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Veröffentlicht am 30.10.2020

Erzählt von zweiten Chancen, der eigenen Stimme und sorgte bei mir außerdem für ganz schön viel Fernweh...

Hoch wie der Himmel
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Dieses Buch hat auf höchst mysteriöse Weise zu mir gefunden - es lag eines schönen Morgens einfach in meinem Briefkasten, ohne dass ich es gekauft, bestellt oder angefragt hätte. Ich habe extra in Social ...

Dieses Buch hat auf höchst mysteriöse Weise zu mir gefunden - es lag eines schönen Morgens einfach in meinem Briefkasten, ohne dass ich es gekauft, bestellt oder angefragt hätte. Ich habe extra in Social Media und meinen Mails nach der Geschichte gesucht, um sicherzugehen, dass ich nicht doch eine Rezianfrage rausgeschickt, oder zufällig bei einem Gewinnspiel gewonnen habe - aber Fehlanzeige. Auch wenn die Umstände, unter denen "Northern Love - Hoch wie der Himmel" zu mir gefunden haben wohl ein Geheimnis bleiben werden, will ich natürlich meine Meinung zur Geschichte mit euch teilen.

Das Cover mit den schräg geschnittenen Bildkacheln und dem roten, gemaserten Hintergrund, der an die Wand eine bunten Holzhäuschens denken lässt, gleicht einem "warum ich nach Norwegen reisen will"-Moodboard. Hohe Berge, lange Fjorde, bunte Häuser, malerische Gassen, süße Seehunde, nette Menschen und ein wildes, raues Klima - all das versprechen die Coverbilder und machten mir damit sofort Lust, meine Koffer zu packen. Der Titel verweist darauf, dass hier eine Liebesgeschichte erzählt wird, während der Untertitel auf Kristers spezielles Hobby hindeutet, von dem wir aber erst im Laufe der Geschichte erfahren. "Northern Love - Hoch wie der Himmel" ist der erste Teil einer dreibändigen Reihe, die sich um die Mitglieder einer kleinen Praxis im beschaulichen Lillehamn dreht. Im Auftaktband geht es um Krister und die aus Deutschland zugezogene Ärztin Annik, während Band 2 von Kristers Bruder Espen und der dritte Teil von seiner Schwester Alva handelt, welche wir beide schon kennenlernen.


"Er sah... sie an. Und zwar nicht mit seinem "Igitt, ein Käfer"-Blick. Sondern... wie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass es ihr davon komisch im Bauch kribbelte, und ihr Mund irgendwie trocken wurde."


Julie Birkland hat einen personalen Er-Erzähler gewählt, um abwechselnd aus der Sicht von Annik und Krister erzählen zu können, die beide mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen haben und eigentlich gar nicht auf der Suche nach der großen Liebe sind. Annik, eine alleinerziehende Ärztin, die mit ihrem Sohn im wunderschönen Norwegen einen Neuanfang wagt, nachdem ihr Mann in einem Autounfall ums Leben gekommen ist, will nur eins: ihr altes Leben hinter sich lassen und zusammen mit dem kleinen Theo, der seit dem Unfall nicht mehr spricht, zurück ins Leben finden. Krister hat zwar alles, was er braucht - einen guten Job als geachteter Chirurg, eine Wohnung wie aus dem Einrichtungskatalog und eine Familie, die sich um ihn sorgt -, muss aber dennoch im Wingsuit von Bergen springen, um sich wirklich lebendig zu fühlen. Erst als eine neue Ärztin in der Familienpraxis anfängt, wird sein Herz durcheinander gewirbelt - und leider auch sein Sprachzentrum. Doch wie soll er der jungen Frau zeigen, was er empfindet, wenn er in ihrer Anwesenheit kein einziges Wort herausbekommt...?


"Hallo Krister."
Er konnte über Fjorde springen.
Sprechen, ganz ruhig.
Und lächeln.
"Hi."


Von der ersten Seite an hat mich vor allem eins gepackt: das wunderschöne Setting der Geschichte. Die Autorin entführt in einen kleinen Kurzurlaub an der Küste Norwegens, der mir ein ums andere Mal einen Anflug von Fernweh verpasst hat. Romantische Nächte am Lagerfeuer, Wochenenden in Ferienhäusern, Besuche auf der Seehundstation, Moltebeerschnaps-Exzesse in der Dorfkneipe, Wanderungen hoch über dem Fjord und skandinavische "Sahneschnittchen" haben mein Kopfkino angeregt und mich trotz des drohenden Corona-Lockdowns mit auf Reisen genommen, wie es nur ein gutes Buch kann. Dass die Autorin das Land selbst liebt und es mehrmals bereist hat, anstatt ihre Geschichte auf den typischen Klischees aufzubauen, merkt man dabei jeder Seite an. Das Arztroman-Motiv, steht dabei stark im Hintergrund. Zwar begleiten wir Annik und Krister auch ab und an auf ihre Arbeit in die Praxis, oder lauschen Teambesprechungen zu Fällen, dies wird aber vorrangig genutzt, um die Liebesgeschichte voranzutreiben und die anfangs noch sehr angespannte Atmosphäre zwischen Annik und Krister zu verdeutlichen. Wer also Angst vor einem "Greys Anatomie trifft Schwarzwaldklinik in Norwegen"-Touch hatte, kann hiermit beruhigt sein.


"Du hast gefragt, was passiert ist, das mein blödes Sprachzentrum wieder einmal aussetzen lässt."
Sie nickte.
Ein Schritt.
Keine Reißleine, kein Notfallschirm.
Er atmete tief ein und ließ die Luft entweichen, bevor er den Stift erneut ansetze."
"DU".


Das zweite große Standbein der Geschichte neben dem starken Setting sind die beiden spannenden Protagonisten und ihre Beziehung zueinander. Auffällig ist zunächst, dass die beiden schon etwas älter sind und nicht mehr in das College-Berufseinsteiger-New Adult-Raster hineinpassen. Auch inhaltlich ist die Geschichte erwachsener als das durchschnittliche New-Adult-Drama. Zwar haben auch hier die Figuren mit Problemen zu kämpfen, die sind jedoch eher ernster und präsentieren sich als gut ausgearbeitete Konflikte anstatt von überzeichneten Krisen, die sich als einfache Missverständnisse abtun lassen können. Es geht hier um Verlust und zweite Chancen, die eigene Stimme und Probleme mit dieser, Sucht und Opfer, Verantwortung und Liebe. Neben Annik und Krister, die mir natürlich im Laufe der Geschichte sehr ans Herz gewachsen sind, gibt es noch eine Reihe liebenswürdiger Nebenprotagonisten, di wohl auch in den Folgebänden noch auftauchen werden. Den Zwillingen Espen und Alva wird ja noch jeweils ein eigener Band gewidmet, auch bei Anniks Sohn Theo, ihrer neue Freundin Hanne, deren Mann Tom und allerlei schrulliger Gestalten, die schon zum Lillehamner Inventar gehören, würde ich mich aber über ein Widersehen freuen.


"Du kannst nur leben oder vor dem Leben Angst haben. Beides gleichzeitig geht nicht."


Kritisieren kann man an der Geschichte wohl vor allem zwei Dinge. Erstens: sie ist recht vorhersehbar. Julie Birkland erzählt hier zwar eine sehr süße Liebesgeschichte, die jedoch nicht zum Pageturner wird. Die beiden kommen recht schnell zusammen und schon zu Beginn ist klar, welcher Teil von Kristers Leben wohl dafür sorgen wird, dass es später kriselt. Auch der Umgang mit vielen Themen ist zwar gut gemacht, jedoch nicht überwältigend tiefgründig, weshalb ich diese Geschichte alles in allem in die wenig spektakuläre Kategorie "Wohlfühlbuch" stecken würde. Der zweite Punkt ist die Länge, beziehungsweise die fehlende Länge. Ich hätte gerne noch mehr von Krister und Annik gelesen und gerade das Ende kam mir recht flott abgehakt vor. Zum Glück gibt es ja aber noch zwei weitere Bände, in denen wir vielleicht nochmal was von den beiden erfahren.


"Krister trat an die Kante, und sein Herz jagte Blut und Botenstoffe durch seine Adern, um dem bevorstehenden Tod zu begegnen. Jedes einzelne Mal. Jede Zelle schrie in Todesangst. Als das Atmen schwer wurde, lächelte Krister. Nicht dieses Mal, Tod, mein Freund. Nicht dieses Mal.
Er kippte nach vorn und flog."





Fazit:


"Northern Love -Hoch wie der Himmel" ist eine zuckersüße Liebesgeschichte einer jungen alleinerziehenden Mutter, die mit ihrem Sohn im wunderschönen Norwegen einen Neuanfang wagt, nachdem ihr Mann in einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Die Geschichte erzählt von zweiten Chancen, der eigenen Stimme und sorgte bei mir außerdem für ganz schön viel Fernweh...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.10.2020

Nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie ihre anderen Bücher!

All das Ungesagte zwischen uns
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Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, emotionale, spannende und poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen ...

Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, emotionale, spannende und poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört. Von ihr habe ich bis jetzt fast alles gelesen und geliebt, natürlich war es keine Frage, dass ich ihr auch ihren neusten Roman unbedingt lesen wollte.

"All das Ungesagte zwischen uns", welches heute erscheint, ist mal wieder eines von Colleen Hoovers neuerlichen Genreexeperimenten, in dem sie Young Adult mit einer 30+-Romance kombiniert. Nachdem ich von einigen ihrer Ausflüge in eine neue Richtung (z.B. "Was perfekt war", "Die tausend Teile meines Herzens") nur mäßig begeistert war, während andere (z.B. "Verity" oder "Nur noch ein einziges Mal") zum Jahreshighlight wurden, war ich sehr gespannt, in welche Kategorien ihr neuster Versuch einzuordnen sein wird. Kurzer Spoiler: leider eher in erstere. Denn auch wenn hier vieles gut gemacht war, konnte mich die Geschichte einfach nicht so sehr emotional abholen, wie ich das von der Autorin normalerweise gewöhnt bin.


Clara: "Ich dachte immer, je älter man wird, desto leichter würde alles werden, weil man weiß, wie das Leben läuft. Man ist emotional reifer und kann besser mit Krisen umgehen. Aber wenn ich mir Jonah jetzt gerade so anschaue, wie er sich bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass er in Gedanken ganz weit weg ist, oder meine Mutter, die versucht, ihr Leben zu bewältigen, als hätte sie noch irgendeinen Einfluss auf das, was passiert, sehe ich, dass Erwachsene das Ganze anscheinend genauso wenig im Griff haben wie wir. Sie tragen nur die besseren Masken."


Das Cover ist wieder ein wenig anders als die typische Gestaltung, da die Geschichte im dtv-Imprint "bold" erschienen ist. Mit dem weißen Hintergrund, dem großen schwarzen Titel und dem roten, blumigen Motiv, passt es optisch dennoch gut zu anderen Büchern der Autorin, die bei dtv erschienen sind, ist aber leider ein wenig nichtssagend. Rote Blumen auf hellem Grund? - das ist weder besonders aussagekräftig, noch kann ich eine thematische Verbindung zum Inhalt der Geschichte feststellen. Der deutsche Titel gefällt mir dafür aber sehr - fast noch besser als das Original. Denn was hier ungesagt blieb, sowohl in der Vergangenheit zwischen Morgan und Jonah, dann später in der Ehe von Morgan und Chris, als auch in der Gegenwart zwischen Morgan und ihrer Tochter Clara, türmt sich bald zu einer schmerzhaft hohen Mauer auf, die zwischen den beiden Protagonistinnen steht.


Erster Satz: "Gibt es das nur bei Menschen oder kennen auch andere Lebewesen das Gefühl, innerlich leer zu sein?"


Wir steigen nach einem kurzen Prologartigen Einschub aus Morgans Jugend einen Tag vor dem absoluten Tiefpunkt in Claras und Morgans Leben ein, denn als in einem tragischen Unfall Jenny und Chris - Schwester und Tante, Ehemann und Vater - ums Leben kommen, bricht die Welt von Mutter und Tochter zusammen. Was tun, wenn dir ein Schicksalsschlag den Boden unter den Füßen wegzieht und die beiden wichtigsten Menschen in deinem Leben, sind nicht mehr da, um dich zu trösten? Dass fragen sich sowohl Morgan als auch Clara und hoffen darauf, dass die Zeit ihre Wunden heilen wird. Statt langsam bergauf, geht es aber immer weiter bergab, denn heimliche Liebschaften, ein aufgedecktes Geheimnis und unterdrückte Gefühle vergiften das Verhältnis von Mutter und Tochter immer weiter. Denn sie suchen beide Trost in den Armen eines anderen, den sie nicht lieben sollten...


Clara: "Ich mochte meine Schneekugeln, weil ich fand, dass sie ein perfektes Abbild des Lebens waren. Manchmal ist es, als würde jemand nach der Welt greifen und sie kräftig durcheinanderschütteln - aus sämtlichen Richtungen fliegen die Fetzen -, aber wenn man lange genug abwartet, beruhigt sich alles wieder. Ich fand es tröstlich zu wissen, dass jeder Sturm irgendwann nachlässt, und danach ist alles so, wie es vorher war. Diese Woche habe ich gelernt, dass das nicht immer stimmt. Manchmal sind die vom Sturm angerichteten Zerstörungen so schlimm, dass sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können."


Mehr will und kann ich genau wie der Klapptext nicht über die Geschichte verraten, ohne zu viel vorwegzunehmen. Wenn ihr das genaue Thema noch nicht kennt, mit dem sich das Buch auseinandersetzt, dann hört also genau an dieser Stelle mit dem Lesen meiner Rezension auf und lasst die Handlung einfach auf euch zu kommen. Colleen Hoover hat hier nach einem unkonventionellen Start eine ebenso ungewöhnliche Handlungskonstruktion gewählt und erzählt ihre Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen und aus zwei verschiedenen Perspektiven: die von Mutter und Tochter, die zwar nur 17 Lebensjahre voneinander trennen, sich nach dem Unfall jedoch immer weiter voneinander entfremden. Zusätzlich zu den Geschehnissen der Gegenwart, rekapituliert Morgan auch immer wieder Erinnerungen aus der Zeit, als sie selbst 17 war und fragt sich so, wie ihr Leben in so einem Chaos enden konnte. Etwas schade an diesem Konzept ist, dass wir schon von Beginn an fast alles aus dem Leben der beiden Protagonistinnen wissen und auch in "das große Geheimnis" schon in den ersten Kapiteln eingeweiht werden, sodass die Geschichte kaum einen wirklichen Spannungsbogen aufweisen kann. Stattdessen müssen wir zusehen, wie sich die beiden Erzählerinnen von einer Katastrophe in die nächste manövrieren und sich gegenseitig immer wieder in dem Versuch verletzten, Frieden zu finden.


Clara: "Es ist so ungerecht, dass nur eine einzige Sache passieren muss... dass eine einzige Sekunde reicht, um unsere Welt für immer zu zerstören. Um jeden glücklichen Moment, der je war, für immer kaputt zu machen."


Dass das Mutter-Tochter-Verhältnis hier vielschichtig und ambivalent dargestellt ist, will ich der Geschichte gar nicht absprechen, hier war aber vieles zu vorhersehbar, durchschnittlich und dramatisch, sodass ich zwar mitgerissen, aber nicht emotional vollständig abgeholt wurde. Zwar war das Schicksal der Figuren tragisch und der Schreibstil gewohnt emotional, die Handlung war aber nichts, was man nicht schonmal irgendwo so ähnlich gelesen hätte und auch die Atmosphäre nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie in ihren anderen Büchern. Dabei war hier genug Drama vorhanden, um fünf Bücher zu füllen. Neben Unschönem wie Entfremdung, Verlust, Orientierungslosigkeit, Rache, Verrat, Leere und Verzweiflung gibt es auch genauso viel Schönes wie Vergebung, Offenheit, Liebe, Zärtlichkeit, Sehnsucht, Vertrauen, Verständnis, Fürsorge und Selbstlosigkeit zu entdecken. Warum konnte ich vieles davon dann einfach nicht FÜHLEN?


Morgan: "Wahrscheinlich ist genau das das Problem." Ich drücke ihre Hände. "Kinder denken, ihre Eltern wüssten immer ganz genau, was sie tun und wie man sich zu verhalten hat, dabei stolpern Erwachsene in Wirklichkeit oft genauso planlos durchs Leben wie Jugendliche."


Trotz der vielen Tragik der Geschichte sind hier im Grunde zwei Liebesgeschichten zu einem chaotischen Durcheinander verbunden, die das Verhältnis zwischen Morgan und Clara schwierig machen. Während Morgan nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Schwester ein schreckliches Geheimnis herausfindet und daraufhin Trost in den Armen von Jennys Verlobten und Chris´ bestem Freund Jonah sucht, entdeckt Clara zusammen mit Miller, einem Jungen aus ihrer Schule ihre erste Liebe und versucht ihre Wut und ihren Schmerz durch neue Erfahrungen zu betäuben. Dass Mutter und Tochter das Treiben der jeweils anderen nicht gerade gut finden, macht auch die Verfolgung der beiden Liebesgeschichten für den Leser etwas schwer. Dadurch dass beide durch Missverständnisse, Lügen und Trauer eine immer schwierigere Beziehung haben, steht man als Leser etwas zwischen den Stühlen und blickt bald kritisch auf das Verhalten von beiden Erzählerinnen. So konnte ich mich nicht ganz auf die beiden wirklich süß erzählten Liebesgeschichte einlassen und habe in Habachtstellung auf die nächste Katastrophe gewartet.


Morgan: "Das ist die Energie, die uns Menschen ausmacht und antreibt. Wir fühlen uns zu anderen Menschen hingezogen, so wie wir uns in Kunstwerke verlieben, in Musik, in gutes Essen und Unterhaltung. Diese Begeisterung für das, was uns umgibt, macht das Leben schön. Wenn man beschließt, sich an einen Menschen zu binden, sagt man nicht: "Ich verspreche dir, dass ich mich nie mehr zu jemand anderem hingezogen fühlen werden", man sagt: "Ich verspreche dir, dass meine Loyalität dir gilt, obwohl ich möglicherweise anderen Menschen begegne, zu denen ich mich auch hingezogen fühlen werde."


Auch abseits des hier ausgelösten Zwiespalts, stand ich zwischen den beiden Figuren. Clara war etwas zu jung und verhielt sich oft zu sprunghaft und teeniemäßig, als dass ich sie gänzlich verstehen konnte, während Morgan sich trotz ihrer bloß 34 Jahre zu sehr verhält, als wäre ein Großteil ihres Lebens bereits vorbei, als dass ich ihre Konflikte wirklich fühlen konnte. Obwohl die perspektivischen Anteile ungefähr gleich verteilt sind, hatte ich das Gefühl, dass Clara und ihre jugendliche Seitweise ein wenig mehr im Vordergrund steht und Morgans Romanze ein wenig verhaltener abläuft. Auch wenn ich Clara in Zusammenhang mit Miller sehr mochte, fand ich das ein wenig schade, da mich auch Morgans Gefühle, ihr Versuch eines Neuanfangs und ihre Suche nach den Details um die bereits vorweggenommene Enthüllung (Spoiler: Die Affäre von Jenny und Chris) sehr interessiert haben. Insgeheim hatte ich bis zum Ende die Hoffnung, dass doch noch eine aufschlussreiche Wendung kommt, die die Geschichte ganz im Verity-Stil in einem anderen Licht erscheinen lässt. Doch statt die Antworten zu suchen, die wir alle erwartet haben, lässt Colleen Hoover ihre Figur die Briefe zerreißen, die Aufschluss gegeben hätten und damit nicht nur Morgan sondern auch uns in unbefriedigender Ungewissheit zurück. Sieht man davon ab, ist das Ende aber mein unangefochtenes Highlight der gesamten Geschichte. Denn gerade die letzten zwei Kapitel und der Epilog sind wie gewohnt zuckersüß, witzig, hintergründig und emotional, sodass mir nochmal vor Augen geführt wurde, was diese Geschichte hätte sein können.


Morgan: "An dem Tag, an dem sich herausstellte, dass ich schwanger war, hörte ich auf, mein eigenes Leben zu leben. Ich glaube, es ist an der Zeit, herauszufinden, was aus mir geworden wäre, wenn ich damals nicht angefangen hätte, mein Leben für alle anderen zu leben."




Fazit:


Colleen Hoover erzählt in ihrem neusten Genre-Experiment zwei getrennte Liebesgeschichten, stellt dabei aber die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung der beiden Erzählerinnen in den Vordergrund. Zwar haben mir der vertrackte Aufbau, der gewohnt emotionale Schreibstil und das tragische Schicksal der Figuren grundsätzlich gut gefallen, leider war die Handlung aber nichts, was man nicht schonmal irgendwo so ähnlich gelesen hätte und auch die Atmosphäre nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie in ihren anderen Büchern, sodass mich die Geschichte trotz allem einfach nicht so sehr emotional abholen, wie ich das von der Autorin normalerweise gewöhnt bin.


PS: Wer sich jetzt vielleicht wundert, warum ich nach dieser eher negativ klingenden Rezension trotzdem eine Leseempfehlung und 3,5 Sterne vergebe, den will ich nochmal daran erinnern, dass "All das Ungesagte zwischen uns" nach Colleen-Hoover-Maßstäben deutlich ausbaufähig, ansonsten aber eine sehr interessante Geschichte war.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.10.2020

Nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie ihre anderen Bücher!

All das Ungesagte zwischen uns
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Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, emotionale, spannende und poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen ...

Fast jeder Freund des Genre Young Adult hat ihren Namen schon einmal gehört: Colleen Hoover, die mit ihrem unfassbaren Talent, emotionale, spannende und poetische Stories in die Welt zu setzen, zu meinen absoluten Lieblingsautoren gehört. Von ihr habe ich bis jetzt fast alles gelesen und geliebt, natürlich war es keine Frage, dass ich ihr auch ihren neusten Roman unbedingt lesen wollte.

"All das Ungesagte zwischen uns", welches heute erscheint, ist mal wieder eines von Colleen Hoovers neuerlichen Genreexeperimenten, in dem sie Young Adult mit einer 30+-Romance kombiniert. Nachdem ich von einigen ihrer Ausflüge in eine neue Richtung (z.B. "Was perfekt war", "Die tausend Teile meines Herzens") nur mäßig begeistert war, während andere (z.B. "Verity" oder "Nur noch ein einziges Mal") zum Jahreshighlight wurden, war ich sehr gespannt, in welche Kategorien ihr neuster Versuch einzuordnen sein wird. Kurzer Spoiler: leider eher in erstere. Denn auch wenn hier vieles gut gemacht war, konnte mich die Geschichte einfach nicht so sehr emotional abholen, wie ich das von der Autorin normalerweise gewöhnt bin.


Clara: "Ich dachte immer, je älter man wird, desto leichter würde alles werden, weil man weiß, wie das Leben läuft. Man ist emotional reifer und kann besser mit Krisen umgehen. Aber wenn ich mir Jonah jetzt gerade so anschaue, wie er sich bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass er in Gedanken ganz weit weg ist, oder meine Mutter, die versucht, ihr Leben zu bewältigen, als hätte sie noch irgendeinen Einfluss auf das, was passiert, sehe ich, dass Erwachsene das Ganze anscheinend genauso wenig im Griff haben wie wir. Sie tragen nur die besseren Masken."


Das Cover ist wieder ein wenig anders als die typische Gestaltung, da die Geschichte im dtv-Imprint "bold" erschienen ist. Mit dem weißen Hintergrund, dem großen schwarzen Titel und dem roten, blumigen Motiv, passt es optisch dennoch gut zu anderen Büchern der Autorin, die bei dtv erschienen sind, ist aber leider ein wenig nichtssagend. Rote Blumen auf hellem Grund? - das ist weder besonders aussagekräftig, noch kann ich eine thematische Verbindung zum Inhalt der Geschichte feststellen. Der deutsche Titel gefällt mir dafür aber sehr - fast noch besser als das Original. Denn was hier ungesagt blieb, sowohl in der Vergangenheit zwischen Morgan und Jonah, dann später in der Ehe von Morgan und Chris, als auch in der Gegenwart zwischen Morgan und ihrer Tochter Clara, türmt sich bald zu einer schmerzhaft hohen Mauer auf, die zwischen den beiden Protagonistinnen steht.


Erster Satz: "Gibt es das nur bei Menschen oder kennen auch andere Lebewesen das Gefühl, innerlich leer zu sein?"


Wir steigen nach einem kurzen Prologartigen Einschub aus Morgans Jugend einen Tag vor dem absoluten Tiefpunkt in Claras und Morgans Leben ein, denn als in einem tragischen Unfall Jenny und Chris - Schwester und Tante, Ehemann und Vater - ums Leben kommen, bricht die Welt von Mutter und Tochter zusammen. Was tun, wenn dir ein Schicksalsschlag den Boden unter den Füßen wegzieht und die beiden wichtigsten Menschen in deinem Leben, sind nicht mehr da, um dich zu trösten? Dass fragen sich sowohl Morgan als auch Clara und hoffen darauf, dass die Zeit ihre Wunden heilen wird. Statt langsam bergauf, geht es aber immer weiter bergab, denn heimliche Liebschaften, ein aufgedecktes Geheimnis und unterdrückte Gefühle vergiften das Verhältnis von Mutter und Tochter immer weiter. Denn sie suchen beide Trost in den Armen eines anderen, den sie nicht lieben sollten...


Clara: "Ich mochte meine Schneekugeln, weil ich fand, dass sie ein perfektes Abbild des Lebens waren. Manchmal ist es, als würde jemand nach der Welt greifen und sie kräftig durcheinanderschütteln - aus sämtlichen Richtungen fliegen die Fetzen -, aber wenn man lange genug abwartet, beruhigt sich alles wieder. Ich fand es tröstlich zu wissen, dass jeder Sturm irgendwann nachlässt, und danach ist alles so, wie es vorher war. Diese Woche habe ich gelernt, dass das nicht immer stimmt. Manchmal sind die vom Sturm angerichteten Zerstörungen so schlimm, dass sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können."


Mehr will und kann ich genau wie der Klapptext nicht über die Geschichte verraten, ohne zu viel vorwegzunehmen. Wenn ihr das genaue Thema noch nicht kennt, mit dem sich das Buch auseinandersetzt, dann hört also genau an dieser Stelle mit dem Lesen meiner Rezension auf und lasst die Handlung einfach auf euch zu kommen. Colleen Hoover hat hier nach einem unkonventionellen Start eine ebenso ungewöhnliche Handlungskonstruktion gewählt und erzählt ihre Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen und aus zwei verschiedenen Perspektiven: die von Mutter und Tochter, die zwar nur 17 Lebensjahre voneinander trennen, sich nach dem Unfall jedoch immer weiter voneinander entfremden. Zusätzlich zu den Geschehnissen der Gegenwart, rekapituliert Morgan auch immer wieder Erinnerungen aus der Zeit, als sie selbst 17 war und fragt sich so, wie ihr Leben in so einem Chaos enden konnte. Etwas schade an diesem Konzept ist, dass wir schon von Beginn an fast alles aus dem Leben der beiden Protagonistinnen wissen und auch in "das große Geheimnis" schon in den ersten Kapiteln eingeweiht werden, sodass die Geschichte kaum einen wirklichen Spannungsbogen aufweisen kann. Stattdessen müssen wir zusehen, wie sich die beiden Erzählerinnen von einer Katastrophe in die nächste manövrieren und sich gegenseitig immer wieder in dem Versuch verletzten, Frieden zu finden.


Clara: "Es ist so ungerecht, dass nur eine einzige Sache passieren muss... dass eine einzige Sekunde reicht, um unsere Welt für immer zu zerstören. Um jeden glücklichen Moment, der je war, für immer kaputt zu machen."


Dass das Mutter-Tochter-Verhältnis hier vielschichtig und ambivalent dargestellt ist, will ich der Geschichte gar nicht absprechen, hier war aber vieles zu vorhersehbar, durchschnittlich und dramatisch, sodass ich zwar mitgerissen, aber nicht emotional vollständig abgeholt wurde. Zwar war das Schicksal der Figuren tragisch und der Schreibstil gewohnt emotional, die Handlung war aber nichts, was man nicht schonmal irgendwo so ähnlich gelesen hätte und auch die Atmosphäre nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie in ihren anderen Büchern. Dabei war hier genug Drama vorhanden, um fünf Bücher zu füllen. Neben Unschönem wie Entfremdung, Verlust, Orientierungslosigkeit, Rache, Verrat, Leere und Verzweiflung gibt es auch genauso viel Schönes wie Vergebung, Offenheit, Liebe, Zärtlichkeit, Sehnsucht, Vertrauen, Verständnis, Fürsorge und Selbstlosigkeit zu entdecken. Warum konnte ich vieles davon dann einfach nicht FÜHLEN?


Morgan: "Wahrscheinlich ist genau das das Problem." Ich drücke ihre Hände. "Kinder denken, ihre Eltern wüssten immer ganz genau, was sie tun und wie man sich zu verhalten hat, dabei stolpern Erwachsene in Wirklichkeit oft genauso planlos durchs Leben wie Jugendliche."


Trotz der vielen Tragik der Geschichte sind hier im Grunde zwei Liebesgeschichten zu einem chaotischen Durcheinander verbunden, die das Verhältnis zwischen Morgan und Clara schwierig machen. Während Morgan nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Schwester ein schreckliches Geheimnis herausfindet und daraufhin Trost in den Armen von Jennys Verlobten und Chris´ bestem Freund Jonah sucht, entdeckt Clara zusammen mit Miller, einem Jungen aus ihrer Schule ihre erste Liebe und versucht ihre Wut und ihren Schmerz durch neue Erfahrungen zu betäuben. Dass Mutter und Tochter das Treiben der jeweils anderen nicht gerade gut finden, macht auch die Verfolgung der beiden Liebesgeschichten für den Leser etwas schwer. Dadurch dass beide durch Missverständnisse, Lügen und Trauer eine immer schwierigere Beziehung haben, steht man als Leser etwas zwischen den Stühlen und blickt bald kritisch auf das Verhalten von beiden Erzählerinnen. So konnte ich mich nicht ganz auf die beiden wirklich süß erzählten Liebesgeschichte einlassen und habe in Habachtstellung auf die nächste Katastrophe gewartet.


Morgan: "Das ist die Energie, die uns Menschen ausmacht und antreibt. Wir fühlen uns zu anderen Menschen hingezogen, so wie wir uns in Kunstwerke verlieben, in Musik, in gutes Essen und Unterhaltung. Diese Begeisterung für das, was uns umgibt, macht das Leben schön. Wenn man beschließt, sich an einen Menschen zu binden, sagt man nicht: "Ich verspreche dir, dass ich mich nie mehr zu jemand anderem hingezogen fühlen werden", man sagt: "Ich verspreche dir, dass meine Loyalität dir gilt, obwohl ich möglicherweise anderen Menschen begegne, zu denen ich mich auch hingezogen fühlen werde."


Auch abseits des hier ausgelösten Zwiespalts, stand ich zwischen den beiden Figuren. Clara war etwas zu jung und verhielt sich oft zu sprunghaft und teeniemäßig, als dass ich sie gänzlich verstehen konnte, während Morgan sich trotz ihrer bloß 34 Jahre zu sehr verhält, als wäre ein Großteil ihres Lebens bereits vorbei, als dass ich ihre Konflikte wirklich fühlen konnte. Obwohl die perspektivischen Anteile ungefähr gleich verteilt sind, hatte ich das Gefühl, dass Clara und ihre jugendliche Seitweise ein wenig mehr im Vordergrund steht und Morgans Romanze ein wenig verhaltener abläuft. Auch wenn ich Clara in Zusammenhang mit Miller sehr mochte, fand ich das ein wenig schade, da mich auch Morgans Gefühle, ihr Versuch eines Neuanfangs und ihre Suche nach den Details um die bereits vorweggenommene Enthüllung (Spoiler: Die Affäre von Jenny und Chris) sehr interessiert haben. Insgeheim hatte ich bis zum Ende die Hoffnung, dass doch noch eine aufschlussreiche Wendung kommt, die die Geschichte ganz im Verity-Stil in einem anderen Licht erscheinen lässt. Doch statt die Antworten zu suchen, die wir alle erwartet haben, lässt Colleen Hoover ihre Figur die Briefe zerreißen, die Aufschluss gegeben hätten und damit nicht nur Morgan sondern auch uns in unbefriedigender Ungewissheit zurück. Sieht man davon ab, ist das Ende aber mein unangefochtenes Highlight der gesamten Geschichte. Denn gerade die letzten zwei Kapitel und der Epilog sind wie gewohnt zuckersüß, witzig, hintergründig und emotional, sodass mir nochmal vor Augen geführt wurde, was diese Geschichte hätte sein können.


Morgan: "An dem Tag, an dem sich herausstellte, dass ich schwanger war, hörte ich auf, mein eigenes Leben zu leben. Ich glaube, es ist an der Zeit, herauszufinden, was aus mir geworden wäre, wenn ich damals nicht angefangen hätte, mein Leben für alle anderen zu leben."




Fazit:


Colleen Hoover erzählt in ihrem neusten Genre-Experiment zwei getrennte Liebesgeschichten, stellt dabei aber die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung der beiden Erzählerinnen in den Vordergrund. Zwar haben mir der vertrackte Aufbau, der gewohnt emotionale Schreibstil und das tragische Schicksal der Figuren grundsätzlich gut gefallen, leider war die Handlung aber nichts, was man nicht schonmal irgendwo so ähnlich gelesen hätte und auch die Atmosphäre nicht so gefühlsgewaltig und intensiv wie in ihren anderen Büchern, sodass mich die Geschichte trotz allem einfach nicht so sehr emotional abholen, wie ich das von der Autorin normalerweise gewöhnt bin.


PS: Wer sich jetzt vielleicht wundert, warum ich nach dieser eher negativ klingenden Rezension trotzdem eine Leseempfehlung und 3,5 Sterne vergebe, den will ich nochmal daran erinnern, dass "All das Ungesagte zwischen uns" nach Colleen-Hoover-Maßstäben deutlich ausbaufähig, ansonsten aber eine sehr interessante Geschichte war.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2020

Eine erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst!

Hate Notes
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Im März habe ich schon "Rebel Soul" vom Autorenduo Ward-Keeland gelesen und konnte nicht ganz überzeugt werden. Mit "Hate Notes" wollte ich den beiden Bestseller-Autorinnen noch eine Chance geben und wurde ...

Im März habe ich schon "Rebel Soul" vom Autorenduo Ward-Keeland gelesen und konnte nicht ganz überzeugt werden. Mit "Hate Notes" wollte ich den beiden Bestseller-Autorinnen noch eine Chance geben und wurde dafür belohnt. Zwar gibt es auch hier ein paar Punkte, die eindeutig ausbaubar sind, alles in allem präsentieren Vi Keeland und Penelope Ward hier aber runde New-Adult-Unterhaltung.

Das Cover... najaa... Auch wenn ich mir damit widerspreche, da ich es grundsätzlich super finde, wenn das Original-Cover und der Originaltitel übernommen werden: Ich mag keine Cover mit Menschen, vor allem nicht, wenn ein Model-Gesicht vorschreibt, wie man sich einen Hauptprotagonisten vorzustellen hat. Also landet diese Geschichte ganz am Ende des Regals, gut versteckt zwischen den ansonsten immer kreativ und bunt gestalteten anderen LYX-Covern. Auch den Titel, der ja dem Originaltitel entspricht, finde ich nur bedingt gelungen. Zwar passt er nach längerem Nachdenken zum Inhalt, es wäre jetzt aber nicht der erste Titel, der mir zu dieser Geschichte in den Sinn gekommen wäre.


Erster Satz: "Noch vor einem Jahr hätte ich keinen Fuß in dieses Geschäft gesetzt."



Eine vom Verlobten betrogene und am Rande der Existenz stehende Frau, die beim Verkauf ihres Designerbrautkleids eine romantische Notiz findet und daraufhin die vom alkoholbeflügelte Idee verfolgt, den Urheber dieser Notiz zu finden? Die dann durch einen weiteren Zufall genau der Dame auf der öffentlichen Toilette weinend ihr Leid klagt, die sie als Assistentin eben dieses Romantikers einstellt, in der Hoffnung, dass so beide aus ihrem emotionalen Schlamassel finden? Die Grundhandlung klingt eigentlich absurd, funktioniert aber als erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst, mal genervt den Kopf schüttelt und dann wieder ein paar Tränchen verdrückt, es am liebsten zur Seite legen würde aber gleichzeitig vom Suchtpotential zu sehr gepackt ist.

Als mein Rezensionsexemplar mit der Post ankam, überrollte mich nach der ersten typischen Buchsendungs-Euphorie erstmals die Skepsis. Denn erst im gedruckten Zustand sieht man wirklich, wie dünn diese Geschichte ist. Meine Vorbehalte aufgrund der geringen Seitenzahl sollten sich aber nicht bewahrheiten. Es gibt hier zwar relativ wenig Rahmenhandlung, die Zeit reicht jedoch aus, die dünne Geschichte zu Ende zu erzählen. Bis auf ein bisschen Arbeit, ein paar Unternehmungen für die Bucket-List, eine Übernachtung in den Hamptons und eine unverhoffte Reise nach Texas gehen die beiden Autorinnen nämlich nach dem typischen "die beiden Love Interests treffen in verschiedenen Situationen aufeinander und versprühen Chemie"-Konzept vor. Die Konsequenz daraus, dass die Entwicklung der Beziehung durch relativ wenig konkrete Handlung begleitet wird, ist dass die komplette erste Hälfte der Geschichte fast ausschließlich aus Dialogen zwischen Reed und Charlotte besteht. Versteht mich nicht falsch, ich habe überhaupt nichts gegen fetzige Schlagabtausche, doch leider wirken einige der Szenen gezwungen, unnatürlich oder enthalten so viele sexuelle Anspielungen, dass ich einfach nur genervt mit den Augen rollen musste.


"Mein Enkel kämpft im Inneren damit, wer er wirklich ist und wer er glaubt, sein zu müssen. Damit, was er wirklich will und was er glaubt, verdient zu haben."


Nach dem wir das eher ungewöhnliche Kennenlernen der beiden, ihre ersten Flirts, Sticheleien und Wortgefechte hinter uns gebracht haben, werden in der zweiten Hälfte der Geschichte dann die Altlasten und Gefühle ausgepackt und es kommt eine ordentliche Portion Drama dazu. Hier ging mir leider einiges zu schnell, sodass manche Entwicklungen nur leicht angerissen wurden. Das Autorenduo bringt hier wie gewohnt auch einige ernsthafteren Themen wie Adoption, Krankheit, Verlust und Tod auf den Tisch. Als tiefgründig würde ich die Geschichte zwar trotzdem nicht bezeichnen, ab und zu ein wenig Emotionalität und Ernsthaftigkeit bietet aber einen angenehmen Gegenpol zum sonstigen Geplänkel. Leider kann man von New Adult mittlerweile keine wirklichen Auseinandersetzung mit solchen Themen mehr erwarten und wie so oft wurden die Thematiken nur genutzt um das Verhalten der Protagonisten zu erklären.


"Wenn Reed Sie vor den Kopf stößt und diese Frau in seine Nähe lässt, dann benutzt er sie als menschliches Schutzschild, um sich vor etwas abzuschotten, dem er sonst nicht widerstehen könnte."


Und das war auch bitter nötig, da sich beide im Lauf der Geschichte durch Komplexe, Ängste oder Hormone getrieben äußerst widersprüchlich verhalten. Wer das Buch gelesen hat, wird sich bestimmt auch an ein paar Szenen erinnern, die für den Unterhaltungswert etwas zu weit übers Ziel hinausschossen, in denen Reed und Charlotte Dinge sagten oder taten, die nicht ganz zu dem Bild zu passen scheinen, das wir uns bislang von ihnen gemacht haben und die scheinbar nur dazu dienen, uns zu die sexuelle Spannung zwischen den beiden zu verdeutlichen. Dass wir die beiden Protagonisten nur als Reaktion auf den jeweils anderen kennenlernen und beide schon nach wenigen Seiten dabei sind, sich zu verändern, sich widersprüchlich zu verhalten oder sich dem anderen anzupassen, trug leider nicht dazu bei, dass ich ein wirkliches Gefühl für die Charaktere erhielt. Hier hätte ich mehr gewollt und mehr gebraucht. Mehr Handlung, mehr Knistern, mehr von Charlotte und Reed, mehr Zeit, mehr Tiefe - einfach mehr von allem.


"In der Liebe ging es nicht um schöne Kleider, zärtliche Botschaften und ergreifende Worte. Es ging darum, miteinander durch dick und dünn zu gehen und nicht nur die besten Momente des Lebens miteinander zu teilen, sondern auch die schlechtesten. Es ging darum, füreinander da zu sein, wie ich für Reed da gewesen wäre, wenn er mich gelassen hätte. Ich dachte an meine leibliche Mutter. Wahre Liebe hatte auch mit Vergebung zu tun."


Das klingt jetzt aber erstmal viel negativer, als ich das beim Lesen empfunden habe. Denn trotz der kleinen Schwächen liest sich "Hate Notes" zu jedem Zeitpunkt leicht, flüssig und entwickelt mit den sexy, humorvollen, direkten Szenenbeschreibungen ein großes Suchtpotential. Auch die manchmal etwas derbe Sprache und die vielen sexualisierten Ankündigungen, Gedanken und Fantasien, die überall eingestreut sind, kann man den Autorinnen verzeihen, da sich ihre Protagonisten im letzten Drittel von Klischees frei machen und ihre schwankenden Persönlichkeiten mehr Profil erhalten, bevor der Leser gegen Ende durch weichgespülte, kitschige Dialoge an einem Zuckerschock stirbt. Denn auch wenn ich Schlussepiloge liebe, schießt dieser hier doch weeeeeiit über das Ziel hinaus




Fazit:


Vi Keeland und Penelope Ward erzählen eine erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst, mal genervt den Kopf schüttelt und dann wieder ein paar Tränchen verdrückt, es am liebsten zur Seite legen würde aber gleichzeitig vom Suchtpotential zu sehr gepackt ist. Zwar gibt es einige Punkte, die eindeutig ausbaubar sind, alles in allem präsentiert das Autorenduo jedoch solide, runde New-Adult-Unterhaltung!

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Veröffentlicht am 01.10.2020

Eine erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst!

Hate Notes
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Im März habe ich schon "Rebel Soul" vom Autorenduo Ward-Keeland gelesen und konnte nicht ganz überzeugt werden. Mit "Hate Notes" wollte ich den beiden Bestseller-Autorinnen noch eine Chance geben und wurde ...

Im März habe ich schon "Rebel Soul" vom Autorenduo Ward-Keeland gelesen und konnte nicht ganz überzeugt werden. Mit "Hate Notes" wollte ich den beiden Bestseller-Autorinnen noch eine Chance geben und wurde dafür belohnt. Zwar gibt es auch hier ein paar Punkte, die eindeutig ausbaubar sind, alles in allem präsentieren Vi Keeland und Penelope Ward hier aber runde New-Adult-Unterhaltung.

Das Cover... najaa... Auch wenn ich mir damit widerspreche, da ich es grundsätzlich super finde, wenn das Original-Cover und der Originaltitel übernommen werden: Ich mag keine Cover mit Menschen, vor allem nicht, wenn ein Model-Gesicht vorschreibt, wie man sich einen Hauptprotagonisten vorzustellen hat. Also landet diese Geschichte ganz am Ende des Regals, gut versteckt zwischen den ansonsten immer kreativ und bunt gestalteten anderen LYX-Covern. Auch den Titel, der ja dem Originaltitel entspricht, finde ich nur bedingt gelungen. Zwar passt er nach längerem Nachdenken zum Inhalt, es wäre jetzt aber nicht der erste Titel, der mir zu dieser Geschichte in den Sinn gekommen wäre.


Erster Satz: "Noch vor einem Jahr hätte ich keinen Fuß in dieses Geschäft gesetzt."



Eine vom Verlobten betrogene und am Rande der Existenz stehende Frau, die beim Verkauf ihres Designerbrautkleids eine romantische Notiz findet und daraufhin die vom alkoholbeflügelte Idee verfolgt, den Urheber dieser Notiz zu finden? Die dann durch einen weiteren Zufall genau der Dame auf der öffentlichen Toilette weinend ihr Leid klagt, die sie als Assistentin eben dieses Romantikers einstellt, in der Hoffnung, dass so beide aus ihrem emotionalen Schlamassel finden? Die Grundhandlung klingt eigentlich absurd, funktioniert aber als erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst, mal genervt den Kopf schüttelt und dann wieder ein paar Tränchen verdrückt, es am liebsten zur Seite legen würde aber gleichzeitig vom Suchtpotential zu sehr gepackt ist.

Als mein Rezensionsexemplar mit der Post ankam, überrollte mich nach der ersten typischen Buchsendungs-Euphorie erstmals die Skepsis. Denn erst im gedruckten Zustand sieht man wirklich, wie dünn diese Geschichte ist. Meine Vorbehalte aufgrund der geringen Seitenzahl sollten sich aber nicht bewahrheiten. Es gibt hier zwar relativ wenig Rahmenhandlung, die Zeit reicht jedoch aus, die dünne Geschichte zu Ende zu erzählen. Bis auf ein bisschen Arbeit, ein paar Unternehmungen für die Bucket-List, eine Übernachtung in den Hamptons und eine unverhoffte Reise nach Texas gehen die beiden Autorinnen nämlich nach dem typischen "die beiden Love Interests treffen in verschiedenen Situationen aufeinander und versprühen Chemie"-Konzept vor. Die Konsequenz daraus, dass die Entwicklung der Beziehung durch relativ wenig konkrete Handlung begleitet wird, ist dass die komplette erste Hälfte der Geschichte fast ausschließlich aus Dialogen zwischen Reed und Charlotte besteht. Versteht mich nicht falsch, ich habe überhaupt nichts gegen fetzige Schlagabtausche, doch leider wirken einige der Szenen gezwungen, unnatürlich oder enthalten so viele sexuelle Anspielungen, dass ich einfach nur genervt mit den Augen rollen musste.


"Mein Enkel kämpft im Inneren damit, wer er wirklich ist und wer er glaubt, sein zu müssen. Damit, was er wirklich will und was er glaubt, verdient zu haben."


Nach dem wir das eher ungewöhnliche Kennenlernen der beiden, ihre ersten Flirts, Sticheleien und Wortgefechte hinter uns gebracht haben, werden in der zweiten Hälfte der Geschichte dann die Altlasten und Gefühle ausgepackt und es kommt eine ordentliche Portion Drama dazu. Hier ging mir leider einiges zu schnell, sodass manche Entwicklungen nur leicht angerissen wurden. Das Autorenduo bringt hier wie gewohnt auch einige ernsthafteren Themen wie Adoption, Krankheit, Verlust und Tod auf den Tisch. Als tiefgründig würde ich die Geschichte zwar trotzdem nicht bezeichnen, ab und zu ein wenig Emotionalität und Ernsthaftigkeit bietet aber einen angenehmen Gegenpol zum sonstigen Geplänkel. Leider kann man von New Adult mittlerweile keine wirklichen Auseinandersetzung mit solchen Themen mehr erwarten und wie so oft wurden die Thematiken nur genutzt um das Verhalten der Protagonisten zu erklären.


"Wenn Reed Sie vor den Kopf stößt und diese Frau in seine Nähe lässt, dann benutzt er sie als menschliches Schutzschild, um sich vor etwas abzuschotten, dem er sonst nicht widerstehen könnte."


Und das war auch bitter nötig, da sich beide im Lauf der Geschichte durch Komplexe, Ängste oder Hormone getrieben äußerst widersprüchlich verhalten. Wer das Buch gelesen hat, wird sich bestimmt auch an ein paar Szenen erinnern, die für den Unterhaltungswert etwas zu weit übers Ziel hinausschossen, in denen Reed und Charlotte Dinge sagten oder taten, die nicht ganz zu dem Bild zu passen scheinen, das wir uns bislang von ihnen gemacht haben und die scheinbar nur dazu dienen, uns zu die sexuelle Spannung zwischen den beiden zu verdeutlichen. Dass wir die beiden Protagonisten nur als Reaktion auf den jeweils anderen kennenlernen und beide schon nach wenigen Seiten dabei sind, sich zu verändern, sich widersprüchlich zu verhalten oder sich dem anderen anzupassen, trug leider nicht dazu bei, dass ich ein wirkliches Gefühl für die Charaktere erhielt. Hier hätte ich mehr gewollt und mehr gebraucht. Mehr Handlung, mehr Knistern, mehr von Charlotte und Reed, mehr Zeit, mehr Tiefe - einfach mehr von allem.


"In der Liebe ging es nicht um schöne Kleider, zärtliche Botschaften und ergreifende Worte. Es ging darum, miteinander durch dick und dünn zu gehen und nicht nur die besten Momente des Lebens miteinander zu teilen, sondern auch die schlechtesten. Es ging darum, füreinander da zu sein, wie ich für Reed da gewesen wäre, wenn er mich gelassen hätte. Ich dachte an meine leibliche Mutter. Wahre Liebe hatte auch mit Vergebung zu tun."


Das klingt jetzt aber erstmal viel negativer, als ich das beim Lesen empfunden habe. Denn trotz der kleinen Schwächen liest sich "Hate Notes" zu jedem Zeitpunkt leicht, flüssig und entwickelt mit den sexy, humorvollen, direkten Szenenbeschreibungen ein großes Suchtpotential. Auch die manchmal etwas derbe Sprache und die vielen sexualisierten Ankündigungen, Gedanken und Fantasien, die überall eingestreut sind, kann man den Autorinnen verzeihen, da sich ihre Protagonisten im letzten Drittel von Klischees frei machen und ihre schwankenden Persönlichkeiten mehr Profil erhalten, bevor der Leser gegen Ende durch weichgespülte, kitschige Dialoge an einem Zuckerschock stirbt. Denn auch wenn ich Schlussepiloge liebe, schießt dieser hier doch weeeeeiit über das Ziel hinaus




Fazit:


Vi Keeland und Penelope Ward erzählen eine erfrischend witzige und herzerwärmende Story, die man beim Lesen abwechselnd liebt und hasst, mal genervt den Kopf schüttelt und dann wieder ein paar Tränchen verdrückt, es am liebsten zur Seite legen würde aber gleichzeitig vom Suchtpotential zu sehr gepackt ist. Zwar gibt es einige Punkte, die eindeutig ausbaubar sind, alles in allem präsentiert das Autorenduo jedoch solide, runde New-Adult-Unterhaltung!

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