Unterhaltsamer, aber etwas derber und gewöhnungsbedürftiger historischer Roman
Oktoberfest 1900 - Träume und WagnisMünchen 1900: Colina arbeitet hart als Kellnerin in einer Gastwirtschaft. Immer wieder werden männliche Gäste zudringlich. Davon hat die junge Frau genug und versucht deshalb, eine neue Arbeit zu finden. ...
München 1900: Colina arbeitet hart als Kellnerin in einer Gastwirtschaft. Immer wieder werden männliche Gäste zudringlich. Davon hat die junge Frau genug und versucht deshalb, eine neue Arbeit zu finden. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bewirbt sie sich beim reichen Brauer Prank, der neu in München ist, als Gouvernante für dessen Tochter Clara und erhält tatsächlich die Stellung. Doch auch Clara hat einen eigenen Kopf und lässt sich nicht bevormunden, was beide Frauen ziemlich in die Bredouille bringt. Das Oktoberfest wird nicht nur für Clara und Colina recht turbulent, auch für die Polizei, Kriminalinspektor Eder und seinen neuen Assistenten Oberwachtmeister Lorenz Aulehner gibt es einiges zu tun...
Petra Grill schreibt einfach und gut verständlich, trotzdem empfand ich ihren Atmosphäre schaffenden Schreibstil als etwas grob, sperrig und gewöhnungsbedürftig. Lesefluss wollte sich bei mir zunächst nicht einstellen.
Auf dem Oktoberfest 1900 tummeln sich allerhand verschiedene Charaktere, allen voran die 31-jährige Colina mit ihrem Geheimnis, die sich für sich selbst ein besseres Leben erhofft als das eines Schankmädchens. Mit Leidenschaft, Engagement und nicht immer ganz ehrlichen und lauteren Mitteln versucht die junge, talentierte Frau ihr Ziel zu erreichen. Mit ihr fieberte ich als Leserin sofort mit. Ebenso sympathisch ist mir auch der Kriminaler Lorenz Aulehner. Ganz im Gegensatz dazu die verschiedenen Brauer und Gastwirte rund ums Oktoberfest, einige davon wirken ganz schön befremdlich, dubios und nicht vertrauenswürdig. Da stehen Intrigen an der Tagesordnung, schließlich geht es immer ums Geschäft und Schanklizenzen.
Schade, dass es am Anfang keine Auflistung der handelnden Figuren gibt. Diese wäre bei den vielen verschiedenen Charakteren doch recht hilfreich gewesen, um die Übersicht zu behalten.
Petra Grill vermittelt in ihrem Roman eine besondere Stimmung: das Oktoberfest als Schlangengrube, in der kein Wirt dem anderen etwas gönnt und auch vor Mord nicht zurückgeschreckt wird. Es herrscht ein grober, rauer Umgangston.
Auch eindrucksvoll die Darstellung des Schwabinger Künstlerviertels mit seinen bunten Persönlichkeiten, Künstlern, Schickeria, Journalisten....
Trotz des ungewöhnlichen, interessanten, besonderen Settings wollte bei der Lektüre für mich zunächst keine rechte Spannung aufkommen, der Funke sprang nicht über. Erst zum Schluss wurde ich von der sich steigernden Geschichte und Colinas Schicksal mitgerissen. Insgesamt eine durchaus unterhaltsame, interessante, aber oft derbe und gewöhnungsbedürftige atmosphärische Geschichte mit Längen, die hinter die Kulissen des historischen, weltberühmten Oktoberfests blicken lässt.