Als Hauptkommissar Ralf Ziether die Leitung des Berliner Morddezernats "Mord 1" übertragen wird, löst das bei Hauptkommissarin Britt Bredehorst zunächst gemischte Gefühle aus, denn sie hätte diese Stellung ebenso gern angenommen. Ziehther und Bredehorst sind jedoch gezwungen, sich umgehend als ein Team zusammen zu finden, als ein unsagbar brutaler Mord an der Tochter des Berliner Kultursenators geschieht. Die politische Brisanz dieses Verbrechens und die angewandte Gewalt stellt die Kommissare und den Leiter der Kriminaltechnik, Piet Wieczorek, vor eine enorme Herausforderung, denn nach jedem Fortschritt bei den Ermittlungen erfolgt auf dem Fuße ein Ermittlungsrückschritt in Form eines erneuten, grausamen Verbrechens.
Zitat
Ein frostig-kalter Schnellzug meldete sich in seiner linken Armlehne an, ein Eiskristalle tragender Hokkaido-Express, der mit Höchstgeschwindigkeit, Wagen um Wagen, auf sein vor Angst zuckendes, warmes Herz zuraste. Eine Qual, als die Eisflut in seiner Brust explodiert. Messer stachen in seinen Schädel und schleuderten grell-weiße Funkenstürme in seine Augenhöhlen. Ein unfassbarer Schmerz, der keinen Atemzug mehr zuließ. Ein nicht enden wollender Hammerschlag brachte sein Bewusstsein zum Beben und schleuderte Jan hinab, unfassbar tief in eine undurchdringliche schwarze Leere.
Der Autor:
Stephan Leenen, Jahrgang 1958, ist Germanist und promovierter Historiker. Sein beruflicher Lebensweg ist wohl so vielschichtig wie sein Roman: Leiter eines Windmühlenmuseums, freiberuflicher Dozent oder Geschäftsführer einer Stadtmarketinggesellschaft. Sein geisteswissenschaftliches Studium schloss er mit einer Magisterarbeit über das Liedgut der SA ab und promovierte in Bremen über die Untergrundarbeit der KPD in der Weimarer Schutzpolizei. Die dafür erforderlichen Quellenstudien führten ihn just in der Wendezeit nach Berlin, wo er täglich zwischen einer Kreuzberger WG, die ihn aufgenommen hatte, und Berlin-Ost pendelte, da sämtliche Akten zur Geschichte der KPD im Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED am Rosa-Luxemburg-Platz zusammengetragen waren.
Das Schreiben begleitet ihn seit zehn Jahren, ein Prozess, der aus seinem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Mit »Blutroter Wahn« hebt er erstmals eins seiner Bücher aus dem Kreis privater und halböffentlicher Lesungen heraus. »Blutroter Wahn« ist der erste Band, der in der neuen Krimireihe »Spreenebel – Krimis entlang des Blauen Bandes« im Pax et Bonum Verlag erscheint.
Stephan Leenen ist glücklich verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Bremen.
Reflektionen:
Dieser Kriminalroman beginnt mit einem Mord, ganz so wie ich es erwartet habe und da „Blutroter Wahn“ als „Spreenebel-Fall“ angekündigt ist, nahm ich an, einen Regional-Krimi in meinen Händen zu halten. Falsch! „Blutroter Wahn“ ist kein typischer Regional-Krimi und kein Kriminalroman der im Mainstream mitschwimmt. Blutroter Wahn ist außergewöhnlich.
Autor Stephan Leenen schreibt wie auf mich zugeschnitten. Bereits nach 50 Seiten war ich mir sicher, dass mich dieser Kriminalroman begeistern wird. Stephan Leenen schreibt klar und gradlinig, niveauvoll und anspruchsvoll, so dass ich federleicht durch die Seiten lesen kann. Blumige Sprache oder gar Umgangssprachliches sind in dieser Story nicht zu finden. Einzig bei einer Figur, einem Obdachlosen, erlaubt er sich den Berliner Dialekt auf perfekte Weise anzuwenden.
Diese hoch spannende Geschichte ist komplex, aber für jeden verständlich. Sie ist ganz nach meinem Geschmack und doch rate ich jedem von diesem Buch ab, der es mal eben nebenbei lesen möchte. Erstens wäre es zu schade und zweitens würde man die Story nicht voll umfänglich genießen und erfassen können. Auch zart besaitete Leser sollten von diesem Werk Abstand nehmen.
Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass mir eine Geschichte den Atem raubte, das war sicher auch so, doch Blutroter Wahn hat mich nicht nur den Atem anhalten lassen, sondern mich ständig dazu veranlasst das Buch heftig schnaufend in den Schoß zu legen und den Leseschock in Form eines unglaublichen Kopfschüttelns zum Ausdruck zu bringen. Nein, nicht weil aus diesem Roman en masse Blut tropfen würde, sondern weil Autor Stephan Leenen mit einer meisterhaften Schreibkunst beseelt die Verbrechen zu seinem Spannungswerkzeug macht.
Ich habe wohl noch nie ein Buch gelesen, in dem so viele Verbrechen geschehen, die in ihrer Art und Weise nicht unterschiedlicher sein konnten, und die dennoch harmonisch integriert in die Handlung hineingeschrieben worden sind. Von Mord, Menschenhandel, Prostitution und Folter war zu lesen, von Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche, Drogenhandel und Stasi-Vergangenheit. Aber nicht nur das, denn Stephan Leenen hat auch top recherchiert. Er geht zum Beispiel in gutem und interessantem Maß darauf ein wie Gift wirkt, wie sich ein Brandsatz entzündet und was Drogen im menschlichen Körper anrichten. Und das ist immer noch nicht alles.
Stephan Leenens Figuren, auf der guten Seite, sind für mich Sympathieträger. Ganz besonders ist mir Kommissar Ralf Ziether ans Herz gewachsen, der professionell und empathisch agiert. Seine Empathie gegenüber seinen Mitmenschen ist von Feingefühl geprägt, während er selbst im Laufe der Ermittlungen immer wieder von Albträumen heimgesucht wird. Auch von diesen Träumen zu lesen bereichert den Leser, denn die schriftstellerische Umsetzung ist auch hier einzigartig gelungen. Es fällt Ziether nicht leicht sich zu öffnen, doch am Ende der Story gibt es manch knisternde Szene, die ihm gut tut. Es ist nur ein Hauch von Zuneigung erkennbar, durchzogen von Zweifeln, so zart wie ein Blütenblatt, und nach all den Gewaltverbrechen hat Stephan Leenen hier ebenso bewiesen, wie vielschichtig er schreiben kann.
Die Figuren, die für die Verbrechen verantwortlich sind, sind charakterstark in Szene gesetzt und wandeln sich im Laufe der Handlung. Oberflächliches liegt dem Autoren augenscheinlich fern. Er trifft immer ein gutes Maß, um Hintergründe zu beleuchten und Absichten der Protagonisten darzustellen, was bei dieser komplexen Handlung auch unabdingbar ist.
Schauplätze sind gut sichtbar vor meinem inneren Auge und ich folge den Ermittlern anschaulich quer durch Berlin. Auch Historische und Zeitgenössisches verarbeitet der Autor in seiner Story und so erlebe ich eine abgerundete Geschichte.
„Blutroter Wahn“ lebt durch ein kaltblütiges Netz aus Verbrechen, in dem die authentischen Ermittler eine anschauliche und kompetente Polizeiarbeit leisten, aber scheinbar immer einen Schritt zu spät kommen. Als Leser befinde ich mich auf Augenhöhe mit den Ermittlern.
Nach der einen und anderen erlesenen, durchaus recht blutigen Gewalttat hatte ich fälschlicherweise angenommen, dass der Autor diese explosionsartigen Überraschungen und zahlreichen Spannungshöhepunkte nicht erneut toppen könnte. Doch er konnte!
Mein Fazit:
Ein komplexer, sehr spannender Debüt-Kriminalroman, der den Leser auf Augenhöhe der Ermittler eine Geschichte erleben lässt, in der der Autor zahlreiche Verbrechen als Spannungswerkzeug nutzt.
Ich freue mich schon auf Stephan Leenens zweiten Kriminalroman „Missbrauchte Seelen“, ebenso erschienen im Pax et Bonum Verlag, in dem Kommissar Ziehter erneut ermitteln wird.