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Veröffentlicht am 07.11.2020

Anstrengende Nervenprobe statt Fantasy-Highlight

Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik im Schuber
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Vielen lieben Dank an den Verlag und NetGalley.de für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Sowohl die Cover der eBox als ...

Vielen lieben Dank an den Verlag und NetGalley.de für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Sowohl die Cover der eBox als auch die Cover der zwölf Einzelbände gefallen mir sehr gut! Sie sind allesamt in einer unterschiedlichen Farbe gehalten, die jeweils auf die Essenzfarben der Protagonisten anspielen. Im Zentrum des Covers ist immer ein Gegenstand zu sehen, der im Buch eine wichtige Rolle spielen wird. Darauf nimmt auch der Titel Bezug.
Auch der Gesamttitel Die Schattenchronik passt ebenso gut zu dieser Chronik – schließlich geht es die ganze Zeit um die Schattenfrau.
Die Aufmachung gefällt mir also gut.

Meine Meinung:
Die Begeisterung, die ich fürs Cover habe, kann ich für den Inhalt leider nicht aufbringen. Ich habe mich sehr auf diese Geschichte gefreut, weil sie im Internet ja sehr begeistert beworben wird.
Allerdings verstehe ich den Hype nicht so ganz. Im Gegenteil: Ich bin sogar erleichtert, dass ich die Schattenchronik jetzt endlich abgeschlossen habe.
Aber fangen wir langsam an.

Es gibt durchaus gute Teile der Schattenchronik. So fand ich die Idee, die hinter der Geschichte steckt, nämlich gar nicht mal so schlecht. Unsterbliche als „Anführer“ von Magiern, die in einer Art Geheimgesellschaft leben und die Nichtmagischen dieser Erde vor Gefahren schützen wollen, dazu die Rivalität zwischen Licht- und Schattenkämpfern und das Rätsel um den Wall, gepaart mit uralten Geheimnissen „des Anbeginns“ – welcher Fantasy-Fan wird da nicht neugierig?
Zudem sind die Unsterblichen allesamt bedeutende Personen aus unserer Zeitgeschichte, wie bspw. Leonardo da Vinci, Johanna von Orléans, der Graf von Saint Germain, Einstein oder Thomas Eddison, nur um mal ein paar zu nennen. Aber auch bekannte fiktive Figuren, wie Crowley oder Moriarty haben hier wichtige Rollen. Das hat mir sehr gut gefallen; diese Idee ist mir so noch nicht untergekommen. Auch wenn einige dieser Unsterblichen (insb. da Vinci) sich nicht so verhalten haben, wie ich sie mir vorgestellt habe, ist ihre Einbindung in die Schattenchronik ein nettes Gimmick, das einen anfangs durchaus schmunzeln lässt.

Allerdings – und ab hier muss ich die Schattenchronik leider kritisieren – ist diese Geschichte die meiste Zeit doch eher ein anstrengendes Leseerlebnis.
Zum Einen fallen sehr viele Parallelen zu anderen Zauberergeschichten, allen voran Harry Potter, auf, die nicht bloß wie eine harmlose Hommage wirken, sondern (entschuldigt bitte jetzt meine drastische Wortwahl) fast schon wie eine leicht veränderte Kopie. Das beste Beispiel: Wir alle kennen den Zauberspruch Accio; hier lautet derselbe Zauberspruch Apportate. Nicht nur, dass einfach ein anderes lateinisches Wort mit dem gleichen Sinngehalt gewählt wurde, er funktioniert auch auf die gleiche Weise wie bei Harry Potter: Man spricht einfach den Zauberspruch und nennt im Anschluss den Gegenstand, der zu einem kommen soll, bspw. „Apportate Essenzstab“.
Ein anderes Beispiel: Die normalen Menschen werden hier von den Zauberern ebenfalls anders bezeichnet, zwar nicht als Muggel, sondern als Nimags, aber das Prinzip ist das Gleiche. Das waren nur zwei Beispiele, dieses „Deja vu“ hatte ich sehr oft.
Natürlich ist mir bewusst, dass es gerade bei Zauberergeschichten neben dem Giganten Harry Potter außerordentlich schwierig ist, sich etwas Neues auszudenken, und die eine oder andere Hommage in einer solchen Geschichte ist sicherlich auch etwas Schönes, aber wenn die Parallelen so evident und häufig sind, dass es schon nicht mehr eine bloße Anspielung ist, kann ich daran keine Freude finden. Insbesondere, da Harry Potter eine Geschichte ist, die mittlerweile ausnahmslos jeder kennt.

Hinzu kommt, dass die Charaktere von einem Drama zum nächsten hoppen, ohne dass man als Leser wirklich das Gefühl hat, dass sie das Trauma, das sie zweifellos erlebt haben, auch mal tatsächlich verarbeiten müssen. Ich bin ein wohlbehüteter Einsiedler, mir ist im Leben zum Glück noch nichts Schlimmeres passiert, daher weiß ich nicht, wie man mit einer Situation umgeht, in der das eigene Leben oder das der Liebsten aufs Äußerste gefährdet ist oder in der es sogar zum Schlimmsten kommt, aber ich denke schon, dass man zumindest einige Zeit braucht, um das zu verarbeiten.
Das passiert hier jedenfalls nicht, selbst nicht, als zu Beginn der beste Freund der Protagonisten verstirbt. Stattdessen wird sich über das neue Teammitglied gefreut (bzw. aufgeregt). Der Verstorbene wird zwar immer mal wieder erwähnt, aber das Verhalten der Protagonisten insgesamt finde ich unangemessen.
Das macht sich überdies auch deutlich darin, dass sie vor jeder wichtigen, gefährlichen Mission die Zeit und die Nerven haben, herumzualbern und Späße zu machen. Natürlich gehören auch solche lockeren Szenen in gute Geschichten, aber wenn das Leben der Figuren auf dem Spiel steht und gefühlt jede Sekunde zählt, finde ich es befremdlich, wenn sie sich unmittelbar davor die Zeit nehmen, sich gegenseitig zu kitzeln.
Dann kann die ganze Situation ja gar nicht so gefährlich sein, wie behauptet wird. Unterstrichen wird dieser Eindruck im Übrigen davon, dass die „Guten“ immer mit dem Leben davonkommen oder zumindest nicht dauerhaft tot bleiben. Beides nimmt enorm die Spannung und macht die Handlung sehr vorhersehbar.

Auch die Protagonisten selbst passen ins Schema X (was zur Vorhersehbarkeit beiträgt); sie zeichnen sich nicht durch besondere Charakterzüge aus, sondern sind mit beliebigen YA-Protagonisten austauschbar. Wir hätten da zum Beispiel die besonnene Anführerin, die aber ein dunkles Geheimnis hat, den Neuen, der nur Späße macht, aber ein ebenso dunkles Geheimnis und dazu noch ungeahnte Fähigkeiten hat, den Muskelprotz, der eine dunkle Erinnerung mit sich herumträgt, seinen Zwillingsbruder und dessen Freund, der ebenfalls Dunkles erlebt, die Rebellin, die eigentlich gar keine ist und auch von ihrer Vergangenheit geplagt wird, und die Nette, Schlaue mit der fiesen Familie, die nie genug ist. Fällt was auf?
Ich konnte jedenfalls mit keinem von ihnen wirklich warmwerden und ihre Kabbeleien fand ich nicht unterhaltsam, sondern nur nervig.
Die Schattenchronik endet mit einem dunklen Geheimnis eines der Protagonisten, das mehr oder weniger aufgelöst wird und vermutlich neugierig auf den zweiten Zyklus machen soll, aber ich bin ehrlich froh, dass ich die Fünf los bin.

Fazit:
Tja, also, ich habe mich, wie gesagt sehr auf die Schattenchronik gefreut, da sie ja doch überaus beliebt bei ihren Lesern ist. Aber obwohl die Geschichte durchaus Potenzial hat, konnte sie mich nicht abholen.
Die Parallelen zu anderen Zauberergeschichten haben in meinen Augen den Zauber dieser Geschichte weggenommen – übrig bleibt der fade Beigeschmack einer Kopie. Dazu sind die Protagonisten nicht nur austauschbar, sondern auch unsympathisch und ihr oft unpassendes Verhalten ist für mich absolut nicht nachvollziehbar.
Insgesamt ist die Schattenchronik zudem vorhersehbar und anstrengend, statt spannend. Am liebsten hätte ich die Geschichte sogar abgebrochen, lediglich mein Ehrgeiz und die Hoffnung, dass sich doch alles noch einpendelt, haben mich weiterlesen lassen. Man merkt zwar einen leichten Qualitätsanstieg zum Ende, aber im Großen und Ganzen wendet sich die Schattenchronik leider nicht zum Guten. Ich bin froh, dass es vorbei ist, und den zweiten Zyklus der Chronik werde ich mir nicht antun.
2/5 Lesehasen.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.10.2020

Timehopping ohne Probleme

Beastmode 2: Gegen die Zeit
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Vielen lieben Dank an NetGalley und den Planet!-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die Cover sind absolut genial! ...

Vielen lieben Dank an NetGalley und den Planet!-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die Cover sind absolut genial! Ich liebe es ja, wenn die einzelnen Teile einer Reihe auch im Aussehen zueinander passen und die Cover von Beastmode sind da ein Paradebeispiel.
Dazu kommt, dass sie auch wunderbar zum Inhalt passen: Die Gesichter, halb Mensch, halb Maschine, sehen in etwa so aus, wie ich mir Jenny vorgestellt habe. Wer die Bücher kennt, weiß, wie relevant sie für die Geschichte ist. 😉

Meine Meinung:
An Es Beginnt fand ich besonders schade, dass weder die Protagonisten noch der Plot sich mich in irgendeiner Weise überraschen konnten, obwohl die Idee dahinter wirklich genial ist – zumal Zeitreisegeschichten sehr tricky sind, da sich schnell Logikfehler einschleichen können!
Leider muss ich schon direkt zum Anfang der Rezension sagen, dass Gegen die Zeit sich gegenüber seinem Vorgänger in den Punkten leider nicht verbessert hat.

Positiv bleibt nach wie vor, dass es dem Autor wirklich gut gelungen ist, ein Zeitreiseproblem zu konstruieren, das in sich schlüssig und logisch ist und am Ende kaum Fragen offenlässt. Gerade in Geschichten mit Zeitreisen ist das keine Selbstverständlichkeit.
Um so trauriger fand ich es, dass mich die Handlung an sich so gut wie gar nicht mitreißen konnte.
Es passiert zwar einiges; die Plotdichte ist hoch und hätte durchaus Potenzial zum Pageturner. Allerdings bleibt die Handlung die meiste Zeit sehr vorhersehbar, was vor allem daran liegt, dass für die fünf Protagonisten keine Aufgabe eine wirkliche Herausforderung zu sein scheint.
Sie reisen von einem Ort zum anderen und lösen jedes Problem mit links, ohne dass sie mal wirklich länger als gefühlt fünf Minuten daran arbeiten müssen. Natürlich gibt es auch das eine oder andere „Hindernis“, aber selbst die sind in Nullkommanichts überwunden.
So bekommt die Geschichte natürlich kaum die Chance, den Leser richtig zu packen. Man macht sich keine Sorgen um die Protagonisten, da man weiß, dass sie innerhalb weniger Minuten ja schon ohne große Verluste weitermachen können.

Man „fliegt“ also regelrecht durch die Handlung, was aber nicht an der Spannung liegt, sondern vielmehr daran, dass sich Gegen die Zeit anfühlt, wie eine Zusammenfassung einer größeren Geschichte. Auch die Auflösung am Ende ist keine große Überraschung und nichts, was einen „vom Hocker haut“. Es gibt eben keine Spannung, die sich im großen Finale am Ende hätte entladen können.
Ich hätte mir hier gewünscht, dass der Autor an manchen Stellen etwas mehr in die Tiefe geht und die Protagonisten auch mal vor das eine oder andere größere Problem stellt, an dem sie vielleicht auch mal scheitern. Dann hätte mich die Geschichte vielleicht auch mehr packen können und es wäre nicht alles so vorhersehbar gewesen.

Ähnliches gilt auch für die Protagonisten. Ich hatte in meiner Rezension zum Vorgängerband schon kritisiert, dass alle fünf Charaktere auf mich sehr farblos wirkten. Das hat sich in Gegen die Zeit leider nicht geändert. Weiterhin zeichnet sich keiner von ihnen durch irgendetwas aus, das sie von anderen Jugendbuch-Protagonisten abhebt; vielmehr bleiben sie alle in ihrer Schublade, ohne mich groß zu überraschen. Zwar erfährt man hier einiges mehr über sie, vor allem über Jenny, aber trotzdem hatte ich den Eindruck, dass es hier kaum Entwicklung gab. Dadurch hatte ich so meine Schwierigkeiten, Beziehungen zu den Protagonisten aufzubauen.

Fazit:
Beastmode hätte also durchaus Potenzial gehabt, eine großartige Zeitreisegeschichte zu werden.
Dafür fehlt es der Dilogie jedoch hauptsächlich an Tiefe. Die fünf Protagonisten hüpfen von einem Problem zum anderen, ohne das diese für sie tatsächliche Herausforderungen darstellen. Ich hätte mir gewünscht, dass sie trotz ihrer Fähigkeiten auch mal an ihre Grenzen kommen und eventuell sogar versagen, oder sich zumindest nicht so schnell erholen und weitermachen können. Dem ist jedoch nicht so und die Handlung wird nicht nur vorhersehbar, es kommt auch leider keine Spannung auf. Das wird nur noch einmal verstärkt durch die Farblosigkeit der Hauptcharaktere, die sich kaum durch irgendwelche Besonderheiten auszeichnen.
Die Dilogie ist also vielleicht ganz nett für zwischendurch – dafür kann man sie wirklich flott lesen! –, wer jedoch ein Zeitreiseepos sucht, wird hier eher enttäuscht.
2/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Feminism Who?

Love factually (Knitting in the City 1)
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Aufmachung:
Das Cover von Love Factually finde ich optisch sehr schön, auch wenn außer dem Titel und der Farben nicht viel darauf zu sehen ist. Zwar haben die Farben keinen Bezug zum Inhalt, aber das ist ...

Aufmachung:
Das Cover von Love Factually finde ich optisch sehr schön, auch wenn außer dem Titel und der Farben nicht viel darauf zu sehen ist. Zwar haben die Farben keinen Bezug zum Inhalt, aber das ist in dem Genre ja so gut wie immer so (oder man sieht halbnackte Männer, da sind mir Farben lieber), von daher nehme ich dem Buch sein Cover gar nicht übel.
Im Gegenteil gefällt es mir sogar sehr gut, dass man hier knallige Farben auf einem schwarzen Hintergrund hat, sonst sind die Cover ja meistens in Pastellfarben gehalten.
Der Titel ist durchaus passend, wenn man sich das Wesen der Protagonistin anguckt, die sich sehr auf Fakten aufhängt. Der Originaltitel lautet allerdings Neanderthal seeks Human, was ebenso gut – wenn nicht sogar besser – auf den Inhalt passt. Hier haben wir wieder das klassische Englische-Titel-bei-deutschen-Büchern-Problem, das ich einfach nicht verstehe. Es ist ja völlig legitim, wenn man den Originaltitel nicht übernehmen möchte, aber wieso übersetze ich den dann nicht einfach oder suche mir einen passenden deutschen Titel? Wieso muss es unbedingt ein anderer englischer Titel sein? Dann kann man meiner Meinung nach genauso gut den Originaltitel übernehmen. Ich kann diesen Trend leider nicht nachvollziehen.

Meine Meinung:
Uff, also ich weiß wirklich nicht, was ich zu diesem Buch alles sagen soll.
Ich habe auf eine leichte, teilweise amüsante Liebesgeschichte gehofft, die nicht mal unbedingt besonders in die Tiefe gehen sollte, gerne auch mit ein bisschen Kitsch.
Kitsch habe ich dann auch bekommen, habe aber leider dabei wenig Romantik gefühlt, wobei der Anfang gar nicht mal so schrecklich war.

Die Protagonistin ist anfangs nämlich noch ganz sympathisch. Sie hat die Eigenart, dass sie in den unmöglichsten Situationen über Dinge nachdenkt, die einem sonst eher nicht so in den Sinn kommen, zum Beispiel Teppichfasern. Das führt dazu, dass sie über ein ganz verrücktes Faktenwissen verfügt, mit dem sie dann unerwartet um die Ecke kommt.
Das fand ich zunächst noch auf niedliche Art sehr skurril und vor allem im Vergleich zu den anderen 08/15-Nette-Mädchen-Protagonistinnen eine erfrischende Abwechslung.
Allerdings ist das so ziemlich das einzige, was Janie ausmacht, und das wurde mir als Leser irgendwann zu viel. Sie hängt sich wirklich in jeder Situation an ihren Fakten auf und hört nicht zu, was andere ihr sagen bzw. geht überhaupt nicht darauf ein. Das führt dann dazu, dass ihr anfänglicher Charme flöten geht und sie nur noch nervig ist. Ich hätte gerne noch andere Facetten von Janie kennengelernt, aber leider scheint sie nur aus ihrem Faktenwissen zu bestehen.

Janies Eintönigkeit ist allerdings nicht der Aspekt, der mich an Love factually am meisten genervt hat. Am allernervigsten sind ihre Strick-Club-Freundinnen, die wirklich jedes Klischee amerikanischer Hausfrauen erfüllen. Sie sind allesamt charakterlose gackernde Hühner, die einem 50er-Jahre-Werbespot entsprungen scheinen und der Kampf der Frauen um richtige Repräsentation ca. 70 Jahre zurückwirft. An dieser Stelle entschuldige ich mich direkt für meine harten Worte, aber das hat mich wirklich wütend gemacht. Man fragt sich bei diesem Buch durchgehend: Hat die Autorin schon einmal etwas von Feminismus gehört? Wieso kriegt Janie alleine nichts auf die Reihe und muss sich immer von großen, starken, muskelbepackten Männern helfen lassen? Sind wir Frauen wirklich so hilflos? Reicht es nicht schon, wenn Frauen die letzten Jahrhunderte immer als Damsel in distress dargestellt wurden – und zwar hauptsächlich von Männern! –, die einen Mann brauchen, damit sie nicht eingehen? Muss eine gestandene Frau – und ich gehe mal davon aus, das ist Penny Reid als erfolgreiche Autorin – es ebenfalls so darstellen, dass eine Frau nicht ohne Mann leben kann? Das hat mich wirklich schwer enttäuscht.

Quinn ist in diesem Roman die einzige Figur, die anscheinend gesunden Menschenverstand hat (welch eine Ironie: ausgerechnet der männliche Protagonist), selbst wenn auch er als Reicher-Cooler-Chef-Der-Alles-Kann-Und-Dazu-Noch-Ein-Gentleman-Ist-Aber-Trotzdem-Geheimnnisse-Hat keine besonders tiefgründige Figur ist. Seine „Geheimnisse“ sind allesamt sehr offensichtlich (dadurch hat man noch weniger Verständnis für die Protagonistin) und seine Handlungen vorhersehbar. Das führt dazu, dass man sich vieles schon vorher denken kann, sodass es an Spannung fehlt.

Hin und wieder – vor allem anfangs – ist das Buch zwar durchaus noch unterhaltsam. Ich will hier nicht nur meckern: Es gab durchaus einige Stellen, an denen ich auch mal lachen konnte. Das kann Love factually aber nicht halten; der Humor gerät durch die vielen störenden Faktoren irgendwann sehr stark in den Hintergrund.

Fazit:
Man erhofft sich bei Love factually eine humorvolle Lektüre, die durchaus mal mit Klischees spielen darf. Dann wird man jedoch so intensiv von Klischees überrollt, dass man sich fragt, ob es jemals sowas wie Entwicklung an der Feminismus-Front gegeben hat. Die Protagonistin wirkt auf dem ersten Blick wie ein quirliges Persönchen mit Charakterzügen, die durchaus schon autistisch sind, entpuppt sich dann aber als eindimensionale Figur, die bloß aus ihrem Faktenwissen besteht. Ihre Hilflosigkeit, die sich einstellt, sobald kein Mann in einem Zehn-Meter-Radius zur Verfügung steht, der ihr aus der Patsche helfen kann, bestätigt den Eindruck, dass das Buch die Frauenbewegung und -repräsentation in Medien um gefühlt 70 Jahre zurückwirft.
2/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 26.11.2020

Anstrengende Protagonisten und langatmige Handlung

Stolen 1: Verwoben in Liebe
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Vielen lieben Dank an den Verlag und NetGalley für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die gesamte Aufmachung ist einfach ...

Vielen lieben Dank an den Verlag und NetGalley für das Rezensionsexemplar!
Die Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die gesamte Aufmachung ist einfach traumhaft – ich meine, habt ihr euch mal den Buchschnitt angesehen? o
Das Cover an sich ist auch nicht nur total schön, es passt auch hervorragend zum Inhalt. Was zunächst nur wie Farbkleckse aussieht, ergibt durchaus Sinn, wenn man weiß, wie die Handlung aussieht. Ebenso ergibt sich die Bedeutung des Titels Stolen sowie es Untertitels Verwoben in Liebe erst, wenn man den Inhalt kennt. Dann macht es umso mehr Sinn, dass die Buchreihe und dieser Band so heißen!

Meine Meinung:
Anders als meine Meinung zur Aufmachung kann ich meine Meinung zum Inhalt nur schwer ebenso begeistert äußern…
Ich wollte das Buch wirklich mögen, das verspreche ich euch! Nicht nur, weil es so toll aussieht, sondern auch weil der Klappentext unheimlich interessant und neu klingt. Zudem gehen auch die Meinungen online relativ eindeutig in eine positive Richtung. Ich komme jedoch nicht umhin zu sagen, dass mich Stolen leider enttäuscht hat.

Zunächst einmal möchte ich allerdings festhalten, dass die Idee der Autorin der Weben und Ringhüter durchaus so originell ist, wie es im Klappentext den Anschein hat. Gerade im Jugendbuch-Sektor ist es meines Erachtens nicht unbedingt leicht, mit einer neuen Idee aufzuwarten, aber Frau Bold ist dies hier gelungen. Die Geschichte an sich hat also durch aus Potenzial. In meinen Augen wurde das jedoch leider nicht ausgeschöpft.

Zum Einen fiel mir der Einstieg unheimlich schwer (was wohl auch der Grund dafür ist, weshalb ich letztlich so lange für das Buch benötigt habe). Gut die ersten 200-250 Seiten, wenn nicht noch mehr, passiert gefühlt gar nichts. Es wird in die Welt der Tremblay-Brüder eingeführt und erzählt, dass es Schattenspringer gibt, von denen einer einen besonderen Ring hüten muss. Was genau es mit den Schattenspringern und dem Ring auf sich hat, erfährt man allerdings erst ziemlich am Ende.
Versteht mich nicht falsch – natürlich erwarte ich von einer guten Geschichte, dass sie Informationen zurückhält, mich auf die Folter spannt und nicht direkt am Anfang alles verrät. Allerdings erwarte ich auch, dass sie mir nach und nach wenigstens ein bisschen über sich verrät, damit ich weiterhin gefesselt bin.
Verwoben in Liebe besteht jedoch in den ersten zwei Dritteln hauptsächlich aus Dialogen, die für die Handlung nicht zwingend notwendig gewesen wären, und Gejammere der Protagonistin. Das, was dann doch als „Handlung“ da war, war sehr vorhersehbar und entsprechend langweilig.

Ich sage ganz ehrlich: Mich konnte die Geschichte leider gar nicht mitreißen und wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich das Buch auch spätestens nach der Hälfte abgebrochen – das will was heißen, denn ich breche Bücher in der Regel so gut wie nie ab.
So habe ich mich aus Pflichtgefühl dann aber doch durch Abbys Nörgelei gequält (irgendwann nur noch als Hörbuch, damit ich in der Zwischenzeit wenigstens andere Dinge erledigen konnte), aber viel Spaß hatte ich dabei eher nicht.

Das lag nicht nur an der fehlenden Spannung, sondern auch (oder vor allem) an Abby. Wie gesagt, sie ist ständig am Nörgeln und beklagt sich über ihre Situation, aber anstatt dass sie mal aufsteht und etwas ändert, ist sie stets schlecht gelaunt, trübsinnig oder trifft impulsive, irrationale Entscheidungen, ohne nachzudenken, und nimmt noch dazu alles höchstpersönlich. Ich konnte ihre Handlungen und Gedanken so gut wie immer nicht nachvollziehen und mich entsprechend dann auch nicht in sie hineinversetzen.

Die Tremblay-Brüder sind leider nicht viel besser. Ich schätze, sie sollten beide coole, heiße Bookboyfriends sein – der eine der Sunnyboy, der andere der grüblerische Mysteröse –, allerdings fand ich sie eher gruselig. Seit ihrem ersten Zusammentreffen mit Abby haben beide eine ungesunde Fixierung auf sie, die schon an Stalkerverhalten grenzt. Dazu sind sie besitzergreifend und entscheiden immer über Abbys Kopf hinweg, als wäre sie ein kleines, unmündiges Kind. Das ist nicht schön.

Der Schreibstil der Autorin ist in Ordnung – man kommt jedenfalls relativ schnell (so schnell es eben bei einem Buch, das einen nicht fesselt, geht) durch die Handlung. Allerdings konnte auch ihr Schreibstil leider nichts daran ändern, dass Frau Bold viel zu lange um den heißen Brei herumredet, ihre Prota nervt und ihre Jungs gruselig sind.


Fazit:
Die Idee hinter Stolen – Verwoben in Liebe hat durchaus viel Potenzial. Die Umsetzung dagegen konnte mich gar nicht überzeugen.
Nicht nur, dass die Handlung größtenteils flach bleibt und erst gegen Ende wirklich etwas passiert, viel anstrengender sind dabei das andauernde Gejammere der Protagonistin und die gruseligen Stalker-Jungs. Die anderthalb Punkte gibt es bloß für die originelle Idee und der okaye Schreibstil.
Der Auftakt zu der Reihe konnte mich also nicht packen und ich werde auch die Folgebände nicht lesen.
1,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 18.01.2022

Inhaltlich völlig am Thema vorbei!

Der Chip
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Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Cover gefällt mir ganz gut; es ist eine Platine, der Titel „Der Chip“ ist buchstäblich der Chip. Es ist sofort erkennbar, dass es sich hierbei um eine dystopische Geschichte handelt, in der technologischer Fortschritt eine Rolle spielt.


Meine Meinung:
Vorab kann ich zunächst einmal ganz klar sagen: Sowohl das Cover als auch vor allem der Klappentext wecken falsche Hoffnungen, denn die Problematik eines solchen Chips, um die es hier gehen soll, spricht der Autor so gut wie gar nicht an.

Natürlich wird beim Lesen deutlich, dass von dem Chip und der KI „Brain“ Gefahren ausgehen: Die Individualität und Freiheit des Einzelnen wird für das „große Ganze“ aufs Spiel gesetzt. Damit hinterfragt Theisen technischen Fortschritt und stellt den Leser vor die Frage, was er bereit wäre, dafür aufzugeben.
Allerdings geschieht all dies nur am Rande. Tatsächlich geht er nämlich kaum auf die Problematik ein. Die Bedrohung ist da, aber sie wird nicht aufgebaut oder weiterentwickelt, es wird nicht einmal ansatzweise erklärt, was in den letzten zehn Jahren auf der Erde passiert ist – lediglich, dass die durchschnittliche Erderwärmung den Schwellenwert von 2° C überschritten hat, wird angeschnitten –, wie es zur Entwicklung der KI gekommen ist, oder wie der Chip in der gesamten Menschheit verbreitet wurde. Erwähnungen von Elon Musk, Mark Zuckerberg oder dem Bitcoin sollten wohl eine Verbindung zur Gegenwart herstellen, sorgen stattdessen aber viel mehr dafür, dass der Eindruck eines verzweifelten und vor allem unausgereiften Versuchs an Gesellschaftskritik entsteht.


Eine andere Sache sind die „Unknown“, quasi Rebellen: Ihre Existenz wird angesprochen, man hätte so viel spannende Handlung mit ihnen erreichen können, aber für die Geschichte wesentlich sind sie nicht und man fragt sich, weshalb sie dann überhaupt erst erwähnt werden.
In all diesen Fragen bleibt der Leser im Dunklen, das Worldbuilding ist also praktisch nicht vorhanden.


Wenn die Entwicklung der Erde bis zum Jahr 2032 ausgelassen und ausschließlich auf die aktuellen Schwierigkeiten des Chips, und welche Wirkungen er auf die Bevölkerung momentan hat, eingegangen würde, könnte ich damit ja noch leben – ein Buch muss nicht unbedingt alle Fragen beantworten, Manches kann auch der Fantasie des Lesers überlassen sein. Aber das spricht der Autor, wie gesagt, eben auch nicht an. Man fragt sich, welche Bereiche des Lebens die KI einsehen und kontrollieren kann, welche Auswirkungen dies bspw. auf die Gesellschaft oder die (Welt-) Politik hat, oder wie der Alltag aussieht, aber diese Fragen werden nicht beantwortet; der Fokus bleibt auf der Schule und den Schülerinnen. Die KI wird nur immer wieder am Rande erwähnt, das Interesse des Lesers wird nicht befriedigt.

Stattdessen fragt man sich, ob der Autor seine Geschichte wirklich durchdacht hat. So wird zum Beispiel gesagt, dass „Brain“ alles sehen könne, aber trotzdem kann sich Kim nachts scheinbar unbemerkt über den Campus bewegen.
Diejenigen, denen noch kein Chip implantiert wurde, müssen ein Stirnband tragen, das einen Sensor – denke ich? So ganz wird auch das nicht erklärt – hat, mit dem die KI über die Person Daten sammeln und sie quasi überwachen kann. Wenn eine Person dann ein fremdes Stirnband trägt, ruft sofort jemand aus dem Headquarter von „BrainVision“, der Firma, die die KI programmiert hat, aus dem Silicon Valley an und hält der Person eine Predigt. Wenn jedoch Kim stattdessen stundenlang ohne Stirnband herumläuft, wird sie nur von den Lehrern nach dem Grund gefragt, aber andere Konsequenzen hat ihr Verhalten nicht.
So ganz passt das also alles nicht zusammen, und das sind nur zwei Beispiele.


Auch anderweitige Logikfehler finden sich im Buch: So befinden sich Kim und Levin gegen Ende des Buches in einer Verfolgungsjagd in einem Lüftungsschacht – die Szene ist genauso absurd, wie sie hier klingt; das Ganze hat ein bisschen an eine schlechte, konstruierte Hommage an „Kim Possible“ erinnert –, in dem es, wie man es sich auch vorstellt, so eng ist, dass beide sich auf dem Bauch robbend fortbewegen müssen – nur um dann ein paar Seiten weiter im selben Lüftungsschacht in eine Quasi-Prügelei verwickelt zu werden, wo Kim nicht nur genug Platz hat, jemandem ins Gesicht zu treten (das ginge mit viel Mühe ja auch noch im Liegen), sondern auch, sich auf allen Vieren zusammenzukrümmen?
Ein Logikfehler der anderen Art: Es wird an einer Stelle von der „uralten PlayStation 7“ gesprochen. Das Buch spielt 2032, die aktuelle Version der PlayStation ist die 5, die ca. zehn Jahre vor dem Zeitpunkt der Handlung erschienen ist. Rechnet man die Veröffentlichungszyklen der PlayStation hoch, ist es zwar gut möglich, dass 2032 eine 7 existiert, aber die ist dann noch relativ neu und eben nicht „uralt“. Für den Plot ist das jetzt nicht weiter wichtig, aber es fällt eben doch auf, dass das nicht zuammenpasst.
Ich könnte noch weitere Beispiele nennen, aber das würde die Rezension sprengen.


Ähnlich störend und angesichts der Tatsache, dass viel Wichtiges ausgelassen wurde, sind im Übrigen Szenen, die nicht nur in dem Moment des Lesens sondern auch im Nachhinein völlig irrelevant für die Geschichte sind.
So liest man zum Beispiel an einer Stelle, wie Kim früh morgens in der Kantine ihr Frühstück isst, dabei eine (im Übrigen seltsame, von Werwölfen mit Karies handelnde – wozu die Info??) Serie schaut, dann wieder auf ihrem Zimmer ins Bett geht und für weitere zwei Stunden schläft. Was hat diese Szene mir gebracht? Genau: nichts.

Oder es werden Details angesprochen, die im jeweiligen Moment vielleicht wie Foreshadowing wirken, die aber im Nachhinein gar nicht mehr aufgegriffen werden und so einfach sinnlose Infos sind, die die Handlung nicht weiter voranbringen. Am prägnantesten aufgefallen sind mir da der Käfer an der Weide, der gleich an zwei unterschiedlichen Stellen von verschiedenen Figuren erwähnt wird, und die Sache mit dem Skarabäus, der gleich seiner Bedeutungslosigkeit irgendwann doch tatsächlich einfach so verschwindet (was die Protagonistin übrigens zwar sogar merkt, ihr aber offenbar völlig egal ist).


Ebenso unwichtig: Die Häufigkeit, mit der die Protagonistin duschen geht oder einfach nackt ist. Erstmal: Wer geht bis zu dreimal am Tag duschen?
Zweitens: Wieso muss das erwähnt werden, wenn es für die Handlung in dem Moment völlig irrelevant ist?
Drittens: Warum ist Kim, eine
Fünfzehnjährige*, wohlbemerkt, so häufig nackt oder fast nackt?
Mir ist bereits zu Anfang aufgefallen, dass der Autor, wenn er seine Figuren – die Jungen wie auch die Mädchen, vor allem aber seine Protagonistin – beschreibt, sehr körperfixiert schreibt. Im Laufe der Geschichte kommt es dann immer wieder zu Situationen, in denen man beim Lesen den Eindruck bekommt, der Autor habe ein irgendwie verschobenes Verhältnis zur Nacktheit, so oft, wie Kim sich auszieht, und zwar nicht nur dann, wenn sie duschen geht (dann aber auch).

Am sinnfreisten ist mir die Szene in Erinnerung, in der sie bei Levin im Zimmer ist und sich draußen Lehrer ankündigen, die wissen wollen, wer warum im Nebenzimmer eingebrochen ist. Levin befiehlt ihr daraufhin sich auszuziehen und sich in ihr Bett zu legen. Okay, man könnte denken, sie soll so tun, als wäre sie mit ihm zusammen gewesen. Das an sich ist nicht ungewöhnlich, wenn auch je nach Sichtweise vielleicht ein bisschen unpassend für Figuren in ihrem Alter. Sie versteckt sich dann aber völlig unter der Decke, nicht einmal ihr Kopf ist für die Lehrer zu sehen – das hätte sie aber doch genauso gut angezogen tun können! Wieso ist es dann wichtig zu erwähnen, dass sie sich auszieht???

Weder in dieser noch in allen anderen Szenen, in denen Kim nackt ist (oder duscht), ist das für die Geschichte in irgendeiner Weise notwendig, schonmal gar nicht in Anbetracht ihres Alters!


Solche Situationen erschweren jedenfalls das Lesen, das ohnehin schon durch den wirren, teils zusammenhangslosen Schreibstil des Autors nicht angenehm ist.
Nicht nur, weil er Vieles schlicht nicht erklärt, fällt es einem oft schwer, der Handlung zu folgen, sondern weil er stets von Höcksken auf Stöcksken kommt. Er legt auf den 200 Seiten durchgehend ein viel zu rasantes Erzähltempo an den Tag und springt von einem Punkt zum anderen, ohne dass man beim Lesen nachvollziehen kann, wie es denn jetzt genau dazu gekommen ist. Für das gesamte Buch wäre es wohl gut gewesen, wenn Theisen mindestens 100, vielleicht sogar eher 200 Seiten mehr geschrieben hätte, auf denen er Handlungsstrukturen, die Hintergründe der Welt oder auch die Protagonisten erklärt und ihnen auch die Zeit gibt, sich zu entwickeln.


Denn das fehlt dem „Chip“ ebenfalls: Figuren, die greifbar werden, die man nachvollziehen kann, die sich entwickeln. Am stärksten fällt das natürlich bei der Protagonistin Kim auf, die man wohl am besten mit „Fähnchen im Wind“ beschreiben kann. Sie wechselt vor allem zu Beginn fast durchgängig die Seiten, ändert gefühlt alle drei Sekunden ihre Meinung über „BrainVision“, Julian oder Levin. Dann plötzlich wird sie von jetzt auf gleich von der Mitläuferin zur Rebellin, entliebt sich mir nichts, dir nichts von ihrem aktuellen Freund Julian, weil sie sich Hals über Kopf in Levin verliebt hat.
In all dem ist wirklich NULL Entwicklung zu sehen, es passiert alles einfach ohne Vorwarnung. Dementsprechend wenig kann man ihre Handlungen und ihr Verhalten dann natürlich nachvollziehen.

Das beschränkt sich leider nicht nur auf Kim, auch die anderen Figuren sind ähnlich ohne Substanz. Die Jugendlichen werden ausnahmslos rückgrat- und meinungslos dargestellt, leicht manipulierbar, mit instabilen, fast schon bipolar anmutenden Emotionen. Keiner der Schüler hat wirklich einen greifbaren Charakter, im Gegenteil kann man sie alle ohne Weiteres in bestimmte Schubladen stecken, und in genau den gleichen Schubladen denken sie auch.
Es ist wohl kennzeichnend für die Relevanz der Figuren, dass ich durchweg Schwierigkeiten hatte, mir die Namen der Figuren sind. Wie unwichtig vor allem alle Nebenfiguren hier sind, ist anscheinend auch dem Autor bewusst, da mittendrin eine Figur tatsächlich einfach nicht mehr da ist, weil sie genauso aussehe, rede und sich kleide wie eine andere Figur. Ähm…???

Auch die Erwachsenen bleiben nicht greifbar und austauschbar. Am meisten enttäuscht bin ich von Kims Opa, der durchaus das Potenzial gehabt hätte, sich zu einer spannenden, mächtigen Figur zu entwickeln. Ähnlich wie auch die Problematik um den Chip und die KI wird er aber bis zum Schluss nicht zum Zentrum der Handlung; in Erzählungen ist er zwar da, aber er trägt nichts Wesentliches bei, bis er am Ende dann als deus ex machina auftaucht und alle Probleme mit einem metaphorischen Fingerschnippen löst und dann ist das Buch zuende und alles ist gut. Hm ja, enttäuschend oder?



Fazit:
„Der Chip“ war ein Flop, so klar muss ich das hier sagen. Der Klappentext verspricht eine spannende Verschwörung, eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit technischem Fortschritt und ein dystopisches, düsteres Setting.
Was man bekommt, ist stattdessen eine seltsame Internatsgeschichte mit einer extrem wankelmütigen Protagonisten und ähnlich instabilen Nebenfiguren, einem völlig verschobenen Fokus auf für den Plot irrelevante Dinge statt der eigentlichen Problematik, unausgereiftes bis gar nicht vorhandenes Worldbuilding, insgesamt eine wirre Handlung, der man nur schwer Folgen kann, und schließlich eine für ein Jugendbuch, in dem die Protagonistin selbst erst 15 Jahre alt ist, völlig unangemessene Häufigkeit an sinnloser Nacktheit.
Die Idee hinter „Der Chip“ ist super, die Umsetzung aber unterirdisch. Es gibt ganz wohlwollende 1/5 Lesehasen mit Tendenz nach unten.

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