Erzählt von zweiten Chancen, der eigenen Stimme und sorgte bei mir außerdem für ganz schön viel Fernweh...
Hoch wie der HimmelDieses Buch hat auf höchst mysteriöse Weise zu mir gefunden - es lag eines schönen Morgens einfach in meinem Briefkasten, ohne dass ich es gekauft, bestellt oder angefragt hätte. Ich habe extra in Social ...
Dieses Buch hat auf höchst mysteriöse Weise zu mir gefunden - es lag eines schönen Morgens einfach in meinem Briefkasten, ohne dass ich es gekauft, bestellt oder angefragt hätte. Ich habe extra in Social Media und meinen Mails nach der Geschichte gesucht, um sicherzugehen, dass ich nicht doch eine Rezianfrage rausgeschickt, oder zufällig bei einem Gewinnspiel gewonnen habe - aber Fehlanzeige. Auch wenn die Umstände, unter denen "Northern Love - Hoch wie der Himmel" zu mir gefunden haben wohl ein Geheimnis bleiben werden, will ich natürlich meine Meinung zur Geschichte mit euch teilen.
Das Cover mit den schräg geschnittenen Bildkacheln und dem roten, gemaserten Hintergrund, der an die Wand eine bunten Holzhäuschens denken lässt, gleicht einem "warum ich nach Norwegen reisen will"-Moodboard. Hohe Berge, lange Fjorde, bunte Häuser, malerische Gassen, süße Seehunde, nette Menschen und ein wildes, raues Klima - all das versprechen die Coverbilder und machten mir damit sofort Lust, meine Koffer zu packen. Der Titel verweist darauf, dass hier eine Liebesgeschichte erzählt wird, während der Untertitel auf Kristers spezielles Hobby hindeutet, von dem wir aber erst im Laufe der Geschichte erfahren. "Northern Love - Hoch wie der Himmel" ist der erste Teil einer dreibändigen Reihe, die sich um die Mitglieder einer kleinen Praxis im beschaulichen Lillehamn dreht. Im Auftaktband geht es um Krister und die aus Deutschland zugezogene Ärztin Annik, während Band 2 von Kristers Bruder Espen und der dritte Teil von seiner Schwester Alva handelt, welche wir beide schon kennenlernen.
"Er sah... sie an. Und zwar nicht mit seinem "Igitt, ein Käfer"-Blick. Sondern... wie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass es ihr davon komisch im Bauch kribbelte, und ihr Mund irgendwie trocken wurde."
Julie Birkland hat einen personalen Er-Erzähler gewählt, um abwechselnd aus der Sicht von Annik und Krister erzählen zu können, die beide mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen haben und eigentlich gar nicht auf der Suche nach der großen Liebe sind. Annik, eine alleinerziehende Ärztin, die mit ihrem Sohn im wunderschönen Norwegen einen Neuanfang wagt, nachdem ihr Mann in einem Autounfall ums Leben gekommen ist, will nur eins: ihr altes Leben hinter sich lassen und zusammen mit dem kleinen Theo, der seit dem Unfall nicht mehr spricht, zurück ins Leben finden. Krister hat zwar alles, was er braucht - einen guten Job als geachteter Chirurg, eine Wohnung wie aus dem Einrichtungskatalog und eine Familie, die sich um ihn sorgt -, muss aber dennoch im Wingsuit von Bergen springen, um sich wirklich lebendig zu fühlen. Erst als eine neue Ärztin in der Familienpraxis anfängt, wird sein Herz durcheinander gewirbelt - und leider auch sein Sprachzentrum. Doch wie soll er der jungen Frau zeigen, was er empfindet, wenn er in ihrer Anwesenheit kein einziges Wort herausbekommt...?
"Hallo Krister."
Er konnte über Fjorde springen.
Sprechen, ganz ruhig.
Und lächeln.
"Hi."
Von der ersten Seite an hat mich vor allem eins gepackt: das wunderschöne Setting der Geschichte. Die Autorin entführt in einen kleinen Kurzurlaub an der Küste Norwegens, der mir ein ums andere Mal einen Anflug von Fernweh verpasst hat. Romantische Nächte am Lagerfeuer, Wochenenden in Ferienhäusern, Besuche auf der Seehundstation, Moltebeerschnaps-Exzesse in der Dorfkneipe, Wanderungen hoch über dem Fjord und skandinavische "Sahneschnittchen" haben mein Kopfkino angeregt und mich trotz des drohenden Corona-Lockdowns mit auf Reisen genommen, wie es nur ein gutes Buch kann. Dass die Autorin das Land selbst liebt und es mehrmals bereist hat, anstatt ihre Geschichte auf den typischen Klischees aufzubauen, merkt man dabei jeder Seite an. Das Arztroman-Motiv, steht dabei stark im Hintergrund. Zwar begleiten wir Annik und Krister auch ab und an auf ihre Arbeit in die Praxis, oder lauschen Teambesprechungen zu Fällen, dies wird aber vorrangig genutzt, um die Liebesgeschichte voranzutreiben und die anfangs noch sehr angespannte Atmosphäre zwischen Annik und Krister zu verdeutlichen. Wer also Angst vor einem "Greys Anatomie trifft Schwarzwaldklinik in Norwegen"-Touch hatte, kann hiermit beruhigt sein.
"Du hast gefragt, was passiert ist, das mein blödes Sprachzentrum wieder einmal aussetzen lässt."
Sie nickte.
Ein Schritt.
Keine Reißleine, kein Notfallschirm.
Er atmete tief ein und ließ die Luft entweichen, bevor er den Stift erneut ansetze."
"DU".
Das zweite große Standbein der Geschichte neben dem starken Setting sind die beiden spannenden Protagonisten und ihre Beziehung zueinander. Auffällig ist zunächst, dass die beiden schon etwas älter sind und nicht mehr in das College-Berufseinsteiger-New Adult-Raster hineinpassen. Auch inhaltlich ist die Geschichte erwachsener als das durchschnittliche New-Adult-Drama. Zwar haben auch hier die Figuren mit Problemen zu kämpfen, die sind jedoch eher ernster und präsentieren sich als gut ausgearbeitete Konflikte anstatt von überzeichneten Krisen, die sich als einfache Missverständnisse abtun lassen können. Es geht hier um Verlust und zweite Chancen, die eigene Stimme und Probleme mit dieser, Sucht und Opfer, Verantwortung und Liebe. Neben Annik und Krister, die mir natürlich im Laufe der Geschichte sehr ans Herz gewachsen sind, gibt es noch eine Reihe liebenswürdiger Nebenprotagonisten, di wohl auch in den Folgebänden noch auftauchen werden. Den Zwillingen Espen und Alva wird ja noch jeweils ein eigener Band gewidmet, auch bei Anniks Sohn Theo, ihrer neue Freundin Hanne, deren Mann Tom und allerlei schrulliger Gestalten, die schon zum Lillehamner Inventar gehören, würde ich mich aber über ein Widersehen freuen.
"Du kannst nur leben oder vor dem Leben Angst haben. Beides gleichzeitig geht nicht."
Kritisieren kann man an der Geschichte wohl vor allem zwei Dinge. Erstens: sie ist recht vorhersehbar. Julie Birkland erzählt hier zwar eine sehr süße Liebesgeschichte, die jedoch nicht zum Pageturner wird. Die beiden kommen recht schnell zusammen und schon zu Beginn ist klar, welcher Teil von Kristers Leben wohl dafür sorgen wird, dass es später kriselt. Auch der Umgang mit vielen Themen ist zwar gut gemacht, jedoch nicht überwältigend tiefgründig, weshalb ich diese Geschichte alles in allem in die wenig spektakuläre Kategorie "Wohlfühlbuch" stecken würde. Der zweite Punkt ist die Länge, beziehungsweise die fehlende Länge. Ich hätte gerne noch mehr von Krister und Annik gelesen und gerade das Ende kam mir recht flott abgehakt vor. Zum Glück gibt es ja aber noch zwei weitere Bände, in denen wir vielleicht nochmal was von den beiden erfahren.
"Krister trat an die Kante, und sein Herz jagte Blut und Botenstoffe durch seine Adern, um dem bevorstehenden Tod zu begegnen. Jedes einzelne Mal. Jede Zelle schrie in Todesangst. Als das Atmen schwer wurde, lächelte Krister. Nicht dieses Mal, Tod, mein Freund. Nicht dieses Mal.
Er kippte nach vorn und flog."
Fazit:
"Northern Love -Hoch wie der Himmel" ist eine zuckersüße Liebesgeschichte einer jungen alleinerziehenden Mutter, die mit ihrem Sohn im wunderschönen Norwegen einen Neuanfang wagt, nachdem ihr Mann in einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Die Geschichte erzählt von zweiten Chancen, der eigenen Stimme und sorgte bei mir außerdem für ganz schön viel Fernweh...