Interessant und unterhaltsam… Island um 1900…
60 Kilo SonnenscheinZeitreise : zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert.
Ortswechsel: auf geht‘s in den kleinen fiktiver Ort Segulfjörður in Island.
Elifur, ein armer Kleinbauer mit einer Kuh und drei Lämmern, ist seit sechs ...
Zeitreise : zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert.
Ortswechsel: auf geht‘s in den kleinen fiktiver Ort Segulfjörður in Island.
Elifur, ein armer Kleinbauer mit einer Kuh und drei Lämmern, ist seit sechs Jahren verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern in einer Kate.
Das Weihnachtsfest steht bevor und um es kulinarisch mit Mehlkuchen zu verfeinern, macht er sich auf den beschwerlichen Weg durch Kälte, Eis und Schnee, um Weizen zu besorgen.
Es gelingt ihm, ein Tauschgeschäft mit einem Kaufmann und Reeder auszuhandeln:
Drei Kilogramm Weizen gegen 99 Forellen, die Elifur im Frühling liefern soll.
Dem Weihnachtsfest steht nichts mehr entgegen... könnte man meinen. Ist aber nicht so, denn daheim erwartet ihn eine Katastrophe!
Das immense Gewicht des Schnees hat seine Kate zum Einstürzen gebracht und nur sein zweijähriger Sohn Gestur ist mit dem Leben davongekommen.
Um seinem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen und wahrscheinlich auch, um die Katastrophe aus der Distanz besser verdauen zu können, plant Elifur, mit Gestur in die USA auszuwandern. Genau rechtzeitig verkauft ein Agent Tickets für Auswandererschiffe und Elifur ergreift diese Möglichkeit.
Bereits auf dem Weg dorthin, aber noch ganz zu Beginn, fordert sein Tauschpartner die 99 Forellen ein und Vater und Sohn werden mithilfe des Bezirksrichters und des Dorfpolizisten an der Überfahrt gehindert.
Elifur muss seine Schuld auf einem Haifangschiff abarbeiten und sein Sohn kommt als Pflegekind unter.
Im Verlauf begleiten wir Gestur auf seinen Lebensweg und lernen wir peu à peu sämtliche z. T. recht ungewöhnlichen Dorfbewohner und deren Schicksale kennen.
Das Leben und seine Katastrophen nehmen ihren Lauf. Veränderungen und Entwicklungen finden statt und die Moderne hält, ausgehend z. B. von im Hafen ankommenden Schiffen, Einzug.
Es ist mehr als interessant, in diese karge und abgelegene Region Islands einzutauchen und mit den harten Lebensumständen, den z. T. skurrilen Personen, der unfassbaren Armut, dem teilweise überwältigenden Unwissen und den gesellschaftlichen Veränderungen der damaligen Zeit konfrontiert zu werden.
Hallgrímur Helgason ist ein begnadeter Geschichtenerzähler mit einer überbordenden Fantasie. Man spürt beim Lesen seine Lust am Fabulieren und kann sich gut vorstellen, dass er sich manchmal ein schelmisches Augenzwinkern nicht verkneifen kann.
Es sind harte und düstere Lebensumstände, über die er schreibt, aber dieser tragikomische Roman ist keineswegs deprimierend, weil Helgason ihn mit Humor, schrägen Personen und manchmal fast absurden Situationen anreichert.
Es ist ein turbulentes und faszinierendes Werk, das mich in seiner epischer Breite und mit seiner literarischen Sprache fasziniert hat.
Mit treffenden und zum Teil drastischen Bildern beschreibt er schroffe Landschaften und vom Leben gebeutelte Menschen.
„60 Kilo Sonnenschein“ hat mir vergnügliche Lesestunden beschert und wurde, meine ich, aus gutem Grund mit einem isländischen Literaturpreis ausgezeichnet. Ob er der beste isländische Roman des Jahres ist, kann ich freilich nicht beurteilen.