Potential ist da
Viele Besprechungen und Hinweise haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ein schöner Umschlag mit einem frühen amerikanischen Landschaftsbild, die gediegene Ausstattung mit Lesebändchen waren ein ...
Viele Besprechungen und Hinweise haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ein schöner Umschlag mit einem frühen amerikanischen Landschaftsbild, die gediegene Ausstattung mit Lesebändchen waren ein vielversprechender Auftakt.
Auf den ersten Seiten sehen wir den Schnitt einer Baumscheibe mit Jahresringen von 2038 bis 1908 und genau in dieser Zeitspanne umfasst die Geschichte der Familie Greenwood. 2038 hat sich die Welt gewandelt, Trockenheit und die „große Welke“ haben die Erde ausgelaugt. Riesige Staubwolken liegen schwer in der Luft, es scheint kaum noch menschenwürdiges Leben möglich. Jacinda Greenwood lebt als Rangerin in einer der wenigen Oasen, in denen es noch Primärwälder gibt. Die sind allerdings denen vorbehalten, die sich den Luxus eines kurzen Aufenthalts dort leisten können. Dieses bedrohliche Bild unserer nahen Zukunft bleibt haften. Auf vielen verschlungenen Umwegen gelangt ein Tagebuch ihrer Großmutter in ihren Besitz und sie erfährt zum ersten Mal etwas über ihre Familiengeschichte.
Wie bei den Jahresringen der Baumscheibe geht die Geschichte der Greenwoods bis 1908 zurück, als zwei Jungs ein Eisenbahnunglück überleben. Von der Gemeinde der Einfachheit halber zu Brüdern erklärt, werden sie einer Witwe gegen eine kleine Aufwandsentschädigung übergeben und hausen allein in einer baufälligen Holzhütte im Wald. Damit wird der Grundstein für die besondere Beziehung der Greenwoods, diesen Namen haben sie sich später selber gegeben, zu Wald und Bäumen gelegt. Ihr Leben wird in einzelnen Dekaden beleuchtet, bis sich der Kreis wieder bei Jacinda schließt.
Diese Geschichte ist fast ausufernd geschildert, es gibt kaum eine Tragödie die die Greenwoods nicht trifft. Egal in welcher Generation, das Schicksal meint es nicht gut ihnen. Der Autor hat eine überbordende Fantasie und es hat mir meist Spaß gemacht, mich darauf einzulassen. Allerdings wäre vielleicht in diesem Buch weniger mehr gewesen. Denn zu oft müssen hanebüchene Zufälle den Handlungsfaden weiterspinnen. Der Autor fabuliert gerne, ich mag das und ihm gelingen wunderschöne Sätze und Abschnitte. Dann gibt es wieder Sprachbilder, die gründlich misslungen sind – auch hier wäre manchmal weniger mehr gewesen.
Auch wenn – vielleicht durch die vielen Vorschusslorbeeren – meine Erwartungshaltung höher war, habe ich mich gut unterhalten und ich denke, der Autor hat Potential. Es ist erst sein zweiter Roman und ich bin auf seine Entwicklung gespannt.