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Veröffentlicht am 28.10.2020

Ambivalenter Krimi

Ihr Königreich
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Carl Opgard kehrt mit seiner Frau Shannon auf den Berg-Hof, seinem Elternhaus, nach langen Jahren der Abwesenheit zurück. Sein älterer Bruder Roy, der den Hof nie verlassen hat, heißt ihn mit gemischten ...

Carl Opgard kehrt mit seiner Frau Shannon auf den Berg-Hof, seinem Elternhaus, nach langen Jahren der Abwesenheit zurück. Sein älterer Bruder Roy, der den Hof nie verlassen hat, heißt ihn mit gemischten Gefühlen Willkommen.
Zeitgleich beginnt wieder der Polizist Olsen mit Nachforschungen zum Unfalltod Carls und Roys Eltern sowie zu dem Verschwinden und vermeintlichen Selbstmord seines Vaters, der damals auch den Unfalltod der Eltern untersuchte.
Carl hingegen verspricht begeistert, das Dorf Os reich zum machen mit seinem geplanten Berghotel.


Ich habe mich lange gefragt, ob es sich wirklich um einen Kriminalroman handelt.
Gewiss, es geschehen einige Morde und andere Verbrechen, aber Jo Nesbo hat eine besondere Handlung und vor allem besonderes Gedankengut in diesen Roman gesteckt.

Rückblenden, Gegenwartsgeschehen und Zukunftsträume wechseln sich ab. Sie geben dem Leser einen tiefen Einblick in die Seelen geschändeter, ungeliebter oder auch unbeachteter Kinder und auch Erwachsener.

Das Geschehen um „Ihr Königreich“ wird hauptsächlich aus Roys Sicht erzählt. Objektivität ist bei dem Gefühlschaos natürlich nicht möglich. Roys Schuldgefühle führen somit zur völlig falschen Einschätzung seines Bruders. Das Beziehungsgeflecht in dem kleinen Dorf, das sich kurz vor dem Untergang wähnt, trägt ebenfalls zum gefühlten „Ritt auf der Rasierklinge“ bei.

Die Spannung resultiert nicht aus dem Ergreifen oder Ermitteln eines Täters, sondern aus der Erwartung, was jetzt geschehen wird. Jo Nesbo spielt geschickt mit unseren Gefühlen, mal ist es Überraschung, mal Abscheu, mal Mitgefühl und dann wieder Verblüffung.

Es ist ein ganz anderer Nesbo-Krimi oder vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall ist er gut und lesenswert.

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Veröffentlicht am 22.10.2020

Schreckt und macht nachdenklich

Die App – Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.
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Hendrik Zemmer und Linda Mattheus leben glücklich und zufrieden in ihrem neuen mit einem super modernen Smart-Home-Service ausgestatteten Haus.
Während eines romantischen Dinners träumen sie von ihrer ...

Hendrik Zemmer und Linda Mattheus leben glücklich und zufrieden in ihrem neuen mit einem super modernen Smart-Home-Service ausgestatteten Haus.
Während eines romantischen Dinners träumen sie von ihrer in einer Woche stattfindenden Hochzeit, als Hendrik telefonisch zu einer Not-OP gerufen wird.

Bei seiner Rückkehr, gegen 4.30 am Morgen, muss er feststellen, dass Laura verschwunden ist. Keine Nachricht, das Bett unbenutzt, Hendrik ist ratlos und verzweifelt.

Da kein gewaltsames Eindringen zu erkennen ist und Lindas Koffer verschwunden ist, nehmen die herbeigerufenen Polizeibeamten Lindas Verschwinden nicht ernst.



Das ist wieder einmal ein spannender und verwirrender Psychothriller alla Strobel.

Der Leser wird von Seite zu Seite genauso verzweifelt und verunsichert wie Hendrik Zemmer.
Genau wie Hendrik, dessen Zweifel und Unsicherheit glaubwürdig und nachvollziehbar gezeichnet werden, dachte ich immer wieder, jenem oder anderem glauben und vertrauen zu können, was einige Seiten weiter wieder hinfällig war und erschüttert wurde.

Die in kursiver Schrift geschriebenen Einschübe trieben mir Angstschweiß auf die Stirn und Gänsehaut in den Nacken.

Ja, wirklich gut gemacht.

Unsicherheit, Chaos, Vertrauen und Misstrauen standen im stetigen Wechsel. Die Zeitnot trieb alle Beteiligten zu einem spektakulären Show-Down, der alles noch einmal in ein neues Licht tauchte. Und das lässt den Leser dann aufgekratzt, elektrisiert und sehr, sehr nachdenklich zurück.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Schwere Kost, leicht verpackt

Eiskalte Provence
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Eine Wanderer-Gruppe findet in einer Schutzhütte die Leiche einer jungen Frau. Sie wurde unvorstellbar verstümmelt, als Braut zurechtgemacht in der Hütte regelrecht inszeniert.

War es ein Triebtäter, ...

Eine Wanderer-Gruppe findet in einer Schutzhütte die Leiche einer jungen Frau. Sie wurde unvorstellbar verstümmelt, als Braut zurechtgemacht in der Hütte regelrecht inszeniert.

War es ein Triebtäter, ein abgewiesener Liebhaber oder Zufall?

Die Kommissare Castel und Theroux ermitteln, unwillentlich unterstützt vom Ex-Commissaire Albin Leclerc.


„Hat Ihnen „Eiskalte Provence“ gefallen?“

Ja, mir hat der Krimi sehr gut gefallen. Er war eine runde Sache. Dieser regionale Krimi umfasst ein breites Spektrum. Wir haben geschichtliches, sprich Völkerwanderung und Verfolgung aus Osteuropa, traditionelles, also Weihnachtsbräuche und kulinarische Besonderheiten der Provence erfahren, landschaftlich wurde uns die Provence näher gebracht und hinzukam auch noch ein spannender Krimi.

Da es sich bereits um den sechsten Band dieser Provence Krimireihe handelt war die Figur des Alban Leclerc sehr gut ausgearbeitet.

Auch wenn dieser Krimi mein erster aus der Provence-Reihe ist, hatte ich nie den Eindruck, dass mir Wissen aus der Vergangenheit der Protagonisten fehlt. All die Informationen, die ich aus den vorherigen Bänden benötigte, wurden bei Bedarf zum Verständnis in die Dialoge oder in die Erzählung gestreut.

Die Ermittler Castel und Theroux sind in diesem Band etwas blass geblieben. Aber in den Beiträgen der aktuellen Leserunde wurde bereits erklärt, dass die beiden Ermittler in den Vorgänger-Bänden etwas mehr zum Zuge kamen und somit auch ihre Charaktereigenschaften und sonstigen Eigenarten in verschiedenen Bänden beleuchtet wurden.

Die Krimihandlung so wahnwitzig und gigantisch die Vorhaben von Lazar auch waren, kamen sie mir doch im Bereich des Möglichen vor und waren somit vorstellbar und aktuell. Sie erschienen mir manchmal beklemmend real.

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Skrupellos

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Während Lanas (5 Jahre) Geburtstagsfeier, dringen Männer in die Wohnung und richten ihre zwei Geschwister und ihre Eltern regelrecht hin. In letzter Sekunde wird Lana von ihrem Vater versteckt und überlebt, ...

Während Lanas (5 Jahre) Geburtstagsfeier, dringen Männer in die Wohnung und richten ihre zwei Geschwister und ihre Eltern regelrecht hin. In letzter Sekunde wird Lana von ihrem Vater versteckt und überlebt, ohne zu realisieren, was passiert ist. Als Kommissar Ewert Grens die Wohnung nach einigen Tagen betritt, raubt ihm der Geruch den Atem.

Zwanzig Jahre später muss Grens wieder in dieser Wohnung ermitteln und macht eine erschreckende Entdeckung. Die Ermordung der Familie von Lana konnte nie aufgeklärt werden, aber die Ermittler haben damals auch etwas übersehen.


Ein ziemlich verwirrender Thriller, der mit zunehmender Seitenzahl klarer, logischer und überzeugend wird.

Es geht um Waffengeschäfte, Marktvorherrschaft der Clans, Rache, Infiltration von Spitzeln und eventuell korrupter Polizei. Es wird blutig, brutal und gruselig. Lange Zeit ist der Feind unsichtbar und den Protagonisten läuft die Zeit davon.

Die Hauptfiguren Ewert Grens und Piet Hoffmann sind ausgereift, bis ins Detail ausgearbeitet und haben eine lange Vorgeschichte, was immer wieder Rückblenden deutlich machen.
Das ist auch nicht verwunderlich, weil Anders Rosland an ca. acht Thrillern mit den jeweiligen Protagonisten beteiligt war.

Zu Beginn zeigt sich der Thriller spannend. Der Leser wird gleich in eine fassungslose und gruselige Situation katapultiert. Danach empfand ich die Schilderung schwierig, langatmig, ja fast etwas entrückt. Grens und Hoffmann schwelgten in ihrer Vergangenheit und traten nur langsam in Aktion. Als Hoffmann endlich reagiert, nimmt der Thriller an Tempo und Spannung auf, wobei mir immer wieder Grens aufwendige und umständliche Ermittlung im Weg stand.

Als Ganzes betrachten ist es aber ein lesenswerter und spannender Thriller.

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Veröffentlicht am 05.09.2020

Furioses Finale

Zeiten des Sturms (Sheridan-Grant-Serie 3)
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Eigentlich hatte sich alles zum Guten gewendet und Sheridan hat ein sorgenfreies und behütetes Leben vor sich. Aber sie zweifelt und wird von ihrem früheren Leben eingeholt.
Von ihrem früheren Liebhaber, ...

Eigentlich hatte sich alles zum Guten gewendet und Sheridan hat ein sorgenfreies und behütetes Leben vor sich. Aber sie zweifelt und wird von ihrem früheren Leben eingeholt.
Von ihrem früheren Liebhaber, dem Zuhälter Dubois entführt und mit dem Tod bedroht, macht sie einen großen Befreiungsschlag und kehrt zu ihrer Familie zurück.

Werden ihre Träume vielleicht doch noch in Erfüllung gehen?


Ja, es wurde wirklich ein furioses Finale.

Frau Neuhaus hat deutlich aufgezeigt und nachvollziehbar gemacht, wieviel Leid, Hass und Brutalität ein Mensch überleben kann, um mit ein bisschen Rückhalt und Liebe einzelner Menschen oder der Familie seinen eigenen Weg gehen zu können.

Ich will nicht zu viel verraten, aber es ist schon erstaunlich, dass bei den vielen Vorfällen, Intrigen und Verbrechen, die Sheridan in ihrer Kindheit und Jugend widerfahren sind, sie sich als Erwachsene damit noch einmal auseinandersetzen muss.

Frei nach der Devise, man trifft sich immer zweimal.

Was aber auch deutlich macht, dass nichts in unserem Leben unreflektiert und folgenlos ist.
Ein sehr guter Gedanke, den man Heranwachsende näherbringen sollte.

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