Über die japanische Gleichförmigkeit
Eigentlich ist sie mittlerweile ganz zufrieden mit ihrem Leben: Sie hat ihre tägliche Routine, in ihrem Umfeld wird sie akzeptiert, und sie mag, was sie tut. Für ihre Familie jedoch und die wenigen Bekannten, ...
Eigentlich ist sie mittlerweile ganz zufrieden mit ihrem Leben: Sie hat ihre tägliche Routine, in ihrem Umfeld wird sie akzeptiert, und sie mag, was sie tut. Für ihre Familie jedoch und die wenigen Bekannten, zu denen sie Kontakt pflegt, stellt die über 30-jährige studierte, ledige Aushilfskraft im 24/7-Supermarkt den Bodensatz der Gesellschaft dar. Sie ist einfach nicht normal!
Keiko ist in der Tat eine Außenseiterin bis zu dem Tag, an dem sie eine Aushilfstätigkeit in einem Convenience Store antritt. Lediglich in ihrer Arbeit im Konbini findet ihre Existenz einen Sinn.
Jeden Morgen und jeden Abend bereitet sich Keiko ein einfaches Mahl aus Zutaten aus dem Konbini. Luxus benötigt sie nicht. Sie achtet darauf fit für den nächsten Arbeitstag zu sein, dazu gehört Nahrung zu sich zu nehmen und ausreichend zu schlafen. Ihr Körper und ihr Leben gehören dem Konbini. Sie studiert den Wetterbericht, und auf dem Weg zur Arbeit achtet sie auf Veränderungen wie Baustellen oder neue Convenience Stores, denn solche Dinge können das Kundenaufkommen und die Nachfragen nach bestimmten Artikeln beeinflussen.
Sie geht zur Arbeit, zieht ihre Uniform an, leistet den Morgenappell, füllt Ladenregale auf, kassiert die Waren ab und begrüßt die Kunden in genau dem gleichgestellten Tonfall, der allen Angestellten beigebracht wurde. Keiko gibt auf der Arbeit ihr bestes, denn nur dort ist sie ein vollwertiges, produktives Mitglied.
Um bei ihren Kollegen einen normalen Anschein zu erwecken, immitiert sie deren Verhalten und Sprechweise, sogar deren Kleidung kauft sie nach, denn sie selbst weiß eigentlich gar nicht, was für ein Typ ist sie ist (und eigentlich interessiert sie das auch gar nicht).
Bei einem Treffen ihrer früheren Mitschülerinnen, von denen viele verheiratet und Mütter sind, kommt ihr die Idee einer Zweckbeziehung. Sie stellt sich vor einen Mann zu suchen und mit ihm Kinder zu zeugen, damit ihre ehemaligen Mitschülerinnen und ihre Schwester sie für normal und angepasst halten.
Als sich die Gelegenheit für eine Wendung in ihrem Leben ergibt, muss Keiko sich entscheiden...
Das Buch ist enorm flüssig wegzulesen, und dabei musste ich mehr als einmal schmunzeln. Der Realbezug zu Japan ist der Geschichte deutlich anzumerken: Der Arbeitseifer, das Bild der unverheirateten Frau (die spätestens in den 30ern normalerweise heiratet und aus dem Berufsleben ausscheidet, um sich gänzlich der Haushaltsführung und Kindeserziehung zu widmen) oder die gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen, die sich nicht anpassen wollen.
Interessant ist, dass Sayaka Murata mit ihrer Protagonistin einen Menschen geschaffen hat, der das japanische Gesellschaftsbild nicht nur akzeptiert (und dabei das eine oder andere stillschweigend kritisiert), sondern in der Gleichförmigkeit aufgeht und darin erst sinnstiftende Formung ihres Lebens sieht.