Bewegende Geschichte
Ein Jahr voller WunderWas macht man, wenn die Erde sich plötzlicher langsamer dreht, Tage und Nächte sich nicht länger als solche anfühlen, und die halbe Welt von einer Apokalypse spricht? - Man macht weiter wie bisher, nur, ...
Was macht man, wenn die Erde sich plötzlicher langsamer dreht, Tage und Nächte sich nicht länger als solche anfühlen, und die halbe Welt von einer Apokalypse spricht? - Man macht weiter wie bisher, nur, dass man Entscheidungen als etwas Endgültigeres und die Zeit hier auf Erden allgemein als umso befristeter ansieht.
Sie erfahren in den Nachrichten davon. Erst mal passiert nichts. Dann werden die Tage immer länger, und um drei Uhr nachmittags steht man plötzlich im Stockdunkeln.
Geschrieben ist die Geschichte aus Sicht der zwölfjährigen Julia, eines Mädchens, das so sein will wie alle anderen und irgendwie doch nicht. Sie erlebt, was in diesem Alter jeder erlebt: Freundinnen, die sich von einem lösen, und die erste Liebe. Und all das erscheint ihr irgendwie bewusster, endgültiger, weil Entscheidungen nicht länger so getroffen werden können, als hätte man ewig dafür Zeit.
Julia gehört zu einer dieser Protagonistinnen, bei denen nichts leichter fällt, als sich in sie hineinzuversetzen. Man teilt ihre Ansichten, ihre Gedanken. Es ist, weil sie realitätsnah und griffbereit sind, und je weiter man in das Buch vordringt, umso mehr werden dem Leser auch ihre Wünsche und Hoffnungen aufgedrängt. Kurz: Es ist, wie es in dem klassischen Buch sein sollte.
Das Cover empfinde ich in diesem Fall als unglücklich gewählt, weil Titel und Bild mehr auf eine schicksalhafte Liebes-, beziehungsweise Familiengeschichte setzen zu scheinen, anstatt den Kern des Buchs zu beleuchten. Wir haben es hier mit einer romanartigen Dystopie zu tun, die sich - soweit im Rahmen einer Apokalypse möglich - an unserer Realität orientiert. Und trotz allen Zukunftsängsten und Wissenschaftsspekulationen kommen im Vergleich zu anderen Dystopiepen die emotionalen Konflikte innerhalb einer Familie nicht zu kurz, sondern stellen ein Schlüsselelement der Geschichte dar. Man hätte dieses Buch auch ohne Apokalypse, Erdverlangsamung etc. schreiben können, und es wäre trotzdem ein gutes Buch gewesen. Genau das ist es, was den meisten Action- oder Fantasyromanen in ihrem Klassifikationsbereich abhanden kommt, und weshalb ich hier vier von fünf Sternen vergebe.
Der Erzählstil der Autorin behagte mir zuerst nicht, weil er mir zu einfach und schlicht aufgebaut war, aber mit den Seiten, die verflogen, gewöhnte ich mich daran. Indem sie Themen auf ihren Kern bringt, zeigt die Autorin, dass sie keine weitschweifigen Umschreibungen braucht, um Sätze miteinander zu verweben, und dass die schönsten Liebesgeschichten ohne große Worte sind.
Ich habe mich in diese Geschichte verliebt, obwohl ich es nicht vorhatte. Und dass das geht, zeigt die Autorin mit diesem Buch.