Lenis harter Kampf
Die Dorfärztin - Ein neuer Anfang1928 Westfalen. Das Leben von Helene Wittmann, genannt Leni, war immer schon ein Kampf, denn sie ist nicht nur seit ihrer Geburt gehandicapt, sondern muss sich auch gegen ihre Familie durchsetzen, um endlich ...
1928 Westfalen. Das Leben von Helene Wittmann, genannt Leni, war immer schon ein Kampf, denn sie ist nicht nur seit ihrer Geburt gehandicapt, sondern muss sich auch gegen ihre Familie durchsetzen, um endlich Medizin studieren zu können. Nun zieht die 27-Jährige nach abgeschlossenem Medizinstudium mit ihrer kleinen unehelichen Tochter Marie von Berlin zurück in ihre Heimatstadt Bockhurst, um dort die Landarztpraxis zu übernehmen. Erneut muss sie gegen Vorurteile kämpfen, denn nicht nur die Dorfbewohner begegnen ihr mit Misstrauen, sogar ihre eigene allseits angesehene Familie traut ihr diese Aufgabe nicht zu. Aber auch die 5-jährige Marie ist für die Dorfbewohner ein Skandal, denn der Vater ist Lenis Jugendfreund Matthias, der seit Jahren verschwunden ist…
Julie Peters hat mit „Die Dorfärztin-Ein neuer Anfang“ den unterhaltsamen Auftakt ihrer historischen Dorfärztin-Reihe vorgelegt, der den Kampf einer jungen Frau aufzeigt, die sich nicht nur gegen Vorurteile, sondern auch aufgrund ihrer Lebensweise zur Wehr setzt. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil zieht den Leser zurück ins vergangene Jahrhundert, um dort in unterschiedlichen Zeitebenen den Lebens- und Leidensweg von Leni Wittmann mitzuerleben. Von Kindheit an wird diese von der eigenen Familie fast wie eine Aussätzige behandelt, da sie körperlich nicht ganz vollkommen ist, dabei muss das junge Ding so einiges an schmerzhaften Operationen durchstehen, die allein schon sie nie vergessen lassen, dass sie nicht wie andere ist. Aber sie hält tapfer dagegen und beweist nicht nur sich selbst, dass sie alles schaffen kann, wenn sie an sich selbst glaubt. Zur damaligen Zeit war die Rolle der Frau hauptsächlich an der Seite ihres Ehemannes und nicht mit eigenem Studium oder Beruf. Insofern hat Leni eine Menge erreicht und wirkt auf ihr Umfeld eher wie eine Außerirdische, wobei auch eine Menge unterschwelliger Neid vorhanden ist. Zudem hat sie ein uneheliches Kind, was damals ebenfalls skandalös war und den Frauen meist ein lotterhaftes Leben nachgesagt wurde. Es gibt in dieser Geschichte somit einige Baustellen und Vorurteile, der Kampf von Leni gleicht dem gegen Windmühlen. Die gesellschaftlichen Gepflogenheiten der damaligen Zeit wurden gut mit der Handlung verwoben, ebenso die Zeit des Ersten Weltkrieges.
Die Charaktere sind lebendig und glaubwürdig mit menschlichen Ecken und Kanten bestückt worden, so dass der Leser sich in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen kann. Leni ist ein bewundernswertes Geschöpf, denn sie trotzt allen Widrigkeiten, ob nun innerhalb ihrer Familie oder gegenüber ihrem Umfeld. Sie musste schon als Kind einiges durchstehen und wurde von ihrer Familie klein gehalten, so dass man sich wundert, wie sie den ihr anhaftenden Kampfgeist überhaupt entwickeln konnte. Für ihre Tochter Marie, die sie liebevoll umsorgt, ist sie ein gutes Vorbild, denn auch Marie wird es zur damaligen Zeit von anderen sicherlich nicht leicht gemacht so ohne Vater. Lenis Mutter ist eine eiskalte Person, die sich nur um die Außenwirkung sorgt. Matthias war als Junge ein lieber Kerl und Leni ein guter Freund, denn er hat sie völlig normal behandelt. Seine Entwicklung wird den Kriegserfahrungen zuzuschreiben sein, jedoch wirkt er als Erwachsener eher blass und wenig einnehmend.
„Die Dorfärztin-Ein neuer Anfang“ ist ein Mix aus Liebe, Familie, Kriegsgeschehen und dem einsamen Kampf einer jungen Frau gegen ihr Umfeld vor historischem Hintergrund. Kurzweilig und unterhaltsam zu lesen ohne jegliche Spannungsmomente. Eingeschränkte Leseempfehlung.