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Veröffentlicht am 06.11.2020

Historischer Heimatroman - Achtung: Dialekt!

Eine Räuberballade
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Der Westerwald im 18. Jahrhundert ist sicher kein geo-historisches Setting, mit dem ich mich zuvor schon einmal beschäftigt hätte. Aber man soll sich ja immer mal wieder aus der eigenen Lese-Komfortzone ...



Der Westerwald im 18. Jahrhundert ist sicher kein geo-historisches Setting, mit dem ich mich zuvor schon einmal beschäftigt hätte. Aber man soll sich ja immer mal wieder aus der eigenen Lese-Komfortzone hinausbewegen und das habe ich mit "Eine Räuberballade" wahrlich gemacht. Es ist der dritte und abschließende Teil von Annegret Helds "Westerwald-Chronik". Die Autorin geht dabei chronologisch in der Zeit zurück. Während der erste Teil "Apollonia" (erschienen 2012) das 20. Jahrhundert beleuchtet, geht es in "Armut ist ein brennend Hemd" (2015) um die prekären Verhältnisse der dörflichen Bevölkerung im 19. Jahrhundert. Nun also besuchen wir das Jahr 1796. Während Goethe und Schiller in Weimar ihre Verse schreiben und mit Kant die Philosophie der Aufklärung entsteht, ist es um die Bildung der Dorfbevölkerung im tiefsten Westerwald weniger gut bestellt. Es sind die "einfachen Leute", die in diesem Buch zu Wort kommen - und das in ihrer eigenen Mundart, dem "Westerwälder Platt". Gottesfürchtig führen die Scholmerbacher und die anderen Westerwälder ein glanzloses und bescheidenes dörfliches Leben. Nur die junge Generation begehrt auf: Hannes, der Sohn des frommen Wilhelm, sucht nach den Züchtigungsbestrebungen seines Vaters das Weite und schließt sich - eher unfreiwillig - einer Räuberbande an. Auch die junge Gertraud möchte nicht in Scholmerbach versauern und geht als als Magd eines Müllers ins Nachbardorf. Der Leser folgt ihren Coming-of-Age-Geschichten und darf sich außerdem fragen, ob Hannes’ Vater Wilhelm es schafft, Scholmerbach mit einer eigenen Kirche auszustatten und seiner dementen Frau Lina treu zu bleiben. Überhaupt sind es die Freuden der körperlichen Vereinigung, die im Buch viel Raum einnehmen und die die Figuren umtreiben.

Der Roman hat einen ganz eigenen spröden Charme. Man spürt die Liebe der Autorin für ihre Charaktere, die sich mit Bauernschläue und Gottvertrauen ihr Stück vom Glück abtrotzen wollen, mit jedem Wort. Die Charaktere bleiben bei aller scheinbaren Lebendigkeit aber dennoch sehr schematisch. Sie wirken nicht wie echte Menschen sondern wie figurative Sinnbilder, die für etwas stehen sollen. Ein modernes Einfühlen in die Figuren ist meiner Meinung nach nicht möglich.

Zu Sprache und Erzählweise: Die Verwendung des Dialekts (z.B. "Eysch" = Ich; "Dou" = Du, "meysch" = mich) in den Dialogpartien stellt eine ziemliche Herausforderung für den Leser dar, der mit dieser sehr speziellen Mundart nicht vertraut ist. Natürlich trägt es zur Authentizität der Geschichte bei, allerdings geht diese auf Kosten der Lesbarkeit. Ich muss ehrlich sagen, dass mich persönlich das Lesen dieses Dialekts unheimlich angestrengt und zeitweise auch genervt hat, so dass ich zwischendurch immer wieder kurz vorm Abbruch des Buches stand. Ansonsten ist die Sprache teilweise - auch in den Erzählpassagen - künstlich “einfach” gehalten und derb, mit Kraftausdrücken wird nicht gespart. Der Roman wird außerdem nicht durch Kapitel unterteilt. Lediglich Absätze markieren eine Änderung des Settings. Es gibt Zeitsprünge, z.B. vom Jahr 1796 ins Jahr 1798, aber auch diese werden nur durch "normale" Absätze gekennzeichnet.

Fazit: Eine interessante historische Milieustudie, die für mich aufgrund des Dialekts dennoch ein hartes Stück Lesearbeit war. Kann ich nur für Liebhaber mundartlich gefärbter Heimatromane oder der Region empfehlen.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Trauriges Manifest einer Übriggebliebenen

Ungebunden
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Beziehungen lassen sich nicht erzwingen, Liebe ist unberechenbar. Also kann uns in unseren modernen differenzierten Zeiten voller unbegrenzter Möglichkeiten auch niemand garantieren, dass wir in unserem ...

Beziehungen lassen sich nicht erzwingen, Liebe ist unberechenbar. Also kann uns in unseren modernen differenzierten Zeiten voller unbegrenzter Möglichkeiten auch niemand garantieren, dass wir in unserem Leben einen (oder mehrere) Partner finden, mit ihm oder ihr eine Familie gründen und im Alter händchenhaltend auf der Gartenbank sitzen. Die Zeit der Konvenienzehen ist vorbei und somit entscheiden auch nicht mehr unsere Eltern, mit wem wir durchs Leben gehen. Wir entscheiden es - scheinbar, denn was machen, wenn wir niemals ein Gegenüber finden, das genau das auch will und zwar mit uns? Von exakt diesem Problem handelt Malin Lindroths Essay "Ungebunden", ein schmales Sachbuch von gerade einmal 112 Seiten. Für sie heißt das Problemphänomen "Alte Jungfer" und die Autorin bezeichnet sich selbst als solche: Sie ist Mitte fünfzig, unverheiratet, kinderlos, heterosexuell und hatte seit ihren frühen Zwanzigern keine feste Beziehung mehr, nur noch zwanglose Affären. Eine "Jungfrau" im herkömmlichen Sinne ist sie also nicht, sie hat es nur nicht geschafft, eine dauerhafte feste Beziehung zu einem männlichen Gegenpart einzugehen und eine Familie zu gründen. Für die westliche Gesellschaft, die für Frauen immer noch die konventionelle Lebensform Familie mit eigenen Kindern vorsieht, ist sie also eine Gescheiterte. Vor allem für Frauen ist Beziehungslosigkeit, die in den meisten Fällen auch mit Kinderlosigkeit einhergeht, ein Stigma.

Lindroth dekonstruiert nicht das Klischee von der Alten Jungfer, im Gegenteil. Sie weigert sich, ihre "Altjungfernschaft" als Triumph anzusehen und sie etwa als individualistische Entscheidung für ein autonomes Leben zu stilisieren, denn das war sie nicht. Die Liebe hat sich einfach nicht ergeben. Obwohl sie als Frau ihren Beitrag zur Gesellschaft anderweitig geleistet hat, nämlich als Journalistin, die zum Wissenserwerb und kulturellen Überbau ihres Landes beigetragen hat, sieht sie sich als erfolglos an, denn in der Welt der Liebe und Familie hat sie es nicht geschafft zu prosperieren. Aus dem Essay spricht sehr viel Verbitterung und ganz unverhohlen auch Neid gegenüber den Frauen, die es eben geschafft haben, dem Schicksal der "Alten Jungfer" zu entgehen. Lindroth feiert alle anderen Altjungfern der Geschichte, wie z.B. Bertha von Suttner, die ihre ganze Liebe eben nicht in einen Mann und Familie, sondern beispielsweise in wohltätiges Handeln gesteckt haben.

Sollte man sich selbst als "Alte Jungfer" definieren, würde ich "Ungebunden" nicht als Gute-Nacht-Lektüre empfehlen, denn ich finde der Grundtenor zieht schon etwas runter, macht die Leserin traurig statt ihre Lebenssituation als Möglichkeit zur Selbstentfaltung und als modernen weiblichen Lebensentwurf zu feiern. Vielleicht ist aber genau das der Sinn dieses Buches: Lindroth ist unfreiwillig kinderlos und Single geblieben und das findet sie einfach doof, ungerecht und niederschmetternd. Dahinter steckt ganz viel Seelenschmerz, den die Autorin in ihrem "Manifest einer Übriggebliebenen", wie ich es nennen möchte, verarbeitet. Ich kann sie verstehen, würde sie gerne in den Arm nehmen und finde das Thema auch sehr wichtig, dennoch bin ich mir unsicher, ob die Lektüre für die Zielgruppe bereichernd ist oder ob sie einfach nur noch mehr deprimiert.

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Veröffentlicht am 13.10.2020

Wenig romantisch, kaum witzig, dafür sehr politisch

Just Like You
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Wenn man einen Roman von Nick Hornby lesen möchte, weiß man in der Regel vorher, was einen in etwa erwartet: Beziehungen/Liebe, Fußball, Musik. Irgendeines dieser Themen - wenn nicht sogar alle drei - ...

Wenn man einen Roman von Nick Hornby lesen möchte, weiß man in der Regel vorher, was einen in etwa erwartet: Beziehungen/Liebe, Fußball, Musik. Irgendeines dieser Themen - wenn nicht sogar alle drei - verarbeitet der britische Erfolgsautor mit Sicherheit, darauf kann man ein Pint in seinem Londoner Lieblingspub trinken, denn dort spielt auch die Handlung des neuesten Hornby-Romans.

Die männliche Hauptfigur von “Just like you”, der 22-jährige Joseph aus dem sozialen Brennpunkt-Bezirk Tottenham, ist Amateur-DJ, der auf die große Karriere als Musikproduzent hofft. Außerdem spielt und konsumiert er gerne den ur-englischen Sport Fußball. Damit hätten wir schon einmal zwei von Hornbys Lieblingsthemen abgedeckt. Joseph, der als Aushilfe in einer Metzgerei bedient, verliebt sich in die 42-jährige Lehrerin Lucy, die dort als Kundin einkauft. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen in der Vorpubertät, von ihrem Exmann, einem Alkoholiker und Dorgenkonsumenten, lebt sie frisch getrennt im Stadtteil Islington, einem familiären Mekka der Gutsituierten. Wer jetzt denkt, die Welten der beiden Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, der irrt, denn neben dem divergierenden soziokulturellen Background und dem eklatanten Altersunterschied, haben die beiden auch noch verschiedene Hautfarben: Joseph ist schwarz, Lucy weiß. Hornby erzählt uns hier also die Liebesgeschichte zweier sehr unterschiedlicher Menschen, wobei das Alter natürlich die allergrößte Rolle spielt. Die Konstellation junger Mann und ältere Frau gibt es zwar gelegentlich in der Literatur, dennoch ist sie selten und gesellschaftlich noch stärker tabuisiert, als die umgekehrte Variante. Dieses Thema hat mich auch verleitet, mich für den Roman zu interessieren sowie natürlich der immer bei Hornby zu erwartende Humor.

Die Handlung spielt sich hauptsächlich vom Frühling bis zum Herbst 2016 ab und damit rund um das “Brexit-Referendum”, bei dem am 23.06.2016 der Austritt Großbritanniens aus der EU vom britischen Volk beschlossen wurde. Hornbys Figuren nehmen auch unterschiedliche Positionen zum Brexit ein, wobei die liberal denkende Lucy natürlich für die EU und damit dagegen ist. Der Twen Joseph kann sich nicht so richtig für eine Seite entscheiden.

Hat mich das Buch mitgerissen, hat es meine Erwartungen erfüllt? Ich muss dazu leider “nein” sagen. Die Liebesgeschichte hat mich nicht wirklich überzeugt, es kommt viel zu wenig “Gefühl” auf. Das Bedingungslose einer Liebe, die gegen jede gesellschaftliche Konvention gelebt wird, ist hier leider nicht zu finden. Stattdessen bleibt vieles vage und in der Schwebe, einiges wird nur erzählt statt erzählerisch dargestellt. Auch Humor und Ironie sind mir in diesem Roman leider zu kurz gekommen, obwohl das Buch im Original als "brutally funny" angepriesen wird. Der Grundton ist doch recht ernst und “mainstreamig”. Zum Teil liegt das meiner Meinung nach auch an der etwas holprigen Übersetzung. Für mich leider kein Highlight, aber durchaus lesbar.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Trennungstagebuch einer “Jederfrau”

Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau
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Überspitzt formuliert: Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Frauen, die zwischen ihrem vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr von ihrem Mann verlassen werden - bevorzugt für eine Jüngere - sowohl ...

Überspitzt formuliert: Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Frauen, die zwischen ihrem vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr von ihrem Mann verlassen werden - bevorzugt für eine Jüngere - sowohl im Leben als auch in der Literatur tragische Figuren sind. Jugendliches Aussehen und Fruchtbarkeit haben sich weitestgehend verabschiedet und sie haben die vermeintlich “besten Jahre” dem Mann geschenkt, der sie nun sitzen lässt. Niemand möchte so ein “banales” Schicksal erleiden und darüber zu lesen, ist auch irgendwie unangenehm.

Die Ich-Erzählerin Diane Delaunais aus “Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau” hat genau so ein Schicksal ereilt, denn ihr Mann Jacques hat sie nach 28 gemeinsamen Jahren, kurz vor der Silberhochzeit, für ein 30-jähriges Model verlassen. Sie sei “langweilig” geworden und er habe sich eben neu verliebt. Die 48-jährige berufstätige Mutter von drei erwachsenen Kindern ist wie vor den Kopf gestoßen. Sie erlebt alle Phasen der “Trennungstrauer” von Nicht-Wahrhaben-Wollen über unkontrollierte Emotion, Vergangenheitsverklärung bis hin zur Suche und Findung eines neuen Ichs und dem Abwerfen des alten Ballasts.

Die Geschichte spielt in einem suburbanen Setting, aber nicht etwa, wie man auf den ersten Blick aufgrund der frankophonen Namen meinen könnte, in Frankreich, sondern im französischsprachigen Teil von Kanada. Die Autorin Marie-Renée Lavoie
stammt aus Quebec. Es gibt aber für mich kaum spezifisches Lokalkolorit und landestypische Eigenheiten, also könnte die Handlung in jeder französischsprachigen Vorstadt der westlichen Welt spielen, in der es lautstarke Laubbläser und gärtnernde Nachbarn gibt. Diane Valois ist eine "Jedefrau", denn überall auf der Welt werden Frauen in ihrem Alter von ihren Männern verlassen und müssen den Neuanfang als Single im fortgeschrittenen Alter wagen.

Es wird sehr episodisch erzählt, die Kapitel sind dabei relativ kurz und haben schon durch die Kapitelüberschriften einen anekdotischen Charakter. Es ist kein akkurates Tag-für-Tag-Tagebuch, sondern enthält szenisch erzählt Begebenheiten aus dem Leben der Hauptfigur, die sich im Rahmen der Trennung von ihrem Mann ereignet haben.

Das Buch spielt mit dem Attribut “langweilig” auf augenzwinkernde Weise. Das Cover konterkariert schon mal den Titel, denn es ist mit dem offen schreienden Mund alles andere als “langweilig”. Leider hört es da aber auch schon auf, denn die Hauptfigur Diane bezeichnet sich auch selbst als langweilig und meint, sie habe ein durchschnittliches Leben gelebt. Ab und zu musste ich schmunzeln, aber laut und extrovertiert wie das Cover ist die Handlung auf keinen Fall. Diane gerät in ein paar “tragikomische” Situation, die eigentlich mehr traurig als komisch sind. Manchmal war ich sogar eher berührt von dem, was ich gelesen habe, als dass ich. Das Kapitel mit den Nachbarn zum Beispiel hat mich ergriffen. Die Szene mit dem “Hutzelmännchen” auf dem Land war dann eher eine weniger gelungene Wiederholung dieser Begegnung.

Das Gelesene war keinesfalls schlecht, allerdings weckt dieser Roman durch Marketing und Cover falsche Erwartungen. Es ist für mich am ehesten eine tragikomische Bestandsaufnahme einer verlassenen Ehefrau und nicht etwa das Tagebuch einer Bridget Jones 2.0 in der Menopause. Wer keine Schenkelklopfer und Lachanfälle erwartet, wird nicht enttäuscht werden.


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Veröffentlicht am 11.08.2020

Eher “Mittelmaßallee” als Walk-of-Fame

Daisy Jones and The Six
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Mehrere Wochen über hat mir “Daisy Jones & The Six” als Einschlaflektüre gedient und als solche ihren Zweck voll erfüllt: Schon nach ein paar Seiten habe ich das Buch ohne Probleme weglegen und in einen ...

Mehrere Wochen über hat mir “Daisy Jones & The Six” als Einschlaflektüre gedient und als solche ihren Zweck voll erfüllt: Schon nach ein paar Seiten habe ich das Buch ohne Probleme weglegen und in einen entspannten Schlaf driften können. Ein “wilder Ritt”, wie es in einer der begeisterten Besprechungen hieß? Naja, für mich war das eher Ponyreiten auf dem Jahrmarkt. Aber von vorne.
“Daisy Jones and The Six” erzählt die Geschichte einer fiktiven Band in den 1970ern. Man wird also keine Songs dieser Band irgendwo auf Platte oder im Netz finden, auch nicht die Fotos von den Cover-Shootings, die ausführlich beschrieben werden und schon gar nicht die Artikel im “Rolling Stone”, die der Band im Buch zu ihrem berühmt-berüchtigten Ruf verhalfen.
Die Erzählweise, zugegeben, ist mal was anderes. Das Buch ist komplett im Interviewstil verfasst worden. Heißt in diesem Fall, alle Band-Mitglieder und einige wichtige Bezugspersonen derselben, kommen in Ich-Perspektive zu Wort. Einen Interviewer als solchen gibt es zunächst nicht, nur gegen Ende des Buches werden wir überrascht mit der Erkenntnis, wer eigentlich der Verantwortliche für diese "Memoiren" ist. Die einzige Unterteilung, die vorgenommen wird, ist eine chronologische in Form von Kapiteln, die den Werdegang von “Daisy Jones and the Six” anhand von wichtigen Stationen der Bandgeschichte nachzeichnen. Also von der Gründung bis zum Zerfall der Band mit einem Ausblick in die Gegenwart.
So und jetzt kommen wir zum Inhalt und zu Sex, Drugs & Rock n’Roll. Ja, jedes der drei Attribute, die wir mit der Musikgeschichte der wilden Siebziger verbinden, finden wir auf die ein oder andere Weise in der Handlung widergespiegelt. In Billy Dunne, dem Frontmann sowie in der Frontfrau Daisy Jones, finden wir alle Eigenschaften, die einen Musikstar dieser Zeit vermeintlich kennzeichnen: Immer zugedröhnt, ständig auf der Suche nach dem schnellen Kick, ein hohes Geltungsbedürfnis und natürlich ein außergewöhnliches musikalisches Talent. Billy und Daisy sind quasi amerikanische Klischee-Rockstars der Siebziger Jahre. Um ein wenig “Tragik” in die Handlung zu bringen, versucht Billy von Alkohol und Dope loszukommen und einen konservativen Weg als treusorgender Familienvater einzuschlagen. Seine Nemesis taucht dann in Form von Daisy auf, die ihren Rockstar-Weg einfach durchzieht, ohne Rücksicht auf Verluste. Dass die beiden wie magnetisch voneinander angezogen sind und ihre Zuneigung vor sich selbst und anderen als Abneigung, ja sogar als Hass definieren, ist schon ein wenig melodramatisch. "Wir waren zwei Hälften. Wir waren dieselbe Person." Sie dürfen ihre Liebe nicht leben, denn Billy ist ja verheiratet und Daisy eine zugedröhnte Ikone. Das ganze Buch dreht sich eigentlich um die (Hass-)Liebe der beiden, die anderen Bandmitglieder spielen eine untergeordnete Rolle. Bis auf Graham und Karen, die als Figuren ein wenig profilierter sind, sind alle anderen eher Klischeetypen, die eine Band halt braucht: der Säufer, der Groupie-Liebhaber, der misanthrope Gitarrist, der Über-Manager, etc.
Ich muss leider sagen, das Buch hat mich nicht abgeholt. Die Abgründe waren mir zu flach, die Story zu platt und die Figuren zu klischeehaft. Einzig die Idee und Erzählweise fand ich recht innovativ.

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