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Veröffentlicht am 21.10.2020

Belle Island - Fluch oder Segen?

Das Geheimnis von Belle Island
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1819 England. Seit 10 Jahren schon hat 30-jährige Isabelle Wilder die Insel Belle Island aufgrund eines alten Familienfluchs nicht mehr verlassen. Als in London der Vermögensverwalter sowie Isabelles Vormund ...

1819 England. Seit 10 Jahren schon hat 30-jährige Isabelle Wilder die Insel Belle Island aufgrund eines alten Familienfluchs nicht mehr verlassen. Als in London der Vermögensverwalter sowie Isabelles Vormund Mr. Percival Norris ermordet wird, wird sein Anwaltskollege Benjamin Booker von seinem Chef Mr. Hardy mit der Aufklärung des Falles betraut. Benjamin reist nach Belle Island, da Isabelle als Hauptverdächtige gilt. Schon bald wird ein zweiter Mord verübt und die Stricke um Isabelle ziehen sich immer enger zusammen. Doch Benjamin will nicht daran glauben, dass Isabelle die Täterin ist, zu sehr schon fühlt er sich zu ihr hingezogen. Darüber hinaus gibt es noch einige andere Personen in Isabelles näherem Umfeld, die ebenso verdächtig sind und durchaus ihre ganz eigenen Motive haben…
Julie Klassen hat mit „Das Geheimnis von Belle Island“ einen sehr unterhaltsamen und spannenden Roman vorgelegt, der in der Regency-Zeit angesiedelt ist. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lädt die Autorin den Leser auf eine Zeitreise in die Vergangenheit ein, um sich auf Belle Island einzunisten, die dortigen Geschehnisse hautnah mitzuerleben und selbst als Ermittler tätig zu werden, um den Mörder zu entlarven. Vor farbenprächtiger Kulisse erlebt der Leser nicht nur eine alleinstehende Frau, die sich neben einer Korbflechterei auch um ihre geliebte Nichte kümmert, während sie sich um ihre Unabhängigkeit bemüht, sondern erfährt nach und nach auch um ihre Ängste um ihre merkwürdigen Träume und den alten Familienfluch. Ebenso darf man Benjamin über die Schulter schauen, der schon durch seinen im Prolog mitzuerlebenden verlorenen Prozess etwas eingeschüchtert ist und unbedingt diesen Makel von seiner Weste wischen möchte, indem er den wahrhaft Schuldigen in diesem Fall erwischt. Die Autorin beweist mit ständig neuen Wendungen, den zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander, einer wachsenden Zahl an verdächtigen Protagonisten und einer immer weiter ansteigenden Spannung ihr ganzes schriftstellerisches Können. Die Geschichte ist zu keinem Zeitpunkt für den Leser vorhersehbar und birgt in ihrem Schluss eine doch sehr große Überraschung. Auch der christliche Aspekt ist unaufdringlich und sensibel mit der Handlung verwebt. Die Hauptthemen hier sind Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Fürsorge, Vertrauen und Vergebung, die wunderbar innerhalb der Handlung umgesetzt werden.
Die Protagonisten sind liebevoll gestaltet und besitzen mit ihren menschlichen Eigenschaften glaubhafte Charakterprofile. Der Leser hat bei der Lektüre die Aufgabe, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, was oftmals nicht so einfach ist. Isabelle ist eine warmherzige und liebevolle Frau, die aufgrund von Angst in Abgeschiedenheit lebt und sich dabei fürsorglich um ihre Nichte Rose kümmert. Benjamin ist ein junger, aufstrebender Anwalt, der noch grün hinter den Ohren ist. Manchmal wirkt er etwas einfältig und unbedarft, jedoch macht er im Verlauf der Geschichte eine Wandlung durch, die ihm mehr Selbstbewusstsein verleiht. Rose ist eine junge Frau, die noch sehr naiv wirkt und auch nur so ist zu erklären, wie sie sich auf ihren Verlobten Adair einlassen konnte. Dieser ist mit allen Wassern gewaschen. Dr. Grant ist ein geheimnisvoller Mann, während Mr. Hardy sich undurchdringlich und sehr unterkühlt gibt.
„Das Geheimnis von Belle Island“ überzeugt nicht nur mit einer zarten Liebesgeschichte, sondern vor allem mit einer spannenden Handlung, die einem alten Kriminalroman gleicht. Wer während der Lektüre gerne selbst als Ermittler tätig ist, dem wird dieser historische und gut durchdachte Roman ausgezeichnet gefallen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2020

"Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll." (J.W. v. Goethe)

White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht
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Weihnachten 1937. Als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer hat es Irving „Berlin“ Baline weit gebracht, denn er ist inzwischen ein erfolgreicher Jazz-Komponist. Das Weihnachtsfest hat einen besonderen Platz ...

Weihnachten 1937. Als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer hat es Irving „Berlin“ Baline weit gebracht, denn er ist inzwischen ein erfolgreicher Jazz-Komponist. Das Weihnachtsfest hat einen besonderen Platz in seinem Herzen, denn neben besonders glücklichen Momenten birgt es auch einen herben Verlust. Ausgerechnet in diesem Jahr muss er aufgrund von Dreharbeiten die Feiertage fernab von seiner Familie in Kalifornien verbringen und vermisst nicht nur diese, sondern auch den für die Jahreszeit typischen Frost und Schnee. Gerade diese Gefühle bringen ihn dazu, einige Songs zu komponieren, wobei auch „White Christmas“ entstand…
Michelle Marly hat mit „White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht” eine interessante und vor allem unterhaltsame Geschichte mit biografischen Zügen über das Leben eines Mannes vorgelegt, der mit seiner damaligen Komposition ein Lied erschaffen hat, das bis heute als erfolgreichstes Weihnachtslied aller Zeiten gilt. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil der Autorin macht es dem Leser leicht, in der Zeit zurückzuwandern und Irvings Werdegang kennenzulernen. Marly erzählt die Geschichte aus der Sicht von Ellin MacKay, der Ehefrau von Irving. So erlebt man als Leser nicht nur Irvings Anfangszeiten, als er noch als Kellner und Zeitungsjunge tätig war, sondern auch seine Anfänge als Komponist, der nie Notenlesen gelernt oder Klavierunterricht gehabt hat. Er ist ein Selfmade-Künstler, der sich alles selbst erarbeitet hat, Klavierspielen nach Gehör lernte und die Tonfolgen aus seinem Herzen aufs Papier gebracht hat. Auch die Liebe zwischen Ellin und Irving war von großen Schwierigkeiten geprägt, denn sie gehörten nicht nur verschiedenen Glaubensrichtungen an, auch ihre Familie hatte große Vorbehalte gegen den ärmlichen jüdischen Musiker. Doch Ellin kämpfte wie eine Löwin für ihre große Liebe, begibt sich sogar nach Israel, um den Glauben ihres zukünftigen Mannes besser kennenzulernen. Marlys Erzählweise ist famos, denn als Leser hat man nicht nur das Gefühl, während der Lebensgeschichte der beiden Ellins Stimme zu lauschen, auch die bildhaften Beschreibungen der unterschiedlichsten Handlungsorte lassen sofort Bilder vor dem inneren Auge entstehen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten versehen. Sie wachsen dem Leser schnell ans Herz, so dass das Miterleben, -fühlen und –fiebern richtig Freude macht. Irving ist ein ruhiger, eher introvertierter Zeitgenosse, der sich alles mit viel Fleiß und vor allem Talent erarbeitet hat. Er lebt für die Musik, bringt viele wunderschöne, heute noch geliebte Melodien aufs Papier. Seiner Frau Ellin ist er tief verbunden, man könnte sagen, die beiden sind seelenverwandt, haben sich gesucht und gefunden. Ellin ist eine resolute und mutige Frau, die sich gegen Widerstände stellt. Sie kämpft für ihr Glück und hat in der Beziehung die Hosen an. Dabei strahlt sie Liebe und Fürsorge aus.
„White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht” versprüht nicht nur schon vorweihnachtliche Stimmung, sondern erzählt neben der Entstehung des berühmten Weihnachtsliedes auch von der tiefen Liebe zwischen dem Komponisten und seiner Frau. Wunderschön zu lesen und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 17.10.2020

Mit Hulda auf Spurensuche im alten Berlin

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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1923 Berlin. Hulda Gold hat über die Vermittlung ihres Vaters im Scheunenviertel wieder einen Einsatz als Hebamme und hilft der strenggläubigen jüdischen Mutter Tamar bei der Geburt eines kleinen Jungen. ...

1923 Berlin. Hulda Gold hat über die Vermittlung ihres Vaters im Scheunenviertel wieder einen Einsatz als Hebamme und hilft der strenggläubigen jüdischen Mutter Tamar bei der Geburt eines kleinen Jungen. Seitdem sind zwei Tage vergangen und Hulda möchte sich nur vergewissern, dass es Mutter und Kind gut geht. Doch das Baby ist verschwunden und Hulda bringt aus der Kindsmutter keinen Ton über den Verbleib des Kindes heraus. Die Sache gefällt Hulda gar nicht und stachelt ihren Spürsinn an. Was ist mit dem Kind geschehen? Sie muss es unbedingt herausfinden, horcht die Nachbarn aus, die ihr allerdings eher ausweichen als weiterzuhelfen. Während Hulda sich auf Spurensuche nach dem Baby begibt, hat ihr Freund Kommissar Karl North ganz andere Sorgen, denn er muss sich mit Kinderhändlern rumschlagen. Ob das verschwundene Baby in deren Hände gelangt ist? Hulda und Karl nehmen jeder für sich die Verfolgung auf, um Schlimmeres zu verhindern….
Anne Stern hat mit „Scheunenkinder“ den zweiten Teil ihrer Gold-Trilogie um Hebamme Hulda vorgelegt, der den Leser auch diesmal mit tollem historischem Hintergrundgeschehen sowie einer spannenden Geschichte von Anfang bis Ende überzeugen kann. Mit flüssigem, bildhaftem, fesselndem und gefühlvollem Schreibstil nimmt die Autorin mit ins alte Berlin der 20er Jahre, wo er sich an Huldas Fersen heftet und ihr nicht nur bei der Betreuung ihrer Wöchnerinnen über die Schulter schaut, sondern mit ihr gemeinsam auch ein verschwundenes Baby sucht und dabei in ein Wespennest stochert. Wieder einmal punktet Anne Stern nicht nur mit wunderbar recherchiertem Hintergrund, den sie mit ihrer Handlung geschickt zu verweben weiß, sondern lässt die alten Zeiten mit farbenfrohen Beschreibungen wieder aufleben, die beim Leser während der Lektüre regelrecht einen Film vor dem inneren Auge in Gang bringen. Die Nationalsozialisten bekommen immer mehr Zulauf und die Anfeindungen gegen die Juden nehmen zu, was Stern den Leser innerhalb der Geschichte auf beängstigende Weise eindrucksvoll miterleben lässt. Auch die Inflation hält Einzug und die Menschen können sich kaum noch etwas leisten. Hulda selbst hat nicht nur als Hebamme einiges um die Ohren, sondern sieht sich auch privat mit so einigen Hindernissen und Realitäten konfrontiert, mit denen sie zurechtkommen muss. Spannend vermischt Anne Stern Historie, zwischenmenschliche Beziehungen und Krimielemente zu einem wahren Pageturner mit Suchtpotential, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in Atem hält.
Lebendige Charaktere überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften und stehlen sich ins Leserherz. Hulda ist eine fleißige, selbstbewusste, starke und recht unkonventionelle Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist und ihre Aufgabe als Hebamme sehr ernst nimmt. Ihre Neugier und ihre Sturheit bringen sie oftmals in Teufels Küche, aber gerade das lässt den Leser regelrecht an ihr kleben. Kommissar Karl North ist eigentlich ein lieber Kerl, der manchmal unnahbar wirkt und die schlimmen Finger jagt, jedoch leidet er nicht nur unter einem Minderwertigkeitskomplex, sondern auch unter seiner Vergangenheit, so dass die Beziehung zu Hulda unter keinem guten Stern steht. Bert gehört nicht nur der Kiosk, er ist auch Anlaufstelle für Hulda sowie ihr Ratgeber, denn er nimmt kein Blatt vor den Mund. Wirtin Wunderlich ist eine Seele von Mensch, die immer ein offenes Ohr hat und manchmal wie eine Glucke wirkt. Ebenso bereichern Tamar, Felix, Jette und weitere Protagonisten mit ihren Auftritten die Handlung.
„Scheunenkinder“ ist mit der Mischung aus Historie, Kriminalfall und zwischenmenschlichen Episoden wieder ein absoluter Volltreffer. Authentisch, spannend und einfühlsam erzählt, entwickelt sich die Geschichte während der Lektüre zu einem tollen Kopfkino. Absolute Leseempfehlung und bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 17.10.2020

Süße Verführungen

Die Magie von Schokolade
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Obwohl sie den ersten Platz als Patissière Frankreichs gewonnen hat für ihre exzellenten Tortenkreationen, war das glück nicht auf Catalina Palazzos Seite. Als sie ihr Geschäft in der Bretagne verliert, ...

Obwohl sie den ersten Platz als Patissière Frankreichs gewonnen hat für ihre exzellenten Tortenkreationen, war das glück nicht auf Catalina Palazzos Seite. Als sie ihr Geschäft in der Bretagne verliert, kehrt sie in ihre Heimat Korsika zurück, wo sie von ihrem Großvater nach dessen Tod einen kleinen Laden geerbt hat, mit dem ihr der Neuanfang gelingen soll. Catalina war seit ihrer Kindheit nicht mehr auf Korsika, insofern kennt sie weder ihre Großmutter Elena gut genug, noch weiß sie um die alte Fehde zwischen den Palazzos und den Castellis. Ausgerechnet Luca Castelli hat seine berühmte Schokoladenmanufaktur genau gegenüber ihrer Patisserie, was schon bald zu einem Konkurrenzkampf führt, die der alten Familienfehde geschuldet ist und weder an Catalina noch an Luca spurlos vorbeigeht…
Lucie Castel hat mit „Die Magie von Schokolade“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer unterhaltsamen und tiefgründigen Geschichte punkten kann, sondern mit der Fülle von erwähnten Köstlichkeiten dem Leser regelrecht den Blutzucker nach oben treibt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser abwechselnd an Catalinas oder an Lucas Seite gleiten, um die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden genau mitverfolgen zu können. Die Autorin lässt nicht nur ernste Themen wie Betrug, Kinderlosigkeit und Vertrauensbruch in ihre Geschichte mit einfließen, sondern setzt den Leser auch bildreich über die Aktivitäten in den Küchen der beiden Läden ins Bild. Zudem spielt eine alte Fehde eine doch erhebliche Rolle, wobei der Kleinkrieg zwischen den Familien recht kuriose, teils sogar absurde Ausmaße annimmt, indem es den Ort in zwei Lager spaltet, weil beide Familien recht einflussreich sind. Da wird es Zeit, dass die junge Generation weniger Vorbehalte hat und sich lieber in wirklicher Konkurrenz misst, wer in seinem Fach der Beste ist. Die Namen der vereinzelten Köstlichkeiten sind ebenfalls skurril zu nennen, doch hat man als Leser durch die Beschreibungen diese genau vor Augen und möchte sie am liebsten sofort kosten.
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt, mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet, die sie glaubwürdig und authentisch wirken lassen, so dass es dem Leser nicht schwer fällt, sie ins Herz zu schließen und Anteil an ihrem Schicksal zu nehmen. Catalina hat schon einiges durchgemacht und hofft, die Vergangenheit mit dem Neuanfang in Korsika hinter sich zu lassen. Aber als gebranntes Kind kann sie nur schwer wieder Vertrauen fassen. Als Patissière ist sie unschlagbar, beweist sie doch viel Einfallsreichtum und Empathie für ihre Mitmenschen. Luca ist von Natur aus ein ehrgeiziger Kerl, der manchmal recht arrogant wirkt. Er lebt für seine Kreationen und sorgt für den Lebensunterhalt seiner Familie. Elena Palazzo ist die Grand Dame und Catalinas Großmutter, die noch in der Vergangenheit verortet ist ebenso wie Luca Castellis Mutter. Die beiden schenken sich nichts und halten mit ihren Rachegedanken das Dorf in Atem. Dom Castelli ist ein sympathischer Teddybär, der nicht nur gutmütig, sondern auch weise wirkt. Aber auch Nebenprotagonisten wie Marc-Antoine geben der Handlung zusätzlich Farbe.
„Die Magie von Schokolade“ ist ein wahrer Pageturner mit tollem Kopfkino, denn ständig ist man in der Erwartung, dass die Lage eskaliert oder die Nebenprotagonisten für einen Knall sorgen. Wunderschön und gefühlvoll erzählt ist hier eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!!!

Veröffentlicht am 14.10.2020

Der Kronprinz und das Mädchen

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
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1979-1889 Wien. Die junge Komtess Sophie von Werdenfels stammt aus gutem Hause, verbringt ihre Zeit aber lieber im Caféhaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels Stefan Danzer und das nicht nur, weil sie ...

1979-1889 Wien. Die junge Komtess Sophie von Werdenfels stammt aus gutem Hause, verbringt ihre Zeit aber lieber im Caféhaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels Stefan Danzer und das nicht nur, weil sie ihren Stiefvater nicht ausstehen kann, sondern weil sie sich dort wohl und geborgen fühlt. Mary Vetsera ist Sophies engste Freundin, die seit einiger Zeit für den verheirateten Kronprinzen Rudolf, Kaiserin Sissis Sohn, entflammt ist. Als Sophie im Café Prinzess die Bekanntschaft Richard von Löwensteins macht, einem engen Freund des Kronprinzen, werden die beiden bald nicht nur Verbündete gegen die fortschreitende Affäre zwischen Mary und Rudolf, sondern fühlen sich auch immer mehr zueinander hingezogen. Leider ist Richard in der unglücklichen Lage, dass er aufgrund von Geldproblemen einer arrangierten Ehe zustimmen musste, um seiner Familie den Untergang zu ersparen. Aber auch Sophie gerät durch Marys unmögliches Verhalten in große Schwierigkeiten…
Marie Lacrosse hat mit „Bewegte Jahre“ einen fulminanten Start zu ihrer historischen Trilogie rund um ein Wiener Kaffeehaus hingelegt. Die Autorin ist bekannt für ihre akribische Hintergrundrecherche, so bringt sie auch diesmal wieder belegbare geschichtliche Fakten rund um die „Mayerling-Affäre“ mit einer fiktiven Handlung zusammen, die sich nicht nur unterhaltsam lesen lässt, sondern wobei man auch noch Geschichte hautnah miterleben kann. Der flüssig, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil ist der damaligen Zeit wunderbar angepasst und nimmt den Leser schon mit dem Prolog in die Handlung hinein in die österreichische K. u. K. Zeit. Wechselnde Perspektiven geben dem Leser nicht nur einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt von Sophie, sondern lassen ihn auch über Richards Schulter schauen, wenn sich dieser mit Kronprinz Rudolf trifft, um sich über persönliche und politische Dinge auszutauschen. Das tragische Ende der Liaison zwischen Rudolf und Mary konnte leider trotzdem niemand verhindern. Lacrosse hat ein Talent, alte Zeiten wieder aufleben zu lassen, um dem Leser anschaulich die damaligen politischen und gesellschaftlichen Standpunkte zu verdeutlichen. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen den Leser nicht nur pompöse Veranstaltungen miterleben, auch die geheimen Treffen von Mary und Rudolf sowie der Informationsaustausch zwischen Sophie und Richard im Caféhaus ziehen vor dem inneren Auge des Lesers vorbei. Während einem imaginär der Duft frisch aufgebrühter Kaffeespezialitäten um die Nase weht, wird dem Leser nebenbei auch noch so manche süßen Schmankerl vor Augen geführt, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Die oftmals erwähnte Mokkaprinzentorte ist eines davon. Der Spannungsbogen ist zu Beginn im Mittelfeld angesiedelt, schraubt sich aber mit jedem weiteren Kapitel in die Höhe.
Die Charaktere sprühen vor Leben und wirken mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften sehr authentisch. Der Leser folgt ihnen gern bei ihren Erlebnissen, so manch einer stiehlt sich sogar ins Leserherz. Sophie ist eine liebenswerte, junge Frau, die nicht nur durch Hilfsbereitschaft, sondern auch mit Fürsorglichkeit glänzt. Richard ist dem Kronprinzen ein wahrer Freund, hat aber seine eigenen Finanzen nicht im Griff, was ihn alsbald in Schwierigkeiten bringt. Mary ist eine verzogene und intrigante Göre. Sie denkt nur an sich und schert sich nicht um andere. Marie Louise von Larisch ist nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und weiß lange Zeit, ihre Karten auszuspielen. Kronprinz Rudolf leidet sein Lebtag unter einem lieblosen Elternhaus. Auch er legt einen Egoismus an den Tag, der nicht nur ihn das Leben kostet. Aber auch Sissi, Helena und weitere Protagonisten tragen mit ihren Auftritten zum farbenfrohen Sittengemälde der damaligen Zeit bei.
„Bewegte Jahre“ ist von Anfang bis Ende ein historischer Pageturner mit viel Spannung, Liebesreigen und vor allem miterlebbarer Historie, wie man sie nicht besser an den Leser bringen kann. Absolute Leseempfehlung – ausgezeichnet – Chapeau!