Eine Frau steht ihren Mann
Die Hofgärtnerin − Frühlingsträume
Mit Marleene die Welt des Gartenbaus zu erkunden, heißt eintauchen in eine spannende historische Epoche und mitfühlen mit einer jungen Frau auf der Suche nach Selbstbestimmung.
Marleene war schon ...
Mit Marleene die Welt des Gartenbaus zu erkunden, heißt eintauchen in eine spannende historische Epoche und mitfühlen mit einer jungen Frau auf der Suche nach Selbstbestimmung.
Marleene war schon immer fasziniert von Pflanzen – eine Liebe, die ihr verstorbener Vater in ihr geweckt hat. Ganz besonders verbindet sie Flieder mit ihrem Vater, denn gemeinsam mit ihm hat sie als Kind eine neue Sorte gezüchtet. Weil es ihr großer Traum ist, bewirbt sie sich unermüdlich um eine Lehrstelle als Gärtnerin – unter anderem in der Hofgärtnerei in Oldenburg, wo ihr Vater einst gearbeitet hat. Doch sie wird mehrmals abgelehnt, mit der Begründung, dass sie eine Frau sei und Frauen dem Gärtnerberuf doch weder körperlich noch intellektuell gewachsen seien.
Um ihren Traum dennoch weiterverfolgen zu können, sieht sie keine andere Möglichkeit, als sich in den jungen „Marten“ zu verwandeln – und siehe da, sie wird als Lehrling in der Hofgärtnerei eingestellt. Das Versteckspiel wird jedoch zunehmend schwierig, denn gefangen zwischen zwei Welten fällt es Marleene immer schwerer, ihre Rolle überzeugend zu spielen. Besonders, als sie im zweitgeborenen Sohn des Hofgärtners einen Seelenverwandten entdeckt…
Rena Rosenthal hat hier einen sowohl thematisch als auch vom Umfang her sehr üppigen historischen Roman vorgelegt. Auf stolzen 670 Seiten folgt man Marleene bzw. Marten durch das Jahr 1891. Der Untertitel „Frühlingsträume“ sollte dabei nicht zu ernst genommen werden, denn das Buch umfasst eine ganze Gärtnersaison und nicht nur den Frühling.
Marleene ist – wie für solche historischen Romane typisch - eine fortschrittlich denkende, intelligente Frauenfigur, mit der man sympathisiert. Ihr Weg vom verhuschten Zimmermädchen zum selbstbewussten Gärtnerlehrling wird anschaulich geschildert und man fühlt von der ersten Minute mit ihr mit. Ich habe sie und die Nebenfiguren unheimlich gern begleitet und mir kamen die 670 Seiten überhaupt nicht wie ein „Wälzer“ vor – auch wenn ich der Meinung bin, dass man an der ein oder anderen Stelle schon noch ein wenig hätte straffen können.
Aber mit der Länge des Buches hat die Autorin auch genug Raum für viele Wandlungen, Intrigen und Verflechtungen, die sich zum Ende hin so gekonnt verdichten, dass ich ihr dafür großen Respekt zollen muss. Auf der anderen Seite haben sich für mich ab und zu Fragen ergeben bzw. Handlungen, die mir nicht ganz logisch erschienen. Zum Beispiel versteckt Marleene täglich ihre Frauenkleidung kurz vor Erreichen der Gärtnerei, indem sie sie in einen Fliederbusch wirft. Ja, regnet es denn in Oldenburg nie? Als Versteck für Kleidung – zumal die weniger gut situierten Leute ja kaum Wechselkleidung besaßen – erschien mir das recht unbedacht und vor allem kaum auf die Dauer praktikabel, wenn sie nicht des Öfteren abends in völlig durchnässte Kleider steigen will, die in ihrer kargen Stube wohl kaum bis zu nächsten Morgen trocknen würden. Und eine Plastiktüte wird sie ja kaum dabeigehabt haben… Das beispielsweise kam mir komisch vor und an solchen Sachen bin ich beim Lesen ab und zu ein wenig „hängengeblieben“.
Davon aber abgesehen kann man in diesem Roman wirklich schwelgen und wer sich für Natur und Pflanzen interessiert, kann mit diesem Buch richtig abtauchen in das historische Gärtnerhandwerk. Die Autorin beschreibt das teilweise sehr beschwerliche Gärtnern ausführlich und – so im Nachwort zu lesen – auch sehr fundiert. Wer sich zudem für das gesellschaftliche Leben des späten 19. Jahrhunderts interessiert, bekommt hier ein schillerndes und umfassendes Porträt geboten. Leseempfehlung für Fans der „Gärtnerinnen“-Serie von Martina Sahler und alle, die üppige historische Romane lieben!