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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.10.2020

Ein außerordentlich erfolgreiches Debüt ...

Meine Schwester, die Serienmörderin
1

… ist Oyinkan Braithwaites "Meine Schwester, die Serienmörderin": ihr erster Roman hat bereits den britischen Preis „Crime & Thriller Book of the Year“ 2020 gewonnen.
Für ihren Erstling hat die Autorin ...

… ist Oyinkan Braithwaites "Meine Schwester, die Serienmörderin": ihr erster Roman hat bereits den britischen Preis „Crime & Thriller Book of the Year“ 2020 gewonnen.
Für ihren Erstling hat die Autorin ein Thema aus dem Kriminalgenre gewählt. Es geht um zwei sehr unterschiedliche Schwestern. Die ältere, Korede, ist Krankenschwester von Beruf, zwar nicht hübsch, aber äußerst verantwortungsbewusst; die jüngere Ayoola ist eine Schönheit, die jedoch keine Empathie zu haben scheint. Ihr ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und der Beschützerinstinkt ihrer Schwester gegenüber zwingen Korede, Dinge zu tun, die ihr Gewissen belasten. Ihr kommt zwar der Gedanke, aus diesem Muster auszubrechen, doch letztendlich erweist sich, dass „Blut dicker als Wasser“ ist.
Braithwaites Roman dreht sich jedoch nicht nur um Bluttaten und deren Verschleierung. In sehr unterhaltsamer Weise webt sie soziale Aspekte ein, wie sie in der nigerianischen Gesellschaftsstruktur zu finden sind. In sachlicher, schnörkelloser Sprache deutet sie immer wieder an, aus welchem Grund die so verschiedenen Schwestern bei aller Rivalität solidarisch sind. Sarkastisch nimmt sie das Patriarchat aufs Korn. Auch zwischen den Zeilen findet der aufmerksame Leser Hinweise, die Charakter und Handlungsweise der Schwestern erklären können. Insgesamt bietet ihr Roman einen unterhaltsamen Mix aus Krimi und Familienroman, mit Anklängen an eine Liebesgeschichte und etlichen überraschenden Wendungen.

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Veröffentlicht am 13.10.2020

Zeitlos

Der Krieg der Armen
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Das Leben und Wirken Thomas Müntzers, der die Bauernaufstände zu Beginn des 16. Jahrhunderts angeführt hat, ist Thema in Vuillards neuem Buch. Doch lediglich als Biografie hat der Autor seine Novelle nicht ...

Das Leben und Wirken Thomas Müntzers, der die Bauernaufstände zu Beginn des 16. Jahrhunderts angeführt hat, ist Thema in Vuillards neuem Buch. Doch lediglich als Biografie hat der Autor seine Novelle nicht geplant; denn der Lebensweg Müntzers wird nur flüchtig und äußerst knapp dargestellt. Viel wesentlicher ist der soziale Aspekt, Müntzers Aufruf an seine Landsleute, sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch die weltlichen und kirchlichen Machthaber zur Wehr zu setzen.
Vuillards extrem kurze Novelle schildert auf nur 64 Seiten die Fakten und Müntzers Anliegen. Allerdings ist sie nicht so einfach „herunter" zu lesen; der Autor wählt einen knappen Schreibstil, seine Sprache wechselt zwischen altertümlich und modern. Immer wieder bezieht er sich auf historische Ereignisse und Namen, die man als Leser seines Buches kennen sollte.
Müntzer war beileibe nicht der erste, der gegen die Willkür von Reichen und Mächtigen predigte und zum Widerstand gegen die Obrigkeit aufrief. So erzählt Vuillard in aller Kürze von seinen Vorgängern in anderen Ländern, etwa John Wyclif in England und Johannes Hus in Prag. Und es gibt moderne Nachfolger, die zwar keine Aufstände geführt, aber ihre revolutionären sozialen Ideen in Schriften festgehalten und veröffentlicht haben: Namen wie Marx, Bloch oder Nietzsche, die Vuillard in seine Erzählung einflicht, holen den Leser immer wieder in die Gegenwart zurück und lassen ihn über die heutigen Verhältnisse nachdenken. Wie ist Besitz in unserem Zeitalter verteilt? Wie stehen wir zu den Ungerechtigkeiten und der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, Macht und Ohnmacht?


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Veröffentlicht am 09.10.2020

Politik, Liebe, Tod

Die rechtschaffenen Mörder
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„Im Antiquariat Paulini … erlebte ich, was Hingabe an die Literatur bedeutete.“
Aus dem Blickwinkel des jungen Schultze, der seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, erfolgreich in die Tat umsetzt, nehmen ...

„Im Antiquariat Paulini … erlebte ich, was Hingabe an die Literatur bedeutete.“
Aus dem Blickwinkel des jungen Schultze, der seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, erfolgreich in die Tat umsetzt, nehmen wir an dem Leben des Dresdner Antiquars Norbert Paulini teil. Der junge Paulini wächst in der DDR auf, buchstäblich zwischen den zahlreichen Büchern seiner Mutter, die zu Lebzeiten ein kleines Antiquariat führte. Paulini setzt diese Tradition fort, weitet sein Angebot auf Autorentreffen und -lesungen aus und muss sich gegen vielerlei Hindernisse behaupten. Als schließlich die Wiedervereinigung stattfindet, fühlt er sich von einigen seiner Autorenfreunde verraten: sie ziehen in den Westen und machen in der BRD Karriere.
In seinem gehobenen, aber gut und flüssig lesbaren Stil schildert Schulze, wie nach und nach Paulinis rechte Gesinnung und die seines Sohnes Julian sichtbarer und zunehmend radikaler werden. Er lässt zwar autobiografische Details in seinen Roman einfließen, ist jedoch nicht mit dem Ich des Erzählers identisch. Politik, eine verwickelte Liebesgeschichte und schließlich sogar krimihafte Details werden von Schulze zu einem vielschichtigen Roman verabeitet, der wirklich lesenswert ist.

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Erfolgreiches Ermittlerduo

Das schwarze Schaf
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Ein Verbrechen auf Hof Baskeltorp? Der allseits beliebte Hütehund Gutti ist spurlos verschwunden! Die Menschen machen den bösen Wolf, der im nahe gelegenen Wald zu Hause ist, dafür verantwortlich. Das ...

Ein Verbrechen auf Hof Baskeltorp? Der allseits beliebte Hütehund Gutti ist spurlos verschwunden! Die Menschen machen den bösen Wolf, der im nahe gelegenen Wald zu Hause ist, dafür verantwortlich. Das schwarze Schaf Texel jedoch ist kein „dummes Schaf“. Es hat gute Gründe, nicht daran zu glauben und eine eigene Theorie zu entwickeln. Gemeinsam mit seinem neuen Freund, dem Maulwurf Dr. W. Winnewurp, macht es sich daran, den Fall zu lösen; denn es gibt tatsächlich auch einige Verdächtige auf dem Bauernhof…
Annette Roeders locker und in jugendlicher Sprache verfasste Geschichte um das merkwürdige Ermittlerteam kommt bei dem jungen Publikum sicher gut an. Spannend und gleichzeitig witzig geht es zu, wenn Texel und sein Assistent ihre Überlegungen anstellen. Junge Leser ab 8 Jahren können selbst mitraten und versuchen, das „Rätsel von Baskeltorp“ zu lösen. Nicht nur Texels helles Köpfchen hilft, den verzwickten Vermisstenfall zu lösen. Die Freundschaft der beiden so unterschiedlichen Tiere und die ihnen eigenen Fähigkeiten machen sie zu einem erfolgreichen Team. Da beide frei sind von Vorurteilen, klappt die Zusammenarbeit bestens.
Ein großes Lob gebührt auch der Illustratorin Stefanie Jeschke, die den Figuren zusätzlich Ausdruck verleiht: ihre naiv gehaltenen Bilder nehmen den humorvollen Ton der Geschichte auf und ergänzen den Text. Auf den Vorsatzseiten erhält der kleine Leser zusätzlich einen Überblick über den Tatort Bauernhof. Ein fröhliches kleines Extra ist Winnewurps Regenwurm, der sich mit uns durch die komplette Erzählung schlängelt…

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Die Zukunft unserer Kinder

2084
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Stellen Sie sich vor, wir machen einen Zeitsprung und landen im Jahr 2084. Wie mag das Leben auf unserer Erde sich dann darstellen? Der Geochemiker und Schriftsteller James Powell macht mit uns diese Zeitreise ...

Stellen Sie sich vor, wir machen einen Zeitsprung und landen im Jahr 2084. Wie mag das Leben auf unserer Erde sich dann darstellen? Der Geochemiker und Schriftsteller James Powell macht mit uns diese Zeitreise und zeigt uns eine erschreckende Zukunft. Drastisch führt er uns vor Augen, welche dramatischen Folgen die globale Erderwärmung haben könnte. Geschickt nutzt er die Taktik, Stimmen aus diversen Ressorts zu Wort kommen zu lassen: Politiker, Journalisten, Ingenieure, Wissenschaftler äußern sich in fiktiven Interviews.
Sie schildern eindrücklich - und vor allem auch für Nicht-Fachleute gut verständlich - die Katastrophen, die im Verlauf der 2000er Jahre die Erde in einem Maße verändert haben, dass erhebliche Teile unbewohnbar geworden sind. Bereits heute wissen wir um die Dürren und Feuersbrünste, Überflutungen und Gletscherschmelzen, die den Klimawandel deutlich machen. Aber welche Auswirkungen werden wiederum diese Katastrophen nach sich ziehen? Hier malt der Autor ein düsteres Bild von Klimaflüchtlingen, Kriegen und Artensterben. Alle Interviewpartner sind sich darüber einig, dass die Gefahren zwar weitestgehend schon im augehenden 20. Jahrhunderts bekannt waren, jedoch vielfach schlichtweg geleugnet wurden, aus Desinteresse oder aber Profitgier. Aber „ es wird keine Gewinner geben“ - so das ernüchternde Fazit, das der Leser am Ende des Buches ziehen kann.
Doch ganz ohne mögliche Lösung aus dem Dilemma will Powell seine Leser nicht entlassen. Die allerdings hat für mich einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen; denn auch die Nutzung von Kernenergie wirft ernste Probleme auf, die bei weitem noch nicht gelöst sind.
Dennoch: Er rüttelt auf, will mahnen und dazu bewegen, dass die Zeit nicht nur mit Konferenzen über Klimaschutz vertan, sondern endlich gehandelt wird. Um Powells Schlusssatz zu zitieren: Sind wir menschliche Wesen oder Schafe?

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