Das Buch:
Sowohl der Titel als auch der Klappentext und die Leseprobe haben mein Interesse an diesem Buch geweckt. Mir gefiel die Idee ausnehmend gut, einmal zu beleuchten, was hätte sein können, wenn die DDR gesamtdeutsch gewesen wäre. Auch der Auftakt zeugte von einer sehr guten Idee, sodass ich mich wirklich darauf freute zu erfahren, wie der Autor dieses - sicherlich schwere - Thema umgesetzt haben würde. Nicht zuletzt soll hinter dem Pseudonym Maxim Voland ein Bestseller-Autor stecken, was natürlich zusätzlich reizt.
Worum geht’s?
Stasi Oberst Gustav Kuhn trägt sich mit dem Gedanken 2020 ein RWE (rechtswidriges Ersuchen) einzureichen, also einen Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR. Diese Absicht teilt er seinem Patenkind Roland mit, während beide im Telecafe von Nadja bedient werden. Nach deren Feierabend beobachten Roland und Gustav einen Giftgasanschlag über dem Platz der Akademie, dem auch Nadja zum Opfer fällt. Daraufhin ändert Gustav seine Pläne…
Die Charaktere:
Ich konnte mich über die ganze Länge des Buches für keinen der Charaktere erwärmen. Alle Charaktere bleiben für mich irgendwie unnahbar, über keinen erfährt man einen wirklichen Hintergrund – z.B. warum er in welche Lage geraten war.
Oberst Kuhn hat ganz offensichtlich eine Affäre mit der deutlich jüngeren Nadja. Wie es dazu kam und warum sich die beiden irgendwann einmal zueinander hingezogen fühlten, bleibt völlig unklar. Dennoch ist sie der Auslöser dafür, dass er seine Pläne radikal ändert, als sie dem Giftgasanschlag zum Opfer fällt. Kuhn ist ein alternder, unzufriedener Stasi-Oberst, der sich das Missfallen seiner Vorgesetzten zugezogen hat und im Grunde auf dem Abstellgleis ungeliebte Abhördienste tätigt. Um bei den Ermittlungen um den Giftgasanschlag mitwirken zu können, bewirbt er sich um eine Stelle in der Hauptabteilung XII. Als Sonderermittler in einer anderen Abteilung beginnt er nun herauszufinden, wie es zu dem Anschlag kommen konnte und wer dahinter steckt.
Der französische Dolmetscher Chris fährt zur Beerdigung seines Urgroßvaters in die DDR und lernt dort seine Familie zum ersten Mal kennen. Viel Zeit bleibt ihm dazu allerdings nicht, denn bis auf Alicia – seine Cousine – wird diese vollständig ausgelöscht. Wer Chris wirklich ist, bleibt ebenso unklar wie die Aufklärung, was Alicia in der DDR tut. Lediglich Andeutungen lassen den Schluss zu, dass Alicia nicht ganz regelkonform in der DDR lebt.
Und dann ist da noch Harper eine Agentin des MI6, die quasi außerhalb der DDR zusammen mit ihrem Chef Bristol ebenfalls auf den Spuren des Giftgasanschlages ist. Bristol ist bereits ein alter Mann und verdient in seinem Job, dennoch erfährt der Leser wenig über ihn, ebenso wie über Harpers Vergangenheit.
Für mich standen die Charaktere nur in der jeweiligen Situation, aber für keinen schlug mein Herz. Obwohl sie über die meiste Zeit des Romans unter Waffenbeschuss standen, konnte sich etwas wie Mitleid oder dergleichen überhaupt nicht einstellen. Noch nicht einmal eine Abneigung gegen einen der Charaktere konnte ich während des Lesens fühlen.
Schreibstil:
Bereits nach der Leseprobe hatte ich bemerkt, dass der Schreibstil nicht so ganz nach meinem Geschmack ist, aber mich hat die Idee sehr gereizt. Im Vorwort gibt der Autor dem Leser einen Einblick in seine DDR. Das hat mir gut gefallen, denn so hatte ich eine Orientierung, wo genau der Autor ansetzt. Allerdings zeigt er während des Romans nicht sonderlich viel von seiner DDR. Z.B. erörtert er, dass sich seine DDR und das heutige China gut verstehen, eine Verbindung zwischen den beiden Ländern gibt es im Roman allerdings nicht.
Der Autor deutet auch bereits im Vorwort an, dass es einen unglaublichen Coup der Sowjets im Jahr 1949 gegeben haben soll, der zur gesamtdeutschen DDR führte. Was genau passierte, erfährt der Leser im Roman allerdings nicht. Entweder die Wissenden werden – bevor sie etwas sagen können – erschossen oder aber es bleibt auf andere Art und Weise ungesagt. Der Autor beginnt oftmals einen Spannungsbogen aufzubauen, lässt ihn dann aber durch den abrupten Tod einfach in sich zusammenbrechen. Zudem ist es bald recht voraussehbar, wann wieder einmal ein Gemetzel stattfinden würde.
Die Auflösung über den Coup 1949 findet im Nachwort auf etwa 1,5 Seiten statt. Der Autor schreibt dazu, dass er dem Leser überlassen möchte, ob er die Lösung wissen will oder nicht und ihm somit überlässt, das Nachwort zu lesen oder eben nicht. Ich war enttäuscht, denn genau das war ja der Punkt, der mich an dem Buch gereizt hat. Diesen dann auf nur 1,5 Seiten zu lesen, halte ich für nicht ausreichend.
Den Schreibstil habe ich als vergleichsweise anstrengend empfunden. Während die Charaktere blass bleiben – wenig menschlich, würde ich sagen – werden Szenen, in denen Menschen erschossen werden, sehr detailliert und über viele Seiten beschrieben. Darüber hinaus gibt es – aus meiner Sicht – übermäßig viele dieser Szenen.
Die Geschichte wird in 3 – eher voneinander unabhängigen – Handlungssträngen erzählt. Erst fast zum Schluss werden diese miteinander verbunden. Auch findet wenig Handlung wirklich in der DDR statt, oftmals befindet sich der Leser im Ausland, sodass der Autor sich meiner Meinung nach selbst die Möglichkeit genommen hat, seine DDR zu zeigen. Vielmehr werden einschlägige Klischees wie die Stasi und die NVA bedient. Die DDR des Autors scheint somit tatsächlich aus offiziellen und inoffiziellen Stasi-Mitarbeitern und den daraus resultierenden Intrigen untereinander zu bestehen oder aus Angehörigen der NVA. Wie das vermeintlich glückliche Volk aber tatsächlich lebt, zeigt er nicht.
Eine Szene fand ich wirklich interessant und spannend und das war Chris‘ Einreise in die DDR. Diese empfand ich auch als glaubwürdig. So könnte es in einem solchen Land wie dieser fiktiven DDR wirklich sein. Solche Szenen hätte ich mir deutlich mehr gewünscht.
Fazit:
Wer Romane mag, in denen es viele sehr blutige, sehr detailgetreu erzählte Schusswechsel gibt, der ist mit diesem Buch absolut gut beraten, wer allerdings etwas über eine fiktive DDR erfahren möchte, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Ich kann den Roman leider so gar nicht empfehlen. 1 Stern.