Ramona Blue
Ramona BlueObwohl ich Julie Murphys Debüt "Dumplin'" schon sehr mochte, konnte mich die in Texas lebende Autorin mit "Ramona Blue" überraschen. Mit einer großartigen Protagonistin hatte ich gerechnet. Dass sie so ...
Obwohl ich Julie Murphys Debüt "Dumplin'" schon sehr mochte, konnte mich die in Texas lebende Autorin mit "Ramona Blue" überraschen. Mit einer großartigen Protagonistin hatte ich gerechnet. Dass sie so ein tiefes, intensives Setting bauen, dass sie so lässig über Homosexualität schreiben und mich mit einer sehr besonderen Liebesgeschichte, auf die ich mich zuerst gar nicht einlassen wollte, so sehr rühren würde, damit habe ich nicht gerechnet.
Ramonas kämpft mit den typischen Problemen eines jungen Mädchens, das irgendwie auf der Schwelle zwischen Teenager und erwachsen sein steht. Und gleichzeitig ist sie so wenig Stromlinienförmig und als Protagonistin abgedroschen, dass ich sie vom ersten Moment an in mein Herz schließe.
Ihr Alltag ist nicht gerade leicht. Sie hält sich mit diversen Jobs über Wasser, denn für Ausgaben wie Kleidung oder College, haben ihre Eltern kein Geld. Die leben getrennt, zur Mutter hat sie wenig Kontakt, zum Vater ein inniges Verhältnis. Gemeinsam mit ihm, ihrer Schwester Hattie und deren Wanzenartigem Freund Tyler, lebt sie in einem viel zu engen Trailer. Hurrikan Katrina hat ihr Elternhaus und die Ehe ihrer Eltern zerstört, Ramonas Leben für immer verändert.
Ramona leidet unter Liebeskummer. Was für sie wie eine Sommerromanze begann, fühlte sich zum Ende des Sommers nach großer Verliebtheit an. Für das andere Mädchen, das zum ersten Mal gleichgeschlechtlich geküsst hat, ist es eher kompliziert. Neben dem akuten Problem der Sehnsucht, trifft sie ein andere Belastung viel mehr. Sie leidet unter einer Verschiebung der Eltern-Kind-Fürsorge. Sie ist vernünftig, empathisch, verantwortungsbewusst. Übernimmt die Rolle der Mutter (und des Vaters), obwohl sie die Jüngste der Familie ist.
"...aber der Gedanke, dass ich jemandes beste Freundin bin, erfüllt meine Brust mit Sommer."
Erst als Freddi, ihr Kumpel aus Kindertagen wieder auftaucht, und aus ehemaligen Spielereien eine Freundschaft erwächst, und beide gemeinsam zum Schwimmtraining gehen, hat Ramona das Gefühl ein bisschen Last abgeben zu können. Trotzdem bleibt sie das Mädchen aus der sozial schwachen Familie. Ohne Zukunft. Ohne Hoffnung. Mit einem Haufen verrückter Freunde und einem Riss im Herzen.
Murphy hat eine ganz wunderbare Geschichte geschrieben, die mich von der ersten Seite an gepackt und auf den letzten Seiten zu Tränen gerührt hat. Diese starke Protagonistin, die so viel Last auf ihren Schultern trägt und innerlich einfach ein Mädchen ist, das Erfahrungen sammeln, das etwas vom Leben sehen, lernen und geliebt werden möchte. Ich liebe dieses von Murphy geschaffene Konstrukt so sehr, dass ich "Ramona Blue" ganz unbedingt empfehlen möchte.
Murphys Erzählton ist lässig, unaufgeregt, mit viel Tiefe und Herz und obwohl an einigen Stellen vorhersehbar ist, was passieren könnte, fühle ich mich nie in einem künstlich herbeigeführten Konstrukt, sondern immer im Gefühl, dass die Geschichte einfach so weitergehen muss, wie sie weitergeht. Weil das so sein muss. Weil das so sehr Ramona ist. Weil das passt und weil Murphy mit so viel Herz diese Geschichte geschrieben hat, dass ich auch mein Herz an "Ramona Blue", an den kompletten bunten und verrückten Haufen liebenswerter Figuren verloren habe.