1000 Seiten Spannung
Kingsbridge - Der Morgen einer neuen ZeitSo, die letzte Seite ist zugeschlagen und ich bin wieder zurück aus Dreng's Ferry bzw. Kingsbridge und in der Gegenwart gelandet.
Das neue Buch von Ken Follett ist ein Prequel und beginnt 200 Jahre vor ...
So, die letzte Seite ist zugeschlagen und ich bin wieder zurück aus Dreng's Ferry bzw. Kingsbridge und in der Gegenwart gelandet.
Das neue Buch von Ken Follett ist ein Prequel und beginnt 200 Jahre vor dem ersten Band um Kingsbridge "Die Säulen der Erde". Deshalb wollte ich ihn auch unbedingt lesen, denn ich muss beschämend zugeben, dass ich kein Buch von Ken Follett bisher gelesen habe, aber "Die Säulen der Erde" als Film gesehen habe. In "Der Morgen einer neuen Zeit" geht es um die Vorgeschichte und diese kann man mühelos ohne Vorwissen lesen.
Die Zeit von der Ken Follett hier erzählt ist eine dunkle Zeit, über die wir nicht wirklich viel wissen. Das gibt Raum für Interpretationen und das beherrscht der Autor wiederum perfekt.
Wir starten im Jahre 997. Der junge Bootsbauer Edgar schleicht sich frühmorgens aus dem Haus, denn er möchte sich mit seiner verheiraten Geliebten treffen. Plötzlich erblickt er am Horizont Drachenboote. Edgar kann noch kurz die Kirchenglocken läuten um die Einwohner zu warnen, als die Wikinger auch schon über die Stadt herfallen, brandschatzen und töten. Die Familie verliert ihr Zuhause, der Vater wird ermordet. Als einziger Ausweg bleibt seiner Mutter und seinen beiden Brüdern Eadbald und Erwan ein ihnen zugeteilter Landstrich abseits der Küste: ein kleiner Weiler genannt Dreng's Ferry. Der Ort besteht aus einer Schenke und einer Kirche, sowie ein paar vereinzelten Katen. Zusätzlich gibt es eine Fähre über den Fluss. Ein Überleben ist beim sehr unwirtlichen Boden ein schwieriges Unterfangen, vorallem sind Edgar und seine Brüder keine Bauern, sondern Bootsbauer.
Dreng's Ferry gehört zum Herrschaftsgebiet von Shiring und wird von den Machthabern verwaltet. Das Leben für die einfachen Leute ist schwer. Sie stehen total unter der Herrschaft des Aldermannes und der Kirche. Es wird oftmals brutal und grausam. Abenteuer, Kämpfe, Intrigen und Machtgier bestimmen die Handlung des Schmökers. Wir bekommen Einblicke in das einfache Leben der armen Leute, der Sklaven, die unrechtmäßg gehalten werden, erfahren aber auch mehr über Adelige und Kleriker. Verbrechen gibt es auf jeder Seite und so fliegt man durch die vielen Seiten, die immer wieder überraschende Wendungen bieten. Der Spannungsbogen baut sich kontinuierlich auf und so hat man beim Lesen oftmals gar nicht das Gefühl einen dicken Schmöker in der Hand zu halten.
Die Charaktere sind sehr lebendig, aber manchmals etwas zu schwarz-weiß gezeichnet. Edgar ist zwar der Hauptprotagonist, doch er blieb gegenüber von Ragna blasser. Er ist ein schlaues Köpfchen und hat exzellente räumliche Vorstellungen, die er auch umsetzen kann. Doch auf den 1026 Seiten gelang ihm alles, was er in die Hand nahm und das fand ich nicht ganz glaubwürdig. Nur in der Liebe - da hat er kein Glück.
Ragna hingegen ist eine sehr starke Frau, die strategisch denken kann und gerecht ist. Sie ist eine normannische Adelstochter und heiratet den englischen Aldermann Wilwulf. Sie ist in ihn verliebt, erkennt aber zu spät, dass sie nicht die einzige Frau ist. Zusätzlich machen ihr ihre Stiefschwiegermutter Gytha und deren beiden Söhne Wynstan und Wigelm das Leben schwer. Sie intregieren gegen sie, wo es nur geht.
Bischof Wynstan spielt dabei eine große Rolle. Der skrupellose Kirchenmann will die Macht und kennt dabei keine Grenzen. Jeder, der ihm in den Weg tritt, wird vernichtet. Einer seiner Widersacher ist der Mönch Aldred, der nach Dreng's Ferry strafversetzt wurde. Er träumt von einer großen Bibliothek - einem Zentrum der Gelehrigkeit, doch Dreng's Ferry ist ein Ort ohne große Zukunft. Aldred gibt nicht so schnell auf und in Edgar findet er einen schlauen Freund. Gemeinsam bauen sie den unscheinbaren Ort zu einem wohlhabenden Fleckchen auf....
Zahlreiche Nebenfiguren tummeln sich auf den vielen Seiten, die mir allesamt sehr gut gefallen haben. Hervorzuheben sind dabei Blod, das walisische Sklavenmädchen, das in Dreng's Schenke jeden Mann angeboten wird; Agnes, die Ragna als Dienerin nach England begleitet oder Wigelm, der zum Ende hin immer mehr Raum bekommt.
Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, aber ich habe auch einige Kritikpunkte. Wie bereits oben erwähnt fand ich die Figuren zu schwarz-weiß gezeichnet. Ein paar Grauschattierungen hätten gut getan. Ebenso war mir das Ende zu schnell abgefertigt. Das klingt jetzt etwas komisch bei einem historischen Roman über tausend Seiten, aber irgendwie überschlugen sich zum Ende hin die Ereignisse und die Auflösung war mir zu einfach. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau...Ken Follett zählt neben Rebecca Gablé zu den größten Autoren historischer Romane.
Schreibstil:
Follett schreibt sehr eingängig und fesselnd, wenn auch einfacher als ich mir vorgestellt hatte. Manchmal wird es sogar etwas derb. Der Autor hat gut recherchiert und gekonnt die Lücken in der Geschichte mit einfallreichen und spannenden Ideen gefüllt.
In zwei Handlungssträngen erzählt Follett abwechselnd die Geschichte über Edgar oder Ragna.
Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt: Teil 1 - Die Hochzeit (997 na. Chr.), Teil 2 - Der Prozess (998), Teil 3 - Der Mord (1001-1003), Teil 4 - Die Stadt (1005-1007). Jeder Teilabschnitt ist mit einer zweiseitigen Illustration versehen.
Vermisst habe ich ein Personenverzeichnis. Vorallem die sehr ähnlich klingenden Namen verwirren manchmal etwas. Im Inneren gibt es eine Karte von England und Teilen Frankreichs. Die Ausstattung mit Lesebändchen ist hochwertig, das Papier fest. Auch hinter dem abnehmbaren Cover ist das Buch ein Schmuckstück.
Fazit:
Ein historischer Schmöker, den ich sehr gerne gelesen habe und bei dem die Seiten nur so dahin geflogen sind. Einige Kritikpunkte gibt es jedoch, die für meine Bewertung keine fünf Sterne erlauben. Das Prequel kann auch ohne Vorkenntnisse der Trilogie um Kingsbrideg gelesen werden. Gerne empfehle ich das Buch für lange Wintertage oder im Lockdown...man hat genug Lesetoff, der gut unterhält!