi-Sekte aufgewachsen ist und dennoch im Verlauf des Buches sich selber hinterfragt und sich nicht wirklich wohl fühlt mit den Lehren, die ihm vermittelt worden sind. Das Schicksal der illegalen Einwanderer ist mir nahe gegangen, teilweise sind die Namen dennoch für mich verschwommen und ich konnte sie nicht immer eindeutig zuordnen. Präsident Johnson erinnert in Teilen doch sehr an eine uns allen wohl bekannte Person, aber ich empfand ihn als charismatischer und sympathischer. Das Bild wandelt sich mit der Zeit je mehr man von seiner Überforderung mitbekommt.
Politik, das Taktieren, das damit verbunden ist und deren Auswirkungen spielen eine große Rolle in diesem Roman. Ich wäre definitiv nicht als Politiker geeignet. Es war interessant mitzuverfolgen wie verworren das Ganze ist und was man bereit sein muss, dafür aufzugeben. Der Roman zeigt gut, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern, dass da viel Grau ist und dass es wohl keinen Politiker gibt, der nicht irgendwas rücksichtslos zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Es lässt einen finde ich etwas resigniert zurück, denn das Bild was wir von Politikern sehen, ist ein geformtes und die Wahrheit kann deutlich anders sein als es die äußere Fassade vermuten lässt.
Es fällt sehr schwer zu diesem Buch etwas Neutrales zu schreiben, aber ich hoffe, ich konnte euch ein ungefähres Bild von dem Vermitteln, was einen im Buch erwartet, ohne zu viel vorwegzunehmen. Den Schreibstil empfand ich als angenehm zu lesen. Gerne hätte ich noch mehr zum Hintergrund erfahren, wie die Autorin auf die Idee zum Buch gekommen ist und welche Art von Recherche in dieses Buch eingeflossen ist. Ich bin überzeugt davon, dass hier auf jeden Fall einiges an Recherche eingeflossen sein muss, weil man, glaube ich, einen ganz guten Überblick darüber braucht, wie es generell in Amerika so zu geht, gesellschaftlich wie auch politisch.

Fazit: Ein spannendes Szenario, das sehr realistisch wirkt und einem zum Nachdenken bringt. Man bekommt einen tiefen Einblick in die Gesellschaft Amerikas und wie diese womöglich auf eine so gravierende Änderung wie eine Ausweispflicht für Amerikaner reagieren würde, die weite Teile der Gesellschaft plötzlich ausschliesst. Leider kommt das Buch nicht ohne die Reproduktion von Rassismus, Antisemitismus und Nazisprache aus. Empfehlenswert für alle, die sich gerne auf dieses Gedankenexperiment einlassen möchten und nicht vor komplexen Zusammenhängen zurückschrecken.

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